Kapitel 6.2

Es stellte sich raus, dass ich mit einem der Mädchen vom Theater Kunstunterricht habe, doch leider habe ich keine Ahnung mehr wie sie heißt. Sie scheint aber freundlich zu sein und nicht so wie diese abgehobene Schülersprecherin. Eine ältere Dame kam uns entgegen, welche aussah wie eine wandelnde Leinwand. An ihren Füßen steckten hochwertige Lederstiefel die mit etwas Farbe bekleckert waren und über ihrem froschgrünen Plisseerock mit schwarzem Saum trug sie ein Hard Rock Cafe Oberteil und darüber eine Jeansjacke auf der verschiedene bunte Stickereien aufgebügelt wurden. Nur weil ich männlich bin, heißt es nicht, dass ich kein Auge für die Mode habe. Schon bevor sie uns erreichte fing sie an in einem französischen Akzent zu reden: "Alexia, gut das du da bist. Jerome... ich hab ihn wieder alleine gelassen. Katastrophal mon cheri alles voller Farbe." Da sie einige Vokale nicht aussprechen konnte, machte es die Situation viel witziger, sodass ich anfing zu grinsen. Aber wer ist Jerome?

"Madame, ich hab ihnen doch gesagt, dass sie ihren Kater während sie unterrichten in die Transportbox stecken sollen für seine eigene Sicherheit oder ihn einfach Zuhause lassen.", sagte Alexia in einem vorwurfsvollen Ton.

"Deine Mutter will ihn nicht und Grace darf nicht im Büro. Aber darüber reden wir später. Vielleicht will dein neuer Freund beim sauber machen helfen. Und hör auf mich in der Öffentlichkeit Madame zu nennen.", gab sie von sich während Alexia und ich ihr wild durch den Raum folgten. Die neugierigen Blicke meiner neuen Mitschüler lagen uns auf den Fersen. Angekommen beim Waschbecken fuchtelte unsere Lehrerin mit ein paar Tüchern rum. Ein Blick ins Waschbecken genügte um zu wissen das ein junger Kater mit Farbe an den Pfoten drinnen saß. Alexia ging der Frau zur Hand und sie schafften es in kurzer Zeit die Farbe vom Kater zu entfernen und haben ihn als sie fertig waren, ihn mir in die Arme gedrückt. Die Kunstgruppe war hinter mir und man hörte ein paar Mädchen wie sie ein "aww" von sich gaben. Typisch Weiber. Während die anderen beiden versuchten das Waschbecken sauber zu kriegen schaute ich schon mal die anderen Personen im Raum an und sie schauten alle zurück außer die beiden Mädchen in der ersten Reihe die vertieft in einem Gespräch waren. Was gibt es denn da zu glotzen?

Mittlerweile wurde das Farbproblem beseitigt und der Kater schnurrte zufrieden auf dem Lehrerpult. Da es keine festgelegten Plätze gab setzte ich mich mit Alexia in die letzte Reihe und nutzte die Gelegenheit um sie zu fragen warum sie so vertraut mit unserer Kunstlehrerin war. Locker antwortete sie: "Ach Janette, also unsere Lehrerin, ist mit meiner Tante verheiratet und ist demnach auch meine Tante. Meine Eltern wollten anfangs auch nicht glauben, dass ich lesbisch bin. Deshalb haben die anderen so doof geschaut, weil sie nicht gewohnt sind mich mit Typen außerhalb der Theatergruppe zu sehen. Meistens hänge ich mit Andre ab weil er weiß wie es ist auf das eigene Geschlecht zu stehen.". Ich war ziemlich beeindruckt von dem Wörterschwall von eben und das sie über ihre Homosexualität so offen reden kann aber ich hätte nie gedacht, dass Andre schwul ist. 

Während wir uns unterhielten landete ein Papierball auf Alexias Tisch. Sie faltete ihn auf und zu sehen war die Aufschrift *LESBE* in schmuddeliger Schrift. Ich erhob mich um die Person fertig zu machen der sowas einer freundlichen Person wie Alexia angetan hat, doch sie beschwichtigte mich nur und stellt sich selbst auf ihren Stuhl und holte tief Luft bevor sie eine Ansprache begann und alle Augen waren auf sie  gerichtet. Nach ihrem tiefen Atemzug begann sie unerwartet ruhig zu reden: "So meine lieben Mitschüler. Ich habe zwar keine Ahnung wer von euch arroganten, selbstgefälligen und armseligen Leuten mit Selbstwertkomplexen mich beglückte mit diesem wundervollen Liebesbrief. Das werde ich wohl nie erfahren. Genauso wenig werde ich erfahren was sich eure Mutter dabei gedacht hat, dass Angebot für eure Abtreibung abzulehnen. Aber wenn ich rauskriege wer das mit dem Zettel von euch war, wird die Lesbe zur Wespe." Den letzten Satz sagte sie mit einem siegessicheren Lächeln was sie als Person so viel bewundernswerter machte. Stolz lächelte ich sie an, was sie dann erwiderte. Pünktlich zum Ende ihrer Ansprache läutete die Schulglocke. "Das was du gerade gesagt hast war echt beeindruckend. Ist es okay wenn ich die Pausen mit euch verbringe?", gab ich etwas verlegen von mir. Mit einem Nicken gab sie mir das Zeichen ihr zu folgen.

Angekommen bei den anderen gab es sofort verschiedene Gesprächsthemen die wirklich interessant waren bis ich auf einmal SIE sah. "Leute wir sehen uns nachher beim Mittagessen ich muss kurz noch was erledigen", erklärte ich den anderen bevor ich ging ohne auf eine Antwort zu warten.

"Lilith?"

Schockiert drehte sie sich um bis sie mit abfälliger harter Stimme sprach: "Na super jetzt stalkst du mich auch schon in meiner Schule. Was kommt als nächstes? Willst du etwa in meiner Dusche aufkreuzen?"

"Das sind nur deine süßen Träume aber das Angebot mit der Dusche nehme ich gerne an", konterte ich. Wenn Blicke töten könnten wäre ich jetzt schon dreifach abgestochen und erwürgt von Lilith. Während unserem intimen Blickkontakt kam aber etwas dazwischen. Ein Sportler griff ihr nämlich aus dem nichts an die Hüfte und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Sowohl Lilith und ich spannten uns an doch ich sah in ihrem Blick die Hilflosigkeit und zögerte deshalb keine Sekunde diesem Ekelpaket an den Kragen zu gehen und ihn gewaltvoll an die Spinde zu drücken. Mein Blut war lauter als die große Schülermenge. Der Typ war genauso groß wie ich und eventuell genauso stark aber er rührte sich nicht vom Fleck und die Angst ließ sich an den Schweißperlen auf seiner Stirn ablesen. Mit dem bloßen Wort "geh" brachte ich ihn schon zum flüchten. Jetzt bin ich umgeben von einer Schülermenge, die Theaterleute inklusive. Anstatt negative Kommentare gab es einen Applaus. ich fühl mich gerade wie in einem dieser klassischen amerikanischen Teenagerfilmen. Momente vergangen und der Applaus verebbte und die Schüler zerstreuten sich wieder. Aus Loyalität warteten ein paar aus der Theatergruppe doch ich signalisierte ihnen, dass ich noch was zu erledigen habe, was sie respektierten. Lilith schaute währenddessen auf ihre Füße bis sie nach einer peinlichen Stille sagte "danke du hast einen Wunsch bei mir frei".

Und mit diesen Worten ging ich überglücklich zu meiner nächsten Unterrichtstunde von der ich keine Ahnung habe wo sie ist.

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