Kapitel 18: Ryan

Ich hätte mich einfach aus dieser Sache rauslösen können, dann würde ich jetzt nicht wie der grösste Vollpfosten in der Turnhalle stehen und darauf warten, dass Rose uns in die Welt des Paso doble einweiht.

Carlos hat sich freiwillig als Partner zur Verfügung gestellt, kurz nachdem wir den ersten Schritt in die Halle gemacht haben. «Paso doble habe ich einmal in Mexiko getanzt», hat er nur schulterzuckend gemeint und sich dann neben Rose gestellt.

Ayden ist hauptsächlich wegen all den hübschen Mädchen gekommen. Chase findet das Projekt ziemlich kreativ und Will hat angegeben einen Zahnarzttermin zu haben, obwohl ich genau weiss, dass er dazu genau so wenig Lust hatte wie ich.

Die anderen Jungs aus dem Team konnten wir nicht überzeugen und so hat Josh noch ein paar Jungs aus seinem Team zusammengekratzt. Es geht los und ich darf die nächsten zwei Stunden mit Betty, die ich aus meinem Wirtschaftskurs kenne, die Hüften schwingen.

Das Problem an Betty ist, dass sie fast so gross ist wie ich und damit möchte ich nicht sagen ich wäre klein. Ausserdem ist sie recht füllig und hat zwei linke Füsse, wie ich bereits nach fünf Minuten feststelle.

«Ups, schon wieder», sagt sie kichernd und glotzt mich an. Ich kann nicht anders als auf ihr Doppelkinn zu starren.

Ayden, der sich ausnahmsweise Fanny angeln konnte, was eine Premiere für ihn ist, da sie ihm sonst immer zu verstehen gibt, dass sie von seinen Flirtversuchen nichts hält, sieht mich mittleidig an.

Josh hingegen, hat sich Uma geschnappt und unterdrückt einen Lachanfall, als er mich erblickt.

«So, versucht euren Ausdruck im Gesicht zu behalten, denn das ist wichtig bei den Spanischen Tänzen», erklärt Rose und ich werfe einen Blick auf die beiden. Carlos hat seine Arme besitzergreifend um ihre Taille gelegt und strahlt sie an, als sei sie eine griechische Göttin.

Ich verdrehe innerlich die Augen und werfe einen Blick zur Hallenuhr. Mist, erst die Hälfte. Ich versuche mich zu beruhigen, atme langsam aus und lasse die restliche Stunde mit Bettys Schweisshänden in meinen, über mich ergehen.

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Es ist Freitagabend und ich sitze in meinem Zimmer über die Chemiehausaufgaben gebeugt. Wir müssen einen dreiseitigen Bericht schreiben, welcher die Hälfte unseres Jahreszeugnis ausmacht. Ich lasse den Stift fallen und lockere meine rechte Hand, die mir vom vielen schreiben schon richtig weh tut.

Plötzlich wird die Tür aufgerissen und mein Bruder stürmt herein. «Was ist denn mit dir los, Alter? Bist du im Nerdmodus?»

Josh blickt mir ungläubig über die Schultern und beäugt die Seiten, welche ich schon vollgeschrieben habe.

«Nein, aber Potter diese alte Schachtel hatte die glorreiche Idee, den Bericht mit einer bedeutenden Rolle ins Jahreszeugnis einfliessen zu lassen», antworte ich zähneknirschend, da ich schon an den Gedanken daran, wie mitleidig uns diese Frau angesehen hat, gerne etwas zu Bruch gehen lassen würde.

«Oh Shit, die kann einem ganz schön auf die Nerven gehen. Zum Glück geht sie schon dieses Jahr in Pension. Dann hast du sie im Abschlussjahr nicht mehr.» Josh tätschelt mir den Kopf.

«Was willst du eigentlich?» Ich drehe mich in meinem Stuhl so um, dass ich ihn direkt anschauen kann.

«Ach ja, dass hätte ich vor lauter Chemie fast vergessen.» Mein Bruder streicht sich durch sein raspelkurzes Haar, welches er in dieser Woche geschnitten hatte.

So unterscheiden wir uns nun auch optisch sichtbar voneinander und nicht nur durch kleine Merkmale, wie Beispielsweise das seine Augen ein wenig heller sind oder das ich durch meinen Schwimmsport, aus meiner Sicht, muskulöser gebaut bin.

«Die Jungs wollten wissen, ob du heute noch ins Loco kommst. Ich gehe auf jeden Fall.»

«Kommen Fanny und so auch?», frage ich resigniert, drehe mich wieder zu meinem Schreibtisch um und beginne eine neue Linie.

«Deine Frage ist wohl eher, kommt Rose auch.» Er schlägt mit seiner Faust auf meinen Schreibtisch.

«Hey, was soll das?», rufe ich empört. Er wirft einen kurzen Blick zur Tür und sieht mir dann fest in die Augen.

«Ich verstehe nicht was in dir vorgeht. Zuerst benimmst du dich so, als wäre sie nicht hier und es sieht so aus, als ob du dies die ganzen fünf Monate durchziehen willst. Und dann plötzlich tust du wie ein Gentleman, fragts wie es ihr geht, bringst sie zum Lachen, was weiss ich.»

Ich schweige und schreibe weiter.

«Ich meine sie ist wirklich scharf und ich hätte nichts dagegen mal mit ihr auszugehen, du weisst schon.»

Ich blicke hoch und möchte ihm sein dreckiges Grinsen, welches er aufgelegt hat, am liebsten aus dem Gesicht wischen.

«Das Problem ist: Erstens wohnt sie mit uns unter einem Dach und Mom wäre bestimmt nicht erfreut, wenn wir die Finger nicht von ihr lassen könnten. Ganz zu Schweigen was dir letztes Mal mit Amélie passiert ist. Und zweitens haben wir in der sechsten einen Pakt geschlossen, dass wir uns nie an die Freundin oder Dates eines Freundes ranmachen und soviel ich weiss, hat Carlos ein Auge auf sie geworfen.»

Bei der Erwähnung von Amélie zucke ich unmerklich zusammen. Es ist das erste Mal nach dem Vorfall, dass Josh diesen Namen in meiner Gegenwart ausspricht.

«Ich habe nie gesagt oder auch nur angedeutet, dass ich etwas von ihr will», verteidige ich mich.

«Und das beim Minigolf spielen?»

Ich denke daran zurück, wie nahe ich Rose gewesen war und wie ich ihr süsses Parfüm, dass sie immer verströmt, wenn sie in meinen Wagen steigt, noch intensiver riechen konnte. Ihr verlegener Blick, als sie auch gemerkt hat wie nahe wir uns waren, bis Josh gekommen ist. All das verdränge ich in die hinterste Ecke meines Gehirns und sehe Josh fest an.

«Das hat überhaupt nichts bedeutet. Du kennst mich doch.»

«Na dann ist ja gut. Kommst du nun mit?»

Das Thema Rose ist für Josh nun abgehakt und er hat bereits die Klinke meiner Tür umgriffen.

«Ja, ich bin sowieso gleich fertig.»

«Gut, dann sehen wir uns in zehn Minuten unten.» Josh drückt die Klinke nach unten und schlüpft aus dem Zimmer.

Keine Sekunde später steckt er wieder den Kopf herein. «Oh, und auf deine Frage von vorhin. Ja, Fanny ist mit von der Partie», dabei zwinkert er mir belustigt zu und ehe ich etwas erwidern kann ist er weg.

Na super, denke ich und vollende schnell den letzten Satz, ehe ich den Deckel auf meinen Stift drücke und mich umziehe.

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