I - Indoor-Climbing

"Hast du das schon mal gemacht?"
Unsicher sah Kai zu seinem Freund und dann wieder zum Eingang der Indoor-Kletterhalle. Julian zuckte nur mit den Schultern. "Nee, aber heute ist doch die perfekte Gelegenheit, um es mal auszuprobieren, oder?"
Kai schwieg, was Julian wiederum zum Schmunzeln brachte. "Oder hast du Angst?", stichelte der Ältere belustigt, während er versuchte, jegliche Emotionen aus dem Gesicht seines Freundes zu lesen. "Ach Quatsch", winkte Kai nun ab, aber Julian war sich absolut sicher, dass Kai die bevorstehende Höhe nicht ganz geheuer war. "Gib es doch zu"; bohrte er weiter; wollte nun unbedingt eine Antwort von Kai haben, doch der schüttelte nur den Kopf und setzte sich in Bewegung in Richtung der großen Eingangstür zur Kletterhalle. Amüsiert grinsend schüttelte der Blonde seinen Kopf, bevor er Kai ins Innere der Halle folgte. 

Eine junge, freundliche Frau empfing die zwei mit einem höflichen Lächeln im Gesicht und nachdem sie Eintritt bezahlt hatten, wurden sie zu den Kletterwänden geführt. Kai schluckte, als er die hoch montierten Wände mit den in seinen Augen viel zu kleinen Tritten sah. Und der Fakt, dass man diese nur mit einem Helm und einem Sicherheitsgurt betreten durfte, ließ den jungen Londoner nur noch mulmiger fühlen. 
Auf was hatte er sich hier nur eingelassen? Er hatte Höhe noch nie gemocht und anstatt sich das heute mal einzugestehen und Julians Vorschlag für den Buchstaben I einfach einen anderen Vorschlag entgegen zu stellen, wollte er sich und Julian unbedingt beweisen, dass er es doch konnte und keine Angst hatte.
 Tja, Fehlanzeige. 
Aber jetzt gab es kein zurück mehr. 
Schnell schüttelte der Mittelfeldspieler die negativen Gedanken ab und konzentrierte sich auf die Einführung, die die junge Mitarbeiterin Kai und Jule gab. 

"Bist du dir sicher, dass wir das machen wollen?", hakte Jule nach, als sie sich gerade die Kletterschuhe anzogen, und klang dabei eher besorgt als belustigt," Wir können auch noch nach Hause gehen, wenn du dich unwohl fühlst mit dem Klettern, Harvy."
Und dieses Mal meinte Julian es sogar ernst. Niemals würde er wollen, dass Kai sich unwohl fühlte oder gar Angst hatte; und schon gar nicht bei einem ihrer Dates, in die Jule sich inzwischen so sehr verliebt hatte. 
Doch der Braunhaarige schüttelte nur mit dem Kopf. "Alles gut, Jule. Ich fühle mich nicht unwohl." Möglichst überzeugend versuchte Kai zu lächeln. Das überzeugte seinen Freund zwar nicht ganz, doch er wollte auch keine Diskussion anfangen, weshalb er einfach nur nickte, sich aber vornahm, Kai ganz besonders im Auge zu behalten, um das Ganze im Notfall noch abbrechen zu können. Vielleicht war Julian überbesorgt; Kai war immerhin ein erwachsener Mann, aber so war er nun mal und das würde sich, zumindest in Bezug auf Kai wohl nie ändern. Glücklicherweise waren auch nicht viele Leute in der Halle und die weinigen, die da waren, interessierten sich herzlich wenig für Kai und Julian.

Ein Gentleman, wie er nun mal war, ließ Kai seinem Freund den Vortritt. 
Ganz der Gentleman natürlich...
Julian hatte zwar keine Erfahrungen mit dem Klettern, aber er fühlte sich auf Anhieb wohl an der Wand und fand immer mehr heraus, wie man treten und sich bewegen musste. Irgendwie hatte er ein Talent dafür. Vielleicht hatte er jetzt die eine Sache gefunden, in der er, im Gegensatz zu Kai, gut war; auch wenn er sich nicht über die Angst des Jüngeren lustig machen wollte. Bis zum Schluss vermied der Blonde es, nach unten zu schauen; vielleicht war es ja das, was ihn so sicher machte. 

Mit einem breiten Lächeln kam Julian wieder auf dem Boden an, war fast schon traurig, jetzt eine Pause machen zu müssen. "Du musst das auch unbedingt machen"; erzählte er Kai begeistert," Das macht mega Spaß; du wirst sehen."

"Und du hältst mich auch wirklich fest?"; vergewisserte Kai sich unsicher nachdem er die ersten Tritte genommen hatte und etwa zwei Meter in der Höhe war. 
"Ich halte dich ganz fest, Kai", antwortete der Bremer und musste sich zusammenreißen, nicht belustigt loszulachen; er wollte Kai nicht beschämen. Es tat ihm schon genug leid, dass er das Date vorgeschlagen hatte und somit der Grund dafür war, dass Kai sich so unwohl fühlte und es nicht mal zugeben wollte. Wobei Jule sich eingestehen musste, dass er selbst es wahrscheinlich auch nicht zugeben würde. 
"Dir passiert nichts Harvy, versprochen."
Leise seufzend und all seinen Mut zusammen nehmend richtete Kai seinen Blick wieder nach oben und versuchte seine zitternden Beine unter Kontrolle zu halten. Vielleicht hätte er doch zugeben sollen, dass Klettern absolut nichts für ihn war. Tief atmete der Lockenkopf durch, ehe er seinen linken Fuß löste und auf den nächsten Tritt stellte. 
Ganz im Gegensatz zu seinem Freund, fand Kai wirklich keinen Spaß an dem Sport und war mehr als froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. 
"Ich bin stolz auf dich Kai"; lächelte Julian sanft, nachdem er die weiche Hand seines Freundes genommen hatte," Tut mir leid, wenn ich das Date für dich jetzt versaut habe."
Schuldbewusste blickte Julian in die grünen Augen vor sich, doch Kai schüttelte den Kopf. 
"Alles gut, aber... können wir jetzt vielleicht gehen? Ich... fühle mich hier wirklich nicht so wohl."
Nickend stimmte der Blonde zu. "Klar. Lass uns gehen."

"Tut mir leid, wenn ich dir jetzt das Date vermiest habe", ergriff Kai mit schuldbewusster Stimme das Wort, während sie im Auto auf dem Weg nach Hause saßen," Das wollte ich wirklich nicht."
"Mir tut es leid"; erwiderte der Ältere kopfschüttelnd," Wenn ich gewusst hätte, wie schlimm das für dich wird, hätte ich nen Teufel getan und Indoor-Climbing vorgeschlagen."
"Vielleicht hätte ich auch einfach zugeben sollen, dass ich ein bisschen Höhenangst habe", murmelte der Größere, nachdem er das Auto vor einer roten Ampel zum Stehen gebracht hatte, und sah kurz zur Seite; direkt in Julians blaue Augen. 
"Vielleicht hättest du das", grinste Jule grinsend, ehe er seine Hand auf die von Kais legte, die wiederum auf dem Schaltknüppel lag," Aber jetzt ist es auch egal.... wollen wir noch was essen zum feierlichen Abschluss?"
Kais Lippen verließ bei diesen Worten ein leises Lachen, ehe er wieder das Wort ergriff.
"Sushi?", schlug er vor," Wie früher?"
"Wie früher", bestätigte Jule grinsend und Kai setzte im nächsten Moment den Blinker, um das japanische Restaurant anzusteuern, von dem Julian immer so schwärmte. 

J?🤷‍♀️❤