F o r t y - f o u r
Kapitel: Der Schatten des Verrats
Graysons POV
Die Nacht legte sich wie ein schwerer Mantel über die Stadt. Vor der Bank war die Luft frostig, doch die Kalte, die ich spürte, kam von innen. Meine Gedanken rasten, mein Herz pochte in einem unerbittlichen Rhythmus, während ich auf Shawns nachste Anweisung wartete. Der Hintereingang der Central Bank war wie ein gähnender Abgrund, der uns in ein dunkles, ungewisses Schicksal ziehen wollte.
Unsere Masken verdeckten unsere Gesichter, nur die Augen waren sichtbar - Augen, die von Anspannung und Verzweiflung erfüllt waren. Niemand sprach, außer Shawn, dessen Stimme wie ein schneidender Dolch die Stille durchbrach.
„Seid bereit," befahl er mit ruhiger Autori-tät. Seine Worte hatten eine Schwere, die keinen Widerspruch zuließ.
Ich sah zu Ethan hinüber, der stumm seine Waffen überprüfte. Seine Lippen waren schmal zusammengepresst, die Stirn in Falten gelegt. Ich wollte ihm sagen, dass er gehen sollte, dass er hier nichts zu suchen hatte. Doch bevor ich sprechen konnte, teilte Shawn uns unsere Rollen zu.
„Michael führt die Jungs durch die Zentrale. Grayson, du kommst mit mir."
Mein Magen verkrampfte sich, und ein kalter Schauer lief über meinen Rücken.
Warum ich? wollte ich fragen, doch die Antwort war überflüssig. Shawn brauchte Kontrolle, und indem er mich bei sich behielt, hatte er sie.
„Zieh die Maske aus," befahl Shawn plötzlich.
Ich drehte mich zu ihm um, meine Augen verengt. „Bist du verrückt? Ohne Maske gehe ich da nicht rein."
„Du wirst keine brauchen," erwiderte er gelassen. „Du gehst als mein Partner rein."
Mit einem widerwilligen Seufzen zog ich die Maske ab und spürte sofort, wie die Unsicherheit mich umklammerte. Die Maske hatte mir zumindest das Gefühl gegeben, geschützt zu sein - anonym.
Jetzt war ich nackt, verletzlich.
Bevor wir in die Bank gingen, überprufte Shawn seine Waffe und reichte mir eine. „Für den Notfall," murmelte er, und seine Stimme hatte einen gefährlichen Unterton.
Die Bank war still, fast unheimlich. Die Marmorböden reflektierten das gedämpfte Licht, und die hohen Decken schienen unsere Schritte zu verschlucken. Wir bewegten uns langsam durch die Ein-gangshalle, während Doug über das Kommunikationsgerät Anweisungen gab.
„Die Kameras laufen im Loop. Ihr seid sicher," meldete er.
Ich hielt den Atem an, während Shawn ohne zu zögern die erste Bombe unter dem Empfangstresen platzierte. Sein Gesichtsausdruck war ungerührt, beinahe gelangweilt, als wäre das Ganze ein Spiel für ihn.
„Beeilt euch!" knurrte er, als ich zögerte, die nächste Bombe in einem Seitengang zu installieren. Meine Finger zitterten, als ich den Auslöser befestigte, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben.
„Michael, wie läuft es bei euch?" fragte Shawn durch das Kommunikationsgerät.
„Wir sind in der Zentrale. Doug arbeitet am Safe. Es gab... ein paar Zwischenfälle."
Zwischenfälle. Eine beschönigende Umschreibung für Mord. Mein Magen drehte sich um.
Wir näherten uns dem Büro des Bank-Chefs, Bill Thompson. Vor der Tür standen zwei wachsame Wachmänner, ihre Arme verschränkt, ihre Augen voller Misstrauen.
„Wir schalten sie aus," sagte Shawn kalt.
„Was?" flüsterte ich.
„Töte sie," befahl er leise.
Bevor ich widersprechen konnte, hatte einer der Männer bereits seine Hand auf meine Schulter gelegt. Mein Korper reagierte instinktiv. Ich packte seinen Arm, drehte ihn mit einer schnellen Bewegung auf den Rücken und warf ihn zu Boden. Sein Schrei wurde von der Wucht erstickt, als ich mein Knie in seinen Rücken drückte. Doch er war zäh. Mit einer unvorhergesehenen Drehung befreite er sich und versuchte, mich mit einem Schlagstock zu treffen.
Ich wich aus, spürte den Luftzug des Schlags an meinem Gesicht. Adrenalin schoss durch meine Adern, als ich mich mit einem gezielten Tritt gegen sein Knie zurückkämpfte. Ein knackendes Geräusch erfüllte die Luft, und er sackte schreiend zusammen. Doch ich zögerte. Der Mann war außer Gefecht gesetzt. Es war nicht nötig, ihn weiter zu verletzen.
„Gut gemacht," kommentierte Shawn, der sich inzwischen gegen die Wand gelehnt hatte. Neben ihm lag der andere Wachmann - tot. Eine einzelne Kugel hatte sein Leben beendet.
„Du hast eine Waffe und lässt mich kämpfen?" fauchte ich.
Er zuckte mit den Schultern und lächelte spöttisch. „Ich wollte sehen, ob du's drauf hast."
Mein Magen drehte sich erneut um, als Shawn die Waffe auf den bewusstlosen Mann richtete, der vor mir lag.
„Nein, warte!" rief ich, doch der gedämpfte Knall des Schusses unterbrach mich. Der Körper des Mannes zuckte ein letztes Mal, bevor er reglos liegen blieb.
Das Büro von Bill Thompson war luxuriös eingerichtet, mit einem großen Mahagoni-schreibtisch und schweren Vorhängen. Shawn trat die Tür auf, und der ältere Mann sprang erschrocken auf.
„Du?" murmelte Bill, und ich spürte, wie die Luft zwischen den beiden sich elektrisch auflud.
„Ja, ich," erwiderte Shawn, bevor er ihm mit der Waffe ins Gesicht schlug. Blut spritzte auf den polierten Boden, während Shawn immer wieder zuschlug.
„Bitte... bitte nicht," flehte Bill schließlich, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern.
Shawn packte ihn am Kragen, hob ihn hoch und drückte ihn gegen die Wand. Seine Augen brannten vor Wut. „Ihr habt mich damals verraten. Jetzt bezahle ich es euch heim - mit Zinsen."
Ich stand wie erstarrt da, unfähig, etwas zu tun.
„Shawn, lass ihn," sagte ich schließlich, doch meine Stimme klang schwach, unbedeutend.
Er ignorierte mich. Mit einem letzten Blick voller Verachtung richtete er die Waffe auf Bills Kopf.
„Glaub mir, das ist nur der Anfang," zischte er.
Der Schuss hallte in meinen Ohren nach, und der leblose Körper fiel schwer auf den Boden. Shawn kniete sich hin, zog ein Foto mit der Aufschrift „'" aus seiner Tasche und legte es auf die Brust des Mannes.
Die Bomben explodierten, als wir die Treppen hochrannten. Die Geräusche der Detonationen mischten sich mit den Schreien der Menschen, die unten in der Bank gefangen waren. Meine Gedanken waren ein chaotisches Durcheinander, doch ich zwang meine Beine, weiterzulaufen.
Auf dem Dach angekommen, fanden wir eine Fluchtleiter, die uns nach unten führte. Die Sirenen der Polizei kamen näher, ein unheilvolles Heulen, das uns verfolgte.
Im Fluchtwagen war die Stimmung ange-spannt. Ethan sah mich mit großen Augen an, sein Gesicht blass. Niemand sprach, bis Shawn plötzlich die Taschen mit Geld aufriss und die Scheine aus dem Fenster warf.
„Bist du verrückt?" schrie Michael.
"Ich habe gesagt, wir zerstören die Bank," erwiderte Shawn ruhig.
„Das Geld ist bedeutungslos."
Als wir endlich im Hotel ankamen, fühlte ich mich wie ein anderer Mensch - gebro-chen, ausgebrannt. Doch mein Herz setzte einen Schlag aus, als ich Leyla im Zimmer stehen sah.
Ihre Augen blitzten vor Wut, doch ich konnte den Schmerz dahinter erkennen.
„Ist das euer scheiß Ernst?" fragte sie, ihre Stimme bebend.
Ich hatte keine Antwort.
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