Kapitel 42 - 09.10.2023


▌│█║▌║▌║ ✎ ║▌║▌║█│▌


Taehang sah nervös aus, wie er auf dem Stuhl saß, seine Hände mit den Handschellen gefesselt und den Becher haltend. Dennoch hielt er dem Blick meines Vorgesetzten stand und schwieg eisern. Ob das so clever war, bezweifelte ich. Er musste kooperieren.

"Sind Sie ein nordkoreanischer Spion?", fragte Chunghee etwas schärfer. Dass Taehang nicht zusammenzuckte, überraschte mich schon. Ich wäre es.

"Ja. Ich wurde zu mindestens zu einem ausgebildet und aus diesem Grund hierher geschickt, aber ich bin meiner Aufgabe nicht nachgekommen und habe den Kontakt abgebrochen. Ich wollte nie ein Spion sein. Ich habe das nur gemacht, damit ich in dieses Land kommen und frei sein kann", erklärte Taehang meinem Vorgesetzten und zeigte somit seinen Willen, das alles aufzuklären. Ich hörte es zum zweiten Mal und dennoch schockierte es mich. Es gab viele gefährliche Wege, wie man aus Nordkorea herauskommen konnte, aber dieser Weg war einer der Schwersten. Die Ausbildung zu ertragen und dann so gut zu sein, dass man nach Südkorea geschickt werden würde. Es warf eindeutig Fragen auf, was mein Chef ebenso sah und fragte: "Und das soll ich Ihnen glauben?"

Taehang nickte leicht und nahm einen Schluck vom Wasser, während mein Vorgesetzter einen mehr als skeptischen Haltung drauf hatte.

"Was war Ihr Auftrag?"

Erneut zögerte Taehang und ich sah, wie er etwas nervös mit seinem Finger an dem Becher spielte, ehe er antwortete: "Ich hatte den Befehl, Park Jin zu unterwandern und sämtliche Informationen an meinen Kontaktmann weiterzuleiten. Das Ziel war es, seine genauen Termine herauszufinden und so ein Attentat auf ihn zu planen." Deutlich sah ich, wie er schluckte und dennoch wandte er seinen Blick nicht ab, während mein Chef etwas blass wurde. Dass es die Nordkoreaner auf unseren Außenminister abgesehen hatten, war kritisch.

"Wer ist Ihr Kontaktmann und wie sollten Sie ihn kontaktieren?" Ich hatte geahnt, dass er jedes Detail wissen wollte. Auch in mir war eine gewisse Neugierde, doch ich hatte mich vorhin zurückgehalten. Dafür hatten wir keine Zeit gehabt. Ich hoffte nur, dass es nichts war, was unseren ganzen Plan ruinieren würde. Aber das hätte er mir dann doch gesagt? Oder nicht? Hatte er mich nur benutzt? Nein, das konnte nicht sein. Immerhin war er Taehyungs Zwillingsbruder und ich hatte in seinen Augen gesehen, dass ihm das etwas bedeutete. Eine wahre Familie, die ihn liebte, so wie man war.

"Ich kenne seinen Namen nicht und ich weiß nicht, wie er aussieht. Um ihn zu schützen, wurden mir diese Details vorenthalten. Wir kommunizieren über ein Schließfach. Ich lege meinen Bericht hinein und er holt ihn ab, um ihn nach Nordkorea zu bringen. Ich sollte jede Woche einen abgeben. Deswegen gehe ich davon aus, dass er jede Woche in das Schließfach guckt, um meine Berichte frühzeitig weiterleiten zu können." Taehang nahm erneut einen Schluck vom Wasser und leckte sich über seine Lippen. "Das Fach ist in der Seoulstation und hat die Nummer 589. Der Pin ist 8456. Dort befindet sich mein nordkoreanischer Pass, eine Schusswaffe und Geld", fügte Taehang hinzu, während ich schwer schluckte. Eine Pistole? Sie hatten ihm eine Feuerwaffe mitgegeben? Wie hatten sie das bewerkstelligen können? Sie müsste hier registriert worden sein, denn über den Flughafen hätte er sie sicherlich nicht hierhin schmuggeln können. Das Risiko wäre zu groß. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als sich mein Chef zu mir umdrehte, mir zunickte und ein Zeichen gab. Ich verstand es sofort. So wandte ich mich ab und trat aus dem Raum, um den Auftrag weiterzugeben, damit man das Schließfach beobachten und begutachten konnte. Schnellen Schrittes ging ich zurück, da ich wissen wollte, was mein Chef noch herausfand. Die nächste Frage hatte ich verpasst, weswegen ich nur der Antwort des Jüngeren lauschen konnte.

"... ich habe mehrere Pässe bekommen und bin über China, nach Thailand und dann nach Südkorea gekommen. Dabei habe ich mehrmals meine Identität gewechselt und bin hier unter dem Namen Kim Taehang eingereist. Ich sollte eine Wohnung beziehen, die für mich vorbereitet worden war. Das habe ich getan und bin zwei Monate meiner Aufgabe nachgegangen, doch weit bin ich nicht gekommen. Und dann habe ich aufgehört, weil ich IHN gesehen habe. Kim Taehyung. Ein riesiges Poster von ihm an einer Reklametafel. Ich war verwirrt und ich habe sofort alles abgebrochen. Das hätte zu viele Fragen aufgeworfen und anstatt einen Bericht abzugeben, bin ich untergetaucht. Ich habe meine Pässe verbrannt und habe mir mit dem letzten Geld, das ich hatte, ein neues Handy und eine SIM-Karte gekauft. Ich wollte als Influencer durchstarten und war mir sicher, dass es funktionieren würde, wenn ich schon so aussehe wie Kim Taehyung. Zudem habe ich mir ein Konto bei Only-Fans angelegt, wo man schnell an Geld kommt, damit ich überhaupt etwas zu Essen kaufen konnte. Ich habe mich die ersten zwei Monate bedeckt gehalten, bevor ich angefangen habe, Postings auf Instagram zu veröffentlichen, um Reichweite zu gewinnen. Ein Risiko habe ich darin nicht gesehen, da ich weiß, dass die Nordkoreaner niemals auf dieser Plattform unterwegs sind, und wie soll man nachweisen, dass ich es bin, wenn so viele unter den Fotos posten, dass ich Kim Taehyung bin. Ich habe mich sicher gefühlt und wollte mir mein Leben aufbauen und doch wurde mir von Tag zu Tag klarer, dass ich es nicht lange schaffen werde, in diesem Land unerkannt zu bleiben. Nicht ohne eine Berechtigung hier zu sein." Mein Chef nickte auf die Worte und notierte sich einiges in der Akte, die vor ihm lag, während ich mehr als nervös war. Das alles noch einmal zu hören, bereitete in mir ein ungutes Gefühl. Diese Naivität, dass das hätte funktionieren sollen. Es war bescheuert. Dafür wurde unser Staat zu stark überwacht. Als ob das nicht auffallen würde? Doch dazu hatte ich ihm auch vor ein paar Stunden nichts gesagt, denn das würde nichts mehr ändern. Er hatte diesen Weg eingeschlagen und musste alles offenbaren, um aus dieser Situation wieder herauszukommen. Einfach war das nicht. Zumal ich nicht wusste, wie genau das Training in Nordkorea für einen Spion aussah. Sicherlich war es kein Zuckerschlecken gewesen. Die vereinzelten Narben auf seiner weichen Haut waren mir gestern nicht entgangen.

"Was ist mit dem Handy, das Sie bekommen haben? Und wie lange war Ihr Einsatz geplant?", fragte Chunghee weiter, ohne Gnade.

"Ich habe es zerstört. Ich wusste, dass es vermutlich verwanzt ist. Sie trauen niemanden, nicht einmal ihren eigenen Leuten. Mein Aufenthalt war fürs Erste auf sechs Monate begrenzt, aber das wäre je nach Stand des Auftrages erweitert worden." Erneut nahm Taehang einen Schluck seines Wassers und stellte den Becher wieder ab.

"Wie viele wurden zur selben Zeit in dieses Land geschickt?", fragte mein Chef erbarmungslos weiter.

"Zwei Männer und eine Frau. Wir haben unterschiedliche Anweisungen bekommen, über die ich leider nichts Näheres weiß. Ich weiß nur, dass es Politiker sein müssten, da wir die gleichen Trainingseinheiten absolviert haben, bevor wir unsere Aufträge antreten sollten. Und nein, ich habe keinen Kontakt mit ihnen und ich weiß auch nicht, wie ihre Identitäten hier sind. Ich könnte Ihnen nur ihre richtigen Namen nennen." Mein Chef nickte auffordernd auf diese Worte und Taehang nannte ihm die Namen seiner Mitstreiter.

"Wie ist Ihr richtiger Name?" Diese Frage hatte ich ihm nicht gestellt, denn für mich war und blieb er Kim Taehang. Nachdem Taehang ihm den Namen genannt hatte, wandte der Jüngere seinen Blick ab und sah einen Moment auf seine Finger, die immer noch den Becher umklammerten. Störte ihn sein Name?

"Was sind Ihre jetzigen Absichten?", fragte mein Vorgesetzter weiter.

Taehang zögerte, befeuchtete sich sichtlich nervös die Lippen und richtete seinen Blick auf mich. Zumindest fühlte es sich so an. Und antwortete dann: "Ich möchte in Südkorea bleiben und ein normales bürgerliches Leben führen." Man sah ihm deutlich die Angst an.

"Warum denken Sie, dass wir Ihnen diesen Wunsch erfüllen würden? Sie sind illegal hier und dazu ein ausgebildeter Spion. Was bieten Sie als Sicherheit, dass Sie unser Land nicht verraten?"

Schwer schluckte ich. Natürlich. Es war dumm, zu glauben, dass es so einfach wäre. Taehang hatte eine Vergangenheit und niemand konnte uns mit Sicherheit sagen, dass er uns nicht alle an der Nase herumführte. Zumindest war das der Gedanke, den Chunghee hatte.

"Ich habe mich nie wohl in Nordkorea gefühlt. Ich habe nur gemacht, was ich tun musste, um zu überleben. Mich zieht nichts zurück ... nicht einmal meine Familie, die mich mein Leben lang angelogen hat."

"Wie meinen Sie das?", fragte er weiter und meine Hand ballte sich immer fester zur Faust.

"Ich habe durch einen DNA-Test erfahren, dass ich der leibliche Zwillingsbruder von Kim Taehyung bin und dass ich, als wir geboren wurden, entführt worden bin", erklärte Teahang leise und in mir zog sich etwas zusammen. Es war der Punkt, wo Taehang meine Bandkollegen mit hineinzog und sie so in Schwierigkeiten bringen konnte. Aber wir hatten mit beiden gesprochen, um sie auf diese Möglichkeit vorzubereiten, und sie hatten erneut ihr Okay dazu gegeben. Vor allem Taehyung hatte verdeutlicht, dass er seinen Bruder nicht aufgeben wollte. Es war ihm wichtig. Ihm und vor allem seiner Familie.

"Sie hatten Kontakt zu Kim Taehyung?" Er bestätigte die Frage mit einem Nicken und leerte seinen Becher. Ich wollte zu ihm und ihn in den Arm nehmen, um ihm die nötige Kraft zu geben, damit er das restliche Verhör überstand. Doch meine Gedanken brachen ab, als ich erneut den scharfen Blick meines Vorgesetzten auf mir spürte. Er erteilte mir stumm den nächsten Befehl und ich wusste nicht so recht, was ich davon halten sollte. Trotzdem gehorchte ich, zog mein Handy hervor und rief Taehyung an. Mein Blick lag dennoch weiterhin auf Taehang, der mittlerweile unruhiger geworden war. Chunghee schwieg und verließ nach einem Augenblick den Raum. Taehang wurde noch etwas zu trinken gebracht, während ich darauf wartete, dass mein Bandkollege an sein verdammtes Handy ging. Es dauerte einen weiteren Moment, bis dieser endlich abnahm.

"Hey Tae. Ihr müsst herkommen und bringt die Beweise mit. Es tut mir leid, euch da hineinziehen zu müssen." Ich bekam eine Bestätigung und so klärte ich noch ab, dass ich ihnen einen Wagen schicken würde, der sie hierher bringen würde. So lange würde Taehang eine Pause bekommen, doch ob das besser war? Alleine in diesem Raum zu sitzen, war eine Qual. Seufzend und nach einem bedauernden Blick verließ ich den Vorraum und gab einem meiner Kollegen Bescheid, dass sie einen Wagen zu Jungkooks Wohnung schicken sollten, und ging zurück. Taehang war immer noch Mutterseelen allein und klammerte sich regelrecht an den Becher in seinen Händen. Die Nervosität war ihm an der Nasenspitze anzusehen.


▌│█║▌║▌║ ✎ ║▌║▌║█│▌

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top