Kapitel 23: Ryan
«Wie ich sehe spricht sie wieder mit dir», ruft Ayden mir durch die Musik zu und ich nicke nur.
Ich habe meinen Freunden nicht erzählt, was vorgefallen ist, doch auch sie haben gemerkt wie mies ich mich in letzter Zeit verhalten habe.
«Scheint so.»
«Was war eigentlich los?» Ayden leert nun schon sein zehntes Glas innerhalb von Sekunden.
Wenn er so weitermacht, wird er in einer Stunde sturzbetrunken sein.
«Nichts Besonderes. Ein paar Kleinigkeiten.»
Eine ziemlich kleine, grosse Kleinigkeit, die mir meine Freundschaft mit Carlos versauen könnte. Mit Dates von Freunden rumzumachen gehört nämlich zu den obersten Freundschaftsverboten. Da Rose dies aber frühzeitig verhindert hat, worüber ich einerseits enttäuscht und andererseits verwirrt bin, muss ich kein schlechtes Gewissen haben.
Er nickt und blickt dann auf die Tanzfläche, wobei sich seine Augenbrauen misstrauisch zusammenziehen. Ich folge seinem Blick und entdecke Fanny, die mit einem Typen, ich glaube er heisst Sébastien, aus dem Lacrosse Team tanzt, von dem man munkelt, dass er schwul ist.
«Was will sie denn mit dem?», fragt Ayden und schüttelt spöttisch den Kopf.
Anfangs Highschool war Ayden drei Monate mit Fanny zusammen, bis sie ihn eiskalt abserviert hat. Von da an hatte er mit unzähligen Mädchen etwas am Laufen, um Fanny eifersüchtig zu machen, doch sie ist nie darauf angesprungen.
Im Gegenteil sie friendzoned ihn dermassen, dass er sich so oft es geht mit Mädchen und Alkohol ablenkt.
Neben Fanny tanzt gerade Uma und als sie mich bemerkt, kommt sie schnellen Schrittes auf mich zu.
«Hey Ryan, ist Josh immer noch krank?»
Ich nicke und sie zieht einen Schmollmund.
«Schade, er hat mir versprochen, mir zu beweisen was für ein guter Tänzer er ist. Aber danke.»
Ich nicke ihr zu und beobachte, wie sie wieder zu Fanny zurückgeht. Mein Bruder flirtet in letzter Zeit sehr viel mit Uma. Da es Josh nicht so mit Beziehungen hat und Uma definitiv kein Mädchen ist, dass für einen kurzen Flirt zu haben ist, sollte er ihr keine unnötigen Hoffnungen machen.
Als ich auch Rose mit Carlos entdecke, packe ich Ayden am Arm.
«Komm mit.»
«Was?», ruft er, da er mich durch die laute Musik nicht gehört hat.
«Komm mit.»
«Wohin denn?» Er macht keine Anstalten aufzustehen.
Ich verdrehe die Augen und gehe zum Mischpult, wo der gemietete DJ gelangweilt ins Leere starrt.
«Könntest du nach diesem Song etwas langsameres auflegen?», frage ich höflich.
«Geht klar», sagt er monoton und ich schubse Ayden, der mir gefolgt ist, unter die Tanzenden.
«Also, ich habe keinen Bock mehr, dass du im Selbstmitleid versinkst und das seit drei Jahren. Du gehst jetzt dahin und holst sie dir, während ich mit Rose tanzen gehe.»
«Wieso willst du denn mit Rose tanzen?»
«Ich muss ihr noch beweisen, dass ich es kann. Und jetzt beweg deinen Arsch rüber.»
Er nickt und schlängelt sich durch die Menge zu Fanny. Ich beobachte wie er Sébastien kumpelhaft auf den Rücken klopft, etwas sagt und die verwirrte Fanny sanft von ihm wegzieht. Sébastien schüttelt nur den Kopf, ehe er davon stapft.
Ich hingegen suche Rose in der Menge und gehe zielstrebig auf sie zu.
«Darf ich um den einen Tanz bitten?», frage ich in einem galanten Tonfall.
Rose kichert und blickt fragend zu Carlos.
«Macht es dir was aus, wenn ich....» «Nein, kein Problem», schneidet ihr Carlos das Wort ab und lässt sie los.
«Dann noch viel Spass ihr beiden», sagt er munter und wirft mir einen komischen Blick zu.
«Danke», sage ich und in dem Moment, als ich nach Rose Hand greife, spielt ein langsames Lied an.
Perfektes Timing, denke ich und grinse zufrieden.
«Wieso machen wir das?», flüstert Rose und ich beuge mich zu ihr runter.
«Was meinst du?», raune ich.
«Du weisst ganz genau was ich meine. Jeder normale Mensch, der ein funktionstüchtiges Gehirn hat, weiss das es komisch ist, dass du einfach so mit mir tanzt, wo wir doch beide mit jemand anderem Zeit verbringen.»
Sie hat recht. Ausserdem ist mir Chayenne heute noch gar nicht begegnet. Sie ist nicht besonders dick mit Fanny befreundet, doch Fanny ist zu allen nett und hat sie trotzdem eingeladen.
Das Chayenne nach ihrer «Niederlage» nicht kommt, verwundert mich jedoch überhaupt nicht. Ich hätte es mir eigentlich denken können.
«Denk nicht zu viel darüber nach, geniesse es einfach.»
Sie seufzt. «Ich versuchs.»
Dann grinst sie jedoch und schlingt ihre Arme um meinen Nacken.
«Das hier in aller Öffentlichkeit zu tun ist hingegen gefährlich.» Ich stosse ein raues Lachen aus. «Rosalita, manchmal bist du echt unleserlich. Zuerst hast du Angst was andere denken könnten und im nächsten Moment machst du die Situation komplett.»
Sie wird rot, dass sehe ich sogar im dämmrigen Licht.
«Ups», sie will gerade ihre Arme zurückziehen, doch ich halte sie fest.
«Lass sie, bitte.»
Und dann geben wir uns dem Lied hin, wiegen sanft hin und her und ich vergesse beinahe wo wir uns befinden, bis jemand voller Wucht in uns hinein prallt und ich Rose in letzter Sekunde vor dem unschönen Aufprall auf den Boden retten kann.
Wütend hebe ich den Kopf, um auf das Paar zu gucken, das in uns geprallt ist. Will und Letizia. Beide sehen alles andere als begeistert aus.
Will sieht mich eher mit Skepsis an, Letizia starrt wütend und durchbohrt dann Rose mit Blicken. Das wird sie Chayenne in spätestens fünf Minuten per Nachricht brühwarm mit ein paar Unwahrheiten erzählen.
Doch ich bin mir bewusst, dass ich nichts zu meiner Verteidigung zu sagen habe. Interessanterweise ist es mir egal. Deshalb schaue ich Letizia standhaft in die Augen.
«Hey Ryan, gehen wir was trinken und danach in die Halle? Die anderen wollen eine Runde Bierpong spielen.» Wills Tonfall duldet keine Widerrede.
«Klar», sage ich und lasse Rose los.
«Rose, Fanny und Uma sind glaube ich in der Küche. Du solltest vielleicht besser zu ihnen gehen.»
Will kann sehr beherrscht und einschüchternd klingen und ich kann es Rose nicht verdenken, dass sie kurz zusammenzuckt.
«Du hast recht. Bis später Ryan.» Und schon ist sie weg.
Letizia hat sich wie vorhergesagt ein paar Schritte von uns entfernt und tippt wie wild auf ihr Handy ein.
«Wieso baust du immer solche Scheisse Mann?», fragt Will, als wir die Treppe hochsteigen.
«Was redest du eigentlich? Mit wem ich tanze ist wohl mir überlassen. Seit wann mischen sich eigentlich alle in mein Leben ein, verdammt!»
Will sieht mich beunruhigt an. Ich kenne ihn schon eine ganze Weile, um zu wissen, dass es ihm ernst ist.
«Weisst du, ich wusste schon zu Beginn, dass du nicht die Finger von der Gastschülerin lassen kannst, wenn sie nicht gerade aussieht wie ein Müllsack. Und als ich dann Rose gesehen habe, hat dies all meine Vorstellungen übertroffen.
Sie ist wirklich hübsch und von da an war mir klar, dass du ihr irgendwann nicht widerstehen können wirst. Wahrscheinlich habe ich das sogar vor dir gewusst. Aber es geht nicht, Ryan. Sie ist ein nettes Mädchen und ich will dir nur sagen, dass es gegenüber Carlos, deinem besten Kumpel, sowie auch Rose gegenüber nicht fair ist. Für dich ist sie doch nichts weiter als eine Eroberung.»
«Tu nicht so, als ob du mich besser kennst als ich mich selbst. Ich weiss was ich tue und ich will gar nichts von ihr. Sie bleibt nur vorübergehend hier, da kann sie doch ein wenig Spass haben», sage ich wütend.
«Genau das ist der Punkt: Spass. Ich denke, wenn sie diese Zeit gut in Erinnerung haben möchte, dann sollte sie lieber eine schöne Zeit mit Carlos verbringen, statt danach mit einem gebrochenen Herzen nach Hause zu gehen. Du weisst das ich recht habe Ryan.»
«Ist schon gut, ich habe verstanden.» Als ob ich eine nervige Fliege verscheuchen möchte, wedle ich mit der Hand.
Das sich Will einmischt, passt mir überhaupt nicht. Und wenn er schon merkt, dass ich mich an Rose ranmache, dann weiss es Carlos sicherlich auch.
Das erste Mal an diesem Tag, freue ich mich mit Rose die zwei Wochen Frühlingsferien zu verbringen. Und das ohne dauernd unter Beobachtung zu stehen.
«Komm, lass uns nun Bierpong spielen gehen.» Will klopft mir versöhnlich auf die Schulter und gibt Letizia zu verstehen, mit uns zu kommen.
Doch sie schüttelt nur trotzig den Kopf und presst die Lippen fest aufeinander, während sie mich anschaut.
«Ich hoffe Chayenne wird dich nicht ganz so sehr vermöbeln. Ich würde mal sagen, dass wird eine lange Nacht. Am besten stellst du dein Handy aus.»
Will grinst mich an und ich schüttle gleichgültig den Kopf.
«Das mit uns hätte sowieso nicht bis zum Abschlussball gehalten. Es ist gut, wenn ich das so bald wie möglich beende.»
Will zieht erstaunt eine Augenbraue hoch. «Sie ist zwar Letizias Freundin, aber wenn ich ehrlich bin, gebe ich dir recht. Sie kann manchmal ziemlich nervtötend sein.»
«Sie ist unausstehlich, meinst du eher.» Ich muss grinsen.
Will ist immer darauf aus, möglichst gut über andere zu reden.
«Das hast du jetzt aber gesagt», sagt er und hebt die Hände.
«Geht klar. Ich kann damit leben.»
Wir steigen die letzten Stufen der breiten Treppe hoch und spielen dann zwei Stunden lang Bierpong. Rose sehe ich nicht mehr und als ich fast die ganze Villa auseinandernehme, um sie zu suchen, sagt mir Chase, dass sie schon vor einer Weile mit Carlos verschwunden ist. Dabei wackelt er mit den Augenbrauen, sodass ich mich zusammenreissen muss ihm nicht eine zu verpassen.
Ayden, der sich immer noch ausgesprochen nüchtern mit Fanny unterhält gibt mir zu verstehen, dass er noch nicht nach Hause gehen möchte und so kommt es, dass ich das erste Mal seit Ewigkeiten allein von einer Party nach Hause gehen muss. Und damit meine ich nicht, dass ich sonst immer ein Mädchen abgeschleppt habe. Naja in der Hälfte aller Fälle war immer Josh oder einer meiner Freunde mit dabei.
Als ich in unserer Auffahrt parkieren möchte, steht Carlos Wagen auf unserem Kiesplatz. Rose beugt sich gerade tief in das offene Fahrerfenster. Ohne zu überlegen, dass ich das halbe Viertel aus dem Schlaf reisse, drücke ich auf die Hupe.
Rose zuckt unwillkürlich zurück und blickt wütend ins Scheinwerferlicht meines Wagens. Ich parke und ziehe den Schlüssel aus der Zündung. Carlos hingegen lässt den Motor starten und fährt grinsend an mir vorbei, ehe er in einem ordentlichen Tempo davonbraust.
«Was war das denn?» Rose runzelt misstrauisch die Stirn.
«Ihr solltet nach zwölf nicht mehr in unserer Auffahrt rumturteln.»
«Ist da etwa jemand eifersüchtig?», fragt sie lachend und als wir durch die Eingangstür gehen, haut sie mir spielerisch gegen den Arm.
Ich hole tief Luft und sage dann mit fester Stimme: «Ja.»
Rose hält inne und drückt auf den Lichtschalter.
«Was hast du gerade gesagt?» Ich glaube ich mache gerade einen gewaltigen Fehler, aber ich kann nicht anders.
«Du hast richtig gehört. Ja, ich bin verdammt noch mal eifersüchtig.»
Sie schüttelt nur den Kopf. «Hör auf.»
«Wieso? Ich tue doch gar nichts.»
«Sag nicht solche Dinge. Du sollst das nicht sagen.» Sie blickt mich flehend an und ich runzle die Stirn.
Dann ziehe ich meine Schuhe aus und gehe ins Bett, mit dem Wissen, dass ich Rose gerade indirekt gestanden habe, dass ich auf sie stehe und dies bei ihr definitiv nicht der Fall ist. Bevor ich mein Handy ausschalte, erhalte ich eine Nachricht von Chayenne:
Leti hat mir ALLES erzählt. Hast du eine Erklärung!?
Schnell tippe ich eine Antwort:
Nein.
Ich lege mein Handy zur Seite und will gerade die Nachttischlampe ausschalten als mein Handy aufleuchtet.
Was, nein? Möchtest du etwa mit mir Schluss machen?
Ich muss keine Sekunde darüber nachdenken wie meine Antwort darauf lautet.
Waren wir überhaupt zusammen? Also ich kann mich nicht daran erinnern. Ausserdem ertrage ich deine Gegenwart nicht mehr. Sorry.
Ich weiss das ich ein Arsch bin. Doch diese Nachricht ist auch für meine Verhältnisse eine Spur zu hart. Vielleicht wird sie sich ein paar Stunden die Augen ausheulen. Doch so wie ich Chayenne kenne, hat sie bis Ende Ferien einen Neuen am Start. Der Arme tut mir jetzt schon leid.
Du Arsch. Wenn es die Neue ist viel Spass mit dieser Langweilerin. Soweit ich weiss steht sie sowieso auf Carlos...Tja du Armer. Wie Schade, dass sie in ein paar Monaten sowieso wieder weg ist.
Das hat gesessen. Dieses kleine Miststück. Wie recht sie doch hat. Wütend schalte ich mein Handy aus und werfe mich in die Kissen. Dann knipse ich die Nachttischlampe aus und falle in einen unruhigen Schlaf.
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