{||} Kapitel 41
Mein Herz begann zu rasen und ich rannte direkt in die Richtung des Bildschirms. "Nein, tu es nicht, tu es bitte nicht", brüllte ich mit letzter Kraft und mit der Hoffnung, dass er mich auf irgendeine Art und Weise hören konnte. Verzweifelt hämmerte ich gegen den Monitor, ignorierte die leichten Schmerzen die dabei aufkamen und beobachtete wie Luke langsam seine Augen schloss. Meine Beine verloren an Kraft und ich sackte langsam zu Boden. Er konnte es nicht tun, er konnte sich doch nicht aufgeben, er konnte wieder glücklich werden.
Ich beobachtete, wie seine Hände zitterten und er immer und immer wieder seinen Kopf schüttelte. Mach es nicht Luke, bitte mach es nicht dachte ich mir. "Ich- ich kann es nicht", flüsterte er und mit diesen Worten senkte er langsam die Waffe weg von seiner Stirn. Ohne richtig zu begreifen, was gerade passiert war stand ich wieder auf und sah meine beiden Freunde mit großen Augen an. "Ich kann es einfach nicht", dieses Mal sprach er diese Worte schneller aus und ich konnte es selbst nicht glauben. Mit einem noch immer viel zu schnell pochendem Herzen lief ich in die Richtung von Savannah und schloss sie in meine Arme. "Er hatte es geschafft", brachte ich mit einer viel zu hohen Stimme hervor und ließ aus Erleichterung einen Seufzer hinaus. "Ja, ich freue mich total für dich", sie lächelte ein wenig und verließ dann mit schnellen Schritten den Raum. Verwundert sah ich ihr hinterher, doch ich vergaß die Reaktion sofort wieder, als ich sah, dass Spencer mit einem breiten Lächeln auf den Lippen in meine Richtung kam. "Ich bin so glücklich", wisperte ich, als er unsere Finger miteinander verschränkte. Mein Blick fiel wieder auf den Bildschirm. Luke drückte wieder einige Knöpfe auf dem Bildschirm und es erschien ein Countdown. Was hatte er gerade getan? Verwundert sah ich zu Spencer hinauf, der sich nur mit der Hand durch seine blonden Haare fuhr und starr auf den Bildschirm blickte.
Und plötzlich im nächsten Moment ging alles viel zu schnell. Ich sah wieder auf den Bildschirm, nur um zu sehen, dass mittlerweile Wachen aufgetaucht waren. Sie musterten den Raum und nachdem sie voller Schock König Mason entdeckt hatten, fiel ihr dunkler Blick auf Luke, der die beiden Männer noch nicht einmal bemerkt hatte. Mein Griff verstärkte sich und ich bemerkte wie mein Körper wieder begann verrückt zu werden. Luke hatte eine Chance, er hatte eine Chance, er musste nur zwei Leute ausschalten, das hatten andere Leute auch schon vor ihm geschafft. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich wie Luke sich unauffällig seine Waffe schnappte und sich umdrehte, er schoss und eine Wache fiel zu Boden. Völlig verängstigt schloss ich meine Augen und hörte den nächsten Schuss nur noch. Voller Hoffnung öffnete ich meine Augenlider wieder, nur um auf einen schwarzen Bildschirm zu starren. "Nein, w- was ist passiert?", schrie ich beinahe, während ich mich verwirrt aus dem Griff von Spencer löste. "Ein Schuss, ich konnte nicht mehr erkennen, wer wen getroffen hat und dann wurde der Bildschirm schwarz. Aber Celia, ich denke, dass er es schaffen konnte, ich meine er hatte aus der Überraschung angegriffen und hatte somit einen enormen Vorteil." Ich biss mir auf die Lippen und versuchte ihm zu glauben. Seine Erklärung klang logisch, oder? Ich verdrängte jeden negativen Gedanken aus meinem Kopf. Luke hatte es geschafft, ich war mir mehr als sicher darüber. Ungeduldig lief ich durch den engen Raum und wartete darauf, dass das Signal wieder zurück kam oder mir irgendeine Person die Nachricht überbrachte, dass alles gut gegangen war. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und Spencer zog mich ganz nah an seinen Oberkörper. Er legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab. "Pssst, es ist bestimmt alles gut gegangen", flüsterte er und ich seufzte laut aus. Wie konnte er sich dabei nur so sicher sein?
Plötzlich erschien wieder ein Bild auf dem Monitor, allerdings war nicht der hoffentlich lebendige Luke zu sehen, sondern Tess. Noch immer enttäuscht von ihren grausamen Worten starrte ich auf den Bildschirm und wartete darauf, dass sie etwas sagte. "Bürger und Bürgerinnen von dieser Welt. Wenn Sie das hier sehen, dann sind sie eine oder einer der wenigen Überlebenden. Dieser Krieg forderte viele Opfer und unsere Bevölkerung ist auf eine kleine Anzahl von 200.000 Menschen geschrumpft. Doch wir können Sie beruhigen, sie wird sich nicht verringern, denn heute haben wir den Auslöser ausgelöscht. Die Mutationen aus Aquaria wurden zerstört und die Soldaten sind entweder gefangen oder ausgelöscht worden. Sie müssen sich von nun an keine Sorgen mehr darüber machen. Wir können eine ganz neue Welt erschaffen, eine Welt ohne Krieg und eine Welt voller Gerechtigkeit. Ich fordere Sie hiermit auf eine Person aus ihrer Familie nach Vulkanien zu schicken. In drei Tagen werde ich eine Rede halten, eine Rede über die neue Welt, unsere neue Welt. Kommen Sie in Frieden, wir werden jeden willkommen heißen egal ob Menschen aus Aquaria, Vulkanien, Terannien oder Tempestasa, alle sind willkommen. Dieses Video werden wir mit einer Sache beenden, die nicht friedlich, aber nötig war. Dieser Schritt war nötig um in eine neue und bessere Welt zu schreiten. Seht es selbst", sie verschwand vom Bildschirm und für einen Augenblick wurde er wieder schwarz. Ich wusste nicht was ich von dieser Sache halten sollte, denn ich konnte ihr nach diesem Wutausbruch nicht mehr vertrauen. Wie sollte eine Person, die so viel Hass in sich hatte eine ganze Nation in den Frieden führen? Irgendetwas stimmte nicht, aber ich konnte nicht erkennen was es war.
Auf einmal erschien wieder eine Aufnahme auf dem Bildschirm und ich erkannte unmittelbar wo sich diese abspielte. Ich sah Luke, wie er seinen Onkel wütend ansah und die Waffe auf ihn richtete. Die Aufnahme war stumm, aber trotzdem erinnerte ich mich daran wie viel Wut und Trauer in seiner Stimme lag. Und dann schoss er. König Mason lag auf dem Boden und schon endete die Aufnahme wieder. Ein Bild von Tess tauchte auf, unter dem Bild war ein Slogan abgebildet. 'Für eine bessere, friedliche Welt"
Langsam schüttelte ich meinen Kopf und versuchte die neu gewonnenen Informationen zu verarbeiten. Tess wollte an die Macht und dafür hatten sie Luke gebraucht. Ob er es gewusst hatte? Spencer drückte sich näher an mich und hinterließ einen sanften Kuss auf meinem Hinterkopf. "Vielleicht wird es wirklich besser", flüsterte er und erneut hoffte ich darauf, dass er im Recht blieb. Es klopfte an der Tür und sofort löste ich mich aus der innigen Position mit Spencer. Seline stand im Türrahmen und ich musterte sie kritisch. Ob sie gewusst hatte, dass Tess mich nur als eine Marketing - Strategie sah? Ob sie auch dachte, dass ich schuld daran war, dass so viele Menschen gestorben waren?
"Celia. Es ist wegen Luke. Niemand weiß genau, was mit ihm passiert ist, denn die Aufnahme hat überall gestoppt. Die Nachricht von meiner Mutter wurde überall auf der Welt verbreitet, falls du es wissen möchtest. Aber warum rede ich darüber, ich- ich meine die Leute aus unserem Team werden morgen wieder hier sein und dann werden wir sehen ob Luke dabei ist oder nicht. Mach dir nicht zu viele Sorgen, denn wir denken alle, dass er durch seinen überraschenden Angriff im Vorteil war. Er wird es geschafft haben, keine Sorge", sie lächelte noch ein wenig und verschwand dann wieder. Ich wusste nicht wieso, aber Seline hatte mich ein wenig beruhigt. Sie hatte mir die Hoffnung geschenkt, die ich gebraucht hatte und nun war ich wenigstens ein wenig darüber überzeugt, dass es Luke geschafft hatte. Er war stark, er war ein Kämpfer und er hatte sich dazu entschieden nicht zu sterben, also war er auch nicht gestorben. Das war doch die einzige logische Erklärung.
Wenige Stunden später.
Mit geschlossenen Augen lag ich auf meinem Bett und starrte auf die Decke. Heute waren wieder zu viele Dinge passiert und ich wusste nicht auf welche Sache ich mich konzentrieren sollte. Es ist heute keine Minute vergangen, in der ich nicht an Luke gedacht hatte. Es ist keine Stunde vergangen, an der ich nicht gehofft hatte, dass dieser Gott an den früher alle geglaubt hatten existierte und meinen Freund gerettet hatte. Die ganze Zeit über war in mir ein Gefühl, welches eine Mischung aus Sorge, Trauer und Hoffnung war und ich bekam sie nicht los. Morgen werde ich Gewissheit haben, morgen werde ich wissen, ob er es geschafft hatte und morgen werde ich Gewissheit darüber haben, ob... das alles hier sich überhaupt noch lohnt.
Die andere Sache, die mir heute nicht aus dem Kopf ging war Tess. Würde diese Welt wirklich besser werden, wenn sie an die Macht kam? Würde Tess wirklich den Frieden in unsere Gesellschaft führen oder wird es alles so weiter gehen, wie es angefangen hatte? Ich wusste nicht wie sie es schaffen wollte die Menschen, die aus den verschiedenen Erdteilen kamen zusammen zu führen. Jeder hatte eine andere Denkweise und ich war mir auch sicher, dass alle Menschen aus Aquaria verabscheut wurden. Wie also sollte sie es schaffen Frieden in eine Welt zu bringen, die wahrscheinlich nicht einmal friedlich sein wollte? Würden wir eine weitere Monarchie aushalten? Wir brauchten etwas anderes... etwas was uns, die Bürger auch über Dinge entscheiden lässt.
"Über was denkst du nach?", flüsterte Spencer auf einmal und rückte ein Stück näher an mich. Ich hatte beinahe vergessen, dass er neben mir lag, denn dies wurde schon zu einer Normalität. "Über die Welt", entgegnete ich und sah aus dem Augenwinkel wie er leicht schmunzelte. "Zeitverschwendung", meinte er spöttisch und ich seufzte. Ich suchte nach seinem Blick und sah ihn dann direkt in seine Augen. "Denkst du, denkst du, dass es irgendwann wirklich mal wieder besser wird? Denkst du, dass ich irgendwann mal wieder mit einem Lächeln auf den Lippen aufwachen kann und nicht mit tausenden an schrecklichen Gedanken? Denkst du, dass ich diese Dinge die mir geschehen sind irgendwann vergessen kann, denn wenn nicht, dann kann ich es einfach nicht mehr, ich halte das nicht aus." Er biss sich auf die Lippen und strich dann langsam über meine glühenden Wangen, keine einzige Sekunde brach er den Kontakt unserer Augen.
"Ich weiß es nicht Celia, ich weiß es wirklich nicht, aber ich weiß, dass ich dich so glücklich machen kann, wie du mich glücklich machst. Ich kann die Welt nicht ändern, aber ich kann unsere kleine Welt ändern." Er starrte mich mit seinen blauen Augen an und ich bemerkte, wie sein Blick langsam auf die untere Partie meines Gesichtes wanderte. Sein Gesicht kam meinem näher und mein Herzschlag wurde schneller. Er wollte mich küssen. Sanft nahm er mein Gesicht in seine Hände und lehnte seine Stirn an meine. "Frieden existiert nicht, aber Liebe schon", mit diesen Worten drückte er seine Lippen auf meine. Verwirrt ließ ich den Kuss zu und erwiderte ihn sogar.
Wahrscheinlich sollte ich mich freuen, aber ich tat es nicht. Er war ein netter Junge und ich mochte ihn, ich mochte ihn sehr. Aber jetzt wo ich ihm so nah war, wusste ich, dass er nicht nach Rosen duftete, dass seine Locken mich nicht kitzelten, wenn er mich küsste. Ich wusste, dass seine Lippen nicht so rosa waren, wie seine. Ich wusste, dass die Augen in die ich blickte nicht so schön grün waren und ich wusste, dass es falsch war. Langsam löste ich mich von ihm und senkte meinen Blick nach unten. Ich konnte das hier nicht, ich konnte es einfach nicht. "Was ist - was ist los?", stotterte er und hob mit seinen Fingern mein Kinn so in die Höhe, dass ich ihn ansehen musste. Für einige Momente war ich sprachlos, ich wusste nicht was ich sagen sollte und es verschlug mir noch mehr die Sprache, als ich sah, dass seine Augen glasig geworden waren. "Spencer. Du bist nicht Er."
Seine Haut wurde blass und er sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Spencer hatte seinen Finger von meinem Kinn genommen und schüttelte wild mit seinem Kopf. "Ich verstehe das nicht Celia, ich verstehe es nicht, ich meine was habe ich, was er nicht hat? Sind es seine Haare? Verdammt. Ich kann mir meine Haare färben, wenn es das ist was du möchtest. Alles werde ich machen", flehte er, während er wieder nach meiner Berührung suchte. Ich schüttelte meinen Kopf. "Das- das ist nicht genug."
3 Tage später.
Luke war nicht zurück gekommen. Spencer redete nicht mehr mit mir. Ich konnte Savannah nicht mehr finden. Seline war weg, denn sie war mit Tess zum Marktplatz gefahren, dort wird sie ihre Rede halten. Die Rede, die Frieden bringen sollte. Die Rede, die die letzte sein sollte, die ich in meinem Leben mitbekam. In meinem Dasein.
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