Kapitel 25: Rose

«Hallo, schön dass ihr hier seid.»

Susannas Mutter ist eine gut gepflegte Frau Mitte sechzig, mit kurzem blonden Haar und den gleichen blauen Augen, die sie dem Rest der Familie vererbt hat. Sie trägt eine rosafarbene Kochschürze mit Rüschen und als sie mich sieht, kommt sie strahlend und mit offenen Armen auf mich zu. «

Ach und du bist also Rose. Schön dich kennenzulernen. Ich habe schon viel von dir gehört. Ich bin Margrit. Aber nenn mich doch einfach Grandma.»

«Danke, das ist sehr lieb. Ich freue mich auch hier zu sein, Margrit...eh ich meine Grandma», hasple ich und grinse sie schief an.

Sie lacht und kneift mir dann in die Wange. «So und jetzt kommt rein. Jeff isst sonst noch den ganzen Kuchen weg.»

Ich bleibe abrupt stehen, sodass Ryan gegen meinen Rücken stösst.

«Was ist?», fragt er genervt.

Seit wir aus dem Flugzeug gestiegen sind, ist seine Laune im Keller.

«Feiern wir auch mit euren Verwandten?», frage ich ihn leise und seine ausdrucklose Miene verwandelt sich in ein schadenfreudiges Grinsen.

«Klar. Grandma wohnt hier allein und sie ist froh, wenn Mom und ihr Bruder Jeff mit der ganzen Familie hierherkommen und wir alle zusammen Ostern feiern können. Aber keine Sorge, sie beissen alle nicht. Ausser vielleicht mein Cousin Mason. Er steht auf Latinas und ist zurzeit wieder Single.»

Ich nicke und gebe ihm einen Stoss gegen die Brust, als er wieder zu lachen beginnt.

«Mach dich nur über mich lustig.» Dann atme ich tief aus und begebe mich in den Wirrwarr aus kennenlernen und alle starren mich an, sowie verfolgen all meine Bewegungen, das ganze Programm.

Zum Glück haben Jeff und Rebecca nur zwei Kinder und sie empfangen mich alle herzlich. Jeff ist ein wirklich witziger Typ und sofort fühle ich mich wohl. Rebecca ist hauptsächlich damit beschäftigt Grandma Margrit, so nenne ich sie jetzt, in der Küche zu helfen.

Jeffs Kinder Mason, ein geschniegelter, blonder Typ mit Designerklamotten, ich schätze ihn auf neunzehn und Matthew, der so alt wie Elijah zu sein scheint, begrüssen mich ebenfalls herzlich und neugierig und als wir alle zusammen Kuchen essen, verwickelt mich Mason sofort in ein Gespräch darüber, was ich später einmal werden möchte.

«Also hast du schon Pläne oder so?», fragt er und ich schüttle den Kopf.

«Vielleicht studiere ich Tanz und werde dann Tanzlehrerin oder so. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir noch nicht sonderlich viele Gedanken darübergemacht.»

Für Mason scheint das unbegreiflich zu sein.

«Ja, aber weisst du denn schon, ob du in Spanien oder in Amerika auf die Uni gehen möchtest?»

Ryan, der bis jetzt schweigend an seinem Kuchen gegessen hat, sieht interessiert auf.

«Ehm.»

«Hier gibt es viele Universitäten, die solche Studiengänge anbieten.»

«Ja das kann ich mir gut vorstellen.»

«Könntest du dir es dann auch vorstellen hier zu studieren?», mischt sich Ryan in das Gespräch ein und Mason blickt mich fragend an.

«Klar könnte ich mir das.»

«Aber?», hakt Ryan nach.

«Ich weiss es nicht. Ich kann darüber nicht einfach so aus dem Nichts entscheiden. Das muss ich mir schon genauer überlegen.»

«Tu das. Du stehst schneller vor dieser Entscheidung als dir lieb ist.» Mason ist ein Besserwisser. Das wird mir in diesem Moment klar und es nervt mich höllisch, dass er meine offenen Zukunftspläne in Frage stellt.

Und wieso zum Teufel will Ryan wissen, ob ich vielleicht hier studieren möchte? Hat er etwa Angst, dass er mich noch länger als nur drei Monate ertragen muss?

Zum Abendessen gibt es baked Ham, welcher den ganzen Tag schon im Ofen gegart hat und einfach himmlisch schmeckt. Und als Beilage natürlich Kartoffeln und Gemüse.

«Das schmeckt wirklich wunderbar», sage ich verzückt und schliesse geniesserisch die Augen. Zuhause hätte es jetzt Lammbraten gegeben, da mir Mamá davon ein Bild geschickt hat und ich wäre zwei Stunden in der Kirche gehockt. Nicht das mich das langweilt, doch ich finde es einfach einmal interessant zu erfahren, wie das andere Kulturen so machen.

«Danke, Engelchen. Das freut mich sehr.» Grandma Margrit lächelt mir glücklich vom anderen Ende des Tischs zu. Interessanterweise redet einmal niemand. Die ganze Verwandtschaft sitzt gemeinsam am Tisch und jeder geniesst das Essen schweigsam.

Sogar Ryan und Josh halten ausnahmsweise mal die Klappe und sind gar nicht darauf aus andere mit dummen Bemerkungen aufzuziehen. Vielleicht verstecken sich hinter dem ganzen Bluff zwei feinfühlige Familienmenschen.

Ich beobachte Ryan, wie er seine Kartoffeln sorgfältig zerschneidet und ein kleines Stück in den Mund nimmt. Mein Blick wandert zu seinem Hemd. Er hat sich heute wirklich herausgeputzt. Nur seine Haare sind so wie immer. Ein einziges durcheinander. Doch ich muss mir zugestehen, dass mir das gefällt.

Er bemerkt meinen Blick und grinst mich spitzbübisch an. Schnell gucke ich wieder auf meinen eigenen Teller und esse weiter. Obwohl wir schon Kuchen gegessen haben, gibt es als Nachtisch Erdbeercreme. Die beste Creme, die ich je gegessen habe, was ich Grandma Margrit nach dem Essen unbedingt noch mitteilen muss. Sie freut sich über mein Lob und als ich sie frage, ob ich ihr beim Abwasch helfen kann, schüttelt sie streng den Kopf.

«Wag es ja nicht.» Drohend zeigt sie mit dem Finger auf mich und grinst mich an.

«Susanna hilft mir schon. Geh mit den anderen Activity spielen. Ich glaube Harper würde sich freuen.»

Und so spiele ich mit der ganzen Familie Activity. Wir machen zwei Teams durch Zufallsprinzip und so kommt es, dass ich mit Josh, Elijah, Mason und Jeff in einem Team bin.

Als ich es mir auf dem Sofa gemütlich mache, setzt sich Mason gleich neben mich und erklärt mir seine Strategie in diesem Spiel.

«Mein Motto lautet: die Qualität der Worte ist besser als die Quantität»

Ich unterdrücke ein Gähnen. Mason behandelt mich wie ein kleines Kind, welches noch sehr viel lernen muss.

Wir spielen dieses Spiel fast drei Stunden, bis wir alle nicht mehr können und uns Bettfertig machen. Ich teile mir mit Harper ein Doppelbett, was mich aber nicht sonderlich stört. Sie freut sich tierisch mit mir im gleichen Zimmer schlafen zu dürfen und wir quasseln noch die halbe Nacht.

«Bist du eigentlich in Ryan verliebt?», fragt mich Harper und obwohl es dunkel ist, drehe ich reflexartig den Kopf in ihre Richtung.

Es ist nicht unbedingt die Frage, welche mich verwirrt. Sondern ich verstehe mich selbst nicht, wieso die Antwort «Nein» nicht wie aus der Pistole geschossen kommt. Ich drehe den Spiess um.

«Wie kommst du darauf?»

«Ich bin vielleicht ein Kind, aber ich bin nicht dumm. Ich habe auch Augen im Kopf. Und ausserdem», druckst sie herum.

«Was?»

«Naja vielleicht habe ich es nicht von Selbst gemerkt. Josh hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich Ryan den Platz neben dir lassen soll, da er sein Revier gegen andere Typen markieren muss.»

Ich beginne leise zu lachen und kann nicht mehr aufhören, sodass mein Lachanfall mit Husten endet.

«Was ist daran so witzig?», flüstert Harper.

«Sein Revier markieren? So hat er das gesagt?», frage ich belustigt. «Klingt eher nach einem Hund.»

«Das nennt man Männersprache», erklärt mir Harper.

«Glaub mir, wenn man nur mit Jungs aufwächst, spricht man irgendwann auch so komisch.» Sie gähnt neben mir.

«Also, ich würde sagen wir holen uns noch eine Portion Schlaf. Übermorgen hast du Geburtstag und morgen müsst ihr mit mir noch ganz Miami erkunden», sage ich und sie fügt hinzu: «Und an den Strand müssen wir auch noch. Ich möchte schliesslich braun werden.»

Ich lache und kuschle mich in meine Decke ein.

«Gute Nacht Rosie.»

«Gute Nacht Harper», flüstere ich zurück, doch ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es schon nicht mehr hört.

Ich grinse in meine Decke hinein. Die Kleine ist wirklich gewitzter als ich dachte. Und mit der unbeantworteten Frage, die in meinem Kopf herumschwirrt, falle ich in einen unruhigen Schlaf.

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