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  "Wo ist das Messer aus meinem Gepäck?", fragte sie ihn in einem plötzlich sehr ernst werdenden Tonfall.
  "Das habe ich dir abgenommen, nicht, dass du dich weiter verletzt. Aber sei unbesorgt, ich habe es sicher verwahrt."
  Ella nahm ihre Gabel und stach mit Kraft in die Leber, es machte sie verrückt, dieses minimale Unwohlsein, während es ihr doch eigentlich so gut ging. Konnte es wirklich sein, dass all das, was sie erlebt hatte, bloße Schöpfungen ihres alkoholgetränkten Geistes waren? Das Messer, das sie umklammerte, fühlte sich real an, der Widerstand, als es scheinbar in die Brust eindrang, und dann der Akt des Herausziehens. Jedoch blieb das Blut aus – eine offensichtliche Kollision mit ihren Erinnerungen. Der Gedanke, dass sie ihn tatsächlich erstochen haben könnte, ohne Spuren zu hinterlassen, schien absurd und dennoch verfolgte sie hartnäckig einen Klang:
  "Du kleines Aas".
  Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, jeder Buchstabe trug eine Last von Wut und Dunkelheit.
  Ich...
  kleines...
  Aas?
  "Hast du Schmerzen, du wirkst angespannt", stellte Corbyn fest.  Sie schüttelte sofort den Kopf.
  Wieso sollte er so gut zu ihr sein, wenn er sie nur töten oder misshandeln wollte? Das ergibt gar keinen Sinn. Er musste einfach gut sein. Auch, wenn sie sich das kaum vorstellen konnte, angesichts der Leute, die sie aus ihrem früheren Leben kannte - sie wollte nicht an ihm zweifeln müssen. Angenommen, er würde es wirklich gut mit ihr meinen, dann hieße das, dass sie entgegen aller Vermutung und Wahrscheinlichkeit einen Ausweg aus ihrer erbarmungslosen Situation gefunden hat. Sie müsste nicht auf der Straße in der Strandmuschel frieren, während sie an einer Mangelernährung von Toast und nur Toast stirbt. Sie hätte einen Verbündeten, Kumpanen und Begleiter an ihrer Seite.
  "Ich habe mich noch nicht bei dir bedankt", sprach sie und fügte hektisch hinzu: "Für alles, das leckere Essen, die Blumen, die Unterkunft, die Fürsorge - ich glaube, du hast mir wirklich das Leben gerettet."
  Corbyns verlegenes Lächeln vergrößerte sich und er wurde ein wenig rot: "Ach, nicht der Rede wert, das hätte jeder gemacht. Soll ich dir noch etwas bringen, um deine Zeit zu vertreiben, etwas zum Lesen?"
  Er ist so bedacht.
  "Das wäre super, bitte bring mir etwas, egal was. Aber es kann noch kurz warten, ich fühle mich nach Mahlzeit plötzlich wieder ganz müde und ich habe auf einmal solche Kopfschmerzen."Er nahm das Brett von ihrem Schoß und deckte sie wieder vollständig zu.
  "Na klar, ich suche etwas Schönes raus. Ruh dich noch etwas weiter aus, es wird sicher bald besser."
  Und dann verließ er wieder den Raum. Sie fühlte ein gewisses Unwohlsein in ihrer Einsamkeit und hoffte, er würde bald mit dem Buch zurückkehren. Sie schloss die Augen und schlief im selben Moment ein.

  "Was spricht dagegen, du bist doch kein Kind mehr", rief er nun und packte sie an ihren langen, fettigen Haaren. Sie schrie und versuchte, ohne Erfolg, sich zu befreien. "Guck dich doch mal an, wie du deine Euter präsentierst." Er zwang sie mit roher Gewalt auf den Fliesentisch, sodass eine der Fliesen brach. Vor lauter Adrenalin spürte sie den Schmerz in ihrem Rücken nicht einmal. Verzweifelt versuchte sie, die Bierflasche zu greifen, aber sie stand zu weit weg. "Du willst es doch auch."
  "NEIN", schrie sie, weinend: "Ich bin 16, du ekliges Schwein."

  "Hey, hey, was ist los? Alles in Ordnung?", wollte Corbyn wissen, während er verzweifelt versuchte, sie wach zu schütteln: "Du hast geschrien, was ist los?"
  Ella brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, was passiert war und zurück in die Realität zu gelangen. Ohne groß darüber nachzudenken, fiel sie Corbyn um den Hals.
  "Hast du von dem geträumt, der dir diese Wunden zugefügt hat?"
  Sie nickte, da sie kein Wort herausbringen konnte.
  "Wenn du darüber reden willst, kannst du gerne-"
  "Es war mein Pflegevater."
  Sie zog ihn näher an sich heran und grub ihre Finger in seine Kleidung.
  "Das ist so schrecklich. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich verstehe deine Angst. Brauchst du jemanden, der ihn beseitigt?"
  Seine Miene verfinsterte sich. Ella hörte abrupt auf, zu weinen, schockiert fragte sie: "Meinst du das ernst? Du würdest-"
  "Ohne zu zögern. Wenn du willst, kann ich es kurz oder schmerzhaft machen. Wer seinen Schützlingen sowas antut, verdient es, zu sterben. Ich hatte schon immer einen Hass gegen solche Schweine."
  Ein tiefer Atemzug durchströmte sie, die Offerte, auch wenn sie keinerlei Absicht hatte, sie anzunehmen, schenkte ihr ein eigenartiges Gefühl von Geborgenheit. Vielleicht lag es daran, dass sie sich sicher war, dass er nicht über sie richten würde. Und das wiederum implizierte, dass sie hier womöglich einen Unterschlupf finden könnte. In der Tat schien er die Verkörperung dessen zu sein, wonach sie sich so sehnsüchtig gesehnt hatte – ihr ersehnter Ausweg aus allem.
  "Nein, lass gut sein."
  Er streichelte sie vorsichtig und versicherte: "Gut, du sollst nur wissen, dass du bei mir sicher bist. Und solltest du deine Meinung ändern, kannst du es mir jederzeit mitteilen."
  Doch die Erinnerung und die überwältigenden Emotionen ließen nicht los. Sie klammerte sich fester und fester an Corbyn, als ob sie in der Realität verankert werden müsste. Ihr Herz raste, und die Luft schien zu entweichen. Die Intensität des Augenblicks wurde zu viel für sie, und ihre Sinne begannen zu verschwimmen.
  Eine unheimliche Unwirklichkeit überkam sie, und sie fühlte sich, als würde sie von sich selbst entgleiten. Ihr Körper wurde schwer, die Welt verlor ihre Konturen, und dann, inmitten dieses Gefühlssturms und der schmerzhaften Entfremdung von ihrer eigenen Wahrnehmung, wurde alles schwarz. Sie sank ohnmächtig in die Arme von Corbyn, während die Realität und die Erinnerungen weiterhin in einem chaotischen Tanz miteinander rangen. Doch die Erinnerung und die überwältigenden Emotionen ließen nicht los. Sie klammerte sich fester und fester an Corbyn, als ob sie in der Realität verankert werden müsste. Ihr Herz raste, und die Luft schien zu entweichen. Die Intensität des Augenblicks wurde zu viel für sie, und ihre Sinne begannen zu verschwimmen. Eine unheimliche Unwirklichkeit überkam sie, und sie fühlte sich, als würde sie von sich selbst entgleiten. Ihr Körper wurde schwer, die Welt verlor ihre Konturen, und dann, inmitten dieses Gefühlssturms und der schmerzhaften Entfremdung von ihrer eigenen Wahrnehmung, wurde alles schwarz. Sie sank ohnmächtig in die Arme von Corbyn, während die Realität und die Erinnerungen weiterhin in einem chaotischen Tanz miteinander rangen.

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  Ich kann wirklich nur hoffen, dass sich unsere Ella von dem Griff des miesen Schweins befreien kann. Ok, das ist gelogen, ich schreibe ja schließlich die Geschichte. ;) Mal schauen, wie das Schicksal (ich) sich entscheidet. Falls euch dieses Kapitel gefallen hat, lasst es mich gerne wissen.

  Manon <3

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