19: "Verdammt."

„So schlecht war der Salat tatsächlich nicht.", sagt Finn und kratzt die letzten Reste der Croutons zusammen. „Sag ich ja.", gebe ich zurück und stelle die leere Box auf den Couchtisch. „Schon gut, Besserwisserin." Er steht auf und räumt die Boxen in den Müll. Auf einmal klingelt mein Handy. Ich drücke auf den grünen Hörer. „Hallo, Jack." „Seid ihr zuhause?" Ich schaue aus dem Fenster. „Ja, wieso?" „Mach mal die Tür auf, bitte." „Wa-..." „Mach einfach auf." Seine Stimme klingt etwas traurig. Sofort lege ich auf und gehe zur Tür. Ich betätige den Türsummer, woraufhin das Öffnen der Haustür durch das Treppenhaus schallt. Finn kommt aus der Küche. „Was machst du da?" „Es ist Jack." „Es hat doch gar nicht geklingelt?" Er ist sichtlich verwirrt. „Ich bin im Wohnzimmer, falls du mich suchst.", sagt er und verschwindet um die Ecke. Ich öffne die Wohnungstür und lehne mich gegen den Türrahmen. Die Türen des Fahrstuhls öffnen sich und bringen Jack zum Vorschein. Er kommt auf mich zu und ohne ein Wort zu sagen, umarmt er mich einfach. Ich lege meine Arme um ihn und drücke ihn an mich. „Was ist los?", frage ich leise. Jack bleibt stumm und drückt mich einfach noch fester an sich. Sanft drücke ich ihn von mir weg. „Hey, komm erst mal rein." Ich lasse ihn herein und schließe die Tür. „Jack, Alter, was machst du ...." Finn bricht sofort ab, als er Jack mit hängenden Schultern und glänzenden Augen um die Ecke ins Wohnzimmer kommen sieht. „Was ist passiert?", fragt er besorgt. Jack setzt sich auf die Couch und stützt seinen Kopf auf die Hände. „Meine Eltern lassen sich scheiden."

Ich blicke mit hochgezogenen Augenbrauen erst zu Jack, dann zu Finn, der mich ebenfalls traurig anschaut. Dann wende ich mich wieder Jack zu, der seine Fußspitzen betrachtet. „Wirklich?", frage ich. Er nickt langsam. „Meine Mum wird in eine andere Stadt ziehen und jetzt muss ich entscheiden, wo ich wohnen will..." Ich lege ihm einen Arm um die Schultern. „Scheiße." Nun setzt sich auch mein Mitbewohner neben unseren Gast und legt eine Hand auf seine Schulter. Jack schaut ihn kurz an. „Ich weiß." „Und dein Dad bleibt hier wohnen?", frage ich nach. Wieder ein Nicken. „Dann heißt es, du musst bei deinem Vater bleiben, mindestens bis wir mit Filmen fertig sind...", stelle ich fest. „Ja, aber danach..." „Ich weiß, du willst das nicht hören, aber... das musst du selbst entscheiden." „Du bist wirklich wie eine Mum.", bemerkt Finn trocken. „Klappe, Kleiner.", zische ich ihm zu. Jack muss schmunzeln. „Ihr seid schon so welche.", sagt er und schnief einmal. „Können wir einen Film schauen oder so?", fragt er dann. „So als Ablenkung." Ich nicke. „Klar, welchen denn?" „Irgendwas Lustiges?", schlägt er vor. Finn schaltet den Fernseher ein. „Wie wäre es mit... Toy Story?", fragt Finn. „Von mir aus.", stimmt Jack zu.

„Wow, das ist echt scheiße." Finn sitzt neben mir auf der Couch und starrt auf den ausgeschalteten Fernseher. Jack ist wieder nach Hause gefahren, und Finn und ich sitzen gemeinsam auf der Couch. „Die Party Freitag wird ihn wieder ein wenig hochziehen. Hoffe ich." Ich knete meine Finger. „Können wir das Thema wechseln? Ist mir alles zu depressiv hier.", seufzt mein bester Freund und nimmt sein Glas Wasser vom Couchtisch. „Klar. Worüber willst du denn reden?" „Du hast mir versprochen, dass wir mal essen gehen." „Ja, habe ich. Und das werden wir auch, keine Sorge.", lächele ich. „Okay, dann ist gut." Er lehnt sich zurück und trinkt einen Schluck. „Sag mal, wie läuft es mit Caleb?", fragt er nach kurzer Pause. Ich drehe mich zu ihm. „Gut, wieso?" „Nur so!" Stille. „Okay.", sage ich.

„Guten Morgen, meine Kinder!", rufe ich, als Finn und ich aus dem Auto steigen und auf die Studiohalle zugehen. Jack, Wyatt und Jaeden stehen vor der Tür und winken uns zu. Als wir dort ankommen, umarme ich alle. „Geht's dir gut?", frage ich Jack, als ich ihn umarme. Er nickt kurz. „Besser als gestern." „Gut." Ich löse mich von ihm. „Alles okay?", fragt Wyatt und betrachtet uns. Ich zucke mit den Schultern und nicke. „Ja, keine Sorge." „Morgen ist Mittwoch- Filmeabend. Nicht vergessen.", erinnert uns Jaeden. „Kommst du auch?", frage ich. „Klar, irgendwann muss ich ja mal beim legendären Stanford-Filmeabend dabei sein!", grinst er und hält uns die Tür auf. „Mira, Finn!" Die Assistentin des Regisseurs kommt auf uns zu. „Auf in die Maske, ihr habt gleich eine Szene!" Ich werfe meine Jacke auf den Garderobenständer und folge ihr zur Maske.

„Okay, gut, also... Finn, hierhin... Mira hierhin. Genau so. Aha! Ja, gut. Okay. Gut, bleibt genau so!", ruft der Regisseur und setzt sich wieder auf seinen Stuhl. In der Szene versöhnen sich Lily und Richie nach einem Streit wieder. Finn schiebt sich noch ein letztes Mal seine Brille hoch. „Action!"

„Lily, warte mal." Ich gehe den Gang der Schule entlang. Finn zieht an meinem Arm. „Bleib stehen!", ruft er. Schlagartig drehe ich mich um. „Was willst du, Richie?", zicke ich. Dennoch steigen mir Tränen in die Augen. Nicht weinen, sage ich zu mir. „Lily, das kann so nicht weitergehen." „Eben. Aber ich kann weitergehen. Ich muss los." Ich drehe mich wieder um und will gehen, doch Finn hält mich am Ärmel zurück, zieht mich zu sich und legt seine Hände an meine Taille. Ich stehe wie erstarrt da. „Lily, ich kann nicht mehr." Er schaut mir ernst in die Augen. „Was?" Wie paralysiert starre ich in seine dunklen Augen. „Ich kann nicht jeden Morgen aufwachen und wissen, dass ich dich nicht sehen werde, oder dass du mich ignorieren wirst." „Ich..." Mir fehlen buchstäblich die Worte. Ich bekomme Gänsehaut. „Verzeihst du mir?", fragt er und sieht mich mit seinem typischen Finn-Hundeblick an. „Du hast mich verletzt, Richard Tozier...", Ich wende meinen Blick ab. „Ich weiß. Es tut mir so unendlich leid. Glaub mir." „Du hast mir versprochen, dass..." „Ich weiß. Ich hätte dieses Versprechen nie brechen dürfen." „Das weiß ich." Ich ziehe einen Mundwinkel hoch. „Schon gut, was habe ich erwartet." Er nimmt seine Hände von meiner Taille und will gehen. „Ich verzeihe dir.", flüstere ich. Finn erstarrt im Gehen und dreht sich langsam um. „Was?" „Ich verzeihe dir. Wie könnte man dir nicht verzeihen?", lächele ich schwach. Er bleibt wie angewurzelt stehen, etwa zwei Meter vor mir. „Wirklich?" Ich nicke. „Ich liebe dich.", sage ich leise. Ich gehe auf ihn zu und nehme sein Gesicht in meine Hände. Die Kamera schwenkt herum und zoomt auf unsere Gesichter, die nur wenige Zentimeter voneinander entfernt sind. „Aber wenn du das Versprechen noch einmal brichst, dann..." „Klappe, Senora, küss mich endlich.", flüstert Finn und zieht mich zu sich. Unsere Lippen landen aufeinander. Ich schließe meine Augen und lächele in den Kuss hinein. Nach einigen Sekunden lösen wir uns. „Ich liebe dich auch.", sagt Finn. „Cut!", unterbricht uns der Regisseur.

„Mit euch braucht man bei solchen Szenen höchstens zwei Takes, das ist großartig!", freut sich der Regisseur, als wir neben ihm stehen und uns die Szene noch einmal anschauen. Er schaut uns beide nacheinander an. „Ihr habt diese Chemie, es ist wirklich so gut wie einmalig!" „Wir sind nicht umsonst beste Freunde.", grinse ich. „Das ist wahr.", sagt Finn. „Gut, das wäre es dann. Ihr habt Pause." Ich nicke und gehe zusammen mit Finn zum Pausenraum. „Du hast beinahe geweint.", bemerkt mein bester Freund. „Ja, kann sein. Hat ja auch zur Szene gepasst." „Hm." Ich öffne die Tür zum Pausenraum. „Hello." „Ging ja schnell.", bemerkt Chosen und grinst vielsagend. „Um mal den Regisseur zu zitieren, 'Ihr habt diese Chemie, es ist wirklich so gut wie einmalig.'", sagt Finn und greift einen Donut aus der Box auf dem Tisch. „Aha." Chosen wackelt mit den Augenbrauen. Ich zeige ihm den Mittelfinger. „Sag mal, was ist das bei euch immer?", fragt Jack grinsend. „Telepathie.", bemerkt Jaeden. Ich schaue ihn an und schüttele grinsend meinen Kopf. „Das wird's sein.", sage ich und nehme nebenbei Finn seinen Donut aus der Hand und beiße genüsslich hinein. „Ey!", beschwert er sich und rümpft die Nase. „Ich habe da schon abgebissen, das weißt du?" Ich grinse ihn zuckersüß an. „Wir haben schon so viel Speichel ausgetauscht, dass es mich eher weniger juckt.", sage ich und beiße erneut ab. „Wenn du das sagst..." Ich schaue mich kauend im Raum um. Alle sehen mich vielsagend an, während Finn, mit dem Rücken zu uns allen, eine Wasserflasche aus dem Kühlschrank nimmt. Ich rolle mit meinen Augen. Als Finn sich wieder herumdreht, drehen sich alle weg von mir. Es hätte wirklich eine Filmszene sein können, denke ich mir. Finn öffnet seine Flasche und nimmt einen Schluck. „Ist bei euch alles okay?", fragt er laut, woraufhin sich alle wieder zu ihm drehen. Alle lächeln unschuldig. „Ja, und bei dir so?", fragt Jeremy grinsend. „Ähm, was habt ihr bitte genommen?", lacht mein bester Freund. Alle steigen mit ein. „Nichts.", grinst Chosen. Dann kommt der Manager herein und holt alle zu einer Szene. Ich bleibe als einzige zurück.

Ich tippe ungeduldig auf dem Tisch herum. Meine Gedanken schweifen ab. Wieder fallen mir die Worte des Regisseurs wieder ein.

„Ihr habt diese Chemie, es ist wirklich so gut wie einmalig!"

Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Mein Blick fixiert die leere Donutbox in der Tischmitte.

„Du bist süß." „Wieso das?", grinse ich. „Du konntest dich nicht zwischen deinem Freund und deinem besten Freund entscheiden." „Was ist daran süß?" „Das bedeutet im Klartext, dass ich dir so viel bedeute, dass du dich nicht entscheiden könntest, ob du deinen festen Freund oder mich retten würdest.", lächelt er.

Ich könnte mich nicht entscheiden. Ich könnte mich wirklich nicht entscheiden.

„Du denkst bestimmt, dass ich die größte Heulsuse auf diesem Planeten bin..." Ich stütze meinen Kopf in die Hände. „Nein!" Er legt eine Hand auf meine Schulter. „Das denke ich ganz sicher nicht...", sagt er sanft. Dann zieht er mich an sich und drückt mich fest an sich. „So oft, wie ich zusammenbreche, würde es mich nicht wundern.", sage ich und schniefe. „Es ist doch nur der Stress, Stannie." Er verstärkt seine Umarmung. Ich lege nun auch meine Arme um ihn und ziehe ihn an mich. „Danke, Finn." „Wofür?" „Du bist immer für mich da." „Dafür sind beste Freunde doch da, oder?", grinst er und löst sich aus der Umarmung.

Ich bekomme Gänsehaut. Verdammt, was soll das? In letzter Zeit kommt es öfter vor. Manchmal ist es das Zittern, die Gänsehaut, die Schauer... Dann sind da die Stiche, als ob sich mein Herz zusammenzieht. Woran liegt es? Ich starre meine Finger an und knete sie. Da klingelt mein Handy. „Hallo?" „Hey, Süße.", begrüßt mich die Stimme meines Freundes. Sofort zieht sich mein Herz zusammen. Ich lege meinen Kopf in den Nacken. „Verdammt." „Was?" „Nichts, habe nur beinahe mein... Wasser fallen lassen.", rede ich mir heraus. „Hast du morgen Zeit?" „Ja, nach Drehschluss halt." „Ich hole dich ab." „Okay, gut. Bis morgen. Ich muss jetzt zur Arbeit.", sage ich schnell. „Okay. Ich liebe dich." "Ich dich auch." Schnell lege ich auf. Schweratmend lege mein Handy langsam auf den Tisch. Verdammt.

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