Vierzehn

Megs Perspektive

„Was ist das eigentlich damals gewesen.", fragte Jax und unterbrach die Stille.
„Also, das mit dir und Taylor."
Er fuhr sich durch's Haar und schaute mich an, als hätte er mich soeben nach meiner Lieblingsfarbe gefragt.

Ich konnte es gerade einfach nicht fassen. Erst fesselte er mich, wie einen Gauner oder Mörder und jetzt wollte er etwas über meine Beziehung zu Taylor wissen?

Ich streckte eine Augenbraue in die Höhe und sah ihn misstrauisch an.
„Wieso fragst du das? Ihr habt uns zu der Zeit doch sowieso schon beschattet, oder nicht?", stellte ich nun als Gegenfrage in den Raum. Ich glaubte, er kam sich nun wie ein Stalker vor. Im Großen und Ganzen waren Agenten ja auch gar nicht so anders als Stalker, nur dass sie sich vielleicht besser tarnten, ruhiger blieben und bezahlt wurden.

Stille.

Ich... Das war vor eineinhalb Jahren.", erzählte er und schaute schuldig an die Decke.

Erinnerungen tauchten in mir auf. Wie Wasser, dass in der Lunge aufstieg, brachte es mich beinahe zum ersticken. Ich konnte kaum noch atmen, rang nach Luft.

„Kurz vor meinem 16. Geburtstag habe ich diese Mission anvertraut bekommen. Meine Erste.", sagte er.

Der Gedanke, dass er wahrscheinlich so gut wie alles über mich wusste, jagte mir Angst ein, aber ich ließ mir nichts anmerken.

„Du hast ihn sehr gelie..."

„AAAAAAAAHHHH!!!"
Schrille, wild durcheinander kreischende Schreie ertönten. Ich zuckte zusammen. Jax sprang sofort auf. Zum Glück hatte das seinen Redefluss unterbrochen, denn, wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht wissen, was er hatte sagen wollen.

„Was willst du jetzt machen?", fragte ich, noch immer gefesselt, und hoffte, er würde mich jetzt nicht alleine lassen oder mich wenigstens wieder losbinden, dein mein Handgelenk schmerzte nicht wenig.

„Ich gucke mal kurz um die Ecke.", meinte er, öffnete die Holztür und streckte den Kopf heraus. Der ganze Gang war voller Schüler. So viel ich sehen konnte, weinten manche, andere hatten einen Anflug von Schock im Gesicht und weitere liefen nur stumm hin und her.

„Was siehst du?", wollte ich wissen.

„Also... Da stehen einige Lehrer um das Klassenzimmer herum. Aber ich sehe von hier auch nichts weiter.", meinte er, schloss die Tür wieder und kam zu mir.

„Ich bin kurz nebenan nachsehen, was passiert ist. Beweg dich nicht von der Stelle."
Darauf war er auch schon weg.

What the Fuck! Will er mich verarschen? Als ob ich mich jetzt bewegen kann und dann lässt er mich auch noch allein?!

Ich hatte Angst, denn ich konnte ahnen, was passiert war. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber wegen Jax hatte ich nicht helfen können und so wäre es doch möglich, dass... unter Umständen...
Ich wollte diesen Gedanken nicht zu Ende führen.

Plötzlich öffnete sich die Tür.

„Stell dir vor, es wäre jemand reingekommen, was hätte ich dann machen sollen?", fragte ich. Jax war ja ziemlich schnell wiedergekommen.

„Meg?", fragte die Stimme. Aber, das war nicht Jax.

„Noah, was machst du denn hier?", fragte ich erstaunt, doch, als mein Bruder die Tür hinter sich schloss, übertraf er mich mit seiner Verwirrung.

„Ich... wollte kurz mal allein sein, weil sonst eigentlich niemand in der Besenkammer ist und alles da draußen voll ist."
Noch immer irritiert, musterte er mich von oben bis unten.

„Was ist da draußen passiert?", musste ich wissen. Noah schien sich jedoch nicht so richtig konzentrieren zu können.

„Da war so ein Typ, der... Nein. Tut mir leid, du verwirrst mich. Was ist das?", fragte jetzt er und deutete auf meine Fesseln.

„Ja, also. Lustige Geschichte.", meinte ich und grinste leicht gespielt.

Noah kam zu mir und versuchte sich daran, meine Handfesseln auf zu knoten.

„Ich hab Zeit.", meinte er. Mein Bruder bemerkte aber nach kurzer Zeit, dass diese Knoten ziemlich fest waren.

„Du, ich schau mal in der Kafeteria, ob ich ein Messer finde. Denke, das müsste schneller gehen.", sagte er, schien aber noch immer irgendwie seltsam drauf zu sein.
„Wenn ich wiederkomme, erzählst du mir alles. Beweg dich nicht von der Stelle, bin gleich wieder da."

Jap, ganz bestimmt werde ich mal draußen spazieren gehen oder so. Sind denn heute alle hirnverbrannte Idioten, oder was?

Also saß ich noch immer an der Wand gelehnt und nichts passierte, außer, dass ich bemerkte, wie die Seile an meinen Gelenken immer mehr anfingen zu kratzen. Sie zogen sich so zusammen, als wären sie Teil meines Körpers. Als wollten sie gerade mit ihm verschmelzen.

Wie gern hätte ich jetzt wenigstens darunter gejuckt, aber zu erst hätte das gegen die Logik verstoßen, da ich meine Hände nicht benutzen konnte und zweitens hätte meine Hand nicht unter die Fessel gepasst. Dafür waren sie zu eng.

Nach einem kurzen Augenblick wurde die Tür erneut aufgestoßen.

„Jax, du musst sofort abhauen!", rief ich ihm zu, doch er schaute mich nur irritiert und mit einem leichten Schock im Gesicht an.

„Was? Soll ich dich nicht noch losbinden, oder so?", fragend sah er mich an. Er verstand nicht die Bohne, was gerade vor sich ging. Sein Gesichtsausdruck wahr mitgenommen, in sich gekehrt, als würde er die Welt nicht mehr verstehen.

„Nein, geh schnell. Mein Bruder war gerade hier und dürfte jeden Moment wieder zurückkommen!", erzählte ich hektisch. Obwohl mich brennend interessierte, was da draußen los war und was nun passiert war. Ich hätte es mir gerade so verdammt gern von Jax erzählen lassen, aber Noah würde nicht lang brauchen. Die Kafeteria war nicht weit entfernt. Man musste den Gang, den ich gekommen war zurück laufen, um die Treppe herum und da war sie schon.

„Okay, ich hole dich später ab.", sagte er nur noch. Dann war er auch schon weg.

Jetzt kam auch schon Noah wieder hereingelaufen.

Gosch! Die Kerle machen mich noch fertig.

Er hatte, wie versprochen, ein Messer dabei, und schnitt beide Seile durch. Darauf hielt er mir seine Hand hin und half mir aufzustehen.

„So, jetzt bin ich aber mal gespannt. Was ist passiert?", fragte er, als wir endlich zusammen aus dieser Hausmeisterkammer herauskamen.

Tja, was sollte ich jetzt antworten?

Sag, du wurdest von Einbrechern gekidnappt.

„Ich äh...", fing ich an.

„Da war ein großer...", machte ich weiter, aber irgendwie stellte ich mich einfach zu dämlich an.

https://youtu.be/mfJRGftPCXc

„Willst du es mir nicht sagen?", fragte mein Bruder, aber als mir wieder einfiel, dass vor wenigen Minuten noch Lärm auf dem Gang war, rannte ich zu dem Raum. Ich hörte Polizei- und Krankenwagensirenen.

Was zum Teufel...

„Meg, ich finde nicht, dass du da reingehen solltest."
Noah, welcher mir hinterher gelaufen war, legte mir die Hand auf die Schulter und hielt mich zurück, aber ich musste es jetzt wissen. Die Lehrer, welche an den Wänden standen, versuchten erst gar nicht, mich aufzuhalten. Sie sahen vollkommen fertig aus.

Nach einem letzten Blick zu meinem großen Bruder, lief ich in den Raum.

Nichts. Alles ganz normal.

Das war zumindest mein erster Eindruck gewesen, aber, als mir wieder die Sirenen ins Gedächtnis kamen, stürzte ich zum Fenster.

„Oh mein Gott!"

Ich presste mir die Hand auf den Mund, um nicht aufzuschreien.

Da unten lag tatsächlich der Junge, von dem Jax erzählt hatte. Vollkommen blutüberströmt, deckte man ihm das Gesicht mit einer Decke zu und legte ihn auf eine Trage. Einige Autos standen an der Straßenseite, weitere sammelten sich, bis es zum Stau kam. Es sah nach einem riesigen Unfall aus. Aber ich wusste, dass es keiner war. Vier ineinander gefahrene Autos wurden eben von einem Abschleppwagen aufgeladen. Eine weinende Frau stand neben dem großen Laster und wurde von einem Polizisten befragt. Als sie ein kleines Mädchen, im Alter zwischen fünf und sieben auf einer Trage entdeckte, bekam sie einen Anfall und brach zusammen. Der Polizist rief etwas, dass ich nicht verstehen konnte und ein Sanitäter eilte ihr zur Hilfe. Zwei weitere Tragen wurden in die Krankenwagen gebracht.

Nein! Die Toten, das kleine Mädchen, ihre Mutter.

Ich zuckte aus Reflex zusammen, als ich einen Arm um mich herum spürte. Noah sah mich mitfühlend an. Ich konnte sehen, wie er krampfhaft versuchte zu lächeln. Er dachte wohl, er musste nun für uns beide stark sein.

„Liebe Schüler, wir bitten sie, die nächst kommenden Busse zu nehmen und nach Hause zu fahren. Wegen eines Vorfalls fällt der Unterricht heute aus. Wir wünschen eine sichere Heimreise.", ertönte die Stimme des Direktors aus den Lautsprechern.

„Komm schon, Meg. Lass uns verschwinden.", sagte Noah und zog mich mit sich. Auf dem Gang nahm ich eigentlich nichts mehr wahr. Ich trottete ihm einfach nach, fühlte nichts mehr als Wut und Schmerz. Ich konnte keinen einzigen klaren Gedanken fassen. Ich fragte mich die ganze Zeit nur eins:

Wieso?

______________________

Kapitel 14: Check

Hallo ihr 🙌🏻
Ich werde heute schon mal am 15. Kapitel weiterschreiben. Seid gespannt, wie es weiter geht! ❤️Keine Sorge, Blut wird erst einmal keins mehr fließen.
Es wird viel um Vertrauen gehen.🦋

Bis zum nächsten Mal👋🏻

~Hailey🌈

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top