Eighteen
Changbin pov
Das ganze Wochenende lang hatte ich mir Gedanken gemacht, ob ich es wirklich durchziehen sollte. Konnte ich Jeongin einfach so aus meinem Leben verbannen? Konnte ich es aushalten, nicht mehr mit ihm befreundet zu sein? Die Antwort war ganz klar. Nein. Allerdings konnte ich es auch nicht mit ihm aushalten, damit mir mein Herz nicht in Stücke zerrissen werden würde.
Ich schob mir meine Kopfhörer auf die Ohren, als ich die Schule betrat. Ich wollte jetzt von keinem angequatscht werden. Erst recht nicht von Jeongin. Das konnte ich jetzt ganz und gar nicht gebrauchen. Ich wollte noch etwas Zeit schinden, ehe ihm heute sagen würde, dass es aus war. Das Klassenzimmer war noch leer, nur Ryujin und Yeji waren schon anwesend.
Aus meinem Rucksack nahm ich das nötige Leerbuch heraus und ließ meine Kopfhörer wieder in diesem verschwinmden. Mathe war nicht unbedingt das angenehmste am frühen Morgen. Ich tat so, als würde ich mir meine Notizen der letzten Stunde durchlesen, damit mich niemand ansprach. Erst, als Jeongin sich neben mich setzte, sah ich von den Papieren auf. Demonstrativ rückte ich ein Stück von ihm weg, bis ans Ende der Tischkante.
,,Changbin, können wir reden'', fragte er leise. So leise, dass ich es fast nicht gehört hätte. Ich schüttelte nur leicht den Kopf und starrte auf die Tischkante. Ich war nicht im Stande ihn anzusehen, geschweige denn mit ihm zu reden. Es tat einfach zu sehr weh. Dieser Stch im Herzen und die zugeschnürte Lunge machten es mir unmöglich, klar zu denken. Gerade, als er noch etwas erwiedern wollte, kam der Lehrer herein und begann mit dem Unterricht.
Ich hatte so ziemlich alles andere als Mathe im Kopf. Mein Blick glitt zum Fenster. Gedanklich legte ich mir die Worte zurecht, mit denen ich Jeongin schonend beibringen konnte, dass ich nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte. Dass wir keine Knutschfreunde mehr waren. Nur das schrillende Klingeln, was die Pause einleitete, holte mich aus meinen Gedanken. Stumm packte ich meine Sachen ein und eilte zum Ausgang. Ich hoffte, dass dies Zeichen genug für Jeongin war, damit er mir nicht hinterherlief.
Mein Ziel schon vor Augen lief ich schnellen Schrittes zum Raum von Herrn Goo. Ich stieß einen kleinen Laut aus. Die Tür war schon geöffnet. Ich blickte durch den Türspalt und taumelte direkt wieder ein Stück zurück. Das Bedürfnis, mir die Augen auszuwaschen kam in mir auf, doch selbst das, würde das Gesehene nicht rückgängig machen.
Unser Hausmeister und fucking Kim Jungsu, unser Politiklehrer hatten dort gerade den Spaß ihres Lebens. Zwar hatten sie ihre Klamotten noch an, allerings war ich mir nicht sicher wie lange das noch so bleiben würde. Erschrocken rannte ich den Gang hinab. Mein neues Ziel war der Musikraum, denn dort sollte ich ungestört bleiben. Dieser war in der Pause für Schüler zugänglich, wurde aber nicht viel genutzt. Heute war ich dankbar, dass es dieses Angebot gab. Die Gerräusche, die aus dem Raum traten, machten mich allerdings stutzig.
,,Ach du Scheiße!'', fluchte ich, presste aber meine Handfläche direkt auf meinen Mund, als ich realisierte, was auch dort vor sich ging. Was war denn heute los? Ich hatte gerade innerhalb weniger Minuten erffahren, dass nicht nur Herr Kim mit unserem Hausmeister herummachte, sondern auch noch Herr Min mit dem Kunstlehrer zugange war. Also hatten alle anderen Recht gehabt. Wie konnte ich es wagen, ihr Gaydar anzuzweifeln? Ich taumelte benommen zurück. Heute war echt der Wurm drin. Da das Universum scheinbar der Meinung war, noch einen draufsetzten zu müssen, knallte ich auch noch volle Kanne gegen jemanden.
,,Jeongin'', keuchte ich. ,,Binnie! Was ist denn los? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen", antwortete er. ,,Ehrlich gesagt waren es vier'', murmelte ich, war mir unsicher, ob er es überhaupt verstanden hatte. ,,Was? Das musst du mir erklären. Komm, lass uns zu Herr Goo gehen'', sagte er und wollte mich mitziehen. Ich blieb stehen, weshalb der Jüngere mich verwirrt ansah. ,,Da komm' ich gerade her.''
,,Das musst du mir nochmal erklären. Du meinst das wirklich ernst, oder?'', erwiederte Jeongin nachdem ich ihm alles erzählt hatte. ,,Wenn ich es dir doch sage. Ich habe sie gesehen'', raunte ich zurück, damit die anderen Schüler auf dem Schulhof nichts mitbekamen. ,,Du willst mir ehrlich weiß machen, dass unser Hausmeister was mit unserem Politiklehrer hat und Herr Hwang und Herr Min ebenfalls-''
Ich drückte ihm einen Finger auf seinen Mund. ,,Doch nicht so laut!'', zischte ich. Er murmelte etwas unverständliches, während ich mich prüfend umsah. Mein Kopf schnellte wieder zurück, als ich etwas nasses an meinem Zeigefinger spürte. ,,Hast du gerade ernsthaft meinen Finger abgeleckt?'' Ich zog meinen Finger schnell wieder zurück, doch Innie grinste nur.
,,Entschuligung?'' Die kleine Chaewon stand vor uns. ,,Sorry, dass ich das jetzt so unverblümt frage, aber seid ihr zusammen?'' Ich blinzelte. Hatte ich mich verhört? ,,Ähm was?'' Jeongin schien es ähnlich zu gehen. ,,Naja, seid ihr verliebt ineinander? Seid ihr ein Paar?'', antwortete sie. ,,Wie kommst du darauf?'', fragte ich. ,,Naja, Jeongin guckt dich so an wie meine Mama immer Papa angeschaut hat. Da dachte ich, ich frag' mal.'' Eilig ging sie davon. ,,Das war...''
,,Merkwürdig...'', vervollständigte der Jüngere meinen Satz. ,,Schau mal'', sagte er und zeigte auf Herr Kim und Hausmeister Goo, die dessen Raum verließen. ,,Lass uns schnell reingehen, nicht, dass die beiden es sich anders überlegen.'' Ich zog ihn mit mir. Nun musste ich schon zum zweiten Mal ein Gespräch mit ihm führen, was ich am liebsten vermeiden würde. Doch ging es nicht anders. Es war besser so. Für mich, für ihn, für seine Eltern und für Seungmin. Selbst, wenn es mir das Herz brach.
Ich zog die Tür zu und ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Ich will hier nicht mit ihm sein müssen. Er ließ sich auf dem Boden nieder und ich blieb an der Tür stehen. ,,Ich hab deine Hose dabei.'', sagte ich und kramte in meinem Rucksack, ehe ich sie ihm zuwarf. ,,Die sieht ja aus wie neu!'' Voller Begeisterung führte er den Stoff zu seiner Nase. ,,Und sie riecht gut. So nach dir'', fügte er hinzu und lächelte mich süß an. ,,Ich hab auch deine Zigaretten dabei. Sie sehen leider ein bisschen demoliert aus. Die sind dem Zorn meines Vaters zum Opfer gefallen.'' Die Verpackung flog durch den Raum, direkt in meine Hände.
,,Jeongin, es tut mir leid'', begann ich zu sprechen. Er blickte sichtlich verwirrt nach oben und eine seiner Augenbrauen schnellte nach oben. ,,Was tut dir leid?'', fragte er. ,,Alles. Alles, was ich gleich sagen werde und alles, was danach passieren wird.'' Meine Worte hatten ihn verunsichert, denn er presste seine Lippen aufeinander.
,,Ich... ich kann das alles nicht mehr'', brachte ich schweren Herzens heraus und ließ den Kopf hängen, sodass mir ein paar Stränen ins Gesicht fielen. ,,Diese Freundschaft ist nicht gut für mich. Selbst, wenn ich versucht habe, mir das Gegenteil einzureden. Es ist nicht gut für mich, dich zu küssen und gleichzeitig in dich verliebt zu sein, obwohl du meine Gefühle nicht erwiederst. Es bricht mir das Herz, verstehst du?'' Ich versuchte meine aufkommenden Tränen wegzublinzeln.
,,Changbin...'', gab er leise von sich, führte seinen Satz aufgrund des aufkommenden Schluchzers nicht mehr weiter. ,,Ich will dich nicht verlieren'', hauchte er. Seine Unterlippe zitterte. ,,Ich dich doch auch nicht, aber ich kann mich nicht für immer an jemanden klammern, der mich nicht liebt. Das treibt mich auf Dauer in den Ruin. Ich hoffe, du kannst das verstehen'', meinte ich und griff nach der Türklinke. Ich wollte nicht, dass er mich weinen sah. ,,Bitte geh nicht'', gab der Jüngere von sich. Tränen rollten sein schönes Gesicht herunter. ,,Lass mich nicht allein.''
,,Ich muss'', antwortete ich und versuchte durchzuatmen. Aber ich fing trotzdem mit dem Weinen an. Ich drückte die Türklinke herunter und stürmte schluchzend den Gang entlang. Jetzt war es aus. Wahrscheinlich für immer. Und das war gut so, oder?
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