⟢ 𝐗𝐈𝐈𝐈 ⟣
„Kommst du, Lachkugel?"
Jaron öffnet meine Beifahrertür und hält sie für mich auf.
„Jaja, ich komm jetzt. Nur nicht so ungeduldig. Hast du Stress? Musst du irgendwo hin?"
Provozierend langsam mache ich Anstalten auszusteigen, während er ungeduldig mit dem Fuß tippelnd antwortet: „Alyah, du willst mich heute echt zum Platzen bringen, oder? Ich. Habe. Hunger. Das letzte mal, dass ich was zwischen den Zähnen hatte, war im Restaurant und das ist gute 12 Stunden her, ich mach gleich den Abgang, wenn sich das nicht gleich ändert. Außerdem dachte ich, ich bin zum Brunchen verabredet, nicht zum zuschauen, wie du dich vor Lachen in Dex kugelst und mich wohlwissend quälst. Mach Tempo!"
Da stehe ich schon neben ihm und lasse geräuschvoll die dunkelblaue Tür zufallen.
„Wollen wir dann?"
„Du bist doof!"
Er funkelt mich böse mit seinen fantastischen Augen an.
„Unglaublich, ja!"
„Argh, wieso genau mache ich das nochmal?"
„Frag mich das nicht. Ich habe Hunger und geh da jetzt rein, was essen. Was du machst ist mir egal", erwidere ich frech und ernte dafür ein entrüsteten Seitenhieb des wutschnaubenden Blondie neben mir.
Im Café führt mein Begleiter mich zielsicher zu einem kleinen, für zwei Personen eingedeckten Tisch, der etwas weiter hinten, an der Theke vorbei im gemütlich eingerichteten Raum, vor einem großen Fenster steht, das die Hintergärten der Häuser zeigt und die Sonne in den Raum lässt.
„Wo willst du sitzen? Fenster oder Gang?"
„Egal. Ich nehm das Fenster, wenn das okay ist?"
„Klar, sonst hätte ich nicht gefragt", gibt er zurück und zwinkert mir zu, woraufhin ich nur die Augen verdrehen kann.
Der Tisch ist liebevoll gedeckt. Auf der rot karierte Tischdecke steht der kleine, bunt gemischte Blumenstrauß in einer Vase neben Salz- und Pfefferspender, einem Zuckerstreuer, einem Stapel von Servietten und dem unscheinbaren Schildchen, das mich mit seiner Aufschrift vermuten lässt, dass Jaron für uns reserviert hat, so selbstverständlich, wie er den Tisch einnimmt.
Wobei das bei ihm noch rein gar nichts beweist.
Es könnte sogar sein, dass er sich bewusst an diesen Tisch setzt, um zu schauen, was dann passiert.
Doch die, auf uns zusteuernde, Bedienung scheint alles andere als wütend oder überfordert, als sie mit schnellen Schritten an den Tisch tritt, in einer flinken Bewegung ihren Block zückt und sowohl Jaron als auch mit mit einem herzlichen Lächeln bedenkt, das man einfache erwidern muss.
„Alice! Schön dich zu sehen! Ist schon ewig her, oder? Viel zu lange!", begrüßt er sie breit grinsend.
„Übertreib nicht. Es waren zwei, maximal drei Wochen, die wir uns nicht gesehen haben. Psst-", sie hält Jaron kurzerhand den Mund zu, bevor er etwas widersprüchliches behaupten kann, was ich mir unbedingt merken sollte.
„Aber ich freu mich auch dich wieder zu sehen, Spaßvogel."
Nach einem kurzen Blick Richtung Tresen, der aktuell unbesetzt ist, tätschelt sie ihm freundschaftlich seinen Locken besetzten Schädel, was ihn wiederum erbost zurückweichen lässt, sobald sie seine Haare berührt hat, und ihn dazu veranlasst ihrer Hand wiederholt auszuweichen.
„Brav, Jaron. Mach Platz", kann ich dazu beitragen und bekomme ein anerkennendes Lachen von der braunhaarigen Alice und ein empörtes Grummeln von Jaron, der sich eben durchaus eher einem Hund als einem Mensch ähnlich benommen hat.
„Recht hast du! Und du bist sein Frauchen? Hey, ich bin Alice", wendet sie sich mir zu und lässt den Grund unserer gemeinsamen Amusement sowohl sprich- als auch wortwörtlich links liegen, was ihm nur allzu offensichtlich missfällt, wie sein kindisches Zungeherausstrecken bestens zur Schau stellt, was die Brünette geflissentlich ignoriert und mir damit auf der Stelle noch sympathischer wird.
„Offensichtlich. Wohl oder übel. Aus der Sache komm ich ja jetzt schlecht noch raus, oder was denkst du?"
„Naja, irgendwie hast du ja recht, aber so streng würde ich das jetzt nicht sehen."
„Vielleicht hast du recht. Ich bin Alyah, schön dich kennenzulernen."
„Kann ich nur zurück geben! Wo hat der Köter dich denn aufgegabelt?"
„Ich renne für ihn von Tisch zu Tisch. Obwohl Stöckchen holen ja eigentlich sein Job wäre. Ein Messer hier, eine Gabel dort, hier noch ein Glas, dort noch ein Teller, wie das so ist in der Gastronomie. Die Gäste pfeifen und die Bedienung springt ihnen zur Seite. Davon kannst du bestimmt ein Liedchen singen, oder?"
„Oh ja! Sogar mehrer Strophen. Und alle haben den selben Refrain."
Vielsagend wackelt sie mit ihren Augenbrauen.
„Wo hast du denn vorher gearbeitet?", frage ich und nehme die Karte entgegen, die Jaron mir freundlicherweise zu streckt.
„Frag nicht. Das kann ich schon gar nicht mehr zählen", äußert sie grinsend und deutet auf ihren Block.
„Jetzt bin ich aber hier, und es gefällt mir. Deshalb sollte ich mich nicht allzu bescheuert anstellen und zu viel herumtrödeln. Das sieht der Chef nicht gerne. Was kann ich euch denn nun bringen?"
Sie zückt ihren Stift und klacket mit ihren dunkelrot lackierten Nägeln wartend dagegen.
„Du hast Hunger, Jaron. Das sieht man dir an der Nasenspitze an. Fang schon mal an. Selbst dann hat Alyah noch genug Zeit, sich etwas auszusuchen", fordert sie ihn auf und hält den Stift schon parat.
Während seiner Bestellung frage ich mich ernsthaft, ob er schon für mich mit bestellt, so viele Köstlichkeiten muss Alice sich notieren und kommt kaum hinterher, so schnell, wie er die unterschiedlichsten Dinge aufzählt, die mir das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen.
Meine weit aufgerissen Augen huschen zwischen ihm und dem dunkelroten Kuli, passend zu Alice Schütze, der nur so über den Block fliegt.
„War's das?"
„Fürs erste, ja", bestätigt mein Gegenüber.
„Und für dich?", will die Brünette von mir wissen.
„Ähm... also... ich weiß nicht ganz, was ich da noch hinzufügen soll", stammle ich etwas überfordert.
„ Am besten bringst du mir einfach das, was du bestellen würdest, solange es nicht so viel wie bei Jaron ist."
Schmunzelnd nickt sie und steckt Stift samt Block zurück in die Tasche und macht sich auf den Weg zu den nächsten Gästen, die schon etwas länger missbilligende Blicke in unsere Richtung werfen.
„Ach, dich gibt es auch der Sprache verschlagen?", stichelt er wieder los.
„Woher kennt ihr euch?", lenke ich Jarons Aufmerksamkeit jedoch wieder etwas um. Seine Kommentare muss ich mir echt nicht anhören.
„Feiern, glaub ich. Irgendwelche Partys. Ich glaube sie war da das erstmal wegen Ivy, aber sicher bin ich mir nicht. Diese Abende sind nicht so klar auf meiner Festplatte gespeichert. Das kannst du nicht von mir verlangen." Er grinst vielsagend.
„Aber irgendwie sowas war da. Naja, man kennt sich halt."
Der Stuhl knarzt etwas, als er sich mit verschränkten Armen zurück in die Lehne fallen lässt, doch das scheint ihn nicht zu stören.
„Also erzähl mal was von dir. Woher kommst du? Was machst du in New York? Hast du Geschwister? Wie alt bist DU eigentlich? Einfach so ein paar Basics."
Voller Interesse mustert er mich und macht keinerlei Anstalten seine Augen von mir abzuwenden. Vermutlich geschieht dies erst, wenn ich im Rede und Antwort stehe.
„Okay, wir können dieses Verhör starten, wenn du für jede beantwortete Frage auch eine von mir beantwortest, Deal?"
„Deal! Also Woher kommst du?"
„Woher willst du wissen, dass ich nicht aus New York selbst bin?"
„Hotel. Und - zwar stört er kaum, aber wenn man drauf achtet, erkennt man auch bei dir einen Akzent. Also ist Englisch wohl nicht deine Muttersprache."
„Schlau kombiniert Sherlock."
„Immer zur Stelle, Watson."
„Hey, warum bin ich Watson?"
„Warum nicht?"
Lange schmollen kann ich nicht, schon gar nicht mit der Schnute, die ich gezogen habe, also gebe ich es auf. Auch weil der feine Herr mir gegenüber nur über mich schmunzelt und kritisch eine Augenbraue in die Höhe wandern lässt.
Pah, soll er doch Sherlock sein.
Watson ist sowieso besser.
„Und?"
„Du hast recht. Ich komme aus Deutschland. Hamburg sagt dir doch bestimmt was?"
Er nickt knapp und bedeutet mir fortzufahren.
„Eine Kleinstadt in der Nähe. Heißt Stade. Vermutlich hilft dir das nicht", verkünde ich schulterzuckend.
„Doch", er grinst verschmitzt in sich hinein, „jetzt kann ich es googeln."
„Junge, komm mal klar. Du bist zwanzig nicht vier-/ fünfzehn."
„Apropos: Wie alt bist du?"
„Nene, Freundchen. Ich bin dran."
Der Zeigefinger, den ich drohend erhoben habe, hindert ihn erfolgreich an weiteren Protesten.
„Und du? Woher kommst du? Ganz unspektakulär: New York?"
„Was heißt hier »Unspektakulär«? New York ist der Hammer!"
Seine grauen Augen leuchten und seine kindliche Freude über die Großstadt zaubert mir, ohne dass ich es will, ein riesengroßes Grinsen aufs Gesicht.
„Ich liebe es hier einfach! Die Häuser, die Leute, die Cafés, Restaurants, Läden. Der ganz eigene Flair. Einfach Wahnsinn..."
„Unglaublich meist du wohl", räume ich ein und kassiere einen leichten Tritt gegen das Schienenbein, zusammen mit einem höchst belustigenden Blick. Das war es wert.
„Woher kommst du jetzt? Sonst würdest du nicht so von der Stadt schwärmen."
„Warum?"
„Weil wir Menschen uns viel zu schnell an Dinge gewöhnen. Weil wir Menschen vergessen. Weil wir Menschen die Schönheit mit der wir aufwachsen nicht wertschätzen können. Wir suchen immer weiter und verdrängen dabei, wo unsere Wurzeln liegen. Wenn du hier aufgewachsen wärst, würdest du die Magie der Stadt gar nicht mehr wahr-, für selbstverständlich, einfach hinnehmen. Du würdest nicht merken, wie beschenkt du bist."
„Recht hast du. Leider. Ich wünschte es wäre anders."
„Was jetzt? Dass du nicht aus New York kommst, oder dass der Mensch sich ändert?"
„Beides", quittiert er schmunzelnd.
Die Vase auf dem Tisch wackelt, ein weißes Blütenblatt löst sich auf dem Strauß und fällt auf die Tischdecke, als Jaron sich nach vorne lehnt und seine Arme schwer auf den Tisch fallen.
Gedankenversunkenen greift er nach dem feinen Stück Natur.
„Ich komme aus Schweden. Kleines Dorf an der Küste."
Interessiert lehne ich mich vor und versuche meine Verwunderung nicht all zu offensichtlich zur Schau zu tragen.
„Frag nicht, kennst du eh nicht."
In seinen Augen leuchtete der Schalk und funkelt, sodass ich meinen Blick nicht abwenden kann.
„Ich bin dran, oder?"
Ohne eine Antwort abzuwarten fährt er fort: „Ich will wissen, wie alt du jetzt eigentlich bist und danach, was dich nach New York getrieben hat. In die unglaubliche Stadt."
„Ich bin gerade 18 geworden. Also vor einem guten Monat. Und jetzt bin ich zuerst dran", nehme ich seiner Frage vorweg, ich statt zu protestieren, zückt er sein Handy und zieht eine Augenbraue hoch.
„Wann?"
„Wie wann?"
„Och, Alyah. Schalte doch mal deinen Kopf ein."
Verständnislos probiere ich ihm mit kritischem Blick zu folgen. Den Jungen soll mal einer verstehen.
„Wann ist dein Geburtstag?"
Mit seinem geöffneten Smartphone winkt er und streift damit die Blumenköpfe und löst einen wahren Regen an fallenden Blütenblättern aus, was er jedoch nur mit einem kleinen Seitenblick quittiert. Unglaublich.
„Ich will,", er deutet auf sich, „deinen Geburtstag", er macht eine - nicht sehr eindeutige - Geste in meine Richtung, „in meinen Kalender", wiederholtes winken mit dem, eindeutig zu groß geratenen, Gerät in seiner Hand, „eintragen", endet er seinen quälend langsamen Vortrag mit übertrieben Betonungen, als hätte er mit einem Kleinkind zu tun und nicht mit der äußerst gebildeten und cleveren jungen Dame, die vor weniger als zwei Wochen ihr Abitur bestätigt bekommen hat.
Ein sehr gutes sogar. Vermutlich sehr viel besser als jeder seiner Abschlüsse ausgefallen ist, aber das muss man ihm ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
Pah, das hat er jetzt davon.
Gerade noch kann ich mich davon abhalten, theatralisch den Kopf in den Nacken zu legen und meine Haare demonstrativ über die Schulter nach hinten zu werfen.
„Nur weil du Jaron bist und vorher nicht aufhören wirst, ich kenn dich nicht lange, aber gut genug, um zu wissen, dass ich dich sonst nie los werde."
Entrüstet schnaubt er auf, hält dann jedoch doch still.
„Am dreiundzwanzigsten Mai vor sagenhaften achtzehn Jahren wurde die Welt zu einem schöneren Ort, denn meine Wenigkeit erblickte die Schönheit der Natur -wohl eher die des städtischen Krankenhauses, das alles andere als ästhetisch ist- und bescherte seit dem ihren Mitmenschen bis jetzt ein fantastisches Leben. Noch Fragen?"
Eine kleine, durchaus sehr süße Konzentrationsfalte bildet sich zwischen seinen Augenbrauen und sein Kiefer verspannt sich etwas, während er konzentriert auf dem Display herum drückt.
Was wohl so schwer daran ist, einen Geburtstag einzutragen...
„Dann auch mal fertig, Monsieur?"
„Na sicher, Ma'am", lautet seine Antwort, der er mit einem Augenverdreher all ihren möglichen Charme nimmt.
„Das hab ich jetzt nicht gesehen, denn ich habe eine weitere Frage an dich, die mich -warum auch immer- brennend interessiert:"
Ich hole tief Luft und unterdrücke ein Kichern, als ich bemerke, wie sehr er an meinen Lippen hängt.
Er wird von der Frage von den Socken sein.
᚛ ᚘ ᚜
Ach! Ich liebe, liebe, liebe Jaron! 😍
Er ist einfach so schön selbstbewusst und immer schlagfertig! Ähnlich wie Alyah...
Tolle Kombi, die zwei, oder?😜
Ich feier die Diologe, die die beiden haben, einfach!
Na, was haltet ihr von Jaron und Alyah?
Was aus den beiden wohl nochmal wird?
Und was Alyah schon die ganze Zeit im Kopf herum spuckt?
Was denkt ihr?
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