Kapitel 38 - 08.10.2023


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Es war 20 Uhr. Es war nicht ganz dunkel, obwohl die Sonne bereits untergegangen war. Ich hatte einen guten Blick über den großen Spielplatz des Waldparks in Seoul und es war einiges los. Nicht mehr so viele Kinder, aber dafür reichlich Pärchen, die gemeinsam ihre Zeit hier verbrachten. Ich war gerne hier, doch heute hatte der Besuch einen bitteren Beigeschmack. Egal wie groß meine Worte Yoons gegenüber gewesen waren - ich war nicht bereit.

Er stand da, wartete und blickte immer wieder auf sein Handy, so als würde er befürchten, dass ich absagen würde. Meine Beine fühlten sich bleischwer an und mein Herz klopfte verrückt in meiner Brust. Ich war kurz davor, einen Rückzieher zu machen. Allein die Tatsache, dass mir Jungkook gestanden hatte, dass er dem Jungen Asyl gegeben hatte, erschwerte mir die Aufgabe enorm. Ich durfte die Jungs da nicht mit hineinziehen, auch wenn sie schon mittendrin waren. Was sollte ich nur tun?

Zuerst hatte ich gedacht, dass ich ihn direkt einkassieren würde, doch das brachte ich nicht übers Herz. Ich wollte ihm die Gelegenheit geben, sich zu erklären. Vielleicht würde er bereit sein und eins und eins zusammenzählen, wenn er mir erst gegenüberstand. Obwohl. Er kannte BTS nicht wirklich, sonst hätte er mich schon auf den Bildern erkannt, obwohl die Fans sicherlich dachten, dass das nicht sein konnte, da ich ja im Militärdienst war. Meine Haare waren auf den Fotos zu lang - aber wofür gab es Perücken. Der Kurzhaarschnitt hätte mich zu schnell verraten.

Ich sah auf mein Handy, ehe ich es in meiner Manteltasche verschwinden ließ. Danach zog ich mir die Kapuze wieder tiefer ins Gesicht und richtete den Mundschutz - ich ging in Seoul nicht ohne auf die Straße. Die Dunkelheit und die weiten Klamotten gaben mir Schutz und jetzt schaffte ich es endlich, mich in Bewegung zu setzen. Noch fünf Schritte ... vier ... drei ... ich war fast bei ihm angekommen. Er hatte mir den Rücken zugedreht. Ich könnte mich wieder umdrehen und verschwinden, doch ich kniff nicht. Stattdessen nahm ich die letzten zwei Schritte auf mich, hob meine Hand und tippte auf seine Schulter.

„Hey, Tiger", raunte ich ihm zu, merkte dabei, wie er leicht zusammenzuckte und sich dann herumdrehte. Ein breites Lächeln lag auf seinen Lippen - genau das gleiche, wie es unser Alien immer trug. Er sah ihm zum Verwechseln ähnlich. „Wollen wir etwas gehen?" Die Frage trat nur leise über meine Lippen, aber es schien ihm zu gefallen, denn er nickte leicht. Ich deutete in eine Richtung und ging vor. Meine Hände schob ich dabei in meine Manteltaschen und ich schielte immer wieder unter der Kapuze zu ihm. Ob er sich fragte, warum ich mich so vermummt hatte? Wundern würde es mich nicht.

„Ich hoffe, du hast den Jetlag gut überstanden?", begann ich ein Gespräch und trat dabei den Weg entlang.

„Ja, ich habe die meiste Zeit geschlafen." Taehang lachte leise und sah mir dann direkt ins Gesicht. Unsere Blicke trafen sich. „Und du? Du siehst ein wenig fertig aus. Bist du deswegen so vermummt?", fragte er und ließ mich unter meinem Mundschutz leicht schief lächeln. Ich hatte es gewusst.

„Da hast du nicht ganz unrecht ... ich bin ziemlich durcheinander. Ich habe viele Fragen, aber erst einmal möchte ich dir etwas zeigen", sagte ich, während ich meine Hand aus der Tasche zog und nach Taehangs griff. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte, seine zu halten. Als sie sich berührten, durchzuckte mich ein Schauer. Taehang hatte warme Hände, im Gegensatz zu mir. Meine zitterte sogar leicht, während sie sich gegen seine schmiegte und sich unsere Finger verflochten. Ein warmes Gefühl durchfuhr mich und ich senkte meinen Blick gegen Boden.

„Willst du mich also doch entführen?" Ein amüsierter Unterton schwang in seinen Worten mit, doch in mir löste es einen bitteren Beigeschmack aus, denn im Grunde hatte er nicht unrecht. Ich würde ihn in Gewahrsam nehmen, sobald wir gesprochen hatten, und dann würde sich sein Leben vermutlich um 180 Grad wenden. Es machte mich traurig. Ich sagte nichts darauf, sondern führte ihn den Weg weiter entlang, bis wir an einen abgesperrten Bereich kamen. Wir blieben stehen und ich löste meine Hand aus seiner. Kurz sah ich mich um, ehe ich das Gitter aus dem Stein hob, um den kleinen Teilabschnitt für uns zugänglich zu machen, und zwängte mich durch den Spalt.

„Komm", forderte ich ihn auf und hielt ihm meine Hand hin, die er zögernd annahm und mir dann folgte. Es schwang etwas Unsicherheit in seinem Blick mit. Vermutlich, weil ich ihm nicht geantwortet hatte und ich ihn offensichtlich in einen Abschnitt führte, wo wir nicht sein durften. Ich ignorierte es und dirigierte ihn zu dem großen, gelben 'J', welches eine Bank darstellte. Daneben stand eine Metallbox.

„Der Bereich wird in zehn Tagen eröffnet ... er wurde für mich errichtet, damit Army einen Spott hat, wo sie Hoffnung schöpfen können", erklärte ich leise und hielt seine Hand fest umschlossen, während ich mit der anderen die Kapuze von meinem Kopf schob und mir den Mundschutz abzog. Verwirrung stand in seinem Gesicht geschrieben, was mir noch einmal klarmachte, dass er kaum eine Ahnung von BTS hatte. „Wen meinst du mit Army? Ich bin verwirrt ...", sagte er und richtete seinen Blick auf den Metallkasten auf welchem eingraviert stand:

Hate'll paralyze your mind
Gotta see the other side
It costs ya nothin' to be kind
Not so different you and I 
Lookin' for love in a different light
Until we find that equal sign

„Die Fans von BTS ... ich bin ein Teil von ihnen und dieser Ort wurde von unserem Fanclub für fünf Jahre gekauft. Ich habe erst vor ein paar Tagen von meinem Management davon erfahren und ich fand es passend, dir hier, wo ich mich selbst wohlfühle, zu offenbaren, wer ich bin", erklärte ich und zog mir auch die Mütze vom Kopf. Dieses Mal trug ich keine Perücke, weswegen ich mir über die kurzen Stoppel fuhr und ihn ansah - unsicher und nervös. Seine Augen weiteten sich vor Überraschung und ich sah einen Funken Panik in eben diesen.

„Also hatte sie recht. Du bist Hoseok ... aber warum? Solltest du nicht im Militär sein?" Taehang ging einen Schritt zurück, sah mich aber immer noch an.

„Wieso jagt mir ein Idol hinterher? Vor allem, weil ich aussehe wie dein Bandmitglied?" Die Angst war greifbar und sichtbar. Er wich weiter vor mir zurück.

„Jungkook hat dir nichts erzählt ...", murmelte ich überrascht und folgte ihm, griff erneut nach seiner Hand und hielt ihn fest, „Bitte hab keine Angst." Doch Taehang entzog mir sie und sorgte für weiteren Abstand, bis er an den Zaun stieß.

„Was soll er mir erzählt haben?" Fragend und nervös sah er mich an und ich konnte es nachvollziehen. So gut. Aber es änderte nichts an der Situation. Ich folgte ihm und blieb direkt vor ihm stehen.

„Ich habe keine Wahl ... das musst du verstehen, aber ich - nein, wir wollen dir helfen. Ich werde nicht zulassen, dass sie dich wieder zurückschicken. Du hast nichts verbrochen. Der Verdacht gegen dich hat sich nicht bewahrheitet. Du bist kein Spion der Nordkoreaner. Richtig?", sagte ich, hob meine Hand und strich vorsichtig über seine Wange. War ich zu naiv? Ich hatte nicht mehr mit Jungkook gesprochen und meine Befehle waren dieselben. Schock stand in seinen Augen, ebenso sah ich das Licht der Laterne in seinen Augen funkeln. Deutlich spürte ich, wie sich seine Finger in meine Jacke gruben und er sich an mir festhielt.

„Sie denken, ich sei ein Spion? Mit diesem Gesicht? Wie naiv ... Wie sollte ich so irgendetwas herausfinden, wenn jeder glaubt, dass ich Kim Taehyung bin. Es ... nein ich. Ich ... Du ..." Taehang brach ab und sein Kopf sank gegen meine Schulter. Behutsam legte ich meine Arme um ihn und zog ihn enger an mich heran.

„Bitte sag mir die Wahrheit, Taehang ... wer bist du?", fragte ich sanft und spürte, wie er sich fester an mich klammerte, als würde er gleich ertrinken.

„Bitte ... Lass mich wenigstens diesen Abend glauben, dass du mich magst, denn ich mag dich, Ho. Du bist mir gefolgt bis zum Ende und ich habe geglaubt, dass du mich daten möchtest. Dass du mich magst, obwohl ich nicht Taehyung bin", bat der Jüngere mit zitternder Stimme. Es brach mir das Herz, dass er glaubte, dass ich das alles nur gespielt hätte. Das hatte ich nicht. Ich hatte ihn in mein Herz geschlossen, weswegen ich ihm aus dieser Situation helfen wollte, aber dafür musste ich die Wahrheit wissen.

"Sht ... Taehang, bitte. Ich mag dich ... das ist nicht gelogen. Nichts davon ... ich habe dir nur nicht meine wahren Absichten erzählt, warum ich begonnen habe, dir zu folgen. Ich möchte dir helfen, aber wir müssen den offiziellen Weg gehen, damit du frei sein kannst", erklärte ich ihm und hoffte inständig, dass er sich wieder beruhigen würde. Meine Umarmung sollte keine Angst auslösen. Sie sollte Hoffnung und Liebe schenken.

„Ich verstehe ..." Langsam löste er sich und griff seinerseits mit seinen immer noch warmen Händen an meine Wangen. Erneut trafen sich unsere Blicke und ich sah deutlich die Tränen in seinen Augen schimmern. „Ich möchte dich oder Jungkook nicht in Bedrängnis bringen, darum werde ich tun, was du von mir verlangst ... ich möchte es nur nicht jetzt. Gib mir ein paar Stunden mit dir ... ich will nicht als Jungfrau zurück und dieses erbärmliche Leben führen müssen. Bitte, zeig mir, was du mit mir machen willst, wenn es nicht so wäre, wie es ist. Wenn ich nicht aus Nordkorea kommen würde und du nicht den Auftrag hättest, mich auszuliefern. Bitte." Flehend sah er mich an.

„Mein Auftrag ist nicht, dich auszuliefern ... ich soll dich in Gewahrsam nehmen und dann werden sie dich verhören", stellte ich klar und lächelte dann leicht, ehe er nickte, „Lass uns gehen, hm?" Erneut stimmte er zu und löste seine warmen Hände von meinen Wangen. Nach der einen griff ich und wir verließen den abgesperrten Abschnitt, nachdem ich mir meine Mütze wieder aufgezogen hatte. Wir schlenderten noch etwas schweigend durch den Park, ehe ich an der Straße angekommen ein Taxi heranwinkte und wir einstiegen. Kaum hatte ich dem Fahrer die gewünschte Adresse genannt, lehnte ich mich zurück. Seine Hand hielt ich immer noch fest in meiner und streichelte sie sanft, während ich aus dem Fenster starrte und die vorbeiziehenden Lichter beobachtete. Ich wusste nicht, ob es ein Fehler war, ihn mit zu mir nach Hause zu nehmen, aber ich wollte ihm seinen Wunsch erfüllen. Dort würden wir wenigstens die Ruhe haben, die wir beide verdienten, um uns gänzlich auszusprechen.


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