F o r t y - t h r e e
Kapitel: Der unausgesprochene Bruch
„Gray?" Ihre Stimme holt mich aus meinem Gedankenstrudel.
„Hm?" murmle ich, ohne wirklich präsent zu sein.
„Grayson!" wiederholt sie nachdrücklich, und ihre Stimme klingt besorgt.
Ich öffne meine Augen und blinzele. Sie steht vor mir, ihr Gesicht mit dieser sanften Sorge gezeichnet, die sie so unverwechselbar macht. Es war alles nur Einbildung. Der Kuss, ihre Nähe, diese Intimität – alles hatte sich nur in meinem Kopf abgespielt. Die Realität, so nüchtern sie auch war, stand nun vor mir.
„Was ist los?" fragt sie und legt den Kopf leicht schräg.
„Was meinst du?" Ich versuche zu lächeln, doch es fühlt sich gezwungen an.
„Du hast gesagt, ich soll dir etwas versprechen, dann bist du aufgestanden und hast deine Augen geschlossen", erklärt sie, während sie mich mit ihren großen, fragenden Augen ansieht.
„Oh, hahaha." Ich lache nervös, um die Situation zu überspielen.
„Gray, es ist doch alles in Ordnung bei dir, oder?"
Ich nicke schnell. „Ja, Sweety, mach dir keine Sorgen."
Sie scheint mir zu glauben, zumindest teilweise, und lächelt sanft. „Oki."
Dann steht sie auf und stellt sich direkt vor mich, so nah, dass ich ihren Duft einatmen kann. Er beruhigt mich und bringt mein Herz gleichzeitig aus dem Takt.
Wir schauen uns einen Moment lang einfach nur an. Es ist einer dieser Augenblicke, in denen die Zeit stillzustehen scheint.
„Was soll ich dir versprechen?" fragt sie schließlich, und ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern.
Ich schlucke schwer. „Dass du für mich lebst. Dass du für immer bei mir bleibst."
Ich weiß, wie das klingt – besitzergreifend, vielleicht sogar egoistisch. Aber es ist mir egal. Sie ist meins. Sie ist hier auf dieser Welt, um mir zu gehören, um mein Herz zu vervollständigen. Und ich werde sie nie loslassen.
Leyla sieht mich an, ihre Augen weich, aber auch mit einem Hauch von Verwirrung. „Gray... natürlich bleibe ich bei dir."
„Sweety..." flüstere ich, während ich ihren Namen wie ein Gebet auf meinen Lippen schmecke.
„Ja?"
Ich hole tief Luft. „Ist zwischen dir und Nash alles okay?"
Sie senkt den Blick und spielt mit den Enden ihres Schals. „Ja, schon... keine Ahnung, was zwischen uns los ist. Er ist so komisch. Er ignoriert mich seit der Sache mit seiner Oma."
„Warum?" frage ich, obwohl ich die Antwort kenne.
Sie zuckt mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Vielleicht nerve ich ihn. Oder es ist... was anderes."
Mein Blick fällt auf den Boden. Es ist nicht was, sondern wer. Ich weiß genau, warum Nash sich so verhält. Er weiß, dass er nicht gut genug für sie ist. Wie könnte er auch, nach allem, was er getan hat?
Ich will es ihr sagen. Ich will ihr sagen, dass Nash ihr oft fremdgegangen ist. Aber ich sehe das Funkeln in ihren Augen, die Hoffnung, dass es nur ein Missverständnis ist. Wenn ich es ihr sage, wird sie zerbrechen. Und das ist das Letzte, was ich will.
„Gray?" Ihre Stimme ist leise, fast flehend.
„Ja?"
„Weißt du vielleicht, warum Nash so tut?"
Mein Herzschlag beschleunigt sich, und ich schaue zur Seite, unfähig, ihr direkt in die Augen zu sehen.
„Gray, ist da was? Oder... w-wer?" Sie stottert, und ich sehe, wie sich Tränen in ihren Augen sammeln.
Ich spüre einen Stich in meiner Brust. Das ist die Chance. Ich könnte es ihr sagen. Ich sollte es ihr sagen.
„B-bitte Gray... sag es mir", flüstert sie, und ihre Stimme bricht.
Ich schließe kurz die Augen. „Nein. Es ist nichts."
Sie starrt mich an, und für einen Moment glaube ich, dass sie mir nicht glaubt. Doch dann umarmt sie mich, fest und warm, als wolle sie mir versichern, dass alles gut wird.
„Du würdest mir sofort sagen, wenn was ist, oder? Du würdest es mir sofort erzählen..."
Ich nicke mechanisch. „Ja, natürlich."
Lüge.
Ich bin ein Feigling. Ich hätte es ihr sagen können – nein, ich hätte es ihr sagen müssen. Doch ich habe sie angelogen.
Sie zieht sich zurück und sieht mich an. Ihre Augen sind so sanft, so voller Vertrauen.
„Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde", sagt sie, und ihre Worte treffen mich wie ein Schlag.
Ich beuge mich vor und drücke ihr einen Kuss auf die Stirn. Es ist das Einzige, was ich in diesem Moment tun kann, um ihr zu zeigen, wie viel sie mir bedeutet.
„Lass uns zusammen diesen Tag verbringen", schlägt sie vor und lächelt.
Ich zwinge mich zu einem Lächeln. „Ja, wir können dann aufnehmen, was wir so alles gemacht haben, und es auf YouTube posten."
„Ja", stimmt sie zu und nimmt meine Hand.
Sie strahlt, als wäre die Welt wieder in Ordnung. Doch in meinem Kopf schreit eine Stimme: Sag es ihr! Bevor sie es von jemand anderem erfährt. Sag es ihr!
Aber ich tue es nicht. Stattdessen lasse ich mich von ihr mitziehen, während ihre Finger sich um meine schließen. In diesem Moment fühlt sich alles richtig an. Auch wenn es eine Lüge ist.
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