Kapitel 17: Rose
«Guten Morgen», sage ich und lasse mich auf den Stuhl neben Ophelia plumpsen. Ich habe sie schon lange nicht mehr gesehen.
Sie schaut mich Gleichgültig an. «Morgen.»
«Alles klar?», frage ich, da mich Gewissensbisse plagen, weil ich sie seit ich mit Fanny und Uma abhänge ein bisschen vernachlässigt habe.
«Klar, was soll schon sein», gibt sie zurück und widmet sich dann ihrem Notizheft.
Chase kommt ins Schulzimmer geschlendert.
«Hey Rose, was geht? Hattest du ein schönes Wochenende?»
«Sehr sogar. Ich gratuliere dir übrigens noch zum Einzug in die Jugendmeisterschaft. Du warst super.»
Er lächelt geschmeichelt. «War echt cool, dass du gekommen bist. Vor allem Carlos konnte sich fast nicht mehr einkriegen, was Ryan ziemlich auf die Nerven gegangen ist.»
Ich muss grinsen. Ja, das passt zu Ryan.
«Übrigens schönes Oberteil», meint er augenzwinkernd und geht dann zu seinem Platz.
Ophelia schaut mich traurig von der Seite an. «Wie machst du das nur?»
«Wie mache ich was?»
Ich weiss nicht genau auf was sie anspielt.
«Wie schaffst du es innerhalb von zwei Monaten die Aufmerksamkeit der zwei beliebtesten Mädchen der Schule auf dich zu ziehen und alle Jungs mit deinem Charme zu verzaubern.»
«Du übertreibst masslos», sage ich ein wenig verlegen.
«Überhaupt nicht. Es stimmt. Siehst du denn die Blicke der Jungs nicht. Die mögen dich alle, wenn nicht sogar mehr. Sogar Josh ist einmal kein Arsch und dabei hat er sich noch nicht mal an dich rangemacht. Und Ryan sitzt nicht wie immer auf seinem hohen Ross und lässt dich spüren, dass du für ihn wertlos bist.»
Erstaunt starre ich sie an. Ich habe sie noch nie so viel und schnell auf einmal reden hören.
«Hör zu», beginne ich, «das mit Ryan war zu Beginn sehr schwierig und langsam bemüht er sich nett und aufmerksam zu sein. Ausserdem ist das mit Fanny und Uma nur durch den Hip-Hop Kurs entstanden und mir ist es egal wie beliebt sie sind. Sie sind echt nett und ich finde du würdest super zu uns passen, wenn du endlich einmal aus deiner Komfortzone rauskommst und dich traust mit uns zu Mittag zu essen, als ständig in der Bibliothek zu sitzen.»
Das war hart und ich bereue es jetzt schon zu diesem lieben, schüchternen Mädchen so gemein gewesen zu sein. Andererseits möchte ich so gerne, dass sie ein wenig Spass hat. Ich meine, dass ist schliesslich ihr vorletztes Schuljahr. Ihre Augen glitzern und mich trifft ein unheimliches Schuldgefühl.
«Das habe ich nicht so gemeint», versuche ich die Situation zu retten.
«Schon gut. Du bist nicht die Erste, die mich für einen langweiligen Streber hält, der sein Leben nicht geniesst. Aber weisst du was, du hast recht. Es ist die Wahrheit. Ich bin nicht einmal halb so interessant wie du oder Fanny. Schon klar, dass die Typen keine zwei Blicke an mir verschwenden.»
Dann wendet sie sich von mir ab und wühlt in ihrem Rucksack herum, bis Mister Gibson ins Schulzimmer kommt und seine Aufmerksamkeit auf sich lenkt.
Zum Ende der Stunde, möchte ich mich noch einmal bei Ophelia entschuldigen, doch sie rennt fast aus dem Zimmer, sodass ich keine Chance habe ihr hinterher zu laufen. In Biologie bin ich nicht ganz bei der Sache, was Carlos sowohl auch Ryan auffällt.
«Was ist denn los? War Ryan wieder einmal ein Vollpfosten?», fragt mich Carlos, als wir die Laborgeräte auswaschen.
«Nein überhaupt nicht. Ich habe nur etwas Blödes zu einer Freundin gesagt.»
«Fanny oder Uma?»
«Nee, Ophelia. Sie ist in meinem Geschichtskurs.
«Mhm, kenne ich gar nicht.»
Genau das möchte ich so gerne ändern. Aber ich kann Ophelia nicht zwingen aus dem Schatten zu kommen. Das muss sie selbst entscheiden.
Carlos holt tief Luft und sieht mich dann mit einem speziellen Ausdruck im Gesicht an.
«Rose, das wollte ich dich eigentlich schon letzten Samstag fragen. Möchtest du mal mit mir ausgehen?»
Überrascht schaue ich zu ihm auf. Irgendwie wusste ich ja, dass er auf mich steht, doch ich habe nicht erwartet, dass er mich schon nach einem Date fragen wird. Aber eigentlich spricht nichts dagegen. Carlos ist echt ein netter Kerl und zudem ungemein attraktiv.
«Gerne.»
«Echt?! Super. Hast du am Samstagabend schon etwas vor?»
«Nein, ich glaube Samstag passt.»
«Perfekt. Dann also Samstag», sagt er freudig und küsst mich stürmisch auf die Wange.
«Carlos Martínez, könnte ich dich darauf aufmerksam machen, dass du dich in einer Unterrichtsstunde befindest und nicht auf dem Schulhof oder so», warnt unser Biologielehrer und ich fühle wie meine Wangen heiss werden.
Ryan blickt mich von der anderen Seite des Schulzimmers überheblich an. Ach, diesen Gesichtsausdruck habe ich fast verdrängt. Aus seiner Sicht könnte es so aussehen, als ob ich mich extra an seinen Freund ranmache, um ihn zu provozieren und ich frage mich, ob er deshalb so arrogant guckt. Doch dann wendet er den Blick ab, geht zu Chayenne und schlingt seine Arme von hinten um sie.
«Ja, Sir tut mir leid, kommt nicht wieder vor.» Carlos Stimme lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn.
Unser Biologielehrer zieht eine Augenbraue hoch.
«Gut, denn wenn schon, muss ich dich leider anderen Partnern zuteilen, wenn ich sehe, dass du das Praktikum vernachlässigst. Du verstehst was ich meine.»
Dabei blickt er wissend zwischen Carlos und mir hin und her und ich werde noch röter.
«Sicher Sir, Sie haben unser vollstes Verständnis dafür.» Mit diesem Satz nimmt Carlos meine Hand und zieht mich wieder an unseren Tisch.
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«Was, Carlos Martínez hat dich nach einem Date gefragt?», Fannys Stimme ist etwa zwei Oktaven höher als gewohnt.
Ich nicke und stochere dann mit meiner Gabel in der Pasta herum.
«Das ist ja der Hammer.» Uma strahlt, als ob sie diejenige wäre, die ein Date hat, was ziemlich süss ist. «Ich freue mich ja so für dich.»
Ich erwidere nichts und die beiden hören auf zu grinsen.
«Man könnte meinen du freust dich gar nicht.» Fanny klingt ein wenig vorwurfsvoll und ich höre abrupt auf, meine Pasta zu zermalmen.
«Nein, das ist es nicht.»
«Was dann?», hakt Uma nach.
Ich hole tief Luft. «Ich bin ja nur für ein halbes Jahr hier und deshalb möchte ich mich eigentlich gar nicht verlieben, weil ich dann sowieso wieder zurück nach Madrid muss.»
Fanny wirft mir einen prüfenden Blick zu. «Süsse, du denkst zu viel nach. Am besten solltest du den Moment im hier und jetzt geniessen und nicht schon über deinen Rückflug nachdenken.»
«Eigentlich hast du recht. Wisst ihr was? Ich gehe auf dieses Date und mache das Beste daraus.»
«Genau, dass ist die richtige Einstellung. Ich meine hast du ihn schon mal angesehen. Carlos ist richtig heiss.» Uma grinst mich vielsagend an und Fanny gibt ihr einen spielerischen Stoss in die Seite.
«Apropos Jungs, kommen sie heute ins Training?», frage ich und weiss nicht so genau, auf welche Antwort ich hoffe.
«Ehrlichgesagt habe ich keine Ahnung. Wenn Ryan entscheidet, dann wahrscheinlich eher nicht. Aber vielleicht setzt sich ja dein Lover durch.»
Fanny zwinkert mir verschwörerisch zu und klappt den Deckel ihrer leeren Salatbox zu. «Finden wir es heraus.»
Damit erhebt sie sich und schiebt ihr Tablett in den Wagen. Wir folgen ihr und gemeinsam machen wir uns auf den Weg in die Turnhalle.
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