Kapitel 4: Rose
Ich sitze gerade in einem grossen Van und lausche der leisen Musik des Radios.
Susanna Anderson, meine Gastmutter sitzt am Steuer und lächelt mir zu. Sie ist eine sehr sympathische Frau mit langen blonden Haaren und blauen Augen.
Die ersten zehn Minuten hat sie mich gefragt, wie mein Flug war und hat mir erklärt, dass die anderen zu Hause eine Grillparty für mich organisieren. Dazu haben sie gerade noch die Verwandten eingeladen, damit ich diese auch kennenlerne.
Dabei habe ich mich gefragt, ob schon ganz Santa Monica darüber Bescheid weiss, dass ich komme. Doch ich habe nur freundlich gelächelt und ihr gesagt, dass dies eine grossartige Idee sei.
«Wie geht es deiner Mutter?», fragt sie und biegt in eine Quartiereinfahrt.
«Sehr gut, sie arbeitet immer noch als Modedesignerin und hat ein eigenes Geschäft.»
«Das ist schön», sagt Susanna und parkt vor einem wunderschönen Anwesen.
«Tada, hier wirst du die nächsten Monate wohnen. Wir haben das Gästezimmer für dich herrichten lassen und hoffen, dass es dir gefällt.»
Ich bin sprachlos. Dieses Haus ist etwa dreimal so gross wie unsere Wohnung in Madrid. Wir steigen aus und ich möchte gerade meinen Koffer holen, als Susanna abwinkt. «Das macht dann Josh.»
Stimmt, ich werde ja gleich die vier Kinder von Susanna kennenlernen.
Mamá hat mir von ihnen erzählt, doch ich war damals nicht so interessiert und nun habe ich vergessen wie sie heissen und wie alt sie sind. Aber ich werde es ja gleich erfahren.
Wir gehen zur Haustür und ehe Susanna den Schlüssel ins Loch steckt, wird die Tür auch schon aufgerissen. Blitzschnell stürmt ein Mädchen mit blondem Pferdeschwanz auf mich zu und umarmt mich.
Sie lässt mich los und grinst mich an, wobei ihre ebenfalls blauen Augen interessiert funkeln.
«Hallo ich bin Harper, die jüngste der Familie. Aber ich bin schon fast zwölf», sagt sie und nimmt mich bei der Hand.
«Komm mit, ich muss dir unseren Garten zeigen, da warten nämlich schon alle auf dich.»
Sie zieht mich ins Innere des Hauses und ich bin überwältigt. Alles ist wunderschön modern und man fühlt sich doch irgendwie wohl.
Doch ich habe keine Zeit mich weiter umzusehen, geschweige denn meine Haare im grossen Eingangsspiegel zu überprüfen, denn Harper zieht mich schon auf die Terrasse.
«Weisst du, ich freue mich so dass du hier bist, dann bin ich nicht immer das einzige Mädchen», sagt sie und bleibt stehen.
Vor uns erstreckt sich ein wunderschöner Garten mit Pool und daneben befindet sich ein Grillplatz. Dort steht ein Mann mit Schürze, welcher gerade den Deckel des Grills aufklappt.
Auf der Wiese spielen drei Jungs Fussball und neben uns auf der Veranda sitzen zwei ältere Leute, wahrscheinlich die Grosseltern, sowie ein weiterer Mann und eine Frau, die in ein Gespräch vertieft sind.
Ich muss unwillkürlich grinsen.
Grillieren im Februar gibt es auch nur in Amerika. Doch es herrschen angenehme zwanzig Grad und mit meinem leichten Pullover friere ich überhaupt nicht.
«Alle mal herhören, Rosalita ist hier», ruft Harper so laut, dass ich erschrecke.
Plötzlich starren alle Leute im Garten zu mir.
«Hallo zusammen, ich bin Rosalita, aber ihr könnt mich gerne Rose nennen», sage ich und wippe unbehaglich auf meinen Fersen.
Harper bemerkt meine Nervosität und zieht mich zum Tisch der Erwachsenen.
«Rose, das sind Grandma und Grandpa väterlicherseits, Tante Jane und Onkel Patrick.»
Ich gebe allen vier die Hand und die Grossmutter sagt: «Du bist aber eine hübsche Rose.»
Verlegen bedanke ich mich. Sie will mich gerade in ein Gespräch verwickeln, als Harper dazwischenfährt: «Grandma, Rose muss zuerst allen vorgestellt werden, danach dürft ihr euch gerne unterhalten.»
Ihre Grandma lächelt selig und nickt. «Komm», sagt Harper und ich folge ihr auf die Wiese zum Grill. «Das ist Dad», sagt sie.
Der Mann mit der Schürze legt die Grillzange beiseite und sagt: «Hallo Rose, schön dass du da bist. Ich bin Toby.»
«Danke, die Freude ist ganz auf meiner Seite», sage ich höflich und mustere Toby.
Er hat dunkelbraunes Haar und ebenfalls helle Augen, die mir grünblau erscheinen. Dazu trägt er eine Nickelbrille aus den 80er Jahren.
«Achtung Ball», ruft ein Junge und ich fange reflexartig den Ball, ehe er ins Gebüsch fliegt. Die drei Jungs kommen auf mich zu.
Der Älteste hält mir seine Hand hin und sagt: «Elijah, der Bruder von dieser kleinen Göre da. Ich bin fünfzehn. Ich hoffe dir wird es hier gefallen.»
«Ja, bestimmt», sage ich.
Elijah ist mir auf Anhieb sympathisch. Trotz den zwei Jahren, die uns trennen, ist er schon einen Kopf grösser als ich und sieht sehr sportlich aus. Auch er hat die blauen Augen seiner Eltern geerbt.
Die beiden kleineren Jungs, etwa zwischen acht und zehn Jahren, gucken mich schüchtern an. Fragend blicke ich zu Harper, denn sie hat mir vorhin gerade mittgeteilt, dass sie die Jüngste der Familie ist. Dann müssten diese beiden wohl Cousins sein. So ist es auch.
«Das sind unsere kleinen Cousins Mick und Zac. Wie du siehst gibt es in unserer Familie nur Jungs», sagt Harper und wendet sich dann an Elijah.
«Sag mal wo sind eigentlich Ryan und Josh?»
«Keine Ahnung, vielleicht bei Chase.»
Ich habe keine Ahnung von wem sie sprechen, doch nehme ich mal an, dass es um die letzten Brüder der Familie geht. «Würstchen sind abholbereit», ruft Toby und winkt uns zu sich.
Mit unseren Tellern voller Würstchen und Country Cuts setzen wir uns an den grossen Tisch auf der Veranda und die Familie beginnt mich mit Fragen zu durchlöchern. Die Grosseltern wollen alles über Spanien wissen und erzählen mir, dass sie selbst schon einmal dort waren.
Susanna und Toby fragen ganz allgemeine Fragen, wie zum Beispiel auf welche Schule ich vorher ging und so weiter und lächeln mich die ganze Zeit an.
Die kleinen Cousins sind still und gucken mich mit grossen Augen an.
«Sag mal Rose, spielst du auch Videospiele?», fragt Elijah und nimmt sich ein weiteres Würstchen.
«Nein eigentlich nicht, aber du könntest es mir beibringen», antworte ich.
Er nickt zufrieden während Harper unzufrieden die Arme vor der Brust verschränkt.
«Rose magst du tanzen?», fragt sie nun hoffnungsvoll.
Damit hat sie genau ins Schwarze getroffen. Da die Frage mit den Hobbys noch nicht gefallen war, hatte ich es bisher auch noch nicht erwähnt.
«Oh, ich liebe tanzen. In Spanien bin ich im Hip-Hop und natürlich kann ich ein paar traditionelle Tänze aus Spanien, wie Flamenco.»
Harper sieht so aus, als klappe ihr gleich der ganze Kiefer runter. Mit grossen Augen starrt sie mich an.
«Tja Rose, da hast du dir gleich einen Fan geangelt», sagt Toby schmunzelnd und die anderen lachen.
«Ich gehe auch ins Hip-Hop, aber Flamenco kenne ich nur von Videos oder aus den Ferien. Kannst du es mir vielleicht mal beibringen?», fragt Harper.
«Sicher. Weisst du zufällig ob ich mich einem der Tanzkurse anschliessen könnte?»
«Auf jeden Fall. Du könntest ja in meinen Kurs. Das würde bestimmt lustig werden.»
«Harper, Rose ist viel älter und wahrscheinlich auch besser als euer Kindergarten Gehopse», meint Elijah und wuschelt ihr durch die blonden Haare.
«Du hast ja keine Ahnung», entgegnet sie wütend.
«Elijah, Harper, bitte. Sonst vergrault ihr Rose schon am ersten Tag», sagt Susanna und sieht die beiden strafend an. «Es gibt sicher an der High School eine Hip-Hop Gruppe. Wir können uns ja am Montag mal erkundigen, Rose.»
«Cool, Super Idee», sage ich zufrieden und als Elijah aufsteht, um das Geschirr abzuräumen, erhebe ich mich ebenfalls, um ihm zu helfen.
«Setz dich wieder, das mach ich schon», sagt er und will mir das Geschirr abnehmen.
«Auf keinen Fall. Ich kann doch nicht ein ganzes halbes Jahr nichts tun», protestiere ich und er nickt.
«Oke. Du kannst es einfach auf der Kücheninsel stapeln. Den Abwasch macht heute Harper.»
«Wieso ich?», fragt diese prompt.
«Weil das auf dem Hausdienstplan steht.»
«Man das ist so unfair.»
«Oh, dann müsst ihr mich aber auch eintragen. Ich will mich ja schliesslich gleich betätigen», sage ich, um gleich einen Streit zu vermeiden.
«Und heute gehe ich Harper gerne zur Hand.»
«Wenn du meinst», sagt Elijah kopfschüttelnd, da ihm seine kleine Schwester frech die Zunge rausstreckt.
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