Z- Zirkus

"Du kannst mir nicht erzählen, dass du noch nie in einem Zirkus warst."
Ungläubig sah Julian zu seinem Freund, welcher nur unbeeindruckt mit den Schultern zuckte.
"Wo ist denn deine Kindheit?"
"Willst du mir jetzt sagen, dass ich keine Kindheit hatte, nur weil ich noch nie im Zirkus war?"
"Äh ja?", gab der Ältere echauffiert zurück.
"Also, nur weil ich mir nicht angeguckt habe, wie Tiere gequält werden und zu etwas gezwungen werden, was sie gar nicht wollen, heißt das nicht, dass meine Kindheit im Arsch ist", erklärte Kai daraufhin mit fester Stimme.
Schon als Kind hatte Kai eine große Liebe für Tiere verspürt und ihm war auch schon relativ früh bewusst geworden, dass Tiere in den meisten Zirkussen litten, weil sie zu nicht artgerechten Dingen gezwungen wurden.
Aber auch vorher war er nie mit seiner Familie zu einem Zirkus gegangen. Kai wusste selbst nicht genau warum, aber irgendwie war es nie dazu gekommen und Kai fand es eigentlich auch nie schlimm; Jule anscheinend schon.
"Entschuldigung, aber es gibt doch auch tierfreie Zirkusse."
Julians Augen sprühten nur so vor Unverständnis. Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, wie Kai vierundzwanzig Jahre alt werden konnte, ohne je eine Zirkusmanege von innen gesehen zu haben.
"Du tust so, als hättest du früher im Zirkus gelebt", gab Kai unbeeindruckt zurück.
"Übertreib mal nicht. Ja, ich war früher oft mit meinen Eltern und meinen Brüdern dorthin und bin auch noch mitgegangen, als es mich eigentlich gar nicht mehr so wirklich interessiert hat, weil ich es einfach schön fand", erklärte der Ältere, was Kai nur Nicken ließ.
Jule hingegen holte nochmal tief Luft, ehe er wieder das Wort ergriff.
"Dann wäre es jetzt aber wohl geklärt, dass wir in den Zirkus gehen. Du musst doch wenigstens einmal in deinem Leben in einen Zirkus gehen. Ich verspreche dir auch, dass da kein einziges Tier ist."
Abwartend zog der Jüngere die Augenbrauen hoch, während Jule begeistert einen kleinen Zettel aus der Hosentasche seiner grauen Hose hervor zog und ihn Kai reichte.
Es war ein Ausdruck des Programmes eines anscheinend relativ bekannten Zirkusses, der gerade in Bochum gastierte.
Wieder zog Kai die Augenbrauen hoch und musste echt in sich hinein schmunzeln. Das war mal wieder typisch Jule. Natürlich hatte er schon gegoogelt und war mal wieder bestens vorbereitet, um Kai von seiner Idee zu überzeugen.
Konnte Kai da noch in irgendeiner Art und Weise Nein sagen?
"Wenn wir noch pünktlich kommen wollen, dann müssen wir jetzt aber los", gab der Jüngere zu bedenken.
Auf Julians Gesicht bildete sich augenblicklich ein breites Grinsen, bevor er seinem Freund um den Hals fiel.
"Danke, Harvy. Du wirst es nicht bereuen, das verspreche ich dir."
In Windeseile hatten die beiden sich fertig gemacht und waren genau pünktlich in Bochum angekommen.

Ausgelassen schlenderte der Blonde zur Kasse, während Kai dem Älteren mit einem Schmunzeln im Gesicht folgte. Wenn Jule für etwas brannte, dann war es schwer, ihn zu vertrösten und außerdem war er wirklich gut im Überzeugen. Oder Kai war einfach so in den Kleineren verliebt, dass er ihm keinen Wunsch abschlagen könnte. Er würde wahrscheinlich auch zu Fuß in die Wüste gehen, nur um seinem Jule den Sand zu holen, den er unbedingt haben wollte oder was auch immer.
Gerade noch rechtzeitig konnte sich das Paar Karten kaufen und die bunte Manege betreten. Eilig quetschten sie sich durch die vollen Reihen auf ihre Plätze. Die Manege war abgedunkelt und riesengroß.
Kai musste zugeben, dass es schon spektakulär aussah, aber er bezweifelte noch immer, ob es Julians unbändige Begeisterung wert war.
Noch ein paar Minuten vergingen, bis sich buntes Licht auftat und die Show begann.

Ganz oben in der Manege erschien ein Reck, an dem ein junger, attraktiver Mann hing. er war oberkörperfrei, weshalb man sein Sixpack und seine ausgeprägten Muskeln trotz des gedimmten Lichtes gut erkennen konnte.
"Muss ich dir jetzt die Augen zuhalten?", säuselte Kai belustigt in das Ohr des Kleineren, welcher nur grinsend den Kopf schüttelte. "Deine Muskeln sind viel schöner", gab er genauso leise zurück.
Leise kichernd wandte Kai sich wieder an die, zugegebenermaßen sehr spektakuläre, Show. Kunstvoll schwang der Mann am reck, bewegte seinen Körper von einem reck zu dem anderen, das bestimmt drei oder vier Meter von dem anderen weg war. Und dann kam auch noch eine junge Frau dazu, die mindestens genauso viel drauf hatte wie ihr Kollege. Sie machten Saltos und andere raffinierte Partnerkunststücke. Manchmal konnte Kai nicht mal hinsehen, weil er befürchtete, dass mindestens einer der beiden im nächsten Moment mit einem Nackenbruch am Boden lag.
Doch zum Glück passierte nichts, aber Kai blieb auch keine Zeit, um sich von den aufregenden Minuten zuvor zu erholen, dann nach den beiden betrat eine braunhaarige Frau mit, für Kais zu Geschmack, etwas zu viel rotem Lippenstift auf den Lippen. Ihr schlanker Körper steckte in einem eng anliegenden, blauen Gymnastikanzug.
"Ihh", murmelte der Lockenkopf zu sich selbst, als die Frau begann, sich sehr... ausgiebig zu dehnen. Für seinen Geschmack etwas zu ausgiebig. Kai hatte immer wieder Angst, dass sie sich gleich irgendwelche Sehnen oder Bänder riss; oder gleich das ganze Bein.
"Ja okay, das ist jetzt auch nicht so meins", gab der Blonde neben ihm zu.
"Ach was."
Leicht knuffte Jule seinem Freund darauf in die Seite.
Und obwohl die zwei es ein bisschen eklig fanden, war es doch faszinierend gewesen, wie manche Leute mit ihrem Körper umgehen konnte.
Nach der Nummer brach die gesamte Manege in tosenden Applaus aus, während die Akrobatin sich mit breitem Lächeln verbeugte und der Menge zuwinkte.
Als nächstes kam wieder ein Mann in die Halle und Kai konnte sich schon bei seinem von oben bis unten voll tätowierten Körper und dem vollen Bart vorstellen, was seine Nummer werden würde.
Und tatsächlich, Kai hatte recht gehabt mit seiner Vermutung, denn sogleich kam, völlig überraschend, ein großes, glühendes Feuer aus dem Mund des muskulösen Mannes. Ein erstauntes Raunen ging durchs Publikum und alle sahen dem Darsteller gebannt zu; Kai und Jule eingeschlossen. Keiner traute sich so wirklich zu atmen, man hätte die Luft in diesem Moment schneiden können; so spektakulär und Angst einflößend war diese Nummer.

Viel zu schnell ging der Nachmittag zu Ende und plötzlich fanden Kai und Julian sich in Jules Auto wieder.
Die Zeit war wie im Fluge vergangen, wie Kai fand.
"Und?", wollte der Blonde gespannt wissen," Wie fandst du's?"
"Richtig toll", schwärmte Kai lächelnd," Das war ein super Abschluss."
Bei diesen Worten erstarb Julians Lächeln zu einem schon fast traurigen Gesichtsausdruck.
Besorgt blickte der Jüngere in das Gesicht seines Freundes. Hatte er was Falsches gemacht oder gesagt?
"Alles gut?"
Zögerlich nickte der Blonde.
"Es ist alles gut. Es ist nur... das war's jetzt. Das war der letzte Buchstabe."
"Ohh Jule", wisperte Kai leise, ehe er den Kleineren in eine leidenschaftliche und enge Umarmung zog.
"Das war doch nicht unser letztes Date. Wir fangen doch wieder von vorne an. Sei nicht traurig, bitte. Das macht mich auch traurig."
Ein angedeutetes Lächeln bildete sich auf Jules Gesicht.
Weißt du eigentlich, dass das das beste Geschenk ist, das ich je bekommen habe?"
Eindringlich sah Jule in Kais grüne Augen.
"Ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Spaß wie auf diesen Dates."
Als Antwort strich Kai behutsam über die kühle Wange seines Freundes.
"Ich liebe dich, Jule", hauchte er ganz leise in die Stille," Ich liebe dich so sehr."
Eine einsame Träne rollte über Julians Wange; eine Freudenträne, weil er so unendlich dankbar war, dass er Kai in seinem Leben war.
"Ich dich auch, Kai, ich dich auch."

Sorry sorry sorry, Leute.
Ich war auf Kursfahrt und konnte deshalb nicht updaten. Dafür jetzt schon Z für euch ❤❤