1. Wo bin ich?

Fred schaute sich neugierig um. Wo war er nur? Es kam ihm vor, als hätte er hundert Jahre lang geschlafen und wäre jetzt erst aufgewacht. Hinter ihm sah er blaue süße Wölkchen. Unter ihm fühlte sich das Gras weich an. Er beugte sich, um mit einer Hand darüberzustreichen. Dann entdeckte er George. Er lag auf der Wiese und schlief.

»George!«, rief Fred. »Wach auf, Brüderlein. Es wird Zeit für einen kleinen Streich. Hat Mum uns nicht geweckt?« Fred rüttelte an Georges Schulter, doch dieser bewegte sich nicht.

»Wach auf. Wir haben bestimmt verschlafen. Wenn ich nur wüsste, wo wir sind.« Die Umgebung sah einfach aus, ganz simple. Wolken, die schnell über ihn hinwegzogen und Gras unter ihm. In der Ferne lag ein Wald. Fred zog eine Augenbraue nach oben.

»Dann schlaf eben weiter, Bruder. Ich appariere zum Fuchsbau.«

Fred konzentrierte sich und zückte den Zauberstab, den er bei sich trug. Er stellte sich den Fuchsbau genau vor, doch es funktionierte nicht.

Fred brummte etwas. Dann versuchte er es noch einmal. Es schien, als könnte er sich einfach nicht von dieser Wiese fortbewegen. Also versuchte er, in den Wald zu springen. Und tatsächlich. Er hatte Erfolg. Er landete am Waldrand und blickte sich genauer um. Nadelbäume ragten in die Höhe und als er den Wald betrat, umgab ihn Dunkelheit. Der Wald schluckte das Sonnenlicht. Die Nadeln unter ihm sorgten dafür, dass Fred seine eigenen Schritte kaum hörte. Er lauschte auf Geräusche, doch bis auf ein Eichhörnchen nahm er nichts wahr.

Eichhörnchen waren schon immer eines seiner liebsten Tiere gewesen. Fred erwartete, dass das Eichhörnchen in den Bäumen verschwand, doch das genaue Gegenteil geschah: Es näherte sich vorsichtig, huschte auf den Waldboden und flitzte dann an Freds Umhang nach oben, bis es auf seinem Kopf stehen blieb. Dann legte es sich.

»Du bist ein komisches Eichhörnchen. Warum bist du so zahm?«, fragte Fred. Er erwartete keine Antwort. »Hier gibt es kein anderes Tier. Du gehörst doch gar nicht hierher, oder? Ist das hier verzaubert? Irgendwas ist hier komisch. Ja ja, ich erwarte gar keine Antwort von dir.«

Fred hob seine Arme und schnappte sich das Eichhörnchen. Dann setzte er es auf dem Boden ab. Doch das Eichhörnchen kletterte wieder an seinem Umhang hinauf, also gab Fred auf.

»Na gut, wenn du unbedingt willst, dann bleib erst mal bei mir. Dann musst du mir aber auch helfen, meinen Bruder zu wecken.« Fred streichelte das rote Fell des Hörnchens und sah in die schwarzen, großen Augen. Das Fell hatte die Farbe wie Freds eigene Haare.

»Komm, ich möchte endlich hier weg.« Fred disapparierte und fand sich eine Sekunde später neben George wieder. Er ließ das Hörnchen runter, doch es kehrte zu ihm zurück.

»Du bist ein kleines Anhängsel, Gooseberry.«

Fred nahm das Hörnchen und ließ es auf Georges Gesicht fallen. Er erwartete, dass George erschreckt aufwachte und sich beschwerte, doch das passierte nicht.

Fred ließ sich auf die Wiese fallen und beobachtete die Wolken, die über ihn wegzogen. Dann überlegte er, wie er hierhergekommen war. Ihm war, als fehlte ihm ein Teil seiner Erinnerung. George und er waren nach Hogwarts gekehrt. Sie waren durch einen Geheimgang gekrochen und waren im Raum der Wünsche gelandet. Dort hatten sie die anderen gesehen. Neville, Ginny, Luna, Angelina, Alicia, Katie, Seamus, Dean, die Creevey-Brüder, Ernie, Justin, Cho, Parvati und Padma, Lavender, Lee und viele mehr. Nach und nach waren auch immer mehr eingetroffen, bis schließlich Harry, Hermine und Ron durch den Geheimgang in den Raum krochen.

Sie alle hatten dem Trio geholfen und kurz darauf hatte die Schlacht begonnen. Fred hatte gegen Todesser gekämpft wie alle anderen. Und er hatte mit Percy geredet. Danach war alles weg. Was war passiert? War die Schlacht vorbei? Wer hatte gewonnen? Harry natürlich, wie konnte Fred auch nur eine Sekunde daran zweifeln?

Doch trotzdem stellte sich die Frage, wie er ausgerechnet hierhergekommen war und was mit George –

»George!« Fred tastete nach dem Puls seines Bruders. Nichts. War sein Bruder etwa – tot?

Freds Atmung beschleunigte sich. Sein Vater hatte ihnen allen beigebracht, wie sie sich in einem Notfall benehmen mussten, auch wenn sie keinen Zauberstab dabeihatten. Fred erinnerte sich nüchtern an eine Herzdruckmassage. Er legte seine Hände bereit und begann, doch es brachte nichts und insgeheim wusste er es schon längst. Als er George berührte, entstand keine Verbindung zwischen ihnen. Er wusste nicht, was sein Bruder dachte, er konnte es nicht einmal vermuten. Er spürte keine Wärme. Er spürte nichts. Er fühlte nur diesen Schmerz, der plötzlich eingesetzt hatte und ihm die Sinne raubte. Es fühlte sich an, als hätte ihn jemand in zwei Hälften geschnitten und die eine mitgenommen. Ohne George war Fred nichts. Er brauchte seinen Bruder!

Fred legte sich neben seinen Bruder. Die bittere Wahrheit drang nur langsam zu ihm durch. George konnte doch nicht einfach tot sein, einfach weg, nicht mehr da.

Fred zitterte am ganzen Körper. Er versuchte ruhig zu bleiben, doch er spürte Wut. Wie war George gestorben? Er würde den, der dafür verantwortlich war, rächen.

»George!«, schrie Fred und rüttelte seinen Bruder, auch wenn es nichts brachte. Wenn er nur wüsste, wo er war und wie er nach Hause kam. Träumte er das alles nur? Er kniff sich in seinen Arm. Blitze schossen durch seinen Körper. Fluchend rieb Fred sich die Stelle, dann strich er über Georges Arm. Er wünschte sich, dass George mit ihm reden würde, dass er den Schmerz spüren würde, dass er da war.

Gooseberry kuschelte sich an Fred, um ihm Beistand zu leisten.

Eine einzelne Träne sickerte auf Georges Uniform. Warum trugen sie beide die Hogwarts-Uniform? Sie gingen schon seit zwei Jahren nicht mehr auf die Schule.

Fred war durcheinander. Gedanken schossen unaufhörlich durch sein Gehirn, so schnell, dass Fred es nicht schaffte, sie zu ordnen.



Das fertige Cover folgt noch.

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