Sieben
Jayuro musste eine richtig gute Wahrnehmung haben, um mein Auto gleich gefunden zu haben und sich auf den Beifahrersitz zu sitzen. Wenn ein Mensch sein Augenlicht verlor, dann wurden seine anderen Sinne intensiver. Ich konnte mir auch gut vorstellen, dass er gehört hatte, wo ich mein Auto abgestellt hatte und er war der Erinnerung an dem Motorengeräusch gefolgt. Seine Hände übernahmen den Rest. Das Nachdenken lenkte mich von der Angst ab, die Jayuro in der engen Räumlichkeit des Autos nur weiter heraufbeschwörte, also dachte ich länger nach. Wenn Jayuro blind war, wie konnte er sich dann so perfekt mittig auf die Straße stellen? Wann wusste er, wann er auftauchen musste? Ich fragte mich wie lange er schon ein Geist war und wie es für ihn ist einer zu sein. Fühlte er sich irgendwie leer? Das lies mich aufschnauben. Was ein menschlicher Verstand alles in der Lage war, wenn er nachdachte.
„Fährst du?"
Jayuro hatte den Kopf zu mir gedreht und hatte mich damit so stark erschreckt, dass ich fluchte. Da er seinen Kopf in meine Richtung gedreht hatte, sah ich in seine schwarzen Augenlöcher. Es kostete mir meine ganze Mut nicht den Kopf wegdrehen. Würde Jayuro das merken? Bestimmt. Dem Geist traute ich alles zu. Mit so einer Wahrnehmung. Deswegen gab ich mein bestes und schaute ihn direkt in das blasse Gesicht. „Ja...ich werde gleich losfahren....wo soll ich dich hinbringen, Jayuro?"
„Ich heiße Hyunjin....mein Name ist das einzige woran ich mich erinnern kann......und Koordinaten.....bitte bring mich dahin."
Jayuro hatte einen wirklichen Namen? Natürlich. Wenn ich es mir so recht überlege, war das nur passend. Den Namen Jayuro bekam der legendäre Geist ja von der Straße, auf dem er spukte. Er war einst ein Mensch gewesen mit einem Namen. Das Zweite das mir auffiel und was auch typisch für einen Geist war, war Amnesie. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wie er gestorben ist oder an sein Leben vor seinem Tod. Für ihn existierte nur das Leben danach, in welchem er vor sich hin vegetierte, ruhelos und ohne Frieden. Auf der Suche auf etwas, von dem er nicht wusste, was genau er suchte. Hyunjin musste in der Dunkelheit tappen und keine Ahnung haben, wieso er nur noch seinen Namen und ein paar Koordinaten kannte.
„Bringst du mich auf ein Friedhof, Hyunjin?"
Die Mundwinkeln des Geistes hoben sich leicht nach oben, als würde es ihm gefallen, dass ich ihm bei seinem sterblichen Namen nannte. Es bedeutete ihn viel, dass man ihn so nannte, weil er ein Überbleibsel aus seinem früheren Leben war. Einem Leben, an das er so viel hing, dass er keine Ruhe fand. Ich nahm mir vor, ihn öfters bei seinem sterblichen Namen zu nennen. Vielleicht beruhigte ihn das und er wird mir wirklich nichts antun.
„Ich weiß es nicht."
Ich fragte Hyunjin nach den Koordinaten, während ich sie in mein Handy eintippte. Die Googlesuche ergab allerdings keine Treffer. Seltsam. Ich lies Hyunjin die Koordinaten nochmal aufsagen, doch es waren die gleichen wie zuvor. Komisch. Mir blieb nichts anderes übrig als nach Hause zu fahren und meine Nachbarn Jeongin und Seungmin zu fragen. Die beiden Freunde zelteten mit voller Hingabe und kannten sich vielleicht mit Koordinaten aus. „Okay, Hyunjin, wie es aussieht bekomme ich keine Ergebnisse, deswegen muss ich meine Nachbarn fragen. Ich werde jetzt nach Hause gehen. Treffen wir uns...morgen wieder hier?"
„Ich bleibe."
Gänsehaut kroch über meinen Körper. Hyunjin wollte hier in meinem Auto bleiben was bedeutete ich musste mit einem gruseligen Geist bis nach Paju fahren. Wie soll ich das nur überleben? Das fragte ich mich heute schön öfters. Ich schaute nach vorne und startete das Auto. „Und....wie ist es herumzuspuken?"
„Undefinierbar."
Toll. Das hilft mir sehr weiter. Die Stimmung war eh angespannt und es war einfach nur kalt im Auto, dass ich mir meine Lederjacke anzog. Still fuhr ich uns über den Highway. So gut es ging versuchte ich die eiskalte Stimmung zu ignorieren, bis ich es nicht mehr aushalten konnte und das Radio anschaltete. Mit etwas Musik würde es hier viel lockerer zugehen und wer weiß, vielleicht taute ja Hyunjin auf und sprach mehr von sich als nur einzelne Wörter.
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