Achtunddreißig
Jax' Perspektive
Der Wind wehte mir die Fahrt über in's Gesicht. Ich fühlte mich seltsam, so anders als sonst. Ich musste mir schleunigst wieder klar werden, wer ich überhaupt war und was ich wollte. Als ich mit meiner Yamaha vor den Club fuhr, konnte ich schon die dröhnende Musik hören.
„Hey Cole, ich dachte schon du kommst gar nicht mehr."
Ich erkannte die Stimme des Rothaarigen, der mir von den drei Spinnern bisher noch am sympathischsten erschien und drehte mich in seine Richtung. Er trug eine Jeans, Sneaker und einen Pullover. Schien hier die Standartkleidung der meisten Jungs zu sein. Jedoch hielt er noch zusätzlich eine qualmende Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger.
„Die Straßen waren ganz schön voll.", redete ich mich raus und lief ihm entgegen, um gleich darauf auf seinen halbvertikalen Gangsterhandschlag einzugehen.
„Wo sind die anderen?", erkundigte ich mich und steckte während des Laufens meine Hände in die Jackentasche.
„Schon drin.", antwortete er und ließ die Zigarette auf den Boden fallen.
Ich nickte verständlich, bevor wir einfach an dem Türsteher vorbeiliefen. Anscheinend kannte Eric ihn, denn die beiden nickten sich kurz zu. Durch eine Lücke in der tobende Menge erkannte ich tatsächlich den grinsenden Nathan auf einen der Barhocker sitzen, doch dann tanzte mir jemand vor die Linse.
„Lass uns da lang!", schrie Eric mir durch den Lärm zu, dass ich ihn gerade so verstehen konnte.
Er zeigte auf die Seite, bei der ein kleiner Gang zu erblicken war, der sich aber immer öfter verschob - schließlich stand hier niemand still.
Wir liefen durch das Gedränge hindurch, bei dem ich fast Jemanden auf den Fuß getreten wäre. Die bunten Lichter blendeten mir kurz in die Augen, trafen dann Eric, der mir ein Zeichen gab, mich weiter rechts zu halten. Kurze Zeit später kamen wir an der Bar an und stiegen neben Nathan auf die letzten zwei freien Hocker.
„Und, was kriegt ihr?", fragte uns ein tätowierter Mann Mitte zwanzig und hob den Kopf. Nun bemerkte auch Nathan, dass wir gerade eben angekommen waren.
„Erstmal 'n Bier für jeden.", bestellte Nathan und schaute uns grinsend an.
„Auch schon da?"
Ich grinste zurück: „Bei dem Verkehr war's nicht besonders einfach durchzukommen.", erklärte ich schreiend.
„Deshalb sind wir auch schon ne halbe Stunde eher los.", sprach Nathan und nahm das erste Bier in Empfang.
„Hier sind die anderen zwei."
Die tätowierte Bedienung schob die Bierflaschen zu uns, worauf wir drei anstoßen und erst einmal einen kräftigen Zug nahmen.
„Wo ist Liam?", wollte ich wissen. Schließlich musste ich mich noch mit ihm über etwas Wichtiges unterhalten. Nathan gab dem Typen jedoch erst einmal einen 500 Euroschein, bei dem mir die Spucke wegblieb.
„Hey, Pete, kannst du wechseln?", rief er dem gerade grinsenden Mann zu und wedelte mit dem Schein in seiner Hand herum, worauf ein paar Mädels hinter mir aufmerksam auf ihn wurden.
„Bei euch doch immer gern. Machen wir 10?", fragte er nach, da gerundet dieser Betrag zu zahlen gewesen wäre.
„50. Wir haben was zu feiern.", ertönte auf einmal Liams Stimme, der plötzlich hinter Nathan zum Vorschein kam und sich nun mit dem Ellenbogen auf der Bar abstützte. Tja, meine Frage hatte sich somit von selbst beantwortet.
Hab ich mich verhört, oder hat der Angeber gerade 50 gesagt?
„Er sagt's.", verdeutlichte Nathan dem Kellner, welcher gerade schnell noch vier weitere Gläser an andere Leute verteilte.
„Leute, das kann ich nicht machen.", gab er uns zu verstehen und sah von Eric zu Nathan.
„Ach Pete, sieh's als kleinen Freundschaftsdienst.", überredete Eric ihn, worauf er ihm das Wechselgeld hinschob, sich kurz umsah und lachend meinte:
„Na gut, Jungs, aber die nächste Runde geht auf mich."
Kurz darauf verschwanden wir mit unseren Glasflaschen weiter hinten und setzten uns in eine Ecke.
„Cool, das du's geschafft hast.", fand Liam und nickte mir, einen Mundwinkel nach oben ziehend, brüderlich zu.
Arschloch.
„Wieso hätte ich's nicht schaffen sollen?"
„Hab gehört, es gab gegen 22:30 Uhr nen Unfall auf der Autobahn.", erklärte Liam, nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Flasche und stellte sie auf den Glastisch.
Er hatte Recht. Ein LKW war wohl mit einem Kleinwagen zusammengekracht, doch da konnte man nun leider nichts mehr machen. Der Verkehr ging ewig nicht voran, weswegen ich so schnell es ging, an jedem Auto vorbeiraste, beinahe selbst noch in einen Reisebus gedonnert wäre.
„Achso? Hab mich schon gewundert, wieso die alle noch lngsamer als sonst waren.", entgegnete ich achselzuckend.
Eric sah Liam darauf fragend an, als würde er auf irgendetwas warten und auch Nathan schien sich in diesem Moment nicht ausschließlich auf die tanzenden Mädels von vorhin konzentrieren zu können.
„Cole, ich hab das Gefühl, dass unsere Begegnung Schicksal war.", fing Liam an und verschränkte die Arme vor der Brust.
Irgendwie kam mir das gerade ziemlich merkwürdig vor. Ich mochte ihn nicht, im Gegenteil - aber das hatte ich ja schon mehrere Male erwähnt. Was, also, wollte er?
„Was willst du?", sprach ich meine Gedanken demnach aus.
„Dir kann man nichts vormachen, hä?", lachte Nathan auf einmal los und machte bei mir somit den Eindruck, als wäre dieses Bier heute lange nicht sein erstes. Liam verdrehte die Augen, worauf der Lachende einen kurzen Tritt in sein Schienbein bekam, darauf feindsehlig in Erics Richtung starrte und verstummte.
„Wieso soll ich irgendwas wollen?", fragte er mich und nahm wieder ein paar Schlücke aus der Bierflasche, worauf ich etwas entgegnen wollte, doch er beendete die Sache und rückte endlich mit der Sprache raus.
„Hör zu, Cole. Wir kennen uns nicht besonders lang, aber die Zeit rennt und..."
„Alter, wir brauchen dich.", fiel Eric Liam ins Wort.
Ich schaute von ihm zu der Person, die ich am wenigstens leiden konnte und wieder zurück. Eine Augenbraue nach oben gezogen trank auch ich etwas Alkohol.
„Was? Wie meint ihr das?", wollte ich wissen. Vielleicht wollten sie ja jemanden überfallen? Das würde jedenfalls die Tatsache erklären, weshalb sie mit so viel Geld herumliefen.
„Du kennst doch die Largos, oder?", stellte Nathan mir eine Gegenfrage und so langsam wurden mir einige Dinge klarer, obwohl ich nicht glauben wollte, dass es stimmen sollte. Erschrocken starrte Eric den eben Genannten an. Es konnte doch nur so sein, dass...
„Was Nathan meint, ist, dass...", Liam machte eine kurze Pause und deutete dem Rothaarigen an, mit dem Betrunkenen zu verschwinden.
„dass ihr bei den Largos seid.", glaubte ich schlussfolgern zu können, worauf Liam mich etwas überrumpelt, zugleich fragend anschaute.
„Das Geld, Nathans Frage.", gab ich ihm als Tipp, wie ich darauf kommen konnte.
Er nickte verständlich.
„Wie auch immer. Da du nicht besonders leicht zu täuschen bist, sprechen wir halt Klartext.", murmelte der Macho und griff in seine Innenjackentasche, um gleich darauf 10.000 Euro mit einem Griff lose herausholen zu können. Mein Blick blieb darauf kleben, wie Bienen auf Honig, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie er an so viel Geld herankommen konnte.
„Wir brauchen noch einen, der uns bei so nem Wettbewerb unterstützt. Ich dachte da natürlich sofort an dich.", wollte er mir klarmachen, doch ich sah ihn nur schief an, worauf sein Blick einknickte und er gestand:
„Okay, es war Erics Idee, aber er hat Recht. Ich hab dich die Woche beim Sportunterricht gesehen. Hast was drauf. Außerdem ist das hier...", er schob mir das Geld über den Tisch zu,
„erst der Anfang. Wenn wir gewinnen kriegen wir das Fünffache.", sagte er eindringlich.
„Du willst mich bestechen.", fiel mir auf.
„Wär das schlimm?"
Ich musste überlegen. Ich meine, wenn diese drei Idioten den Largos angehörten, würde es kein Problem darstellen, mir somit Zutritt zu ihrem Quartier zu verschaffen. Die Chance, ihren Boss ausfindig zu machen, wurde mir quasi auf einem Silbertablett serviert und ich konnte diese Chance nicht ablehnen, oder?
Natürlich nicht, aber was wollte ich mit dem Geld machen?
Ich sollte es Marior zur Aufbewahrung geben. Dieses Geld wurde schließlich zusammengestohlen...
Von Rentnern wie Mister Peterson, Kindern, die sich nur ein Eis kaufen wollten..
„Nein.", antwortete ich also und schmunzelte leicht, weshalb ich bei Liam nun ein breites Grinsen in seinem verlogenen Gesicht ausmachen konnte.
„Na dann. Bist du dabei?", erkundigte er sich, um sicher zu gehen und hielt mir die Hand hin.
Wenn ich jetzt seine Hand nehme, gibt es kein Zurück mehr.
Mit diesem Gedanken reichte ich sie ihm. Es kam zu einem festen Händedruck, der dafür sorgte, dass Liam auf einmal viel offener wurde und ich das Geld versuchte unauffällig in meine Jackentaschen zu stecken.
„Ach ja, was ich noch fragen wollte.", fiel es mir nun wieder ein.
„Über was hast du mit Megan heute nach der Schule geredet?", sprach ich meinen Gedanken aus, worauf Liam mich komisch musterte. Vielleicht tat er das, weil ich ihn, seit er mir von den Largos erzählt hatte, nun mit anderen Augen sah.
„Über... diese Verletzung.", murmelte er und spähte kurz über die Schulter, um zu sehen ob Nathan und Eric noch in der Nähe waren. Fehlanzeige.
„Und... Wie ist das passiert?", verhörte ich ihn weiter, jedoch schien er unsere Unterhaltung nur so als kleines Gespräch anzusehen, was mir glücklicherweise half, ihn besser zitronenähnlich auszuquetschen.
„Also falls du denkst ich war's, liegst du falsch. Sie hat mich nur beschuldigt, damit ihr Bruder sich keine Sorgen machen muss.", erklärte er.
Verdammt, wieso blieb er nur die ganze Zeit so ruhig? Das war ich zwar ebenfalls, aber ich war schließlich Agent und darin geübt, auch in anstrengenden Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Wenn Liam wirklich wusste, dass ich es war, verbarg er seine Emotionen gerade aber teuflisch gut. Oder er hatte bei den Largos gelernt, Ruhe zu bewahren. Wenn er mal sonst so gewesen wäre. Für mich ergab das Alles aber überhaupt keinen Sinn. Ich meine, wenn er wirklich wusste, dass ich Agent bei der Freapire war, hätte er mir doch gerade eben nicht erzählt, dass er Mitglied der Largos war.
„Und wer war es sonst?"
„Meg sagt, ihr Ex war's. Die Kleine macht sich viel zu viele Gedanken, was Noah denken könnte und so... Aber ehrlich, dieser Typ ist doch ein totaler Psychopath. Verletzt sie einfach."
Megan hat mich doch nicht verraten.
Dieser Fakt ging mir die ganze Zeit durch den Kopf, weil ich, dagegen, sie wirklich verraten hatte, oder eher ihre Schwäche. Ich wusste nicht für welchen Zweck Marior unbedingt so etwas wissen wollte aber nun war es zu spät. Rückgängig machen konnte ich es schlecht.
Aber diese Tatsache, sie hintergangen zu haben, während sie genau das Gegenteil, und zwar: Mich gedeckt hatte, machte mich fertig.
„Ja, kranker Kerl.", beschimpfte ich mich selber, da ich genau wusste, dass nicht Taylor, sondern ich ihr indirekt wehgetan hatte.
Und ich hab sie hintergangen.
„Bist du mit Jones - ahm, ich meinte Meg."
Ich räusperte mich kurz.
„Seid ihr zusammen?", kam es mir schwer über die Lippen. Seinen Blick konnte ich nicht ganz deuten, doch ich war mir sicher, dass er jetzt Hintergedanken im Kopf hatte. Aber mal ehrlich, wie hätte ich denn auch sonst fragen sollen?
„Ach, du meinst wegen meinem Instagramfoto.", glaubte er zu wissen, was ich dachte, jedoch schüttelte ich den Kopf.
„Das hab ich noch nicht mal gesehen.", gab ich zu.
„Wieso willst du das sonst wissen?"
„Einfach so."
Ich zuckte die Schultern.
„Schon scharf, die Kleine, hm?", fand Liam, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme nun hinter dem Kopf.
Mein Atem stockte und wurde schon wieder immer unregelmäßiger.
Irgendwann kriegt er so richtig eine in die Fresse.
Ich musste mich beherrschen. Glücklicherweise konnte ich meine Emotionen schon immer gut verstecken und überspielen - praktisch für meinem Job.
„Hey, sag mir nicht, du findest sie nicht auch heiß.", lachte er, als ich vor mich hin schwieg.
„Sie ist nett, witzig und klug.", fand ich, als ich sie mir in Gedanken vorstellte.
Ich liebte ihre blauen Augen, in denen ich stets versinken konnte. Sie erinnerten mich an Ruhe, an das Meer, den Ozean... Einfach an Frieden. Manchmal, wenn ich sie so betrachtete, wollte ich schon gar nicht mehr weg von Ihnen, aber das funktionierte natürlich nicht.
„Du bist ja so poetisch.", lachte Liam abermals und machte mit seinen zwei Fingern Anführungszeichen, die seine Ironie verstärkten.
Was meinte er? Schließlich hatte ich nur gesagt, sie sei nett witzig und klug...
„Wieso?"
„Ach vergiss es.", grinste er.
„Jedenfalls bin ich mir sicher, dass sie mir bald nicht mehr
widerstehen kann.", verdeutlichte mir dieser arrogante, egoistische, ekelhafte Junge siegessicher.
Ich platzte beinahe vor Wut und wäre am liebsten einfach wieder gegangen oder wenigstens zu Eric gelaufen. Der schien als Einziger normal von den Dreien zu sein. Aber ich war hier noch nicht fertig, das fühlte ich irgendwie.
„Wieso denkst du das?", fragte ich auf herausfordernde Weise.
„1. Ich kann jede haben, wenn ich will. Das solltest du aber schon wissen.
2. hat sie seit unserem Kuss wahrscheinlich Blut geleckt und will mich nochmal..."
„Will sie definitiv nicht.", fiel ich ihm in's Wort. Ich hätte mich selbst ohrfeigen können, dass ich einfach meine Klappe nicht halten konnte, aber aus irgendeinem Grund konnte ich es auf den Tod nicht ausstehen, wenn irgendwer so über Megan sprach.
Verdammt, ich kann mich doch sonst so gut kontrollieren...
Was ist nur los??!
Liam sah mich prüfend an und ganz plötzlich kamen Nathan und Eric wieder zurück zu uns an den Tisch gelaufen. Sie verfolgten unseren Starrwettkampf, bei dem keiner so genau wusste, wer gewinnen würde, aber das war mir gerade so ziemlich egal.
Dieser überhebliche Arsch sah Megan als oberflächliche Puppe und das war sie weiß Gott nicht!
Doch, was mich noch verrückter machte war, dass ich gerade überhaupt nicht einschätzen konnte, was Liam jetzt machen wollen würde. Keine Frage: Er war ein riesiger Schwachmat, aber die Tatsache, dass er und seine Freunde Mitglieder der gefährlichen Truppe der Largos waren, ließ mich seine zukünftigen Taten schlecht beurteilen können.
Wer konnte schon wissen, was er als Nächstes ausheckte?
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Check: 38 ✅
Was sagt ihr zu Eric?
Hab seinen Charakter noch nicht komplett ausgestaltet und wollte deshalb mal nach so einer grobe Einschätzung bitten 😅
Habe Montag ne Klassenarbeit und 2 Tests geschrieben. Ich bin Tod 💀
Bleibe deshalb unter Anderem auch nen Tag zu Hause. Bin aber auch ganz schön erkältet also... Joa ☺️
Hoffe, euch hat das Kapitel gefalle 😏
Bis zum Nächsten👋🏻
~Hailey🌈
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