Punktgesicht

„Hey, Punktgesicht!"

Ich hasste es, wenn sie mich so nannten, aber ich hatte in diesem Rudel nichts zu melden. Ich war schließlich nur ein kleiner Sucher. Das heißt, meine Aufgabe war es, Vorräte zu finden. Egal, ob es Nahrungsmittel, Decken, Kissen, Werkzeuge, Medikamente oder andere Dinge waren. Wir benötigten alles, was wir bekommen konnten. Alles, was brauchbar war.

„Punktgesicht, beweg endlich deinen kleinen Arsch hierhin!"

„Herrgott, der Zwerg macht mich noch wahnsinnig!", hörte ich die Stimmen meiner Rudelkameraden erneut. Ich hatte keine Wahl. Ich musste mitgehen. Unsere Vorräte gingen, mal wieder, zuneige. Ohnehin fragte ich mich, warum sie so schnell verbraucht waren, wo wir doch erst vor zwei Tagen einen ordentlichen Haufen Hundefutter mitgebracht haben. Aber egal. Meine nützlichen Pfoten wurden jetzt gebraucht. Also gesellte ich mich zu ihnen.

Mal wieder wurde ich ausgelacht, als ich, tollpatschig wie ich bin, vor ihre Nase stolperte. Immer das Gleiche. Warum passierte das ausgerechnet mir? Ein dunkelbrauner Wachhund mit hängenden Ohren, hellen Pfoten und heller Schnauze trat vor. Er war etwas älter als ich. Und stärker. Und klüger. Und ... ach egal.

Er schaute verachtend zu mir hinunter.

„Du siehst nicht nur bescheuert aus, du verhältst dich auch noch so. Steh auf, für so einen Schwachsinn haben wir keine Zeit", sagte er und schritt elegant weg, um seinen Teamführer zu folgen. Die drei anderen dunklen Hunde, die noch vor mir standen und kopfschüttelnd zu mir sahen, schlossen sich ihm an.

Sofort kippte meine Stimmung. Ich setzte mich auf und starrte auf meine weißen Pfoten, auf denen ein paar schwarze Punkte zu sehen waren. Ich sah nicht nur anders aus als alle anderen, sondern hatte auch überhaupt kein Talent für irgendwas. Egal, was ich tat, alles lief schief. Es nervte mich, wie ich aussehe. Von allen Farben, die Hunde auf dieser Welt haben konnten, hatte ich diese bekommen. Weiß mit Punkten. Ich meine, im Ernst? Weiß mit Punkten? Niemand sah so bekloppt aus wie ich. Aber genug gejammert. Ich musste jetzt los.

Dieses Mal plünderten wir ein altes Wohnhaus. Die ganze Zeit hörte ich in der unteren Etage, wie dort etwas gegen eine Tür hämmerte. Da war ein Infizierter eingeschlossen. Ich bin sicher, die anderen hörten es auch. Aber sie ignorierten es einfach. Als ich ihnen sagte, dass die Tür ziemlich instabil aussieht, hörte mir keiner zu. Sie taten einfach so, als wäre ich nicht da. Eigentlich hätte ich auch einfach gehen können. Niemand hätte den Unterschied bemerkt. Ich schlich im Haus herum und tat das, wofür ich hier gewesen bin. Zum Plündern. Ich lief durch den Flur und erschrak plötzlich, als ich in mein eigenes Spiegelbild blickte. Da war er, der weiße Hund mit den vielen Punkten und einem fetten schwarzen Fleck auf dem linken Auge. Hinter mir schlich sich mein Rudelkamerad mit den Hängeohren an.

„Punktgesicht, machst du schon wieder eine Pause? Tu endlich das, wofür du hier bist!", giftete er mich an und schlug respektlos mit der Pfote nach mir. Dieser Idiot. Ständig versuchte er, mich herumzuschubsen. Ich sagte nichts, sondern versuchte ihn einfach zu ignorieren. Aber er hörte nicht auf.

„Los, Bewegung jetzt! Wie kann man nur so verschlafen sein? Ist ja kaum auszuhalten", knurrte er. Dabei war er so laut, dass der Teamführer es mitbekam und die Treppe herunterstürmte.

„Was ist hier los?", fragte er genervt und mein gemeiner Rudelkamerad deutete auf mich und sagte:

„Er erledigt schon wieder nicht seine Aufgaben, wie er es sollte! Die Damen im Lager brauchen aber endlich was zu essen. Wie kann er nur so herumtrödeln, ohne Konsequenzen zu erfahren? Ich verstehe das nicht, Boss!"

Das machte den Anführer nachdenklich. Misstrauisch schielte er zu mir. Boss war ein furchteinflößender und kräftiger Wachhund. Sein Gesicht und seine Beine waren vernarbt. Seine Rute fehlte und die Ohren standen spitz nach oben. Alle hatten einen Heidenrespekt vor ihm. Kurz bleckte er seine Zähne. Jetzt würde ich Ärger kriegen, das wusste ich.

„Dass du hier deine Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllst, können wir so nicht durchgehen lassen. Du solltest dich jetzt besser an die Arbeit machen, sonst muss ich mir eine Strafe für dich einfallen lassen. Also hopp hopp", warnte er großzügigerweise vor und schob mich in Richtung eines Raumes, den ich absuchen sollte. Danach nickte er meinem Rudelkameraden kurz zu, bevor er wieder nach oben sprintete und seine Arbeit fortsetzte. Ich zögerte nicht länger, sondern durchsuchte die Schränke und Schubladen. Irgendwie war hier nichts Brauchbares zu finden. Mein nerviges Rudelmitglied suchte in einem Zimmer gegenüber. Er war so laut dabei, dass ich automatisch in seine Richtung starrte. Das machte er doch mit Absicht! Das infizierte Wesen in der Flurkammer wurde durch den Krach noch mehr angestachelt und war kurz davor, die Tür zu zertrümmern. Erst überlegte ich, ob ich meinem Rudelmitglied zurufen soll, dass er nicht so einen Krach machen sollte, aber ich entschied mich dagegen. Streit provozieren. Genau das wollte er. Nicht mit mir!

Doch plötzlich knackte das brüchige Holz der Tür kaputt und die Kreatur stürmte hinaus, in den Raum, wo der ganze Lärm stattfand. Entsetzt heulte mein Rudelmitglied auf, als das Viech ihn angriff. Von Panik ergriffen stürmte ich vor.

„Anton!", rief ich angsterfüllt und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich spürte, wie ich zitterte. Egal. Ich rannte hin, um ihm zu helfen. Ich packte das Wesen am Arm, aber es schleuderte mich gegen die Tischkante. Das schmerzte. Ich konnte kaum noch aufstehen, aber es dauerte nicht lange, bis das restliche Team dazu stürzte. Stark und mutig bekämpften sie den Infizierten, bis dieser auf dem Boden lag. Das war knapp! Erleichtert seufzte ich und ging zu Anton, der verschreckt in der Ecke saß. Er musste sich erstmal wieder einkriegen.

„Hey, komm, ich helfe dir. Wenn du magst, kannst du dich abstützen", versuchte ich ihm freundlich anzubieten. Er tat mir leid. Auch wenn er mich ständig triezt.

Wütend schlug er meine Pfote weg.

„Hau ab, ich brauche deine Hilfe nicht!"

Das verletzte und verwirrte mich. Okay, dann halt nicht. Wie es aussah, machte ich ohnehin alles falsch. Die anderen Teammitglieder kamen dazu.

„Was war hier los?", fragte Boss. Eigentlich war die Frage unnötig.

„Er hat mal wieder zu viel Krach gemacht, dann ist das Ding einfach rausgestürmt und auf mich losgegangen!", fluchte Anton und schob mir Schuld in die Pfoten.

„Das ist überhaupt nicht ... ", wollte ich protestieren, doch eines der Rudelmitglieder packte mich im Nacken, während Boss mich aufgebracht ansah.

„Ich habe dich vorgewarnt und dennoch machst du hier so einen Blödsinn. Es hätte Anton sein Leben kosten können. Solch ein Verhalten kann ich in meinem Rudel nicht dulden. Es wird Zeit, dass du endlich Disziplin lernst. Deine Strafe beginnt gleich heute Abend!", machte er mir klar.

„Aber... !", wollte ich mich verteidigen, doch Boss wies mich ab.

„Bringt ihn hier raus. Das macht so keinen Sinn."

Enttäuscht sah er mich an. Anton hinter ihm grinste nur schadenfroh. Meine Strafe war zwei Tage lang zu hungern und den anderen beim Fressen zuzusehen.

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