{||}Kapitel 40

Ich konnte meinen Augen kaum trauen als ich auf dem Bildschirm Luke sah. Er saß in einem Wagen und in seinem Gesicht bildete sich nicht ein geringster Abdruck von Trauer ab, während ich hier bereits die gefühlte tausendste Träne vergoß. Er hatte sich nicht von mir verabschiedet und ich wusste nicht ob ich es ihm jemals verzeihen konnte. "Sollen wir versuchen ihn anzurufen?", fragte Tess' an mich gewandt und legte ihre Hand besänftigend auf meine Schulter. "Ich bin mir sicher, dass er eine Erklärung hat", langsam nickte ich, doch im Inneren war mir bewusst, dass es dafür keine Erklärung geben konnte. Es gab keine Erklärung und keine Entschuldigung. Tess sprach mit einigen Mitarbeitern, die mittlerweile Marcias Büro eingenommen hatten und dann ertönte ein lautes Piepen. Ich beobachtete auf dem Bildschirm, wie ein älter aussehnender Mann, Luke ein Telefon reichte und er ging ran. "Hallo?", bei dem Klang seiner Stimme begann mein Herz zu rasen. Es war vermutlich das Letzte mal, dass ich sie hören würde. "Luke, du musst dich erklären, wieso bist du ohne eine Verabschiedung gegangen?", auf dem Bildschirm konnte ich erkennen, wie er seine Lippen fest aufeinanderpresste und seine Augen schloss. "Hör zu, ich kann nicht mit Celia reden, okay? Ich wollte sie nur darauf vorbereiten wie es ist ohne mich zu leben und ich möchte es ihr nicht noch schwerer machen, als es sonst ist. Sie war meine einzige Freundin und ich möchte sie nicht verletzen."

Seufzend ließ ich mich auf einem Sessel nieder, denn ich konnte nicht länger stehen. Jetzt war mir bewusst, dass er es aus seiner Sicht nur gut gemeint hatte, aber dennoch hatte er alles falsch gemacht. Wir konnten uns nicht verabschieden und wie sollte ich unter diesen Umständen jemals lernen ohne ihn zu leben? Es wird genauso wie bei Harry enden...

"Luke, du musst mit mir reden", ich sah zu wie mich Tess mit einem verzweifelten Blick ansah und ich zwang mir ein kleines Lächeln ab. "Nein, ich kann nicht", auf dem Bildschirm konnte ich beobachten, wie er das Handy wieder an den Mann reichte und sich durch seine braunen Haare fuhr. Jetzt war es vorbei. Meine letzte Chance ihm Tschüss zu sagen, er wollte es nicht. Er wollte einfach nicht mit mir reden. "Es tut mir leid Celia", Tess kam auf mich zu und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. "Gibt es irgendeine, auch nur irgendeine Möglichkeit, dass ihr diese Aktion überleben wird?", hakte ich mit letzter Hoffnung nach, während ich verzweifelt mit dem Kopf schüttelte. "Doch, natürlich es gibt eine Möglichkeit. Sobald er König Mason ausgelöscht hat, kann er aus dem Palast fliehen und wird von unseren Leuten in Sicherheit gebracht", sie lächelte kurz, aber an ihrem noch immer mitleidigen Blick konnte ich erkennen, dass die Chancen, dass dies passieren würde mehr als gering waren. Ich sah wieder auf den Bildschirm. Luke hatte seinen Kopf nach unten geneigt und seine Hände auf seiner Stirn gelegt, er sah angespannt aus. Tess' nahm auf dem Stuhl neben mir Platz und legte eine Hand auf meinen Oberschenkel. "Hör zu Celia, es war seine Entscheidung, er wollte das sein Leben so endet", angewidert schubste ich ihre Hand weg und sah sie mit einem eisernen Blick an. "Wie kannst du nur so darüber reden? Hätten wir uns nur ein kleines wenig mehr angestrengt, hätte ich nur einmal mehr an seiner Tür geklopft, dann hätte ich ihm vielleicht diese bescheuerte Idee ausreden können. Er hätte Hilfe bekommen können, er muss nicht unglücklich sein, er ist mein bester Freund. Du bist erwachsen, anstatt seine Gedanken noch zu ermutigen, hättest du ihm sagen können, dass er geliebt und gebraucht wird und nicht einfach sein gesamtes Leben davon schmeißen darf. Du hattest die Chance mit ihm zu reden, du hattest die Chance ihn zu sehen und du hast die Chance verpasst ein Leben zu retten. Du bist daran schuld, dass Luke jetzt in diesem Auto sitzt und innerhalb der nächsten Minuten sein viel zu kurzes Leben verlieren wird. Wie kannst du auch nur mit dem Gedanken leben, dass du das Leben eines Kindes auf dem Gewissen hast?", mit jedem Wort, welches ich von mir gab wurde ich lauter und die Wut in mir wurde größer. "Nur weil du die verdammte Herrschaft willst oder was auch immer wird er jetzt sterben, ich dachte echt, dass du für mich ein Mutterersatz werden könntest, aber du bist nicht besser als meine wahren Eltern, du bist genauso krank und egoistisch." 

Mit offenem Mund saß Tess' vor mir und ich erkannte, wie ihre Augen glasig wurden. "Schätzchen, der Krieg muss Opfer fordern. Es gibt nur noch 200.000 Überlebende auf der Welt und König Mason muss gestoppt werden. Wenn nicht wir, wer dann? Ich möchte die Welt zu einer besseren machen, weswegen ich Opfer bringen muss und dieses Opfer ist nun wohl leider Luke. Er ist freiwillig bei dieser Aktion dabei und ich möchte nicht, dass du mir weiterhin solche Vorwürfe machst. Geh in den Raum neben dich. Spencer und Savannah warten auf dich und die Live- Übertragung wird fortgesetzt. Und denke bitte nicht, dass ich bevor du dich bei mir entschuldigst, noch einmal mit dir reden möchte, ich bin enttäuscht und das drückt meine Gefühle nicht im Geringsten aus." "Keine Sorge, ich werde eine Mörderin nicht um Verzeihung bitten", fauchte ich und machte mich auf den Weg den Raum zu verlassen. Grob wurde ich am Arm gepackt und umgedreht. Tess funkelte mich böse an. "Hachja? Dann kannst du dir selbst wohl auch nicht verzeihen. Du bist eine Mörderin. Veronique, das kleine Mädchen, das nicht aufgehört hat zu schreien, der kleine Junge, der wegen dir die Leiter des Helikopters heruntergefallen ist, Jasmine und so viele andere Soldaten. Harry ist wegen dir gestorben, du bist ein Monster Celia und du denkst wohl nicht wahrhaftig, dass Luke seine Meinung wegen dir geändert hätte? Du bist nur Mittel zum Zweck gewesen, eine Marketing- Strategie."

Ich kämpfte so gut wie möglich gegen die Tränen an, denn ich wollte nicht, dass sie mich weinen sah. Bisher hatte ich gedacht, dass Tess' eine der nettesten Menschen war, die ich je kennengelernt hatte, aber ich hatte mich getäuscht. Ob Seline auch so über mich dachte, ob sie mich auch nur als ein Monster sah? Immer wieder hatte ich versucht zu vergessen, dass ich so viele Menschenleben auf dem Gewissen hatte, aber jetzt wurde es mir wieder bewusst. Ich war nicht besser als Mason, als Tess' oder alle anderen auf dieser Welt. "Sobald das alles hier endet werdet ihr mich nie wieder sehen, keine Sorge", entgegnete ich barsch und verließ dann endgültig den Raum. Sobald ich die Tür hinter mir geschlossen hatte, ließ ich einen lauten Schrei aus und schlug gegen die Wand. Wie konnte sie nur so etwas zu mir sagen? Ich war nicht Schuld an Harrys Tod. Es war nicht meine Schuld. Oder?

Die Tür gegenüber von mir öffnete sich und ich sah in die weit aufgerissenen Augen von Spencer. "Celia, oh Gott, was-was ist passiert?", ich schüttelte nur den Kopf, lief langsam in seine Richtung und schloss meine Arme um seinen Hals. Spencer erwiderte meine Umarmung und strich mir sanft über den Rücken. "Ich will einfach, das das alles hier ein Ende hat", wisperte ich und er drückte mich nur noch näher an sich. 

"Celia, er ist am Palast angekommen", innerhalb von einer Sekunde löste ich mich von Spencer und stürmte in den Raum. Ich sah auf den Bildschirm und bekam gerade noch mit, wie Luke aus dem Wagen ausstieg. Jetzt konnte ich nur noch das sehen, was er auch sah. Er lief gerade über den Parkplatz, auf dem wir uns das Erste Mal getroffen hatten. Obwohl ich an diesem Tag schrecklich drauf war, brachte er mich dazu, dass ich ihn sofort gemocht hatte. Dieser Tag war erst vor wenigen Monaten passiert und trotzdem ist in dieser kurzen Zeit so viel passiert. 

Er lief durch den Vorgarten des Palastes, vorbei an vielen Soldaten, die ihn missmutig musterten, aber ihn anscheinend erkannten. Schließlich blieb er vor dem Eingang des Schlosses stehen, auf dem König Mason schon auf ihn wartete. Sein Onkel stand mit weit ausgestreckten Armen dort und ich beobachtete, wie sich die beiden umarmten. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen wie unangenehm diese Situation für ihn sein musste. Er verabscheute diesen Menschen. "Luke, mein Neffe, wo warst du die ganze Zeit über?", er legte seine Hand geschmeidig auf Lukes Rücken und führte ihn hinein in den Palast. Da überall im Palast versteckte Kameras angebracht waren, erkannte ich jetzt wieder die vollständige Szene. "Onkel, ich wurde entführt von den Rebellen Aquarias. Vor wenigen Tagen konnte ich mich befreien, aber ich habe mich natürlich direkt auf den Weg zum Palast gemacht, auf den Weg zur Familie. Ich bin so froh, dich wieder zu sehen", log er. Die Worte hörten sich an wie auswendig gelernt, was sie vermutlich auch tatsächlich waren. "Ich werde ein großes Essen für dich vorbereiten, eine Feier mit den restlichen Familienmitgliedern. In einer Stunde werde ich dich abholen, gehe doch auf dein altes Zimmer." Erneut umarmten sich die beiden und dann trennten sie sich voneinander. 

Für einen Moment blieb Luke nur auf einer Stelle stehen, doch dann lief er weiter. Er lief an vielen Menschen vorbei, die ihm mit einem warmen Lächeln begrüßten und schließlich blieb er vor einer Tür stehen. Er klopfte und ihm wurde die Tür von einem jüngeren Herr geöffnet. "Prinz Luke, seit wann sind Sie wieder im Palast?", fragte er und öffnete die Tür nun ganz. Luke trat ein und schloss die Tür hinter sich. "Gerade erst angekommen und ich dachte mir, dass ich mir mal die Technik, die hinter diesen genialen Mutationsangriffen stecken, ansehen möchte", ich schluckte, als diese Worte seinen Mund verließen. Seine schauspielerischen Fähigkeiten waren perfekt und wenn ich nicht wüsste, dass er dazu gezwungen war diese Dinge zu sagen, würde ich denken, dass er genauso krank wie sein Onkel war. "Aber leider ohne dich", ich bekam nur noch mit, wie der Unbekannte ihn verwirrt ansah, denn im nächsten Moment hatte Luke ihn erschossen. Erschrocken wich ich zurück, direkt in die Arme von Spencer. Er griff nach meiner Hand und versuchte mich zu beruhigen. Luke ging in die Richtung der vielen Computer, die sich im Raum befanden, drückte verschiedene Tasten und gab immer wieder seltsame Zahlencodes ein. "Mutationen deaktiviert", erschien am Bildschirm und auf einmal erschienen nur noch Pixel auf dem Bildschirm. "Virus, Virus, Virus", immer wieder ertönte dieses Wort. Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und König Mason erschien. Ich fragte mich, wieso keine Soldaten oder Security erschienen waren. 

"Luke, was ist hier passiert?",  fragte er, während sein Blick auf den toten Mann am Boden gewandt war. "Oh Gott, Onkel, es ging alles so schnell. Er hat irgendetwas gefaselt, das ihm die Leute leid taten und er das ganze Leid auf der Welt stoppen wollte, ich- ich habe nur noch gesehen wie er irgendwelche Viren auf den Computer geschickt hat, dann sind wir in eine Rangelei geraten, ich- ich habe mir seine Waffe geschnappt und einfach geschossen. Es tut mir leid Onkel, ich wollte helfen, aber- aber es ist einfach zu spät gewesen." König Mason erwiderte nichts und plötzlich hob Luke seine Waffe wieder. "Das ist für dich Celia", hörte ich ihn flüstern und mein Herz begann automatisch zu rasen.

"Onkel, was- was mache ich mir hier eigentlich vor? Du hast mir alles genommen, was ich geliebt habe und jetzt muss ich dir leider die einzige Sache nehmen, die du selbst liebst", er zielte mit seiner Waffe auf den König, welcher seine Augen weit aufriss. "Das willst du doch nicht wirklich machen, oder? Wir sind eine Familie, L-", bevor er noch  einmal seinen Namen in den Mund nehmen konnte, schoss er. Ich dreckte Spencers Hand fest zu. Es, es war vorbei. König Mason war tot. Ich konnte keine Wachen erkennen, was mich dazu brachte laut aufzuschreien. Luke wird es raus schaffen, er konnte gerettet werden, er würde überleben. Erneut sah ich auf dem Bildschirm um zu sehen, ob Luke sich genauso freute wie ich. Er tat es nicht. Luke hob sich die Waffe an die Stirn. "Es, es tut mir so leid Celia."









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