Kapitel 6: Rose

Es klingelt und ich greife verschlafen nach meinem Handy, ehe ich den Wecker ausschalte. Ich öffne die Augen und will sie gerade wieder zumachen, um noch ein bisschen zu schlummern, als mein Blick an lavendelfarbenen Vorhängen hängen bleibt.

Ich bin in Amerika, schrillen meine Alarmglocken und plötzlich bin ich hellwach. Heute ist mein erster Schultag. Das Outfit für den heutigen Tag habe ich mir schon bereitgelegt.

Ich habe mich für eine blaue Jeans und ein enges weisses Top mit Rüschen entschieden. Am ersten Schultag sollte man nicht auffallen, aber genug interessant aussehen, damit man sich mit jemandem anfreundet und nicht alleine dasteht.

Einen Blick in den Spiegel verrät mir, dass ich zuerst duschen gehen muss, bevor ich mich anziehen kann. Schnell husche ich ins Bad und stelle mich unter die Dusche. Dann ziehe ich mich schnell an und gehe mit nassen Haaren nach unten in die Küche.

Ich setze mich an die Theke, greife nach einem Pancake, der sogar noch warm ist und bestreiche ihn mit Marmelade. Herzhaft nehme ich den ersten Bissen und schliesse geniesserisch die Augen.

«Morgen», ertönt hinter mir eine Stimme und ein Zwilling tritt in die Küche. Er trägt nichts weiter als Boxershorts und ich lasse vor Schreck mein Besteck fallen.

«Morgen», sage ich nach einer kurzen Pause, doch er ignoriert mich. Ehe die Stille peinlich werden kann, steht schon der zweite Zwilling in der Küche. Er ist zum Glück schon ganz angezogen.

«Kannst du dich nicht anziehen und uns den Anblick ersparen Ryan», motzt dieser und Ryan schüttelt den Kopf.

«Mein Haus, meine Entscheidungen», sagt er und blickt mich herausfordernd an.

Josh verdreht genervt die Augen. «Ich möchte in zehn Minuten fahren», sagt Josh greift nach einem Schokodrink und verlässt das Haus.

Schnell esse ich fertig und räume das Geschirr ab. Ryan ist zum Glück schon wieder nach oben verschwunden, sodass ich nicht noch mehr Schweigeminuten mit ihm verbringen muss.

Ich putze mir kurz die Zähne und schminke mich dezent, ehe ich mit meinem Rucksack nach unten gehe und die Schuhe anziehe. Ein BMW steht schon bereit und die beiden Jungs sitzen bereits drin. Hastig öffne ich die Tür und lasse mich auf den Rücksitz fallen, wo mich Elijah angrinst.

«Na alles klar?», fragt er. Bevor ich antworten kann, fällt mir einer der Zwillinge ins Wort.

«Nächstes Mal ein bisschen pünktlich Rosalita.»

«Ryan, sei doch nicht so ein Arsch», sagt Elijah und guckt mich entschuldigend an.

«Ausserdem ist dir Schule nun auch wieder nicht so wichtig, dass du unbedingt früh da sein musst», sagt nun auch Josh, der am Steuer sitzt. Ryan schnaubt nur und die Fahrt verläuft schweigend.

Bei der High School angekommen steigt Elijah sofort aus. «Ich muss gehen, habe jetzt Sport und der Platz liegt auf der anderen Seite des Areals», sagt er.

«Viel Spass bei deinem ersten Tag Rose.» Und schon ist er weg und lässt mich mit den zwei anderen Alleine. Wir steigen aus. Ich mustere Josh und Ryan um mir Sachen zu merken, damit ich sie voneinander unterscheiden kann. Doch im Moment ist die Kleidung das Einzige, was nicht gleich ist. Josh trägt einen Hoodie des Footballteams, während Ryan eine Lederjacke trägt, aus der er nun eine Zigarette hervorholt und sie anzündet.

«Am besten bringe ich dich zum Sekretariat», meint Josh, während wir zum Eingang der Schule laufen.

«Danke, das wäre nett», antworte ich und ernte dabei einen spöttischen Blick von Ryan.

«Ich bin dann mal weg», meint Ryan, ehe wir das Schulgebäude betreten haben und biegt in eine andere Richtung ab.

Ich sage nichts. Ryan ist sowas von unfreundlich und ich weiss nicht wieso er mich so abwertend behandelt.

«Josh, Alter warte», ruft jemand und plötzlich steht ein schwarzhaariger Typ neben uns.

«Blake, alles klar?», fragt Josh grinsend und hält dem anderen die Hand hin.

Dieser schlägt ein und als er mich bemerkt, hebt er fragend eine Augenbraue. «Und du bist?»

«Ich bin Rose, die Austauschschülerin aus Spanien», sage ich freundlich und Blake nickt nur.

«Cool, dann würde ich mal sagen Willkommen in Amerika. Ich muss los, aber vielleicht sieht man sich ja in einem der Kurse wieder. Bis später.» Und so schnell wie er gekommen ist, ist er auch wieder weg.

«Einer meiner besten Kumpel und Mannschaftskollegen im Football», erklärt mir Josh.

«Nett», sage ich und er nickt.

«Blake ist mit Abstand der liebste Typ den ich kenne.» Wir erreichen das Sekretariat und ich werde von einer netten Dame empfangen.

«Ich geh dann mal in den Unterricht. Wir sehen uns am Mittag. Setz dich einfach zu uns, wenn du möchtest», sagt Josh und lässt mich mit der Dame alleine. Wir nehmen meine Personalien auf und sie verteilt mir einen Stundenplan.

«Möchtest du dich auch noch für ein Freifach oder eine Sportmannschaft anmelden?», fragt sie mich, nachdem ich die Kursangebote intensiv studiert habe.

«Ja, ich würde mich gerne für das Hip- Hop Team anmelden», sage ich und sie schreibt meinen Namen auf eine Liste.

«Training ist jeweils montags und donnerstags. Falls du Fragen dazu hast, wendest du dich doch einfach an Fanny Reynolds. Sie ist Leaderin des Hip- Hop Teams und ist in ein paar deiner Kurse. Ansonsten wünsche ich dir eine schöne Zeit und viel Spass bei deinem ersten Schultag.»

Die Dame reicht mir noch eine Schülerpass und im Nu bin ich aus der Tür. Es klingelt zur zweiten Stunde und ich schaue schnell auf meinen Plan. Geschichte.

Mit Blick auf die Zimmernummern haste ich durch die Gänge dieser mir unbekannten Schule. Als ich den richtigen Raum gefunden habe, gehe ich durch die Tür und setze mich auf einen freien Platz. Ein paar Schüler mustern mich neugierig, andere nehmen kaum Notiz von mir.

Das Mädchen, neben das ich mich gesetzt habe, hat einen rotblonden Pferdeschwanz, trägt eine Brille und schaut mich neugierig von der Seite an.

«Bist du neu hier?», fragt sie mich direkt und ich nicke.

«Ja ich bin Austauschschülerin.»

«Cool, von wo kommst du?», fragt sie und mustert mich. «Warte ich möchte tippen.» Sie macht eine Pause und überlegt. «Südamerika oder Spanien, Portugal oder so, habe ich recht?»

«Spanien», sage ich und sie strahlt siegessicher.

«Das ist ja sowas von abgefahren. Ich bin übrigens Ophelia», sagt sie und beginnt ihre Stifte nach Farben sortiert auf den Tisch zu legen.

«Rosalita, aber du kannst mir Rose sagen», rattere ich den Standardsatz runter und sie lächelt selig.

«Rose, so ein schöner Name», haucht sie und blickt verträumt.

«Also du musst gar nichts sagen. Dein Name ist auch sehr schön», sage ich aufrichtig und sie schaut mich grinsend an.

«Das musst du wohl fast sagen, oder?» Ich schüttle den Kopf.

«Im Gegenteil, ich sage nichts, was ich nicht auch so meine.»

«Hallo zusammen, wer von euch kann mir den sagen, wann die Renaissance in Europa begann?», fragt ein älterer Herr, der gerade ins Zimmer gekommen ist. Ich nehme mal an er ist der Lehrer.

«Mister Gipson, wollen Sie nicht, dass sich das hübsche neue Mädchen zuerst vorstellt», ruft ein Junge aus der hinteren Reihe und plötzlich sind alle Augen auf mich gerichtet. Ich drehe mich zu dem Typen um, der das gesagt hat und er grinst mich frech an.

«Ach du meine Güte. Wie Chase schon bemerkt hat, haben wir eine Austauschschülerin in unserer Klasse. Rosalita, richtig?», fragt Mister Gipson und hält mir die Hand hin. Ich schüttle sie und nicke.

«Ganz genau. Aber ich habe es lieber Rose genannt zu werden.»

«Geht klar. Herzlich willkommen in meinem Geschichtskurs. Ich erspare dir sonst das Vorstellen. Sicher hast du genug andere Kurse, wo du das noch tun musst. Also wer unbedingt eine Frage loswerden will, fragt dich doch einfach nach dem Unterricht. Ist das in Ordnung?»

«Sicher», sage ich und bin froh nicht nach vorne zu müssen.

«Och nö», motzt Chase gespielt entrüstet und Ophelia beugt sich zu mir.

«Chase ist ein Klassenclown und kann manchmal richtig lästig sein. Doch er ist völlig in Ordnung.»

Ich erhasche einen weiteren Blick auf Chase. Er bemerkt es, fährt sich durch die blonden Haare und wirft mir einen Luftkuss zu. Ich schüttle grinsend den Kopf. Ophelia hat das ganze anscheinend auch mitbekommen.

«Ach ja und er ist ein Charmeur. Aber kein Aufreisser wie seine dämlichen Freunde. Und er sieht besser aus.» Ophelia schaut träumerisch an die Wandtafel und malt kleine Herzen in ihr Heft.

«Klar», sage ich gedehnt und weiss sofort was Sache ist. Ophelia steht auf ihn.

«Bevor du fragst, nein wir werden wahrscheinlich nie ein Paar. Er weiss gerade einmal das ich in seinem Geschichtskurs bin und wie ich heisse. Ansonsten nimmt er keine Notiz von mir.»

«Was nicht ist, kann ja noch werden», muntere ich sie auf.

«Danke, das ist lieb von dir», sagt sie leise und widmet sich danach wieder ganz dem Unterricht.

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