Barbesuch
Der Tag zog sich sehr stark in die Länge. Tatsächlich hätten sie nicht damit gerechnet, alle zwanzig Schüler und Familien an einem einzigen Tag abklappern zu müssen, doch Nedzu hatte darauf bestanden, die Besuche so zügig wie möglich durchzuführen. Es hatte nicht einmal geholfen, sich am Ende aufzuteilen, um getrennt weiter zu machen. Daher war es auch schon dunkel, als All Might aus dem Taxi stieg, dass vor einer Bar gehalten hatte. Diesen Treffpunkt hatte Aizawa ausgesucht, weil sie sich gegenseitig einen Drink versprochen hatten, wenn die Sache durchgestanden war. Dabei war ein Drink für den ehemaligen Nummer Eins Helden ohnehin nur ein Glas Wasser, denn Alkohol war seit den Verletzungen tabu, außerdem war er noch nie sehr angetan gewesen von diesem Zeug, das die Zunge löste und die Leute zum Teil sehr peinliche Dinge tun ließ. Als Held hatte man außerdem eine Vorbildwirkung, vor allem wenn man auf dem vordersten Rang saß, da war es besser, wenn man nicht mit einem Glas zuviel erwischt wurde. Die Medien machten so schon aus jeder Mücke einen Elefanten, wer wusste da schon, was sie ihm da alles angedichtet hätten.
Dennoch hatte der Blonde zugestimmt seinen Kollegen nach getaner Arbeit hier zu treffen. Tatsächlich schuldete er ihm nun sogar schon zwei Drinks, da er Aizawa zu den Todorokis geschickt hatte, während er bei den Midoriyas ausgestiegen war. Irgendwie war All Might nach seinem Rücktritt einfach nicht danach, auf die neue Nummer Eins am Heldenhimmel zu treffen. Nicht, weil es ihn grämte, sondern weil Enji ihn noch nie hatte leiden können, und nun gewiss nicht erfreut war, so einfach in seine Fußstapfen treten zu müssen, ohne ihn durch einen großen Erfolg geschlagen zu haben. Er konnte sich vorstellen, dass es Endeavor sehr ärgerte.
Der ehemalige Profiheld sammelte sich kurz, ehe er eintrat und sich umsah. Glücklicherweise war die Bar nicht sonderlich überfüllt, aber so etwas hatte er schon angenommen, da Aizawa sich gewiss keine Hotspots fürs nächtliche Partyvölkchen ausgesucht hätte. Also fand er seinen Kollegen auch sehr schnell, der ein wenig im Abseits an einem Tisch saß und auf sein Handy blickte, während er wartete. Es wurde jedoch rasch zur Seite gelegt, als All Might sich näherte. „Tut mir leid, gegen Ende hat es sich jetzt sehr gezogen, weil ich zu dem Kampf Löcher in den Bauch gefragt wurde", entschuldigte sich der Blonde für die Verspätung, verneigte sich sogar ein Stück – zumindest soweit seine Verletzungen es zuließen – und setzte sich dann gegenüber von Shota auf die Sitzbank.
„Kein Problem, ich bin auch erst jetzt angekommen. Ich hatte die Chance gleich genutzt, um mit den Minetas über das grenzwertige Verhalten ihres Sohnes zu sprechen, was nicht sonderlich angenehm war." Aber ein Muss, wenn man bedachte, dass nun alle gemeinsam in einem Wohnhaus leben würden. Shota graute es schon davor, die ersten Beschwerden zu hören, wenn Mineta bei den Mädchen rumschnüffeln könnte. Vielleicht hätten sie doch die Mädchengänge abriegeln sollen, damit niemand reinkonnte, der dort nichts verloren hatte. „Und? Wird das Wohnhaus der 1-A voll belegt sein?", wollte er von All Might wissen und gab somit zu verstehen, dass bei ihm niemand abgesagt hatte.
Die zwei blonden Haarsträhnen sprangen auf und ab, während der Mann nickte. „Izukus Mutter war zwar ein harter Brocken, aber ich konnte sie zum Glück überzeugen, ihn nicht von der Schule zu nehmen. Ansonsten lief es bei den anderen ganz glatt", erzählte er und dachte noch einmal kurz an Frau Midoriya und ihre Worte, die ihm sehr viel bedeuteten.
„Verständlich. Jedes Mal, wenn irgendetwas passiert ist, hat er sich einige Knochen gebrochen. Hoffentlich bessert er sich, sonst sehe ich schwarz", murrte Aizawa und legte seine Hand in den Nacken. Allein bei dem Gedanken daran, schien er eine Verspannung im Nackenbereich zu bekommen.
Eine Kellnerin war mittlerweile an den Tisch der beiden herangetreten, weswegen sie verstummten. „Was möchten die Herren trinken?", fragte sie freundlich und sah zwischen den beiden hin und her. Es schien ein paar Sekunden zu dauern, bis ihr klar wurde, wer da vor ihr saß. „Wow! Sie sind All Might! Wow! Ich hätte nie gedacht, dass Sie sich hierher verirren! Dürfte ich Sie um ein Autogramm bitten? Der Kampf war so toll, Sie haben das wirklich gut gemacht!", begann sie sofort in einem fürchterlich aufgeregten Tonfall von sich zu geben wie ein Wasserfall.
Während sich bei Aizawa langsam Migräne breit machte und er sich zurücklehnte, setzte All Might ein Lächeln auf und nickte. Tatsächlich blieb es nicht nur, bei einem Autogramm, sondern plötzlich wurde Eraser ein Handy in die Hand gedrückt, damit er doch bitte ein Foto knipsen konnte. Es war zwar immer noch die Zeit von Selfies, doch da All Might doch recht groß war, schien es einfacher zu sein, wenn jemand andres den Auslöser drückte. Also erbarmte er sich seufzend.
Kurz darauf schien die ganze Bar auf den Beinen zu sein, weil nun jeder bemerkt hatte, dass eine Berühmtheit mit ihnen im Raum war. Autogramme wurden geschrieben, Hände geschüttelt und Bilder geknipst. Ihr Tisch war belagert. Nein. All Might wurde belagert.
Der Rummel war Shota zu viel, weswegen er sich aus der Menge zwängte und zur Toilette ging. Die Schläfe an seiner Stirn pochte, und sein Kopf tat mittlerweile richtig weh, weswegen er das kalte Wasser laufen ließ und sein Gesicht wusch. Vielleicht hätte er doch nicht vorschlagen sollen, dass er All Might einen Drink ausgab. Es war lächerlich zu glauben, dass sie so etwas in Ruhe tun könnten, schließlich war der Blonde immer noch eine große Nummer, auch wenn er nun im Ruhestand war und jeder seine wahre Gestalt kannte.
Er ließ sich etwas Zeit, bis er an den Tisch zurückkehrte, an dem nur mehr sein Kollege saß. Mittlerweile standen sogar ein Glas Wasser und Bier auf dem Tisch. Jene Dinge, weswegen sie eigentlich hier waren. „Es tut mir so verdammt leid, Aizawa! Wirklich!", entschuldigte sich All Might sofort, nachdem sich der andere wieder gesetzt hatte, „die letzten Jahre hatte ich wenigstens in dieser Form Ruhe vor Fans, aber seit Kamino ..."
Shota hob eine Hand, und brachte All Might damit zum Schweigen. „Lass es einfach. Du musst nicht so tun, als würdest du es nicht genießen. Lass uns einfach etwas trinken, und dann zurückfahren. Mic braucht sowieso noch Hilfe beim Kisten schleppen", erklärte er kalt und abweisend. Irgendwie hatte er gehofft, dass er vielleicht doch irgendwann mit seinem Kollegen klarkommen würde, vor allem da dieser nun zum zweiten Klassenlehrer der 1-A geworden war, doch da hatte Aizawa sich wohl getäuscht. Er würde niemals damit zurechtkommen, dass jemand die Aufmerksamkeit so liebte und von Fans belagert war.
Tatsächlich fühlte sich der große Mann jedoch ziemlich vor den Kopf gestoßen, doch er sagte nichts, sondern umklammerte mit seiner weniger verletzten Hand das Wasser Glas. „Er hat es wohl nicht geschafft, wie die anderen, gestern schon seine Sachen ins Wohnheim zu bringen, was?", knüpfte er daher an das zweite Gesprächsthema an.
„Nein, eigentlich hatte er zuerst auch gar nicht vor, seine Wohnung zu verlassen, aber Nedzu war sehr überzeugend, was das anbelangte", erzählte Shota und leerte sein Glas halb mit wenigen Zügen. Da Hizashi sehr viel arbeitete, war es auch kein Wunder, wenn er keine Lust auf das Zusammenleben mit anderen hatte, auf die er Rücksicht nehmen musste. Wobei er sich ja immer eine Wohngemeinschaft mit Shota und Nemuri gewünscht hatte. Doch keine der beiden war bisher willens gewesen, dem nachzugeben. Das Wohnheim war da nun eine ziemlich gute Alternative, was wiederrum Shota sehr missfiel.
„Hm ... beneidenswert, dass er es schafft, alles so unter einen Hut zu bringen", meinte All Might.
„In Wirklichkeit schläft er nur einfach kaum. Da lässt sich dann leicht alles irgendwie erledigen", erklärte Aizawa schulterzuckend. Hin und wieder musste man ihn ans Bett fesseln, damit er überhaupt einmal Ruhe fand. Ab und an half natürlich auch Nemuri nach, wofür Shota ihr sehr dankbar war, denn sonst wäre Mic bestimmt schon durchgedreht. Ohne Schlaf wurde man schließlich irgendwann verrückt.
Shota leerte sein Glas mit einem Zug und winkte die Kellnerin heran. „Sicher, dass du bei Wasser bleibst?", fragte er seinen blonden Kollegen kurz, der nur nickte, ehe er die nächste Runde bestellte. Schließlich wollte jeder dem anderen einen Drink ausgeben und auf dieser Schuld würde Aizawa nicht sitzen bleiben, nur weil er den anderen nicht sonderlich leiden konnte.
„Wie lief es eigentlich bei den Todorokis?", platzte es schließlich neugierig aus All Might heraus. Die Frage hatte ihn eigentlich schon die gesamte Zeit beschäftigt, doch wie hätte er sie stellen können, wenn er ständig belagert war.
Der Dunkelhaarige schnaubte. „Du meinst, ob Endeavor da war?", stellte er die Frage seiner Meinung nach richtig, „es war nur ein kurzer Besuch, ich war nicht einmal wirklich in dem Haus drin. Er hat sofort eingewilligt und mich schnell wieder rausgeworfen. Vermutlich hat er dich erwartet." Das war es doch vermutlich, was er hören wollte, oder etwa nicht? Vielleicht stieg ihm auch schon das Bier zu Kopf. So wirklich vertrug er ja auch nicht wirklich Alkohol.
All Might seufzte schwer, auch wenn er es eigentlich hatte unterdrücken wollen. „Zumindest hat er zugestimmt", gab er nur weiter von sich und ging nicht auf die unterschwelligen Provokationen ein.
Um weitere Reibungspunkte zu vermeiden, leerten beide ihren zweiten Drink schweigend. Ebenso wortlos bezahlten sie, und gingen nach draußen, wo der Fahrer, den die Schule ihnen zur Verfügung gestellt hatte, auf sie wartete. Doch kaum hatten sie einen Fuß nach draußen gesetzt, war All Might schon wieder umzingelt von Bewunderern. Genervt seufzend schob Shota seine Hände in die Hosentasche und versuchte sich einen Weg zum Wagen zu bahnen, um nicht wieder ein Handy nach dem anderen in die Hände gedrückt zu bekommen, um die heißersehnten Fotos mit dem großen Ex-Held knipsen zu müssen. Wie konnte man nur so aufgeblasen sein, und in der Menge baden? Natürlich war All Might nicht mit Captain Celebrity zu vergleichen, aber für Shota machte es kaum einen Unterschied. So viel Aufmerksamkeit war einfach zum Kotzen. Ihm war die Pressekonferenz schon gehörig gegen den Strich gegangen, bei der alle Kameras auf ihn gerichtet waren.
„Shota, warte! Tut mir leid!", rief der Blonde ihm hinterher und versuchte sich freundlich loszueisen, was jedoch unmöglich schien. „Lass einfach gut sein", murrte der Angesprochene, der sich vornahm im Auto einfach zu schlafen, bis die Belagerung vorbei war. Was blieb ihm auch anderes über? Vielleicht wäre es auch einfach besser, den Weg zur Schule zu Fuß zurück zu legen, dann müsste er wenigstens nicht mit All Might in einem Auto sitzen.
Doch noch ehe er diesen Plan in die Tat umsetzen konnte, war der Große schon neben ihm. „Es ist spät, und du wolltest doch noch Mic helfen", erklärte er freundlich lächelnd, wollte Aizawa eine Hand freundschaftlich auf die Schulter legen, doch dieser schlug sie einfach barsch weg. „Lass. Es.", zischte er. Dieser Rummel und der Alkohol hatten seine Kopfschmerzen schlimmer gemacht, außerdem war diese große Menschenansammlung einfach zu viel für ihn. Zuerst die Pressekonferenz und nun das, es war einfach genug.
Perplex stand All Might da und starrte seinen Kollegen an. Damit hätte er nicht gerechnet. Zwar wusste er, dass Aizawa oft sehr streng wirkte und man meinen könnte, dass er leicht aus der Haut fahren konnte, aber bisher hatte er sich doch immer sehr gut im Griff gehabt. Aber vielleicht hatte es der Blonde wirklich zu weit getrieben. Manchmal neigte er ja wirklich dazu, etwas auf die Spitze zu treiben.
„Alles okay, bei ihnen beiden?", erklang plötzlich eine fremde Stimme. Jemand fasste Shota und All Might an die Schulter. „Alles bestens", versicherten sie und machten sich auf, schnell ins Auto zu steigen, um niemanden eine Szene zu bieten.
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