Zehn

Es war 05:00 Uhr morgens, als Jax und ich in die Tiefgarage der Freapire fuhren. Ich war wahnsinnig aufgeregt, weil ich nicht wusste, was mich erwarten würde und trotzdem glaubte ich, dass es wohl besser so war.

Mit einer starken Bremsung kamen das Motorrad zum Stehen. Wir parkten direkt neben den anderen Fahrzeugen. Dieser Ort wäre genau nach Noahs Geschmack gewesen, denn, so viel ich sah, standen hier nicht nur Autos der Marken Porsche, Ferrari und Mustang sondern ebenso ein Lamborghini. Noah wären die Augen raus gefallen!

Ich stieg ab und übergab Jax den Helm. Meine Gedanken spielten verrückt und so kam es, dass sich in mir die abgedrehtesten Möglichkeiten abspielten, wie das Gespräch mit Marior letztendlich verlaufen würde.

Vielleicht schmeißen sie mich ja raus...
Und danach lassen Sie mich umbringen, weil ich zu viel weiß!

Oh Gott, ich war mit meinem Hirn so am Ende! Aber, wen wunderte es? Es war viel zu früh und da schwirrten mir eben noch die seltsamsten Dinge im Kopf herum.

Jax schien auch ein wenig nervös zu sein, denn er schien irgendetwas in seinem Handy zu suchen. Angespannt sah er es an.

„Was machst du?", wollte ich wissen, als wir zum Lift gingen. Jax lugte für einen kurzen Moment zum Fahrstuhl und hielt seinen Zeigefinger auf den Scan. Als die Türen auseinander sprangen und wir eintraten war er wieder ganz auf sein Smartphone fokussiert.

„Jax?", fragte ich erneut. Hörte er mich nicht oder stellte er sich einfach nur taub, um mir nicht antworten zu müssen?
„Ich... - Lass uns das nicht jetzt besprechen.", bat er, deutete kaum merkbar auf eine Kamera, in der linken oberen Ecke, und packte das Teil endlich weg.
Ich verstand und nickte ihm zu.

Er wollte sicher gehen, dass uns keiner abhörte, doch das würde erst später der Fall sein, wenn wir wieder Teil der 'normalen Welt' sein würden.

Als der Aufzug mit einem hohen "Ding" stoppte und sich die Türen auseinander pressten, stiegen wir aus. Wir machten uns auf den Weg zum Büro des Anführers der Geheimorganisation, währenddessen ich meinen Blick nach rechts und links schweifen ließ.

Weiß, alles weiß.

Die Gänge waren breit und zwischen den langweiligen Wänden waren in gleichmäßigem Abstand Metalltüren, die man entweder mit einem Gesichtsscan oder dem Fingerabdruck öffnen konnte. Ich wusste das, weil ich, als ich das erste Mal, als ich hier war, in eine ziemlich peinliche Situation geraten war. Kurz und gut, ich hatte mich gegen die Tür gestämmt, gedrückt und gezogen und mich gewundert, dass nichts geschah.

Als wir plötzlich an einer größeren stehen blieben, die sich von ganz allein öffnete, sah ich eine Frau (vielleicht war sie eine Sekretärin) in Hosenanzug, davor stehen. Ihre blonden Haare, die eher einem erschrockenem weiß glichen, hatte sie streng in einen Dutt gebunden.

„Aircale, Jones. Marior erwartet sie bereits."
Sie hatte eine ernste Miene aufgesetzt und zeigte uns mit einer einladenden Geste, dass wir eintreten sollten.

Im Inneren des Zimmers saß ein circa 50 Jahre alter Mann in einem schwarzen Anzug. Ich starrte ihn an. Mitten in sein Gesicht. Direkt in sein rechtes Auge.
Oder besser gesagt, ich starrte auf das, was darüber zu sehen war - nämlich eine riesige Narbe. Schon das letzte Mal konnte ich nicht weg sehen. Es war wie ein Unfall - Man wusste, dass es unhöflich war hinzuschauen, aber man tat es trotzdem.

„Setzen sie sich doch.", sagte der Mann mit seiner unglaublich tiefen Stimme und deutete auf die zwei Sessel. Ich sah zu Jax, doch er schlenderte ganz professionell zu einem der Sitze und ließ sich nieder. Schnell kam ich hinterher und setzte mich daneben.

Mein Herz schlug wie wild und ich hatte Angst, dass es jemand hören konnte. Mein Puls stieg gefühlt um das doppelte und mein Atem wurde ungleichmäßig.

„Zu aller erst will ich betonen, dass ich sehr enttäuscht von ihnen bin.", legte er los und sah mich an.
„Ich dachte, sie stünden nicht gern im Mittelpunkt? Das haben sie jedenfalls bei unserem Vorstellungsgespräch behauptet. Haben sie mir die Wahrheit gesagt?", fragte er nun, worauf ich nur ein leises „Ja." von mir gab.

Dieser Mann hatte eine erschreckende Art an sich. Er schüchterte einen mit diesem Blick so ein, dass man ihm nicht ausweichen konnte. Meine Hände wurden kalt und schwitzig und ich fühlte mich verdammt fehl am Platz.

Daraufhin nahm er eine Fernbedienung, die auf seinem großen, aus Holz angefertigten, Schreibtisch lag und betätigte einen Knopf. Ein gigantischer Bildschirm klappte nach unten und sofort erkannte ich etliche Bilder von mir und Noah in unserem Hauseingang.

„Die Fotos wurden von Reportern geschossen und an das Fernsehen sowie das Internet gesendet. Jeder kann auf die Berichte zugreifen. Und ich frage sie noch einmal, Miss Jones. Haben sie mich angelogen, als sie versprachen sich unauffällig zu verhalten?"

... fragte der Richter den Angeklagten...

Dieser Mann hatte eindeutig zu viel Selbstvertrauen, aber was sonst hätte man von dem Anführer der Freapire erwarten sollen?

„Nein, aber, der Mann brauchte Hilfe. Wären mein Bruder und ich ihm nicht zur Hilfe gekommen, wer weiß, was passiert wäre.", sagte ich selbstbewusster als vorher.

Jax, neben mir, schien etwas überrascht, dass ich meine Meinung so direkt sagte, aber so war ich eben. Eindringlich, als würde er mich warnen wollen, sah er mich von der Seite an. Oder, durfte man das hier etwa nicht?

„Wohlmöglich wäre der Rentner ausgeraubt worden. Was auch immer, wir hätten es in Kauf nehmen müssen!"
Marior wurde lauter. Mich machte seine Aussage wahnsinnig sauer, was er zu bemerken schien, denn er wurde wieder leiser.

„Miss Jones, es geht überwiegend darum, dem Feind nahe genug zu sein, um an Informationen zu gelangen, die ihn belasten. Das ist weitgehend unmöglich, ohne eine, wenn auch nur vorgetäuschte Freundschaft. Diese bestünde natürlich nur vorübergehend. Anfreunden, spionieren und eiskalt ausliefern.", erklärte er abermals und wendete sich Jax zu.

Was für ein schrecklicher Mann. So bin ich nicht und ich werde es auch nie sein. Und, das ist gut so... Oder nicht? Ist es denn falsch Gefühle zu haben?

Ich verfolgte mit, wie der Boss nun direkt zu Aircale sprach, um ihm ein schlechtes Gewissen einzureden.
„Dabei ist es überaus wichtig, darauf zu achten, dass ihre Identitäten geheim bleiben. Sie haben verstanden, Agent A?"
Er nahm einen Schluck aus seiner Kaffeetasse, stand auf, drehte sich mit dem Rücken zu uns und senkte den Kopf, als brauchte er die Antwort nicht abzuwarten - als würde er wissen, dass ein Einverständnis kommen würde.

Und wie vorhergesehen zwang er sich auch zu einem klaren:„Natürlich."

Unglaublich. Diese ganzen Agents hier lassen sich von Marior wie Robotter behandeln. Sie sollen ihre Befehle ausführen und nichts anderes. Ob sie, wenn sie etwas falsch machen auch einfach ausgeschaltet werden? War das wirklich richtig?

„Nein!", entfuhr es mir auf ein Mal. Marior hob seinen Schädel.

„Ohne mich. Wie kann Ihnen das Wohl eines Menschen so gleichgültig sein? Angenommen, es wären keine Einbrecher, sondern Mörder gewesen. Hätten wir auch einfach nichts tun sollen?"

Diese hasserfüllten Worte sprudelten förmlich aus mir heraus, was man definitiv an meinem Ausruck erkennen musste. Ich konnte nichts dagegen machen.

Der Mann drehte sich wieder um und ich sah in sein ausdrucksloses Gesicht.

„Sie haben es erfasst. Das ist die Arbeit der Polizei. Ihre Aufgabe ist es lediglich das Vertrauen dieser Menschen zu gewinnen um sie uns aushändigen zu können.", erklärte er abermals mit einem gespielten Lächeln, dass mich anscheinend zum Ausrasten bringen sollte.

Was glaubt er, wer er ist?
Der Boss, Meg. Er ist der Boss, also diskutiere nicht mit ihm herum.

Ich atmete tief durch, bevor ich noch etwas erwidern wollte, doch dazu kam es erst gar nicht.

Miss Lión, bitte bringen Sie Miss Jones nach draußen. Sie wird vor der Tür auf  Agent A warten.", forderte er die Sekretärin auf, welche so gleich zu mir kam.

Ich fasse es nicht! Er wirft mich raus!? Und das nur, weil ich ihm meine Meinung gesagt habe?!

Nun stützte ich mich mit den Händen auf dem Tisch ab.
„Ich denke, ich finde allein raus.", sagte ich in monotonem Ton und lief aus seinem Büro.

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Jax' Perspektive
Megan hatte Recht, aber es stand ihr natürlich nicht zu, so etwas zu sagen. Ich selber hätte vermutlich genauso wie sie gehandelt und ihr sogar geholfen, aber ich war gestern... beschäftigt. Kurz gesagt: Auf einer Verfolgungsjagd konnte man schlecht reden, geschweige denn zu einem Menschen gelangen, den man nicht in Gefahr bringen wollte. Sie hätten mich sonst sicher bis zu Megan verfolgt. Außerdem hatte ich in dem Moment, in dem sie mich angerufen hatte, gerade eine Schlägerei hinter mich gebracht.
Natürlich hatten sie mir alle nichts anhaben können, weil sie zu dickköpfig waren.

Das sind alles naive Anfänger, wenn die glauben, mich einfach besiegen zu können.

„Nun zu Ihnen, Aircale. Wir können dieses Mädchen unmöglich rausschmeißen, auch, wenn ich gerade nichts lieber tun würde, als das. Aber dafür ist sie noch zu wichtig."
Er setzte sich wieder auf den großen Drehstuhl und sah mich mit diesem Blick an, den er immer aufsetzte, wenn ihm gerade etwas einfiel.

„Was schlagen sie vor?", wollte ich wissen und verschränkte die Arme. Marior hatte immer Pläne, die zwar jedes Mal aufgingen, aber nie besonders angebracht waren, denn sie gefährdeten oftmals das Privatleben der Agenten.

Er schien kurz zu überlegen, bevor er einen Entschluss traf.
„Gewinnen sie Jones' Vertrauen und finden Sie ihre Schwäche. Kein Mensch ist frei von Fehlern und Niemand hat eine strahlende Vergangenheit. Finden sie ihren wunden Punkt und kontrollieren Sie das Mädchen damit, bevor sie die Mission zerstört."

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Kapitel 10: Check

Ich hoffe, ihr fandet es nicht zu langweilig😊
Ich konnte den Erwachsenen Boss schlecht wie einen Teenager sprechen lassen😅
Obwohl... Vielleicht wäre das ganz witzig gewesen😂?

Naja, bis zum nächsten Kapitel:

~Hailey🌈

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