F i f t y - s e v e n

Kapitel: Vertraut in Liebe und Schmerz

Graysons POV

Ich stehe neben ihr, mein Blick auf ihr gesenktes Gesicht gerichtet. Sie sieht so zerbrechlich aus, fast wie aus Glas, das bei der kleinsten Berührung zerspringen könnte. Ihre Augen sind auf den Tisch vor uns gerichtet, ihre Schultern leicht nach vorne geneigt. Es ist ein Moment, in dem alles stillzustehen scheint, ein Moment, der größer ist als alles, was ich bisher erlebt habe.

Ich bemerke, wie sie tief Luft holt, fast zögerlich, und dann nach dem Stift greift. Ihre Finger umschließen ihn fest, aber ich sehe, wie sie leicht zittern. Langsam, fast quälend langsam, setzt sie ihre Unterschrift. Jeder Strich, jeder Buchstabe wirkt wie eine Last, die sie zu tragen hat.

Als sie fertig ist, hebt sie den Kopf und schaut mich an. Unsere Blicke treffen sich, und für einen Moment scheint die Zeit stillzustehen. In ihren Augen sehe ich so viele Emotionen – Schmerz, Trauer, aber auch eine winzige Flamme von Hoffnung. Sie reicht mir den Stift, ihre Finger berühren kurz meine, und dieser kleine Kontakt schickt eine Welle von Gefühlen durch meinen Körper.

Ich nehme den Stift, mein Herz schlägt schneller. Die Bedeutung dieses Moments, dieses simplen Aktes des Unterschreibens, ist erdrückend. Meine Hand zittert leicht, als ich meinen Namen neben ihren setze. Mit jedem Buchstaben spüre ich, wie meine Welt sich verändert.

Als ich fertig bin, lege ich den Stift leise auf den Tisch. Der Klang des Stifts, der das Holz berührt, hallt in meinen Ohren nach. Ich drehe mich wieder zu ihr, und unsere Blicke treffen sich erneut.

Wir stehen uns gegenüber, nur einen Schritt voneinander entfernt. Ihre Augen suchen meine, als ob sie etwas in mir finden möchte – eine Bestätigung, ein Versprechen. Eine Träne löst sich aus ihrem linken Auge, gleitet langsam über ihre Wange. Ich sehe, wie sie sie schnell wegwischt, fast so, als wolle sie mir diese Schwäche nicht zeigen.

Unser Moment wird von Bewegung unterbrochen. Mein Vater und Mehmet treten näher, in ihren Händen die Eheringe, die so viel mehr symbolisieren als nur ein Schmuckstück. Sie stehen vor uns, und ich merke, wie mein Atem schwerer wird.

Vorsichtig nehme ich Leylas Hand in meine. Ihre Haut ist kühl, und ihre Finger fühlen sich so zerbrechlich an, aber ich halte sie fest. Mein Daumen streicht sanft über ihre Handfläche, während ich den Ring nehme. Ich hebe ihren Finger leicht an und schiebe den Ring langsam über ihren Finger. Der Moment fühlt sich surreal an – ein Akt, der gleichzeitig so klein und so bedeutend ist.

Ich blicke auf und sehe, dass sie ebenfalls den Ring für mich hält. Ihre Hand zittert leicht, aber sie sammelt sich und hebt meine Hand an. Ihre Bewegungen sind zögerlich, fast unsicher, doch sie schafft es, den Ring über meinen Finger zu schieben. Unsere Blicke treffen sich erneut, und ich sehe, wie ihre Lippen sich leicht öffnen, als wolle sie etwas sagen, doch sie bleibt stumm.

„Hiermit erkläre ich euch beide zu Mann und Frau", sagt der Standesbeamte mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. „Sie dürfen die Braut jetzt küssen."

Leyla senkt ihren Blick, als ob sie sich der Aufmerksamkeit entziehen möchte. Ich spüre den Druck der Worte, die gerade ausgesprochen wurden. Ehefrau. Braut. Diese Worte tragen so viel Gewicht, dass ich einen Moment brauche, um sie zu verarbeiten.

Langsam hebe ich meine Hände, lege sie sanft auf ihre Wangen. Ihre Haut fühlt sich warm und weich an, und ich spüre, wie sie leicht zusammenzuckt. Doch sie zieht sich nicht zurück. Stattdessen hebt sie ihren Blick und schaut mich an. In ihren Augen sehe ich ein Meer aus Emotionen, ein stilles Flehen, ein ungesprochenes Verlangen nach Halt.

Ich beuge mich vor und drücke einen sanften Kuss auf ihre Stirn. Es ist ein Kuss voller Respekt, voller Versprechen. Kein Moment für Leidenschaft, sondern für Ehrfurcht.

Als ich mich zurückziehe, sehen wir uns für einen Augenblick an, ohne ein Wort zu sagen. Unsere Eltern treten vor, umarmen uns fest. Ich spüre den Stolz in den Umarmungen meiner Mutter und meines Vaters, aber auch die stille Erleichterung in Leylas Familie.

Danach gehen wir beide zu Opa. Er sitzt in seinem Rollstuhl, sein Blick ist auf uns gerichtet. Als wir vor ihm knien, sieht er uns mit einem Lächeln an, das voller Stolz und Liebe ist. Seine Augen glänzen vor Tränen, und ich spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht.

„Ich wünsche euch beiden so viel Glück", sagt er leise, seine Stimme zittert leicht. „Ich hoffe, dass ihr immer glücklich sein werdet, in guten wie in schweren Tagen."

Die Worte treffen mich tief. Ich nicke stumm, während Leyla eine seiner Hände hält und sie sanft drückt.

Der Standesbeamte verabschiedet sich schließlich. Die Zeremonie ist vorbei. Leyla und ich sind jetzt verheiratet. Der Gedanke fühlt sich unwirklich an.

Mehmet tritt auf mich zu, zieht mich in eine feste Umarmung und klopft mir auf die Schulter. „Jetzt sind wir eine Familie, mein Sohn", sagt er ernst. „Ich habe dir meine Tochter gegeben, weil ich weiß, dass du sie glücklich machen wirst. Pass gut auf sie auf."

Seine Worte hallen in meinem Kopf nach. „Pass gut auf sie auf." Es ist mehr als nur eine Bitte – es ist eine Verantwortung, die ich bereit bin zu tragen.

Mein Vater tritt zu uns, Leyla an seiner Seite. „Bis zur Hochzeitsfeier werdet ihr beiden noch getrennt wohnen", sagt er mit einem Lächeln. „Aber danach werdet ihr in eurem eigenen Haus leben."

Ich werfe einen Blick zu Leyla, die leicht errötet. Es ist ein Anblick, der mein Herz schneller schlagen lässt.

„Lasst uns jetzt Opa zurück ins Krankenhaus bringen", sagt meine Mutter schließlich.

Im Krankenhaus angekommen, bringen wir Opa in sein Zimmer. Meine Eltern und die anderen verabschieden sich, doch Leyla und ich bleiben als Letzte.

Wir stehen an seinem Bett, und er nimmt unsere Hände. Seine Berührung ist schwach, doch in seinem Blick liegt eine unerschütterliche Wärme.

„Jetzt kann ich in Ruhe sterben", sagt er leise. „Jetzt weiß ich, dass ihr beiden glücklich seid."

Die Worte sind wie ein Stich in mein Herz. Ich halte Leylas Hand fester, als ob ich sie vor diesem Moment beschützen könnte.

„Es wird alles wieder gut, Opa", sage ich, doch meine Stimme zittert.

Er lächelt, ein schwaches, aber aufrichtiges Lächeln, das mich fast zum Weinen bringt.

Zurück auf dem Bauernhof herrscht Stille. Leyla spricht kein Wort. Sie scheint in ihren Gedanken gefangen zu sein, und ich weiß nicht, wie ich zu ihr durchdringen soll.

Ich sehe, wie sie zur alten Bank unter dem großen Apfelbaum geht. Dieser Ort war immer ein Rückzugsort für uns, ein Platz, an dem die Welt stillzustehen schien.

Langsam folge ich ihr, bleibe jedoch in einiger Entfernung stehen, während sie sich setzt. Ich sehe, wie sie ihre Ärmel hochzieht und auf ihre Narben schaut. Ihre Schultern beginnen zu zittern, und ich höre das leise Schluchzen, das aus ihrer Kehle kommt.

Ohne nachzudenken setze ich mich neben sie. Sie dreht den Kopf nicht zu mir, sondern starrt weiter auf ihre Narben.

„Ich schaffe das alleine nicht, Grayson", flüstert sie schließlich, ihre Stimme bricht. „Ich brauche dich."

Die Worte treffen mich mit voller Wucht. Ich lege meine Hand sanft auf ihre Narben, als wollte ich ihren Schmerz nehmen, und mit der anderen wische ich ihre Tränen weg.

Unsere Blicke treffen sich, und in diesem Moment weiß ich, dass wir zusammen stark sein können.

Langsam zieht sie ein Buch aus ihrer Tasche. Mein Herz bleibt stehen. Es ist mein Buch.

„Ich habe den Brief und die Zettel gelesen", sagt sie leise, aber bestimmt.

Die Wahrheit hängt zwischen uns, schwer und unausweichlich.

„Warum hast du es mir nicht früher gesagt?" fragt sie, ihre Stimme zittert vor unterdrückten Emotionen.

Ich öffne den Mund, doch keine Worte kommen heraus.

„Du liebst mich", fährt sie fort, „und hast es zugelassen, dass ich mit Nash zusammen bin? Warum?"

Ich fühle, wie meine Augen brennen, doch ich halte ihrem Blick stand.

„Ich liebe dich", sagt sie schließlich, ihre Stimme bricht. „Ich habe es erst vor kurzem verstanden."

Ich packe sie in meine Arme, halte sie fest, als ob ich sie nie wieder loslassen würde.

„Ich liebe dich auch, Sweety", flüstere ich schließlich, und in diesem Moment ist alles, was zählt, nur sie und ich.

„Versprich mir, dass du nur für mich lebst." flüstert sie in mein Ohr.

„Versprochen." sage ich.

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