Kapitel 2

Als ich eine dreiviertel Stunde später zuhause ankam musste ich zugeben, dass es schlauer gewesen wäre, die zwanzig Minuten zu laufen, als beinahe fünfunddreißig Minuten auf einen Bus zu warten...

,,Ich bin wieder da!", rief ich in das große Haus und hoffte halb, dass es leer war. Ich hatte nun wirklich keine Lust meiner Mutter zu erklären, weshalb ich erst so spät daheim war. Wenn sie nämlich mitbekommen würde, dass ich schon wieder ein ,,kleines Problem" mit sozialen Situationen hatte, würde sie mich zuerst enttäuscht ansehen und anschließend zu einem Psychiater geschickt.
Als sie das erste Mal von meinem Problem mitbekommen hatte, hatte ich versprechen müssen, dass es besser würde. Aus ihrer Sicht war ich auch wieder ,,normal" geworden, spätestens nachdem sie erfahren hatte, dass ich einen Kumpel gefunden hatte.
Simon würde ich zwar nicht wirklich als meinen Besten Freund zählen, er war um ehrlich zu sein nur ein Klassenkamerad, der mich nicht wie der Rest der Stufe ignorierte, aber das musste meine Mum nun wirklich nicht wissen!

Ich hörte Schritte von der Treppe und verdrehte die Augen gen Decke: Meine Gebete waren wie immer nicht erhört worden. Man konnte sie hören bevor sie kam, doch sie sagte nicht das, was ich erwartet hätte.

,,Ach Grey, da bist du ja endlich! Ich muss dir unbedingt etwas erzählen! Komm mit in die Küche, Nudeln und Soße stehen noch irgendwo."

Meine Mutter stand vor mir und ihre grauen Augen schauten mich fröhlich und auch ein wenig aufgeregt an. Ihre blonden, lockigen Haare fielen ihr über den Rücken und ich kam nicht umhin sie dafür zu bewundern, dass sie auch mit fünfzig Jahren noch etwas jugendliches und unbeschwertes Ausstrahlte. Zumindest wenn sie gute Laune hatte, was heute definitiv der Fall war.

Aber wieso? Das hört sich an wie in einem schlechten Film, in dem die Alleinerziehende dem Sohn ihren neuen Lebenspartner vorstellt!

Misstrauisch und mit zusammen gekniffenem Mund folgte ich ihr in die helle Küche, griff nach einem Teller, den Nudeln, der Soße und Besteck und setzte mich an den Tisch.

,,Also, was gibt es? Hast du einen Neuen?!"

Das kam härter als erwartet und ich erschrak selbst über die Kälte in meiner Stimme.
Überrumpelt und auch ein wenig verletzt sah Mum mich an.

,,Nein, Schatz. Du weißt doch, dass ich mich im Moment alleine auf dich und meinen Beruf konzentrieren will. Aber iss erst einmal, ich erzähle es dir währenddessen", meinte sie dann beschwichtigend und der Knoten in meinem Bauch lockerte sich. Doch ich wusste: Wenn es nicht das war, dann war es etwas anderes. Und ich war mir sicher, dass mir das genauso wenig gefallen würde.

,,Also... Ich habe vorher telefoniert"

Wow, ganz was Neues!, dachte ich ironisch und griff nach dem Besteck. Das Essen schmeckte, nachdem ich den ganzen Tag nichts gegessen hatte, himmlisch!

,,Erinnerst du dich noch an Elyas?"

In meinem Kopf ratterte es, doch mir wollte partout nicht einfallen, wer dieser Elyas war: Vielleicht ein Kollege von Mum? Ein Nachbar? Ein entfernter Verwandter?
Ich zuckte mit den Schultern und wandte mich wieder meinen Nudeln zu.

,,Elyas Hellmer."

Immer noch nichts.

,,Er war mit dir im Kindergarten und die ersten zwei Jahre in der Grundschule, bevor er mit acht weggezogen ist. Ihr ward sowas wie Beste Freunde! Du wirst dich doch wohl noch an ihn erinnern!"

Und dann kamen die Erinnerungen: In meinem Kopf bildete sich ein verschwommenes Bild von einem kleinen, pummeligen Jungen. Er hatte Sommersprossen, war blond und hatte braune Augen. Früher hatte er zwei Straßen weiter gewohnt und wir hatten so ziemlich jede freie Sekunde miteinander verbracht. Wie hatte ich ihn vergessen können?

Elyas Hellmer.

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