9 - Eine ungeahnte Begegnung

Die Party hatte Hermine in lebhafte, ja fast berauschende Stimmung gebracht. Oder war es einfach, dass sie wieder in Hogwarts war? Diese alten, schönen Zeiten! Nun waren sie endgültig vorbei – so sehr sie diese auch zurückwünschte! Sie schritt durch die Gemäuer zur nächsten Toilette.
Unverhofft vernahm Hemine ein leises, aber klägliches Schluchzen. Wie unerwartet! Das erste was sie dachte war: Die maulende Myrte! Neugierig folgte sie den Lauten ums Eck und einen Gang entlang. Zu Hermines großem Erstaunen saß auf der breiten Marmortreppe ein blonder Junge, das Gesicht in den Armen vergraben. Der schwarze Überwurf hing trübsinnig an seinem Körper hinunter. Hermines Blick war augenblicklich traurig, sofort verspürte Hermine inneres Mitleid.
Wer weinte denn an diesem herrlichen Fest? Der Arme!
Vorsichtig kam sie näher. Und plötzlich packte sie ein stechender Schreck: War das...? Der Junge stöhnte verzweifelt. Aber wie...? Sie machte den Mund auf. Noch immer unbemerkt blieb sie stehen, ehe sie sich ganz leise auf die Steinstufe setzte – in großzügigem Abstand von dem Jungen.
Sie flüsterte: „D-Draco, ist alles in Ordnung?"
Draco hörte auf zu weinen und einen Augenblick, dachte Hermine, auch zu atmen. Er spitzte ungläubig die Ohren, schaute aber nicht hoch.
„Was ist passiert?", fragte das Mädchen langsam und mitfühlend.
Draco sah auf – seine feuchten Augen erblickten den schwarzen Rock, dann die Taille und schließlich ihr Gesicht. Seine Verwunderung hätte nicht größer sein können. Aber es lag nichts Abstoßendes in dieser Verwunderung, höchstens ein bisschen Verängstigung. Er blickte sie stumm an.
„Warum bist du ganz allein?", wollte Hermine wissen.
Draco schluckte.
„Es war ein Trick." Er blickte nach unten. „Traver – Travers, der Todesser, hat mir meine El-Eltern versprochen, wenn ich... ich ihm dabei helfe, nach... Askaban zu kommen. Ich sagte, ohne das alles zu hinterfragen, zu. Er hatte anderes im Sinn! Als wir durch die Kutsche meiner Familie nach Askaban gelangten, hatte ich das Gefühl, nichts ergäbe mehr einen Sinn – ich hab eine Enttäuschung nach der anderen verspüren müssen. Nichts vom Glücktrank hatte ich bekommen, ich wäre fast aus der Kutsche gefallen – fast gestorben!" Beim letzten Satz sammelte sich in Draco eine jähe innere Wut. Er biss die Zähne zusammen. Warum erzählt er das überhaupt? Er fühlte sich doch ohnehin von niemanden verstanden.
Hermines Reaktion kam in ebenso vorwurfsvollem wie nachdenklichem Ton: „Du warst in Askaban? Ohne dass irgendjemand davon wusste?"
Draco erzählte die Geschichte, wie er und Travers das Verbrechen begangen hatten.
„Das klingt nach einem schrecklichen Traum, ich weiß." Pause. „Es war ein sehr großer Fehler."
Hermine schien nicht anzunehmen, dass das alles nur ein Traum war. Das schien Draco zu besänftigen. Er war geradezu gespannt, wie dieses Gespräch enden würde. Hermine hatte ein offenes Ohr für ihn, hörte ihm zu, verstand ihn vielleicht sogar. Als er sich wieder traute, ihr in die Augen zu schauen und sich ihre Blicke kreuzten, fingen beide zu lächeln an. Draco wusste nicht, was er davon denken sollte, aber im Inneren spürte er eine gewisse Wärme. Er fühlte sich deutlich befreiter.
„Hmmm, Hermine? Warum... Also wie hast du mich gefunden?" Diese Frage brannte ihm noch auf der Zunge.
Hermine lehnte sich zurück. „Im Übrigen kommt dir das doch mehr als entgegen." Sie wurde ein bisschen rot.
„Einen Grund musste es dennoch geben", machte Draco klar. Wusste sie nicht, dass sie ihn durch solche Antworten nur neugieriger machte? Draco fiel auf, dass sie die Augen schloss. Er beugte sich etwas nach vorn. Um was ging es ihr wirklich?
In dem Moment bemerkte der Junge etwas an ihrer Hand.
„Hey, von wo hast du denn diesen schönen Ring?" Die Worte kamen einfach so aus ihm heraus. Er hoffte, Hermine verstand das nicht falsch, denn das klang unerwartet misstrauisch und ziemlich plump.
„Gefällt er dir? Ich hab ihn geerbt", erklärte das Mädchen zufrieden damit, das Thema wechseln zu können. Doch es war Rons Ring. Er hatte ihn Hermine geschenkt, als sie gemeinsam im Fuchsbau ihre Zeit verbrachten. Dann – ganz von selbst – berührten Dracos Finger ihren goldenen Ring. Das hatte sie nicht erwartet. Die Hände der zwei berührten sich. Sicher würde sie mitbekommen, wie nass Dracos Hand war und dann würde seine Nervosität offenkundig sein. Hermine war ja eine gute Beobachterin, aber wie viel konnte sie aus dieser Situation wohl herauslesen? Was dachte sie bloß über ihn?
Sein Blick wanderte erneut nach oben und er sah in ihre klaren, tiefbraunen Augen. Wie sich ihre Pupillen plötzlich weiteten! Auf einmal lächelte das Mädchen sanft. Draco versuchte sich von seiner jähen Erektion nichts anmerken zu lassen. Sie rückte ein Stück weiter zu dem Jungen, während ihre Finger ganz leicht mit seinen zu spielen begannen. Dabei war Draco überwältigt davon, wie hübsch das Mädchen nicht nur äußerlich, sondern genauso innerlich war. Ehe noch jemand von den beiden etwas sagen konnte, kamen ihre Lippen näher zusammen. Voller Freude schloss Hermine die Augen. Dracos Herz pochte ganz schnell. Sie küssten sich zärtlich. Draco überkam ein wohliges Gefühl. „Mmmmhhh!", brummte er benommen. Hermine legte die Hand auf seinen Schenkel. Er küsste sie sofort gieriger. Dann berührte er sie am Oberarm nahe der Brust. Lustvoll streichelten seine Lippen ihre. Die Hand des Mädchens blieb dabei nicht da, wo sie bisher war: Hermine strich über seinen Schenkel, gefährlich nah an seinem... aufgebäumten Freund.
Nach ein paar Sekunden kam Hermine wieder zu Vernunft – der Kuss endete schlagartig. Huch, was für ein Schock!! Hermine Gesichtszüge entgleisten kurz, Draco änderte seine Haltung. Auch er stand unter jähem Stress. Was hatte er getan? Ohne Blickkontakt rückte Hermine weg von Draco.
„Ich...ich muss jetzt los!", brachte das Mädchen heraus und lief daraufhin blitzschnell davon.

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