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Wir kamen pünktlich und fast zeitgleich mit Kaeye im Restaurant an und schnell trafen auch die anderen dazu.
Der Abend lief gut, der pompöse Raum wurde gut gefüllt, Tina und Sirko hatten alle Hände voll zu tun, den anspruchsvollen Wünschen der steinreichen Gäste nachzukommen und Jaron wusch und polierte durchgehend Gläser. Zwischenzeitlich wurden es sogar so viele und der Andrang war so groß, dass Ivy, Kaeye und ich uns abwechseln mussten ihnen zu helfen und kräftig unter die Arme zu greifen. Abends oder eher gesagt nachts, wenn nicht sogar schon morgens, fiel ich ins Bett und schlief wie ein Stein.
Der Tag verging wie im Flug und die nächsten reihten sich, einer nach dem anderen, in das Muster ein.
Unter der Woche war das 'La Comida excepcional' zwar auch gut gefüllt, doch am Freitag Abend platzt der Laden aus seinen Nähten.
Die Tische sind rappelvoll, Stühle stehen provisorisch dazugestellt in überfüllten Gängen, engen Ecken und scharfen Kurven, sodass schon der ein oder andere Unfall gerade so verhindert werden konnte.
Weitere Gäste sitzen auf der fein geschmückten Terrasse hinterm Haus an der frischen Luft.
Der laue Julitag geht zu Ende und langsam verabschiedet sich die Sonne hinter die Häuserwand aus Glas und Stahl.
Mika, schießt es mir bei dem Anblick der untergehenden Sonne durch den Kopf und ich beschließe, in Zukunft mehr wie die Kleine die Welt zu sehen.
Nicht immer alles hinzunehmen, sondern auch mal das Wunder in alltäglichen und für uns ganz normalen Dingen zu sehen. Wie einem Sonnenuntergang. Und zu staunen. Von jetzt an, will ich mehr staunen, mit offenen Augen durch die Welt gehen, nehme ich mir vor, bevor ich dem Farbenspiel hoch am Himmelszelt den Rücken zuwende und meine Arbeit fortsetze.
Doch meine Gedanken bleiben, während ich durch das Labyrinth aus Tischen, Stühlen und Menschen fliege, bei dem jungen Mädchen und ihrem Bruder mit den grünen Augen, die so viel Schönheit und Gefühl zurückgehalten, versteckt haben.
Seit dem Flug tauchen sie immer wieder auf und verschwinden nie ganz. Spätestens abends im, langsam trist und öde werdenden, Hotelzimmer blicke ich in sie und versuche das Geheimnis hinter ihnen zu verstehen, die ungeklärten Rätsel zu lösen, ihnen ein Ende zubereiten.
Und jedesmal schlafe ich müde ein, ohne eine Antwort gefunden zu haben.
Auch als wir mit unserem eingespielten Putztrupp durch den, spät nach Mitternacht endlich leer gewordenen, Raum rauschen, weil der Wunsch nach einem Bett bei uns allen stärker als die Müdigkeit und Trägheit ist, und wir erstaunlich schnell fertig sind, habe ich des Rätsels Lösung auch nicht ergründet.
Vermutlich werde ich es nie, denn ich werde nie wieder in sein von braunen verwuschelten Haaren umrahmtes Gesicht schauen, aus dem seine Augen so hervorstechen. Ob es auch andere sehen?
Sanft zieht etwas an meiner Jacke, die ich trotz der Dunkelheit, dem Pfeifen des Windes und dank der warmen Luft des schwülen Tages nur über den Arm trage.
Aus den Gedanken an Tilo gerissen schrecke ich hoch und schaue geradewegs in das müde Geschichte von Ivy, die mich entschuldigend anlächelt.
„Jarons Auto steht da hinten, nicht dort", weißt sie mich freundlich darauf hin, dass ich in die falsche Richtung unterwegs war.
„Ups, danke! Ich bin schon etwas sehr, sehr müde."
„Wer nicht?", fragt sie schmunzelnd, harkt sich bei mir ein und gähnt geräuschvoll in die weit voran geschrittene Nacht.
Hinter uns fällt die schwere, gläserne Tür mit einem dumpfen Geräusch ins Schloss, das Klimpern eines Schlüssels erklingt, gefolgt von dem Klicken des sich verschließenden Schlosses.
Ein kurzer Blick über die Schulter zeigt mir, dass es Jaron ist, der noch einmal am schwarzen Griff des Restaurants rüttelt und sich dann wieder Kaeye zuwendet, der die ganze Zeit mit so gesenkter Stimme eindringlich auf ihn einredet, seit wir die letzten Gäste verabschiedet haben, sodass ich noch kein Wort verstanden habe und die beiden nur als Murmelteppich wahrgenommen habe, ich war ja auch tief in meine eigenen Gedanken versunken, doch jetzt horche ich auf.
Jaron kommt mit Kaeye im Schlepptau auf uns zu und verdreht die Augen, als Kaeye für einen kurzen Moment zurück fällt und sein Gesicht nicht sieht.
„-das geht doch nicht so einfach. Ich find das wirklich nicht gut, habt ihr euch das nochmal durch den Kopf gehen lassen? Das könnt ihr doch nicht durch ziehen. Und überhaupt, wie-"
„Halt mal kurz die Luft an. Ich hab verstanden, dass du das nicht geil findest, aber das hält uns nicht davon ab, okay? Wir haben uns schon längst entschieden, verstanden? Du kannst mit machen, oder auch nicht. Aber wir ziehen es durch, ob du mit dabei bist, liegt alleine bei dir", unterbricht er ihn unwirsch.
Mit einer schnellen Geste der Hand unterbindet er den sich anbahnenden Protest, lässt seinen Freund wortlos stehen und begibt sich zu Dex.
Stumm folgen wir ihm und sitzen nur wenige Minuten später im warmen Auto, das Jaron sicher über die gut gefüllten Straßen der Großstadt lenkt.
Immer wieder fallen mir beinahe die Augen zu und die Müdigkeit droht mich zu übermannen.
Konzentriert behält Jaron den Blick auf den Verkehr und die Straße gerichtet. Die beiden anderen sitzen hinten auf der Rückbank und ihr regelmäßiger Atem ist deutlich zu dem Brummen des Motors zu hören.
Was war das eben? Was hat Jaron vor und wen meint er mit „Wir"?
Das Gehörte wirft eine Fragen nach der anderen auf, doch ich wage nicht Dex eintöniges und einschläferndes Brummen zu übertönen und die herrschende Stille zu unterbrechen, also sitze ich einfach nur schweigend neben Jaron, horche in die angespannte Stille, die im Auto herrscht und hänge meinen Gedanken nach.
„Nur noch zwei Tage Leute, dann können wir mal so richtig schlafen!"
„Mhm...", grollt Kaeye und bestätigt meinen Verdacht, dass er auf dem besten Weg ins Reich der Träume war.
„Aber am Montag um 11 seid ihr gebucht, nicht vergessen, nh?"
Verwundert drehe ich mich zu Ivy um.
„Ich verstehe nichts. Hat jemand die Güte und klärt mich jemand auf?"
Erwartungsvoll schaue ich Jaron an, der noch nicht mal mit der Wimper zuckt und stattdessen nur missmutig die Stirn runzelt. Ich seufze.
„Ivy, bist du so lieb? Mister Jaron hält das nicht für nötig."
„Klar! Am Montag zieht eine Mitbewohnerin aus. Die Jungs kennen sie von verschiedenen Partys und Kaeye hat für Jaron mit zugesagt zu helfen. Anscheinend wusste er noch nichts von seinem Glück und wollte den freien Tag anders verbringen. Deshalb ist es jetzt vermutlich so...", sie sucht nach Worten, „...klein... ?"
„Klein? Was daran soll bitte klein sein? Ist das nicht ganz normal, dass ich es nicht mag, wenn über meinen Kopf hinweg entschieden wird? Darf ich da nicht angepisst sein? Ich bin keine 8 mehr. Und außerdem hat Kaeye nichts zu entscheiden", fährt er Ivy bissig an.
So kenne ich ihn gar nicht und ihrem Gesichtsausdruck nach, meine Kollegin und Freundin auch nicht.
Sichtlich geschockt blinzelt sie zwischen mir und Jaron hin und her, der verbissen das Lenkrad umklammert und stur auf die Straße starrt.
Sein Unterkiefer mahlt unruhig und verspannt und seine Augenbrauen zucken angespannt.
Eingeschüchtert antwortet sie auf seine Fragen. Anscheinend ist sie zu einem anderen Ergebnis als ich gekommen, denn ich war mir sicher, dass die Fragen rhetorischer Natur waren, oder sie ignoriert diesen Fakt einfach konsequent.
„Mit kleine meinte ich, dass du dich wie ein kleines, trotziges Mädchen verhältst, die nicht in ihrem Prinzessinnenkleid in den Kindergarten spielen gehen darf. Klein halt", murmelt sie verunsichert, so leise, dass ihre Worte kaum mein Ohr erreichen.
„Aber ich wusste echt nicht, dass das nicht deine eigene Entscheidung war. Heißt das, du kommst doch nicht?"
In ihrer Stimme klingt Trauer mit und ich bin mir sicher, dass sie sich dessen nicht bewusst ist, denn sonst würde sie sie nicht aussprechen. Ob Jaron es auch herausgehört hat?
„Nein, das heißt es nicht. Das heißt einfach nur, dass ich noch nicht einmal etwas von meinem Glück wusste meinen einzigen freien Tag in zwei Wochen damit verbringen zu dürfen Kisten schleppen zu dürfen", erwidert er harsch, jedoch nicht so grob wie die Worte davor.
„Wovon redet ihr? Freier Tag? Das ist meine Hauptfrage. Warum sagt mir niemand etwas davon?", klinke ich ich ein, bevor die beiden weiter auf die Details des Missverständnisses eingehen.
Plötzlich wandelt sich der Ausdruck auf Ivys Gesicht in Fassungslosigkeit.
„Jeden zweiten Montag haben wir als ganzes Team einen Tag frei. Dieser Montag ist nächste Woche", endet sie offen und Belustigung mischt sich in ihrem Blick.
Nun nicke ich.
„Tendenziell kann man sich aber auch an anderen Tagen frei nehmen, das muss dann aber vom Chef genehmigt werden."
„Nicht vom Chef. Das reicht, wenn ich das mache."
„Meinte ich doch."
Er wirft ihr einen vielsagenden Blick über den Rückspiegel zu.
„Mensch Jaron, ich habe den echten Chef vom Laden erst zwei mal gesehen, der weiß noch nicht mal, dass ich existiere. Du bist der Leiter und damit unser Chef. Ende."
„Aber-"
„Jetzt hör schon auf mit deiner Korinthenkackerei. Es ist gleich fünf und mein Hirn hat sich schon seit zwei Stunden mindestens verabschiedet", stimme ich ihr zu.
Seufzend schüttelt er den Kopf.
Den Rest der Fahrt frage ich die Schwarzhaarige leise aus, um Kaeye nicht auf zu wecken. Jaron sagt kein Wort mehr und ist offensichtlich auf die Straße fokussiert. Ab und zu grunzt er zustimmend und einmal murmelt er etwas in sich hinein, dass ich nicht verstehe.
Der Weg kommt mir mit jedem mal, dass wir ihn fahren, länger und weniger besonders vor.
Als Dex schwungvoll vor dem Hotel hält, dass ich nun schon viel zu lange bewohne, setzte ich mich müde auf und reibe mir die Augen.
Anscheinend muss ich doch auf den letzten Metern eingeschlafen sein. Mit einem Handgriff sammle ich meine wenigen Sachen zusammen.
„Vielen Dank! Bis morgen", flüstert ich Jaron zu und erwidere die ungelenkeUmarmung durchs Auto, die schon zur Routine geworden ist.
„Bis morgen und schlaf gut!"
Sein Mundwinkel zuckt und wohlwollend blickt er mich an.
„Ich habs übrigens echt einfach nur vergessen mit Montag. Tut mir wirklich leid, war nicht meine Absicht. Ich dachte einfach nicht, dass du so lange durch hälst. Aber jetzt bin ich froh, dass du noch da bist", murmelt er verhalten. Mein Herz hüpft bei seinen Worten und Stolz erfüllt meine Brust.
Er beugt sich vor und drückt mir einen schnellen Kuss auf die Wange, bevor er sich zurück in den gemütlichen Sitz fallen lässt.
Verwundert betrachte ich einen Moment lang sein definiertes Seitenprofil, doch als er nichts mehr sagt, entscheide ich es einfach im Raum stehen zu lassen und öffne die Tür.
Die Nachtluft strömt ins Auto und empfängt mich wie ein warmer Mantel.
Aufgrund der tiefen Lage von Dex gleicht mein Ausstieg aus dem Wagen wie immer viel mehr einer Verrenkung als allem anderen und wie immer amüsiert Jaron sich köstlich darüber, doch heute bin ich viel zu müde, um ihn in irgendeiner Art dafür zu schelten, und nehme sein Feixen gar nicht mehr wahr.
Nachdem ich endlich unbeschadet auf dem breiten Bürgersteig stehe, beuge ich mich noch einmal hinunter zum Wagen, winke stumm hinein, um die anderen nicht zu wecken, und mache mich auf den Weg ins Hotel.
Der Motor heult laut auf und zwangsläufig werfe ich einen Blick zurück.
Auf der Rückbank bewegt sich etwas. Ich zögre.
Unvermittelt schwingt die dunkelblaue Tür des Sportwagens auf und eine verschlafene Ivy steigt aus. Galant, wie ich es nie können werde.
Die Tür lässt sie offen stehen und kommt schnellen Schrittes auf mich zu.
„Du kannst doch nicht einfach gehen ohne dich von mir zu verabschieden", tadelt sie scherzhaft mein Verhalten.
„Tut mir leid! Ich dachte du schläfst. Wäre nicht as erste mal."
„Ach, alles gut. Aber dafür bin ich nicht ausgestiegen. Mir ist nämlich noch eingefallen, was ich dir schon die ganze Zeit sagen wollte."
Gebannt hänge ich an ihren Lippen.
Schlagartig verschwindet mit ihren Worten die Müdigkeit aus meinen Knochen.
„Eine Mitbewohnerin zieht ja aus meiner WG aus, das weißt du ja schon. Das bedeutet-"
Sie strahlt mich an und wartet auf breit strahlend auf eine Reaktion.
Mein Kopf verarbeitet noch, was ihre Worte bedeuten, als sie etwas verunsichert fort fährt.
„Das bedeutet, dass bei uns ein Zimmer frei wird und wenn du willst, kannst du dir bei Ambers Auszug das Zimmer anschauen und die anderen kennenlernen. Ich habe schon mit ihnen gesprochen und sie freuen sich darauf, dich kennen zu lernen. Wir - also zumindest ich - würde mich riesig freuen, wenn du für deine Zeit in New York zu uns ziehst", vollendet sie mit dem schüchternen Lächeln, von dem ich dachte, dass sie es seit dem ersten Abend mir gegenüber abgelegt hat, da es eigentlich nur Unbekannten vorbehalten ist.
Mir fehlen die Worte.
Ein Kribbeln vom Bauch aus zieht sich durch meinen Körper und ich kann bei der Vorstellung, endlich die Eintönigkeit des Hotelzimmers hinter mir lassen zu können, nur breit grinsen.
„Wow! Danke!"
Bevor ich etwas weiteres sagen kann, finde ich mich in einer schnellen Umarmung wieder.
„Cool! Ich freu mich!", jubelt sie und läuft schnell zu Dex zurück, hinter dessen Lenkrad Jaron ungeduldig mit den Fingern aufs Amaturenbrett trommelt. Noch einmal winkt sie mir zu und schließt die Tür hinter sich mit einem Ruck.
Der Wagen rollt los und lässt mich, von Freude und Glücksgefühlen erfüllt, vor dem kleinen, unscheinbaren Hotel stehen.
Die Chancen stehen gut, bald wieder ein Heim zu haben.
Wie auf Wolken getragen, fühle ich mich, als ich in die matt erleuchtet Eingangshalle trete.
᚛ ᚘ ᚜
Here we go :)
So langsam kommt die Story ins Rollen.
Was denkt ihr?
Worauf läuft es hinaus?
Mal ein kleines Übergangskapitel, damit alle Grundlagen für den eigentlichen Fortgang der Geschichte, Handlung und Geschehnisse auch wirklich gelegt sind.
Was haltet ihr von Jarons kleinem Kuss
und wie findet ihr Ivys Angebot?
Denkt ihr Alyah nimmt es an?
Und was hat es mit diesem Paar
grüne Augen noch auf sich?
Ich freu mich auf eure Spekulationen und Vermutungen. ;)
Tobt euch ruhig aus!
Ich werde versuchen wieder regelmäßig zu veröffentlichen. Lustiger Weise fällt es mir in der Schulzeit sehr viel einfacher Kapitel zu schreiben und es geht auch um einiges schneller, wenn ich dann mal Zeit dazu finde...
Also vielleicht habt ihr Glück und es geht schneller als gewöhnlich weiter!
Irgendwann muss ich die Kapitel ja auch aufholen.
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