Prolog

Immer tiefer sank die orange-rote Sonne gen Horizont und ergoss ihre letzten Strahlen über den schmalen, holprigen Pfad inmitten des weiträumigen, trübsinnigen Geländes. Es war ein Sommerabend. Mit festem Tritt und wallendem Umhang näherte sich eine bärtige Gestalt dem großen schmiedeeisernen Tor, hinter dem ein gerader Zufahrtsweg begann. Und da war es!
Ein beachtliches Herrenhaus ruhte inmitten des gepflegten Gartens. Trotz der einbrechenden Dämmerung schienen keine Lichter hinter den kleinen Fenstern. Travers blickte mit schwer deutbarer Miene durch die Gitterstangen zum Eingang des Wohnsitzes. Tief einatmend hob er die Hand, worauf sich die Eisenstangen des Tores zur Seite bogen und einen Durchgang boten. Sobald er den Garten betreten hatte, nahmen die Stangen – gefolgt von einem etwas schwerfälligen Ausatmen – wieder die ursprüngliche Form an. Was trieb ihn so spät auf privates Terrain?
Es herrschte Totenstille, lediglich die Schritte von Travers auf dem feinen Kies waren zu hören. Der Zauberer zog seinen Stab.
„Alohomora."
Die Portalflügel hüpften mit einem dumpfen Laut auseinander und gaben die leere Eingangshalle frei. Nur eine Handvoll Bilder hing an den kalten Wänden, aber die Figuren darin schliefen oder ließen deprimiert die Köpfe baumeln. Travers steuerte ohne Umschweif die Holztür an. Doch dann wurde er langsamer. Sollte er eintreten? Sollte er warten und sich sammeln? Einige Sekunden verstrichen, ehe er die Klinke nach unten drückte.
Wie beim letzten Mal gab es nur wenig Beleuchtung im Salon. Travers sah sich erwartungsvoll um. Da saß ein junger Mann mit blassem Gesicht allein am langen Esstisch – er schreckte geräuschlos auf, als die Tür aufging. Travers Augen funkelten vielsagend, wie er den blonden Jungen erblickte. Es wirkte, als hätte Draco längere Zeit geweint.
„Guten Abend, junger Mann!", grüßte Travers nicht ohne Freude. Draco sagte nichts. Travers kümmerte die miese Stimmung in der Luft wenig.
„Heute gibt es gute Neuigkeiten."
Draco wurde aufmerksamer. Gutes war in diesen Zeiten Rares.
„Ich habe einen Weg gefunden, wie wir deine Eltern zurückholen können."
Schon spürte Travers die plötzliche Erwartung Dracos. Der Junge sah mit gänzlich anderen Augen auf Travers, der sich gegenüber von ihm hingesetzt hatte. Da war etwas Ersehntes in Draco angeregt worden. Ganz glücklich über diese Reaktion fuhr Travers fort:
„Wir werden dazu die Kutsche deines Vaters benötigen. Ich habe einen Plan. Aber wir dürfen uns keine Fehler erlauben."
Draco schluckte aufgeregt. Travers war ein Genie!
„Wir können Forderungen zu Realität machen. Verloren ist nicht verloren", erkannte der Junge.
Eine unangenehme Kälte umhüllte die beiden, nachdem diese Worte leise durch den Salon gehallt waren.
„Die Frage ist nur: Wirst du auf meiner Seite stehen, Draco?"
Travers sagte das bewusst skeptisch. Der letzte Satz wiederholte sich in Dracos Gedanken mehrmals. Dracos Lippen zitterten. Für ihn gab es nur eine Antwort auf diese Frage:
„J-ja."

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