⟢ 𝐕𝐈𝐈𝐈 ⟣

Am nächsten Tag betrete ich nervös das noble Restaurant im Herzen New York's.

Nachdem ich noch in meiner Reisekleidung auf der Stelle eingeschlafen bin, bis in den Vormittag geschlafen habe, mich bei Papa, Mama und Raja mit einer kleine Nachricht gemeldet haben, habe ich mir am Kiosk nebenan eine eindeutig zu große Zeitung gekauft und auf mögliche Job-Angebote durchforstet. Ein Stelle ist mir direkt ins Auge gesprungen, ging mir nicht mehr aus den Kopf.

Nun stehe ich in der eindrucksvollen Eingangshalle des spanischen Restaurants 'La Comida excepcional'. Es ist früher Nachmittag und das Lokal ist für Gäste noch geschlossen. Der Empfang ist unbesetzt, nur eine kleine, silberglänzende Klingel steht neben einer dunkelblauen, eleganten, zur gesamten Einrichtung passenden Vase mit weißen, exotisch aussehenden Blumen.

Unschlüssig stehe ich auf dem schweren, grauen Teppich und warte darauf, dass etwas passiert.

Ich bin froh, doch auch schicke Kleidung eingepackt zu haben, und so nicht vorher noch einkaufen gehen zu müssen.
Sogar die Pumps von Raja's Hochzeit habe ich in weiser Voraussicht mitgenommen.
Und jetzt stehe ich angemessen gekleidet hinter den verdunkelten Scheiben.

Ich nutze die Zeit und schaue mir den Raum genauer an.
Ein dicker dunkelblauer Vorhang hängt von der hohen Decke bis auf den Boden hinab.
Die 4 Meter hohen Wände sind in einem hellen Grau gestrichen.
Der Empfangstresen wurde aus dunklem, massiven Holz gearbeitet.
Die Decke ist reich mit goldenen Ornamenten verziert, die auf die Wände übergehen und mit der Zeit auslaufen.
Auch der Vorhang weist bei näherem Hinsehen goldene Akzente auf.

Raschelnd wird er in dem Moment zur Seite geschoben, als ich ihn etwas genauer untersuchen will, und ein blonder junger Mann kommt zum Vorschein.
Direkt hallen Lios Wort von gestern in meinen Ohren wieder und ich muss mir auf die Lippe beißen um ihn nicht allzu offensichtlich anzugrinsen.

„Ah, du musst Alyah sein. Willkommen!"
„Wir haben telefoniert? Dann bist du Jaron. Schön dich kennenzulernen." begrüße ich ihn, und halte ihm die Hand hin, doch er ignoriert sie einfach und zieht mich in eine feste Umarmung, die mir beinahe die Luft abschnürt. Unschlüssig lasse ich sie eher über mich ergehen, als sie zu erwidern.
„Schön dich kennen zu lernen. Ich hab mich schon gefragt, was für eine Art Mensch du bist-"
„Aber du kennst mich doch noch garnicht", wage ich frech einzuwenden.
„Aber ich habe schon am Telefon beschlossen, dich zu mögen. Und anscheinend war die Entscheidung genau richtig, wenn ich dich jetzt ansehe. Voreilig ja, aber richtig!"

Immer noch verdattert über das herzliche Willkommen folge ich ihm weiter in den Palast hinein.

„Wow! Das ist einfach nur... mir fehlen die Worte.
Das ist... Wow!"
Der Anblick, der sich mir bietet, raubt mir schlichtweg den Atem und im selben Moment frage ich mich, ob es wirklich eine gute Idee war, herzukommen.

Mit einem amüsiertem Lachen auf dem Gesicht dreht er sich zu mir um.
„Tja, Schätzchen. So ist das nun einmal in New York. Unsere Gäste wollen nur das Beste vom Besten. Wenn wir nicht halten können, was wir versprechen, dann gehen sie halt in einen der tausend anderen nobel Schuppen. Deshalb ist es um so wichtiger, ihren Erwartungen zu entsprechen. Und das ist auch gleich die erste Regel: Der Gast ist-"
„König!", beende ich seinen Satz.
„Ja, genau!" Seine grauen Augen funkeln erfreut, als er sich mir zuwendet.

„Woher weißt du-" Die Verwirrung steht ihm, dicht gefolgt von Erkenntnis, ins Gesicht geschrieben.
„Aaah!"
„Klick", mache ich, und simuliere auf Höhe meiner Stirn mit meiner Hand einen Schalter, der umgelegt wird.

„Ja ja, ich sag doch, du gefällst mir!"

Verlegen greife ich nach einer meiner roten Strähnen, doch meine Hand greift ins Leere.

„Also ich weiß ja nicht, wie du sonst deine Haare trägst, aber gerade sieht es nicht so aus, als würde sich schnell eine einzelne Strähne in deine Finger finden, es sei denn du hast vor deinen Dutt zu zerstören. Was allerdings ein Unding wäre, denn er steht dir ausgesprochen gut", bei den Worten zwinkert er mir verschwörerisch zu, doch ich verdrehe einfach nur die Augen.

„Danke, obwohl ich das Gefühl habe, dass es alles nicht ganz passend ist, wenn ich mich hier so umschaue. Es ist wirklich ein -ich weiß nicht, was für ein- Restaurant", sage ich geradeheraus, was ich denke.
Mein Gefühl sagt mir, dass ich bei Jaron nicht aufpassen muss, was ich sage, und vor allem viel zu schnell all meine Geheimnisse los werden werde.
Vielleicht sollte ich eher darauf achten, nicht direkt alles von mir preiszugeben, obwohl es auch nicht weiter schlimm wäre.

„Ja, ich kenn das Gefühl nur zu gut, Süße. Ging mir am Anfang auch so, aber da gewöhnt man sich viel zu schnell dran.
Nach zwei Tagen, oder ja eher Nächten wirkt das alles schon viel weniger imposant. Ich weiß, wovon ich spreche!"

Mittlerweile laufen wir immer tiefer in den ganzen Prunk und Schmuck hinein.

Während Jaron eine steile Treppe hinauf steigt, die ein goldenes, verschnörkeltes Geländer ziert und durch einem dunkelblauen Teppich ins Gesamtbild passt, erzählt er weiter: „Nach einer Woche dann würdigst du diesen ganzen übertriebenen Schmuckelemente maximal nur noch einen kleinen Seitenblick und wendest dich den Gästen zu, als hättest du dich nie wo anderes befunden.
Was dir dann als nächstes auffällt, sind ihre Aufmachungen. Du weißt garnicht, für was für hässliche Fetzen die Reichen ein Vermögen hinblättern. Das ist unglaublich!"

Belustigt starre ich auf seinen breiten Rücken und bemühe mich nicht laut aufzulachen.
Seine Aufregung ist jedenfalls echt und lässt ihn gerade einige Levels in meiner Sympathieskala aufsteigen.
Zurecht!

„Weißt du, da habe ich mich nie dran gewöhnen können. Die Menschen hinter diesen Fassaden mögen ja ganz nett und teilweise auch anständig sein, aber diese Masken, die sie so gerne stolz und übermütig zur Schau stellen, sind nicht mehr als das, Masken, Fassaden, Dinge, die sie darstellen, gerne sein wollen, und alleine darüber sollten sie mal nachdenken, denkst du nicht?"
Schwungvoll dreht er sich zu mir um.

„Aber schneller als man will, gehört man selbst zu der extravaganten Einrichtung um ihnen zu gefallen.
Die vor dir waren ganz scharf drauf in so 'nem Laden, wie diesem hier arbeiten zu können, aber selber Teil der Einrichtung zu sein, das war dann doch zu viel.
Deshalb sag ich dir's direkt:
Für die Gäste sind wir nicht mehr als der Tisch, das Geländer, die Vase, der Vorhang, Dinge die ihnen zeigen, in was für einem Luxus sie leben. Naja, zumindest für die meisten. Es gibt Ausnahmen. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel.
Du bist anders als diese Tussis vorher, als ich würde mich freuen, wenn du bleibst.
Und ich habe schon wieder zu viel geredet, aber bleibst du trotzdem?"

Fahrig fährt er sich durch den blonden Wuschelkopf.

„Eigentlich hatte ich schon vor, erstmal zu bleiben, nicht lange, weil ich nicht lange in der Stadt bleibe, aber für ein, zwei Wochen auf jeden Fall.
Zumindest, wenn ich gebraucht werde", füge ich schnell hinzu, schließlich habe ich noch nicht mit dem Chef des Ganzen gesprochen und des wäre vielleicht besser, bevor ich irgendwelche Versprechen gebe, die ich nicht halten kann.

„Oh, Hilfe brauchen wir immer! Gerade ist Saison und irgendwie gehen alle Essen. Wir kommen gar nicht hinterher mit dem Kochen und vor allem nicht mit dem Verteilen. Gerade ist auch noch Mary krank, und wir anderen sind so schon überfordert damit, die zwei freien Stellen zu füllen. Drei schaffen wir wirklich nicht!
Naja, ich hoffe du weißt, worauf du dich einlässt.
Die Gastronomie ist kein einfacher Job, aber er macht Spaß und bringt gutes Geld.
Wenn du willst, hast du den Job."
Fragend zieht er die Augenbraue hoch, und zögernd nicke ich zustimmend. Erleichterung erscheint in seinem hübschen Gesicht.

„Gut, heute um viertel vor vier kannst du den Rest von uns kennenlernen und ich zeige dir alles weitere."
Bei den Worten dreht er sich zum Geländer und lässt seinen Blick über die dekorierten Tische und Stühle gleiten, als wär es sein Eigen.

„Muss ich noch irgendwas beachten? Irgendeine Kleiderordnung? Hygienevorschriften und so?" frage ich rund heraus, schließlich muss ich für alles abgesichert sein.

„Nop. Du kannst kommen, wie du willst. Wir haben eigene Uniformen. Bekommst du alles in", er schielt auf seine schlechte Uhr, „etwas mehr als anderthalb Stunden. Ruh dich bis dahin am besten noch aus, es wird ein langer Abend werden. Es ist Freitag, da kommen sie meisten. Entweder um die Geschäfte der Woche mit der Familie und Kollegen zu feiern, oder den letzten Deal raus zu schlagen. Was weiß ich, was die dazu veranlasst hier zu feiern.
Aber wir machen Umsatz."
Seufzend geht er wieder Richtung Treppe.

„Wenn ich so viel Geld hätte, würde ich andere Dinge damit tun!", verkündet er lautstark über die Schulter hinweg.
„Aber das hab ich nicht, und von daher muss ich mir keine Gedanken darüber machen. Zum Glück!"

Unten angekommen wartet er auf mich und versperrt die Treppe hinter mir mit einem weinroten Samtseil, wie ich es nur vom Kino oder aus Filmen selber kenne.
Daran hängt eine goldene Tafel mit einem schön gearbeiteten Schriftzug, der anzeigt das die obere Etage Reserviert ist.

Ich entscheide mich dafür nicht danach zu fragen und folge ihm zu dem prunkvollen Vorhang.

Ganz der Gentleman hält er mir diesen auf, und eilt schon zur gläsernen Tür.

„Ah, bevor ich es vergesse", beginne ich, „ wie kann ich deinen Chef erreichen? Und wie werde ich bezahlt? Muss ich nicht noch irgendwas unterschreiben?"
Ich bin wirklich stolz auf mich, noch dran gedacht zu haben.

Erstaunt fährt Jaron sich nochmal durch die blonden Locken, die darauf hin aussehen, wie ein flauschiges Osternest.
„Also, die Sache ist - das ist so-", stammelt er unschlüssig.
„Der Chef ist gerade nicht da, und wird auch heute Abend -hoffentlich- nicht da sein. Aktuell manage ich den ganzen Laden hier, weshalb das erstmal reichen muss."
„Oh, na dann."

Ich schlüpfe ich meine Jacke und gehe auf die Tür zu, die mich immer noch, wie die gesamte Einrichtung, begeistert.
Die Vorstellung jetzt hier arbeiten zu dürfen wirkt so surreal, dass sie noch garnicht in meinem Gehirn als Möglichkeit für die nahe Zukunft verarbeitet wurde, geschweige denn davon, dass es so sein wird.

Wie in Trance tapse ich, gefangen in meinen Gedanken und Vorstellungen des heutigen Abends, an meinem stellvertretenden Arbeitgeber vorbei und trete dann doch schnellen Schrittes durch die Tür.
Als ich mich nochmal umschaue, bemerke ich seinen Blick, der mich nicht los lässt.

„Dann bis gleich!"
„Bis gleich, Alyah! Ich freu mich wirklich drauf! Das wird 'ne lustige Zeit, vertrau mir!"
Auf seinem makellosen Gesicht erscheinen nun auch noch Grübchen, und schreien mir förmlich zu, unbedingt, möglichst schnell Lioba zu informieren.
„Mach dir keinen Stress! Das wird schon!"
Mit diesen Worten dreht er sich um, lässt die sündhaft teure Tür ins Schloss fallen und verschwindet schnell hinter dem schweren Vorhang aus meinem Sichtfeld, jedoch nicht ohne noch einmal sein schönes Lachen zu zeigen und mir verschwörerisch zuzuzwinkern.

Immer noch von ihm, seiner Art und vor allem Erscheinungsbild, das meine beste Freundin ganz sicher interessieren wird, gefangen, starre ich auf das Bild, das sich mir in der getönten Scheibe bietet.

Vor mir steht eine grinsende junge Frau. Ihre mit Sommersprossen gezeichneten Wangen sind leicht rot angelaufen, vereinzelte Strähnen haben sich aus ihrem strengen Dutt gelöst und rahmen nun ihr Gesicht vorteilhaft mit kleinen Löckchen ein.
Im ihrer Kleidung sticht sie aus den Menschen um sie herum heraus. Sie alle tragen Alltagsklamotten, wenige Männer mit Aktentasche einen Anzug.
Sorgfältig streicht sie über ihren tiefroten Rock, richtet ihr graues, enganliegendes Langarmshirt und zieht mit einem Ruck ihre dünne Strickjacke zu.

Immer noch schmunzelnd wende ich mich von meinem Spiegelbild ab.
Ich habe den Job und Lio wird mich dafür lieben!

Ohne lange zu überlegen schreibe ich ihr, in der Gewissheit erst in einigen Stunden mit ihr reden zu können.

Unschlüssig, was ich nun mit meiner letzten freien Stunde tun soll, blicke ich den vorbeilaufenden Menschen zu, und gehe im Kopf verschiedenste Sehenswürdigkeiten durch, schließlich ist man nicht alle Tage in New York, und sowohl Lio, als auch Raja würden mir nie verzeihen, ohne sie dort gewesen zu sein und dann noch nicht mal ansatzweise die Schönheit der Stadt begriffen haben. Eine nach der anderen scheidet aus, die eine wegen Entfernung und Zeitmangel, die andere aus Desinteresse und die nächste dann weil der Andrang gerade eindeutig zu hoch sein wird. Seufzend setzte ich mich in Bewegung.

Vielleicht finde ich, durch die Riesen stromernd, ein schönes, kleines Café, oder eine Buchhandlung, in der ich die gleichzeitig zu kurze und zu lange Zeit totschlagen kann.

Bevor der Abend beginnt, sollte ich wenigstens ansatzweise versuchen New Yorks Schönheit zu genießen.

Wer weiß, in welcher Verfassung ich heute Abend durchs Foyer gehen werde. Vielleicht werde ich vor Energie strotzen und euphorisch die Treppen hinauf springen, vielleicht werde ich überwältigt von all den Eindrücken hinein schleichen und mich bemühen die Treppe überhaupt zu erklimmen, und vielleicht torkle ich hinein, völlig meiner Kräfte beraubt, erreiche den Aufzug mehr schlecht als recht und stolpere auf mein Bett zu.

Wenn ich nicht vorher schon weggeschickt wurde, weil ich mal wieder einen von den, sich bei mir häufenden Fehlschritten getan habe, ohne überhaupt zu wissen, was alles als schief gelaufen gilt.

Das erste, das ich den Lockenkopf frage, werden ganz sicher alle Möglichkeiten sich danebenzubenehmen sein, schwöre ich mir, bevor ich in die Weiten der Stadt los spaziere und meinen zukünftigen Arbeitsort mit einem Lächeln auf den Lippen hinter mir lasse.


------ a. N. ------

Es tut mir schrecklich Leid, dass ich so lange nicht geupdatet habe! Ich werde in den nächste Wochen, die ich wegen Corona, wie jeder andere Schüler in Deutschland, bis auf einige (unzählig und übertrieben viele) Aufgeben frei habe, versuchen alles aufzuholen!

Wie findet ihr Alyah? Und was ist mit Lio? Denkt ihr sie trifft Tilo und seine kleine Schwester wieder? Geht bei ihrem Job alles gut?

An dieser Stelle muss ich auch einmal GinBlanco182 danken, die sich nun als Lektorin bezeichnen kann, weshalb hoffentlich in den nächsten Kapitel immer weniger Fehler auftauchen werden, und die alten Fehler behoben werden können. Vielen Dank!

Auch muss ich mich bei euch Lesern bedanke! Durch euch hat "Freedom" nun schon mehr als 500 Views und über 100 Votes mit nur 7 Kapiteln. Danke!

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