Sechsundzwanzig

Ich lief, oder humpelte besser gesagt, die Straße entlang bis ich auf eine Bushaltestelle stieß und mich setzte. Die Busse fuhren um diese Zeit schon lange nicht mehr und anrufen konnte ich nicht, weil mein Datenvolumen verbraucht war.

Arrrrgh!! Wieso habe ich es nicht gestern noch aufgeladen?
Verkackt...

Augenblicklich vergrub ich die Hände in meine, in's Gesicht hängenden, Haare. Es war dunkel und ich frohr, denn, auch wenn noch Sommer war, wurden die Nächte allmählich wieder kälter.

Ich hätte mir eine Jacke mitnehmen sollen.
Das habe ich aber auch versaut.
Oh Wunder...

Ich glich einem lebendigen Zimmerbrunnen, so verweint war ich. Nein ehrlich, es tat einfach so unendlich weh. Nicht einmal mein Knöchel war das Schlimmste dabei, sondern die aufgewühlten Erinnerungen an Dad.

Ich wusste nicht viel von ihm und fing an ihn mit der Zeit mehr und mehr zu vergessen. Ich hatte einfach Angst, dass mir irgendwann nicht einmal mehr sein Name einfallen würde. Das Gesicht war schon weg - wie vom Winde verweht. Also selbst, wenn er die letzten paar Jahre aufgetaucht wäre, hätte ich ihn nicht erkannt. Ich fragte mich, ob Noah vielleicht noch wusste, wie er aussah? Wie er so drauf war und was ich eventuell von ihm hatte. Mum hatte grau - grüne Augen, also konnte ich meine Blauen nicht von ihr haben.

Auf einmal hörte ich ein mir gut bekanntes Motorengeräusch, bekam kurz darauf das grelle Licht der Scheinwerfer direkt in's Gesicht, sodass ich meine Augen zusammenkneifen musste.
Der alte Chevrolet hielt direkt vor der Haltestelle und sofort kam mein großer Bruder auf mich zugestürmt. Wie er bei mir war, zog er mich erst einmal in eine Umarmung.

„Verdammt nochmal, Meg. Was machst du denn hier?", fragte er fürsorglich und streichelte meine Haare, doch ich konnte kaum reden. Ich erkannte, dass auch Mason in dem alten Chevrolet saß und mich mitleidig musterte.

Ich war so froh, meinen Bruder jetzt zu sehen. Wir ärgerten und nervten uns zwar andauernd, aber ich konnte mich auch immer auf ihn verlassen. Und dafür hatte ich ihn echt lieb.

„Ich... Dad...", versuchte ich etwas zu sagen, aber das klappte irgendwie nicht so richtig.

Dummes Ich. Sprich in Sätzen, nicht in Fetzen.

„Komm erstmal mit zum Auto. Ich bring dich nach Hause.", meinte er und lächelte mir aufmunternd zu. Nachdem ich Dad erwähnt hatte, wurde er einwenig in sich gekehrt. Ich verstand.
Noah war sehr enttäuscht von unserem Vater und sprach am Liebsten gar nicht mehr von ihm.

Noah löste unsere geschwisterliche Umarmung auf und zog mich am Arm mit zum Auto, doch da trat ich wieder mit meinem verletzten Fuß auf.
„Scheiße.", verfluchte ich die Verletzung an meinem Knöchel und biss die Zähne zusammen.

„Was hast du denn angestellt?", fragte er und stützte mich nun, weil er erkannte, dass ich kaum laufen konnte.

„Lange Geschichte.", murmelte ich, als ich auf dem Rücksitz Platz nahm und Noah die Tür zu machte.

„Hi, Meg.", begrüßte Mason mich und drehte sich um, sodass ich sein Gesicht sehen konnte. Noah stieg wieder ein und trat auf's Gaspedal.

„Hey."
Ich lächelte gezwungenermaßen.

„Erzähl schon. Was ist los?", fragte mein älterer Bruder und schaute in den Rückspiegel.

„Ich hab alles kaputt gemacht.", murmelte ich und wischte mir schnell die Tränen aus dem Gesicht, weil mir peinlich war, dass Mason mich so verheult sah. Er merkte, dass ich mich nicht sonderlich wohlfühlte, deshalb drehte er sich wieder nach vorn.

Danke.

„Wie wär's? Beruhige dich erstmal und zu Hause erzählst du mir dann alles, okay?", schlug Noah vor, worauf ich schnell zustimmend nickte.

„Aber, wenn sie sich verletzt hat, sollten wir erstmal in's Krankenhaus, oder?", gab Mason seinen Senf dazu. Ich mochte ihn eigentlich schon, aber ich wollte jetzt alles andere als in's Krankenhaus.

„Nein, mir geht's gut.", wendete ich daher noch schnell ein, aber Noah schüttelte den Kopf.

„Ich seh' das genauso wie Mason. Dir tut doch schon das kleinste Auftreten weh, also tu nicht so, als ob alles super ist."

Ich ließ meinen Kopf an die Lehne fallen und seufzte. Ich hasste es, wenn er Recht behielt.
Auf einmal ertönte ein Klingeln.

Mein Handy.

Die Zwei da vorn lugten neugierig zu mir nach hinten, aber ich drückte die Nummer weg. Ich hatte keine Nerven, jetzt mit Jax zu sprechen. Er würde mir doch nur wieder vorwerfen, wie unfähig ich doch sei.

„Wer war das?", wollte mein großer Bruder wissen.

„Niemand.", murmelte ich und sogleich klingelte es erneut.

Taylor.

Nein verdammt! Jetzt lasst mich doch alle einfach mal in Ruhe!

Ich drückte auch ihn weg und schaltete es darauf einfach komplett aus. Ich hatte weder Lust darauf, mit einem der beiden zu reden, noch darauf, meinem Bruder zu erklären, mit wem ich da über was sprach.

Nun war es Mason der kurz verwundert nach hinten sah, sich aber gleich wieder nach vorn drehte.

„Wo wolltet ihr eigentlich hin?", fragte ich nun, da der Zufall schon ziemlich groß war, meinen Bruder gerade zum richtigen Zeitpunkt getroffen zu haben.

„Wir kommen vom Coach, sollten die neuen Trikots für das Team abholen.", erklärte Mason, worauf ich nur mit einem „Achso", antwortete. Dass sie am Samstagabend, oder eher in der Nacht, noch zum Coach mussten, fand ich schon eigenartig.

Die ganze Fahrt über blieb ich still, sah nur aus dem Fenster heraus und beobachtete die vorbeiziehenden Laternen, Bäume und Häuser.

Immer wieder spürte ich den prüfenden Blick meines Bruders auf mir liegen. Er war besorgt.
___________________________

Im Wartezimmer der Krankenstation sitzend, dachte ich schon wieder an Dad. Ich dachte aber nicht nur an ihn. Ich zerbrach mir den Kopf über Taylor, den ich eigentlich loswerden wollte, aber nun wohlmöglich mehr Zeit als gewollt, mit ihm verbringen müsste.

Aber... Mit einer Verletzung kann er mich doch nicht gebrauchen stimmt's?

Ich dachte an Jax, der vorhin von der Laune eines Verrückten zu der eines Freundes gewechselt hatte. Ich wusste nicht, was in ihn gefahren war, dass er mich so angefahren hatte, aber was ich wusste war, dass ich Angst vor ihm bekommen hatte.

„Ich hasse Krankenhäuser.", durchbohrte Noah plötzlich die Stille.

Es war schon 23:00 Uhr und Mason hatte sich ein Taxi nach Hause bestellt, weil er schon 22:00 Uhr zu Hause sein sollte und seine Eltern sich Sorgen machten. Seine Mum war in Sachen Pünktlichkeit sehr streng.

„Ich weiß.", murmelte ich. Wir saßen nebeneinander in einem Gang und warteten nun darauf, dass mein Name aufgerufen werden würde.

„Ist es das gleiche Bein wie damals?", fragte er zögerlich. Ich wusste was er meinte, doch... Ich zögerte bevor ich dies nickend bejahte. Noah schaute mich ernst an und bemerkte, wie ich nervös mit meinen Fingern herum spielte, schaute darauf suchend umher. Er hielt wahrscheinlich Ausschau nach einem Arzt, den er anschnautzen konnte, weil es ihm zu lange dauerte.

„Noah?", begann ich erneut, worauf er seinen Kopf zu mir drehte.

„Ich habe Angst, dass es schlimmer wird.", erklärte ich ehrlich.
„Was, wenn..."

„Wird es nicht.", fiel er mir in's Wort.

„Sicher?" Ich biss die Zähne zusammen.

„Ganz sicher."
„Versprochen.", sagte mein Bruder und lächelte mir aufmunternd zu, doch ich konnte sehen, dass er in seinen Gedanken verloren war und dabei das ziemliche Gegenteil von sicher war.

„Noah, ich..."
„Megan Olivia Jones, bitte.", ertöne die Stimme eines Mannes. Gleich darauf kam eine Krankenschwester lächelnd auf mich zu und schob einen lehren Rollstuhl vor sich her.

„Setz dich, damit kannst du deinen Fuß erst einmal schonen."

Entsetzt starrten mein Bruder und ich das Teil an.
Trotzdem setzte ich mich und hoffte verflixt noch mal, dass ich das erste und letzte Mal in einem Rollstuhl sitzen müssen würde.

__________________________

Kapitel 26: Check

Meinungen zum Teil🙌🏻?

Ab Mittwoch werde ich für diese Woche wahrscheinlich keinen weiteren Teil updaten können, denn da sitze ich im Flugzeug nach London ✈️

Meine Frage an euch: Soll ich vielleicht paar Bilder 📷 machen und in einem nächsten Kapitel für euch reinstellen, sodass ihr auch ein bisschen davon habt? 🎡⛪️

Ja Ne

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top