⟢ 𝐗𝐈 ⟣
Ein kalter Wind fegt durch die Gasse, weht mir die Haare um den Kopf, lässt nicht nur mich frösteln und uns fester einmummeln.
Tea, Ova und Fia verabschieden sich von uns und laufen, fest eingewickelt in ihre modischen Designer-Mäntel, bei einander eingehakt durch die stille Straße Richtung belebtere Hauptstraße.
Das vertraute Geräusch eines sich drehenden Schlüssels im Schloss durchbricht die ungewöhnliche Stille, gefolgt von einem viel zu lautem Gähnen.
Mein Blick huscht die Straße hinauf und hinunter und sucht verzweifelt nach irgendeinem Anhaltspunkt, aus welcher Richtung ich gekommen bin. Vermutlich wird es schon hell sein, wenn ich mein Hotel finde und endlich im Bett liegen kann.
Schlaf. Jede Faser meines Körpers schreit nach ihm. Schlaf, Ruhe, Erholung. Dabei weiß ich noch nicht mal, wie viel Uhr wir haben. Vermutlich nach drei, vielleicht vier. Das einzige was ich sicher weiß, ist dass ich mein Bett brauche! Sonst klapp ich gleich zusammen.
Mit einem Ruck schließe ich meine Jacke und drehe mich zu den anderen um.
„Ich muss zum Hotel, habe aber keine Ahnung, wie ich da hinkomme. Kann mir jemand den Weg erklären? Die Adresse hab ich hier irgendwo."
„Na klar, wir können es dir sogar nicht nur erklären, sondern dich auch hinbringen, oder Jungs? Eine junge Lady wie dich - und natürlich dich Ivy-", ich meine zu erkennen, wie er ihr zuzwinkert und sich ihre Wangen auf der Stelle rot färben, „Können wir nicht alleine durch die Straßen NewYorks irren lassen. Wer wären wir?"
„Oh, eh... vielen Dank! Aber das müsst ihr wirklich nicht! Ich will keine Umstände machen. Es reicht, wenn ihr mir grob den Weg beschreibt. Verloren gehen kann ich ja schlecht. Es sind ja immer Menschen auf den Straßen unterwegs."
„Da sagst du es. Es sind immer Menschen auf den Straßen unterwegs. Aber die zu dieser Uhrzeit die Stadt bevölkern willst du nicht kennenlernen. Glaub mir. Da helfen dir die anderen Gestalten auch nicht weiter. Was denkst du wer um halb fünf noch oder schon auf den Straßen unterwegs ist? Nein, Alyah! Ich besteh darauf! Wir bringen dich bis zum Eingang. Frag Ivy, die wohnt schon länger hier."
Entschuldigend nickt sie und greift mit ihrer kleinen Hand nach meiner.
„Komm! Er hat recht! Außerdem lässt er dich wirklich nicht gehen. Im Notfall läuft er dir die ganze Zeit hinter her, wie sein bescheuerter Köter,-" „Ey! Das hab ich gehört!" „-und lässt dich erst in Ruhe, wenn du in deinem Bett liegst. Und wenn er dich zu decken und die Tür abschließen muss. Glaub mir, ich hab mich am Anfang auch gesträubt", versichert sie mir und setzt sich langsam in Bewegung.
Der Lockenkopf geht, jedoch nicht ohne mir einen triumphierenden Seitenblick zu geworfen zu haben, über die dunkle Straße und lässt das Restaurant mitsamt uns einfach hinter sich. Kaeye und Bene lösen sich aus den Schatten, die die leicht glimmenden Straßenlaterne auf die Fassade des reich verzierten Gebäudes gezeichnet hat, und folgen ihrem Freund aus dem schwachen Licht in die schwärzer werdende Dunkelheit.
Wiederholt zieht Ivy vorsichtig an meinem Arm und lächelt mir müde zu.
„Komm! Es ist das Beste! Außerdem ist es verdammt spät, du kennst den Weg nicht alleine und so kommen wir alle viel schneller in unsere Betten. Kaeye bringt uns um, wenn ihm noch länger sein Bett verwehrt wird, glaub mir!"
Langsam setze ich mich in Bewegung, vermutlich hat sie sowieso recht und für Widerstand habe ich einfach keine Kraft mehr.
Kraftlos lasse ich mich in das weiche Leder des Autositzes fallen, zudem Jaron uns zielstrebig durch die Straßen New Yorks geführt hat.
„So, dann sag mal, wo sollen wir dich abgeben?"
Mir entgeht zwar der belustigte Unterton nicht, aber ich bin viel zu müde, um zu widersprechen oder mich überhaupt über sein Auto, das viel eher ein Schlitten ist, wundern zu können.
Mit leiser Stimme gebe ich ihm, die auf der Visitenkarte stehende, Adresse durch, die ich mir zum Glück, mehr aus Zufall als aus bewussten Handel heraus, noch zu meinem Handy in die Tasche gesteckt habe, um die anderen auf der Rückbank, die sie ohne Absprache wortlos übernommen haben und sich auch nicht davon abbringen lassen wollten, nicht zu wecken, denn es sieht verdächtig danach aus, als würden sie schon, in den zehn Sekunden seit denen wir erst sitzen, eingeschlafen sein, so wie sie an einander gekuschelt, die Köpfe vertraut bei einander abgelegt, da sitzen.
Nur das Aufheulen des Motors lässt sie alle einmal zusammenzucken, aber sie dösen trotzdem weiter.
Still chauffiert Jaron uns über die leeren Straßen und immer wieder nicke ich sekundenweise weg, werde aber von dem Ungetüm vorne unter der Heckklappe, auch genannt Motor, kurz bevor ich ganz weg bin, in meine Träume über gleite, wach gerüttelt.
Die Farben der Stadt fliegen an meinen Augen vorbei, alle Ampeln sind grün und wir rasen durch die Stadt, als wäre die Polizei hinter uns her.
Schließlich hält der tiefgelegene Wagen sanft vor dem unscheinbaren Hotel und ein wohliges Gefühl breitet sich auf meinen Armen aus, als ich es erblicke und der Gedanke an mein warmes, molliges, gemütliches Bett mein Gehirn gänzlich einnimmt.
„Danke!", hauche ich in die angenehm warme Luft der Klimaanlage und mache mich daran auszusteigen, was sich als schwerer herausstellt, als eben noch gedacht.
Der Wagen liegt zu tief, der Boden ist zu nah, meine Beine zu lang, die Tür zu klein, der Sitz zu nah an der Konsole und ich eindeutig zu müde, um graziös auszusteigen.
Es wäre ein Wunder, wenn Jaron dies nicht mit einem hämischen Lachen kommentieren würde, und natürlich ist jetzt nicht die Zeit für Wunder.
Aber ich bin zu müde, um davon gekränkt zu sein, zu kontern und überhaupt zu realisieren, dass er sich so über mich amüsiert und schon gar nicht habe ich die Kraft ihn davon abzuhalten.
„Alyah?", flüstert Jaron mit gesenkter Stimme und hält mich davon ab meinem Bett einen Schritt näher zu kommen, was ich ihm durchaus persönlich übel nehme.
„Wegen des Papierkrams - den haben wir ja noch nicht gemacht - müssen wir uns nochmal zusammensetzten. Es braucht auch nicht lange."
Stumm nicke ich und bedeute ihm weiterzusprechen.
„Morgen? Also ich meine heute? Vor der Arbeit?"
Kurz zögere ich, schließlich haben wir jetzt schon 'heute', ich bin schon so komplett aus meinem Biorhythmus wegen des Jetlags und brauche dringend, dringend eine ganze Mütze voll Schlaf, zucke dann aber ergeben mir den Schultern.
„Was hältst du von Brunchen? Um Zwei? Dann können wir wenigstens", er schielt aufs Armaturenbrett und verbessert sich schnell, „sagen wir um Drei? Dann bekommen wir wenigstens acht Stunden Schlaf, das sollte gehen oder?"
Als Antwort bekommt er ein kleines Nicken, das in einem lauten Gähnen untergeht.
„Gut, dann geh mal ins Bett und die Schlaftanten bring ich schön in ihre Heia. Um drei hol ich dich ab und jetzt schau, dass du ins Bett kommst! Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche!"
„Na vielen Dank auch, aber tatsächlich fühle ich mich auch so", verabschiede ich mich und lasse die Tür des chicen Sportwagens so leise wie möglich zu fallen.
Hier im Licht der Straßenlaterne meine ich die Lackierung als dunkel blau identifizieren zu können, was mir vorher in den weniger beleuchteten Seitenstraßen, in einer von denen der Wagen stand, unmöglich gewesen wäre.
Kurz taucht ein interessanter Gedanke auf, doch er verflüchtigt sich so schnell, wie er auftauchte und ich bin eindeutig zu schlapp, um Gedankenfetzen hinterher zu jagen. Nur mein Bett hat sich einen Platz verdient und verscheucht erfolgreich alles andere.
Kurz winke ich den verspiegelten Scheiben und meine Jaron die Geste erwiesen zu sehen, dann erfülle ich mir meinen einzigen Wunsch und betrete das wohlig warme Hotel.
᚛ ᚘ ᚜
Lesenacht // 24. Mai 2020// - Teil zwei
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top