Two

Mit geweiteten Augen sah ich auf und erkannte eine breite Brust, welche von einem weißen T-Shirt bedeckt war.

Vor mir stand ein Typ, etwas kleiner als ich, dafür aber viel breiter gebaut. Sein pechschwarzes Haar schlängelte sich um seine genauso dunklen Kopfhörer, welche um seinen Hals hingen. Mir fielen sofort seine vollen Wangen auf, welche sein, sonst sehr markantes Gesicht, etwas weicher machten. Trotzdessen machte er mir nicht weniger Angst. Er sah so aus, als würde er sich perfekt mit Park Jimin verstehen. Er hatte einen etwas griesgrämigen Gesichtsausdruck. Hatte ich ihn etwa verärgert?

,,S-sorry...'', stammelte ich und verbeugte mich etwas, ehe ich ein Stück zurücktaumelte. Der Fremde schloss die Tür, ehe er sich wieder zu mir umdrehte und sich bückte, um meine Brille aufzuheben. ,,Schon okay'', sagte er knapp zu mir und drückte mir diese in die Hand. Ich war nicht im Stande, etwas zu sagen. Viel zu sehr überrumpelte mich die Situation und die Gegenwart dieses Typen.

,,Du musst Seo Changbin sein, richtig?'', fragte ihn Herr Kim und er nickte. ,,Ich bin Kim Namjoon, dein neuer Klassenlehrer und unterrichte Englisch und Politik'', stellte er sich lächelnd vor. ,,Jeongin, ist alles okay mit deiner Brille?'', fragte er nun an mich gerichtet und erst jetzt schaute ich überhaupt auf diese herab. ,,Ja, nichts kaputt'', sagte ich und kam langsam wieder in der Realität an.

Ich schielte zu meinem besten Freund, welcher mich mit seinem Blick fragte, ob alles gut war, weshalb ich ihm leicht zunickte. Die anderen tuschelten etwas miteinander. Wahrscheinlich über den neuen Schüler oder mein kleines Missgeschick. Ich setzte mich wieder auf meinen Platz, denn ich war es leid, weiter verloren im Raum herumzustehen.

,,Changbin, setz dich ruhig neben Jeongin. Er wird dir gut helfen können, mit ihm wirst du prima zurechtkommen'', sagte Herr Kim und schob sein Brillengestell wieder hoch auf seinen Nasenrücken. Ich spannte meine Schultern an. Er soll jetzt auch noch neben mir sitzen? Der Neue, welcher wohl Changbin hieß, setzte sich in Bewegung und kam meinem Tisch immer näher. Er ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen. Was er wohl von mir dachte? Erst lauf ich gegen ihn und dann bringe ich nicht mal ein Wort raus...

Während des Unterrichts stellte ich fest, dass mein neuer Sitznachbar nicht wirklich gesprächig scheinte, denn das Einzige, was er mich fragte war, ob wir uns ein Buch teilen können, da er seine noch nicht erhalten habe. So musste ich noch näher an ihm sitzen als vorher.

Die erste Unterrichtsstunde ging schnell vorbei und war von dummen Sprüchen und Witzen gefüllt und auch Herr Kim mischte ordentlich mit. Er war einer der Lehrer, der die Schüler hops nahm, was ich immer sehr amüsant fande.

,,Wir sehen uns in der nächsten Stunde. Habt noch einen schönen Tag'', beendete unser Englischlehrer den Unterricht. Wir standen alle auf und packten unser Zeug zusammen.

,,Jeongin, könntest du mir einen Gefallen tun?'' Yeji stand vor mir. ,,Na klar, worum geht's denn?'' ,,Kannst du Changbin in die Klasse einführen? Herr Kim hatte mich darum gebeten, allerdings habe ich dafür nicht wirklich Zeit und ihr sitzt ja auch schon nebeneinander'', brabbelte sie vor sich hin und sah mich bittend an.

Ich hatte ehrlich gesagt nicht wirklich Lust, meine Zeit mit ihm zu verbringen, da er mir nicht ganz geheuer war. Viel zu sehr sah ich in ihm einen neuen Gegner, mit dem ich mich rumschlagen müsste. ,,Hmm, eigentlich finde ich ihn unheimlich und ich glaube, er mag mich nicht so...'' Ich sah peinlich berührt auf den Fußboden. ,,Ohh, wirklich? Aber es sah voll so aus, als würdet ihr gut miteinander klarkommen und er hat dich... Wie soll ich sagen? Ja, süß angesehen.'' Ich runzelte die Stirn. ,,Das habe ich gar nicht wahrgenommen."

Sie tätschelte mir die Schulte, ehe sie weiterredete: ,,Gib ihm Zeit. Denk dran, er ist neu und hat niemanden in der Klasse. Weißt du noch, als du in der Siebten zu uns gekommen bist? Da hat dich Seungmin auch offen aufgenommen und jetzt könntest du dir kein Leben mehr ohne ihn vorstellen, nicht wahr?" Ich nickte. ,,Hmm, du hast wohl Recht, wie immer eigentlich...", sagte ich. ,,Naww, also wirst du mir den Gefallen tun?"

Ich stockte. Sollte ich ihm wirklich eine Chance geben? Ich war mir unsicher. Aber warum eigentlich? Vielleicht, weil er mich nervös machte. Auf so eine Art, die ich noch nie gefühlt hatte.

,,Was geht dir gerade durch den Kopf, Jeongin?", fragte Yeji mich. ,,Ich bin hin und her gerissen. Einerseits wühlt er mich auf, weil er mich so sehr an Park Jimin erinnert und ich fühle mich in seiner Nähe seltsam, so etwas habe ich noch nie gefühlt, andererseits will ich auch nicht, dass er alleine ist, weißt du?" ,,Mhh, verstehe...", kam von ihr. ,,Welches dieser beiden Gefühle überwiegt? Dann hast du deine Antwort."

Ich sagte nichts, war mir immernoch nicht im Klaren, was ich jetzt eigentlich wollte.

,,Gut, dann frage ich Ryujin, vielleicht macht sie das ja. Trotzdem danke.'', meinte die Gleichaltrige. ,,Halt!" Sie wollte sich schon umdrehen und gehen, doch ich hielt ihr Handgelenk fest. ,,Ich mach's, es fühlt sich nicht richtig an, es nicht für ihn zu tun", antwortete ich. ,,Das finde ich echt nett von dir, dass du für eine Person, die du kaum kennst, über deinen Schatten springst, danke." Sie umarmte mich nochmal und winkte mir dann noch, ehe sie verschwand.

Ich schnappte mir nun auch meinen Rucksack und wollte gerade durch die Tür spazieren, da prallte ich schon wieder gegen jemanden. Diesmal so heftig, dass ich auf den Boden flog. Meine Brille und Rucksack verabschiedeten sich während meines Sturzes. ,,Ahh'', zischte ich und verzog mein Gesicht, aufgrund der nun aufkommenden Kopfschmerzen. Erst jetzt realisierte ich, wer eigentlich vor mir stand, als ich das weiße T-Shirt erkannte.

Seo Changbin.

,,Du hast wohl echt Talent, gegen Leute zu laufen, was?'', sagte er und schmunzelte, ehe er meine Hand nahm und mir aufhalf. ,,Vielleicht hast du auch einfach das Talent, Leute zu Fall zu bringen, weil du andauernd im Weg stehst.'' Aufgrund meiner Worte erntete ich erst einen bösen Blick. Hatte ich jetzt was Falsches gesagt? Etwas irritiert und eigeschüchtert sah ich weg. Als dann aber ein schallendes Lachen ertönte, schaute ich noch verwunderter wieder zurück.

,,Dein Gesicht ist zu komisch'', lachte er. Sah ich wirklich so lustig aus? ,,Vielleicht stimmt aber beides'', meinte er ämüsiert und hob meine Brille, sowie Rucksack auf. ,,Was ich eigentlich wollte... Yeji hat mich zu dir geschickt, als ich sie nach dem Stundenplan und meinen Büchern gefragt habe.''

,,Wir können ins Sekretariat gehen und da alles abholen'', schlug ich vor und setzte mich, nachdem ich Zustimmung meines Gegenübers erhalten hatte, in Bewegung. ,,Und warum bist du jetzt in unserer Klasse?'', fragte ich ihn. ,,Bin sitzengeblieben'', antwortete er knapp.

,,Hallo Jeongin Hyung!'', begrüßte mich eine Freundesgruppe aus einer der unteren Jahrgänge, was wieder dazu führte, dass ich belagert wurde. Mittlerweile nervte es mich nur. Zwei Jahre ertrug ich diese ganze Scheiße schon, die es mir nicht ermöglichte, auch nur irgendwie einen normalen Schulalltag zu haben.

Ich würde so gerne einfach normal durch die Gänge gehen können, aber das ist scheinbar nicht möglich, wenn man bekannte Eltern hat. Ich konnte nichts dagegen tun, denn wenn mein Vater davon erfuhr, dass ich in der Schule Ärger machte, würde er mich steinigen.

,,Jeongin!'', hörte ich von allen Seiten und ein Tumult bildete sich um mich. Mir drohte den ziemlich überraschten Changbin zu verlieren, weshalb ich nach seinem Handgelenk griff. ,,Sorry Leute, aber ich muss jetzt ganz dringend los. Wir können später reden.'' Ich lächelte noch ein Mädchen, was zufällig neben mir stand an, ehe ich mit Changbin an der Hand weiterging und nur so halb das Gekreische von ihr und ihren Freundinnen mitbekam.

,,Tut mir leid...'', meinte ich, als wir aus der Menschenmasse raus waren und ließ den Kopf hängen. ,,Ist schon gut, du scheinst ja nichts dafür zu können'', antwortete er und tätschelte meine Schulter. Ein Kribbeln durchschoss meinen Körper. Bestimmt nur wegen des Adrenalins. Erst jetzt bemerkte ich, dass wir uns immernoch an den Händen hielten und löste diesen Körperkontakt wieder.

,,Ja, ich wünschte, ich könnte einfach normal sein, aber da haben mir meine Eltern einen Strich durch die Rechnung gemacht'', sagte ich und seuftzte einmal, ehe ich weiterging. ,,Wie das?'', fragte er. ,,Es... es ist kompliziert. Kennst du die Yangs?'' ,,Meinst du Yang Akira und Yang Jihyun, die Ceos von Studying Culture Korea?'' Ich nickte. ,,Whoaa, dann bist du ja echt berühmt.''

,,Das macht mich aber trotzdem nicht besonderer als jeder andere'', meinte ich in der Hoffnung, dass er mich nun genauso behandelte, wie bevor diese Information seine Gehirnzellen erreicht hatte. ,,Natürlich nicht, es hat mich bloß überrascht. Lass uns weitergehen, sonst ist die Pause gleich schon vorbei und wir waren nicht mal bei der Cafeteria.''

Er legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich weiter den Gang entlang. Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass wir überhaupt stehen geblieben waren und mich verwunderte seine Geste. Er tat so, als hätten wir uns nicht erst heute dadurch kennengelernt, dass ich zwei Mal gegen ihn gelatscht bin.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top