Kapitel 1:

„You have enemies? Good. That means you've stood up for something, sometime in your life."
-    Winston Churchill

Mein T-Shirt ist neu, knallrot und hässlich. Wir haben schon den 22. Juni, aber keine dreißig Grad, und nachdem ich vier Tage in einem dünnen Pullover geschwitzt hatte, besorgte ich mir lieber etwas im Ausverkauf, statt wieder die Sommerklamotten hervorzukramen. So ist der Sommer in Cooperstown. Ich bin noch letzte Woche beim großen See, der in der Mitte der Stadt liegt, gewesen. Viele Menschen gehen dorthin, um zu fischen, aber einige Klassen aus der Grundschule gehen meistens dorthin zum Schwimmen. Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber durch meine Gabe kann ich sehen, dass ich auch mal dort mit meiner Klasse war. Ich glaube vom Aussehen her müsste ich sieben oder acht Jahre alt gewesen sein. Ich war sowieso nie gut im Schätzen gewesen, aber diesmal bin ich mir sicher. Wir waren mit drei Lehrern dort schwimmen gegangen und wir durften nicht weiter schwimmen, als zehn Meter, denn dann würden das Wasser für uns zu tief werden. Laila, damals bereits schon meine beste Freundin, hasste es in Sees schwimmen zu gehen. Seitdem sie mal mit ihren Eltern nach Kalifornien im Sommer 2000 im Meer schwimmen war und dabei ein großer Fisch an ihrem Zeh biss – ich kenne die Geschichte nicht mehr so gut -, wollte sie nur noch in richtige Schwimmbäder gehen. Da es mir wieder einfiel, dass dies Sommer 2000 passiert war, wusste ich, dass ich in der vergangenen Vision sieben Jahre alt war. Mit Mike hatten wir alle (Laila, Evan, Austin und ich) den Kontakt abgebrochen. Meinetwegen bestimmt. Ich hatte niemanden, sogar Laila, davon erzählt, dass Mike von Loki verprügelt wurde. Ich dachte, dass Mike deswegen mit niemanden von uns mehr was zu tun haben wollte. Laila und Austin sahen sich nach einer gemeinsamen Wohnung um, nachdem sie nach diesem Abend zusammenkamen. Da ich nach den Geschehnissen in Washington nach Hause ging, versuchte ich es wieder zu vergessen. Laila wusste bereits, ohne dass ich sie je ansehen musste, dass ich darin verwickelt war. Ich war wieder in den Nachrichten, und das sagte ja wohl eine Menge, wenn nicht, sogar alles. Aber es ging mit unserer Freundschaft wieder Berg auf. Und die Beziehung zwischen mir und meiner Mutter auch. Sie hatte sich schon längst damit abgefunden, dass ich zu den Avengers gehörte. Ich wusste, dass Steve wollte, dass ich bei ihm blieb, aber meine Mutter war sozusagen das Einzige, was mir noch von meiner Familie bleibt. Und kurz vor meinem neunzehnten Geburtstag lebte ich dieses Leben, das ich mir immer gewünscht hatte. Heute gehe ich nach einigen Tagen wieder aus dem Haus. Mitten im Sommer ist es Tradition in Cooperstown, dass man zu einem jährlichen Baseball Turnier geht, denn in mitten dieser kleinen Stadt liegt ein offenes Baseball Stadion und Austins Team wird heute spielen. Ich bin mir sicher, dass er es im Museum ‚Baseball Hall of Fame' bringen wird, denn seit den sechs letzten Siegen seines Teams redet ganz Cooperstown nur noch von ihm und Laila findet es natürlich cool, dass sie außerdem seine Freundin ist, verständlich.

Als ich morgens wach werde, meine Mutter längst arbeiten ist, mache ich mir Hähnchenschenkel mit Kartoffeln und Salat, bis ich unter die Dusche springe und mich dann für das Spiel am Nachmittag fertigmache. Meine Mutter wurde in den letzten zwölf Monaten von einigen Menschen im Supermarket entdeckt. Sie sagen dann Dinge wie „Oh, Sie sind doch die Mutter von Freya!" oder „Wir sind so froh einen Menschen wie ihre Tochter zu haben!". Aber meine Mutter lächelt nur, sagt nichts und versucht mich aus dem Spiel zu halten, was ich gut finde. Die Menschen sind seltsamer, freundlicher und vor allem ängstlicher miteinander geworden, seit dem Angriff in New York, die Zerstörung des Colleges in London und das Geschehen in Washington. Das Größte aber, was mich am meisten froh und freimacht, ist hier weiterzuleben und, dass es S.H.I.E.L.D nicht mehr gibt. Ich habe lange auf diesen Moment gewartet und nachdem Nick alles in die Öffentlichkeit gebracht hatte, wissen die Menschen nun über alles Bescheid, sogar über Hydra. Als ich aus der Dusche komme und ein Tuch um mich wickele, klingelt es an der Tür. Mit Falten auf der Stirn gehe ich die Treppen herunter und schaue durch die kleine Linse hindurch. Ich seufze, als ich Laila erblicke und die Tür für sie öffne. Sie sagt nicht einmal ‚Hallo', sondern tritt einfach ein.

„Also, heute ist der einzige Tag, wo ich frei habe und nicht auf Luke aufpassen muss. Deswegen will ich keine Entschuldigungen hören, dass du keine Lust oder keine Zeit hast, denn ich weiß, dass du nur hier drinnen hockst."

Ich habe Laila seit dem Treffen am See von letzter Woche nicht mehr gesehen und ich habe ihr schreckliches Temperament fast vergessen. Sie setzt sich immer durch, bei allem und jeden.

„Ich komm ja mit, mach dir nicht in die Hosen."

Laila schreitet in die Küche und öffnet den Kühlschrank, wo sie einen Jogurt rausnimmt und sich dann hinsetzt und ihn sich wie ein Glas Wasser in den Mund schüttet.

„Brauchst du keinen Löffel?"

„Nee, nee. Lass mal."

Sie becklert sie ihren ganzen Mund, sodass es aussieht, als hätte sie Tollwut, nur, dass pinker Schaum ihr übers Gesicht läuft.

Ich gehe ohne Wort hoch in mein Zimmer mich umziehen, währendem Laila weiterhin an ihrem Jogurt schleckert. Als ich fertig bin und meine Haare immer noch nass sind, komme ich wieder herunter und sehe, dass sie sich ein Glas Orangensaft einschüttet. Ich weiß, dass Laila sich schon immer hier wohl fühlt. Auch wenn meine Mutter hier ist, ist es fast so, als wäre sie meine Zwillingsschwester, nur, dass sie blondes Haar und ich schwarzes habe.

„Wir fahren ja so gegen halb vier? Ich will mich noch vorher mit Austin treffen, okay?"

„Hmm..."

„Stimmt irgendwas nicht?"

„Nein, alles okay. Ich bin nur etwas müde, das ist alles."

„Kann ich dir glauben." Sie mustert mich und ihr Blick bleibt bei meinem Kopf stehen. „Du muss dringend Mal deine Haare schneiden, sonst fällst du noch über sie und die Menschen nennen dich nicht mehr Freya, sondern Rapunzel."

Sie hat Recht. Meine Haare reichen mir bis über mein Gesäß, der schwarze Ansatz geht mir bis zu den Ohren und die Braunfärbung sieht nicht mehr so schön aus.

„Komm.", sagt sie und greift meine Hand. „Ich werde sie dir schneiden."

„Nein, nein." Ich reiße mich los. „Ich geh zum Friseur."

„Wann?"

„M-m-morgen." Das Stottern verrät mich.

„Ja ja, und dann später nochmal die Welt retten. Komm jetzt, ich hab' das schon bei meiner Cousine getan, ich weiß was ich tue."

Ich liebe Laila wirklich. Sie ist einer dieser vielen Menschen auf der Welt, die man Freundin nennen kann, aber manchmal geht sie mir so auf den Keks, dass ich ihr den Hals umdrehen will. Aber diese Ruhe in mir kann mich davon abhalten und ich frage mich, wie ich diese Ruhe nur gefunden habe. Ich setze mich an den Rand der Wanne, währendem sie mir meine Haare kämmt und in einen Pferdeschwanz bindet. Dann nimmt sie eine Schere aus der Schublade und mit einem Schnitt ist alles weg, ohne Vorwarnung.

„Wa-was hast du getan, Laila?!"

„Du kannst mir später danken.", lächelt sie.

„Laila, verdammt!", schreie ich, denn ich weiß, dass es nicht gut aussehen würde.

Als ich das Band mit meinen Haaren in Lailas Hand erblicke, stehe ich entsetzt auf und schaue in den Spiegel. Das kann doch wohl nicht... Ich find's super. Die Haare gehen mir jetzt nur noch bis zur Schulter und ich spüre sofort, dass diese langen Haare mich genervt haben.

„Wie gesagt, du kannst mir später danken. Jetzt föhnst du dir deine verdammten Haare und dann machst du dich fertig. Ich hab' keinen Bock zu spät zu kommen."

Ab diesem Augenblick weiß ich, wieso sie mir die Haare schnitt. Damit ich nicht zu lange brauche. Und wieder ein guter Grund gefunden, wieso ich ihr den Hals umdrehen will. Als ich fertig bin, finde ich sie in meinem Zimmer mit dem Stein in der Hand, den mir meine Mutter einst geschenkt hat.

„Fass das nicht an!", schreie ich und reiße ihn ihr aus der Hand.

„Was ist das?"

„Etwas von meinem Vater."

Laila macht große Augen. „Etwas aus dieser anderen Welt?"

Ich nicke und lege ihn wieder in die Schublade zurück. „Ja, deswegen fass das nicht an."

Was wäre, wenn sie an einen bestimmten Ort denkt und dann dort hin teleportiert wird, ohne zu wissen, was sie tut? Sie ist doch wirklich nie mit fremden Objekten in Berührung gekommen, aber ihre neugierigen Finger halten sie wohl davon ab. Ich hoffe, dass sie auf mich hört, aber wenn nicht, dann weiß ich nicht, wie lange sie es noch in meiner Gegenwart aushält.

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