{||} Kapitel 39

Ich sah zu wie mein Freund die letzten Teile in seinen Koffer packte und seufzte. Es war noch immer so irreal, dass er nun wirklich gehen würde. Tyrone war mir in den Zeiten des Krieges immer ein guter Freund gewesen und ich hatte ihm bereits verziehen, dass er mich in letzter Zeit vernachlässigt hatte. Er war immer ein positiver Mensch gewesen und umso schmerzte es ihn nun endgültig von meinem Leben zu verabschieden. Er versuchte gerade stöhnend den Reißverschluss des Koffers zu schließen und als er sich nach dem dritten verzweifelten Versuch schließlich hilflos auf den Kopf schlug musste ich lachen. Kopfschüttelnd ließ ich mich auf seinem Koffer nieder und versuchte die Sachen platt zu drücken. "Du hast gerade mal wenige Wochen hier gelebt, wie kann es sein, dass dein Koffer so voll ist?", hakte ich nach und beobachtete wie sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht abbildete. "Weißt du, sie haben hier total coole Bilderrahmen und Handtücher und Bettbezüge und total leckeren Käse, den ich nicht einfach hier lassen kann", erklärte er und erneut musste ich lachen. "Du bist ein Idiot", flüsterte ich, während er nun endlich sein vollgepacktes Gepäckstück schließen konnte. "Ich weiß und die Tatsache werde ich auch niemals abstreiten können." Seufzend stand ich auf und blieb nur wenige Zentimeter vor ihm stehen. "Weißt du, ich bin schon ein wenig sauer, dass du deine letzten Momente lieber mit Seline, als mit mir verbringen möchtest. Ich dachte ich habe irgendeinen Bonus, du weißt schon, du schuldest mir noch was dafür, dass du mich damals am Strand belästigt hast", gespielt beleidigt verschränkte ich meine Arme vor der Brust und stellte mich auf die Zehenspitzen, damit wir endlich mal auf einer Augenhöhe waren. Er zuckte mit den Schultern und ließ seinen Blick auf den Boden senken, "ich bin verliebt in deine Schwester." Nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, bildete sich ein kleines Lächeln auf seinen Lippen. Ich erwiderte sein Lächeln, schnappte mir seinen Koffer und zog ihn in Richtung Tür.

Normalerweise würde ich jetzt anfangen zu weinen, aber die Tatsache, dass Ty vielleicht die Chance auf ein wahrhaftig gutes Leben hatte, brachte mich davon ab. Vielleicht würde er endlich wieder richtig glücklich sein, denn das hatte er mehr als verdient. Vor dem Aufzug blieben wir stehen und jetzt wurde mir bewusst, dass es Zeit war Abschied zu nehmen. Ich biss mir auf die Lippen und suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. "Ich würde jetzt gerne sagen, dass man sich immer zweimal im Leben sieht, aber ich schätze diese beiden Chancen hat uns das Leben schon gegeben", ich versuchte positiv zu klingen, aber der Kloß in meinem Hals wurde immer dicker. "Celia, das Leben ist unvorhersehbar und ein totaler Mistkerl. Wir müssen nicht immer davon ausgehen, dass das Schlimmste passiert und ich glaube fest daran, dass wir uns wieder sehen. Ich glaube wirklich, dass Luke uns retten wird und wenn der Krieg vorbei ist, dann können wir noch einmal von vorne anfangen. Dann können wir endlich eine Freundschaft führen ohne zu denken, dass unser Leben in der nächsten Sekunde vorbei ist. Wir brauchen nur ein wenig Hoffnung, die Welt braucht nur ein wenig Hoffnung." Lächelnd schloss ich meine Arme um seinen Hals und zog ihn in eine enge Umarmung. "Ich werde dich vermissen, Ty", flüsterte ich ihm traurig ins Ohr und daraufhin zog er mich noch fester an sich. Nach wenigen Augenblicken löste er sich und legte seine Hände auf meine Wangen. "Du musst stark bleiben, so wie du es immer warst Celia." Schnell nickte ich und drückte ihm einen Kuss auf seine Wange. Er griff nach meinen Händen und strich leicht darüber, "ich weiß, dass das alles hier nicht leicht für dich ist, aber es wird nicht immer nur bergab gehen Celia, irgendwann wird dein Leben eine Wende nehmen und du wirst wieder glücklich sein können. Ich möchte nicht, dass du das Gleiche tust wie Luke, okay? Ich würde es nicht verkraften zuhören, dass du tot im Zimmer aufgefunden wurdest, ich würde alleine mir die Schuld geben. Bitte Celia, das Leben ist schön, auch wenn es gerade nicht danach aussieht. Denk an all die Sonnenaufgänge, an all die Sterne, an all die leckeren Mittagessen und die schönen Abende mit Freunden die du verpassen könntest, wenn du gehst. Bleib hier. Bei deiner Schwester, Savannah, Luke, Tess und Spencer, sie lieben dich Celia, genauso wie ich dich." Er steckte seine Karte in den Schlitz des Aufzugs und trat ein. Noch einmal sah ich ihn an und versuchte mir jede Sommersprosse und jedes Muttermal einzuprägen, doch dann schlossen die Türen sich. Tyrone war weg. Für immer.

6 Tage später

Ich klopfte zum fünften Mal heute an Lukes Tür, doch niemand antwortete. Der Raum war abgeschlossen und ich machte mir ernsthafte Sorgen um ihn. Ich hatte bereits die letzten sechs Tagenicht mehr richtig mit ihm gesprochen. Er hatte mich immer nur kurz gegrüßt, wenn er sich auf den Weg zu Tess gemacht hatte um den Plan weiter zu besprechen. Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit dazu, ihm davon zu berichte, dass Tyrone sicher bei seiner Tante angekommen war.  "Hör zu Luke, ich weiß, dass du dort drin bist und ich weiß, dass du vielleicht alleine sein willst, aber ich weiß auch, dass ich die.... die letzte Zeit die ich mit dir habe noch mit dir verbringen möchte. Bitte mach die Tür auf." Ich hörte nur wie er laut rief, dass ich verschwinden sollte und ich tat was er mir befahl. Wieso war er so? Ich dachte, dass er genauso wie ich die letzte Zeit mit mir verbringen wollte,  aber ich hatte mich wohl geirrt. Morgen wird er gehen und somit seinen eigenen Tod unterzeichnen. In wenigen Stunden wird ein weiterer meiner engsten Freunde sein Leben verlieren und mich für immer verlassen.

Als ich die Tür meines Zimmers öffnete sah ich wie Spencer bereits auf meinem Bett lag. Es war eine Tradition geworden, da ich durch meine Albträume immer total am Boden zerstört war und er sich sicher darüber sein wollte, dass es mir danach gut geht. Ich schätzte seine Anwesenheit sehr, denn ich wusste, dass zumindest er nicht so schnell verschwinden würde. Nachdem ich in bequemere Klamotten geschlüpft war gesellte ich mich zu ihm. "Redet er immer noch nicht mit dir?", hakte er nach, während er mir meine Decke über meinen Körper zog. Enttäuscht schüttelte ich meinen Kopf und ließ mich seufzend auf seiner Brust nieder. "Ich weiß einfach nicht mehr was ich machen soll. Er wird schon morgen gehen und ich will ihn nicht gehen lassen, wenn wir in solch einer seltsamen Situation stecken." Er wickelte mit seinen Fingern einer meiner zersausten Locken ein. Ich sah zu wie sich leichte Falten auf seiner Stirn bildeten und seine blauen Augen meinen Blick mieden."Er wird mit dir reden, da bin ich mir sicher, er- er , ich meine ich schätze er mag dich und weiß einfach nicht wie er mit dieser Situation umgehen soll." "Ich schätze."

"Er wird für einen guten Grund von uns gehen, König Mason hat so viele unschuldige Menschen umgebracht und er verdient seinen Tod. Er hat meine Mutter getötet", den letzten Satz flüsterte er beinahe, aber ich erkannte sofort den Schmerz in seiner Lippe. Außerdem fuhr er sich durch seine aschblonden Haare, das machte er immer, wenn er über etwas redete, dass ihm unangenehm war. "Was ist passiert?", fragte ich direkt. "Sie-sie- war eines der ersten Opfer hier in Vulkanien. Sie wurde von den Soldaten überrascht und hatte keinen Schutz. Mein Dad war schon lange abgehauen und ich- ich war einfach nur dabei Harrys Anweisungen zu befolgen. Ich hätte für sie da sein können, ich meine ich hätte sie beschützen können und dann wäre sie jetzt noch hier bei mir und am Leben. Aber ich schätze ich habe versagt und jetzt klebt das Blut meiner eigenen Mutter an mir, ich habe sie umgebracht." Sanft presste ich meinen Zeigefinger auf seine Lippen, "du bist nicht Schuld, Spencer und ich bin mir sicher, dass mir deine Mutter auch Recht geben würde. "Ich vermisse sie", sagte er mir, während er mir tief in die Augen sah. "Ich weiß." Im nächsten Augenblick drückte er mir einen ewig langen Kuss auf die Stirn und ich musste lächeln.

In dieser Nacht hatte ich ihm alles erzählt. Von Selines Tod, dem Versagen meiner Eltern, "Jasons" Auftauchen, dem Krieg und dem Betrug von Harry und Seline. Er hatte mir die ganze Zeit über zugehört und hatte mich nicht ein einziges Mal unterbrochen und nachdem wir nach vielen Stunden endlich unsere Augen schlossen, stellte ich fest, dass ich in dieser Nacht keinen Albtraum hatte. 

Am nächsten Morgen war ich in Sekunden aufgesprungen und hatte mich angezogen. In Windeseile war ich an Lukes Tür angelangt. Ich sah wie Tess gerade das Bett machte und ich sah mich verwirrt um. "Wo ist Luke?", fragte ich sofort und wurde direkt panisch. "Er ist bereits vor zwei Stunden abgeholt worden", antwortete sie und in ihrem Blick lag ein Hauch vor Verwirrung. Wütend schlug ich gegen den Türrahmen. "Wieso zum Teufel habt ihr mich nicht aufgeweckt?", brüllte ich und versuchte den Schmerz, der an meiner Hand aufkam zu ignorieren. "Celia, Schätzchen, ich bin verwirrt. Luke hat mir gesagt, dass ihr euch bereits gestern Abend verabschiedet habt." Ich ballte meine Hände zu Fäusten. Er war gegangen ohne sich zu verabschieden. "Aber ich habe das hier gefunden, als ich aufgeräumt habe", teilte sie mir mit und reichte mir einen Zettel.

Celia,

ich wollte es dir nicht noch schwieriger machen, als es sowieso schon ist. Ich hoffe du verstehst es. Weine nicht um mich, ich bin es nicht wert. 

Dein Luke.

  Wütend zerknüllte ich das Blatt Papier und knallte es in den Papierkorb. Er hatte sich in den Tod gestürzt ohne mir davor noch wenigstens einmal in die Augen zusehen. "Celia, es tut mir so leid, ich wusste nichts davon", erwiderte Tess und ich schüttelte nur mit dem Kopf. Ich sollte nicht um ihn weinen? Wütend und traurig zugleich fasste ich mir ins Gesicht und bemerkte, dass es dafür bereits zu spät war. Er war mein bester Freund, wie konnte er so etwas nur von mir erwarten? "Wir beobachten ihn live, wenn du möchtest kann ich dich in den Raum bringen und eventuell ein Telefonat vereinbaren", sofort nickte ich und folgte ihr in dem Raum.

Ich musste noch einmal seine Stimme gehen. Ein einziges Mal. Bevor.. bevor er geht.

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