Kapitel 39
Wir saßen noch eine Weile nebeneinander, doch nach einer geraumen Zeit, wollte Luke, dass ich ging, damit er alleine war.
Ich hatte ihn noch nie so traurig, wütend und enttäuscht gleichzeitig gesehen. Die Worte die er brüllte, als er außer Kontrolle war, gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. "Wieso, wieso wird mir jeder Mensch den ich liebe, weggenommen?"
Ich fragte mich, ob er so etwas schon einmal erlebt hatte. Ich fragte mich, was mit ihm passiert gewesen war, er musste wohl einen Grund dafür haben, dass er so etwas gesagt hatte.
Im nächsten Moment kam ich schon an Jasons Zimmer an, leise öffnete ich die Tür. Das Licht war schon aus und ich hörte ein leises Schnarchen, aus der Richtung seines Bettes. Ein wenig enttäuscht drehte ich mich wieder um.
Erneut lief ich durch die Gänge, ohne ein bestimmtes Ziel, ich wollte noch nicht schlafen. Es gingen mir viel zu viele Dinge und Gedanken durch den Kopf. Es sind heute einfach zu viele schreckliche Dinge passiert, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekam. Egal wie sehr ich es versuchte. Immer wieder sprang mir eine Sache in meine Gedanken und egal wie sehr ich dagegen kämpfte, diese schrecklichen Gedanken verschwanden nie.
Orientierungslos lief ich durch die Gänge, bis ich vor einem Raum stehen blieb. Es war ihr Raum. Der Raum einer Verräterin und einer Mörderin. Es war Jasmines Raum.
Vorsichtig legte ich meine Hand auf die Türklinke, vielleicht hatte sie irgend einen Hinweis hinterlassen. Einen Hinweis darauf, warum sie vier unschuldige Jugendliche dem Tod überlassen hatte. Vier ihrer Teamkameraden, ihrer Freunde.
Ich drückte die Klinke hinunter und trat in den Raum hinein. Zu meiner Überraschung war er hell beleuchtet.
"Was machst du denn hier?", erschrocken drehte ich mich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Gerade noch so erhaschte ich einen Blick darauf, wie der Neue sich ein schwarzes Shirt über seinen dürren Oberkörper zog.
"Ich wusste nicht, dass das hier dein Zimmer ist", teilte ich ihm mit und drehte mich dann auf der Stelle um. Wieso habe ich nicht eins und eins zusammengezählt? Es war doch logisch, dass Tyrone ihr Zimmer bekam.
"Warte, bleib doch noch hier. Mir ist langweilig", bat er mich. Seufzend drehte ich mich um und steuerte zielstrebig auf den roten Sessel, in einer Ecke des Zimmers zu. "Nun gut, ich bleibe. Aber ich bin nicht besonders lustig oder eine angenehme Gesellschaft", mit diesen Worten versuchte ich ihn vorzuwarnen, aber er lächelte einfach nur.
"Also, warum warst du dort?", fragte ich direkt, während ich mein eines Bein über mein anderes legte.
"Wo dort?", verwirrt sah er mich an. Bei dem Anblick seines Erscheinungsbildes, musste ich leicht lächeln. Seine verstrubbelten Haare und die Sommersprossen, die in seinem Gesicht pragten, harmonierten perfekt miteinander. Er wäre genau der Typ meiner Schwester gewesen.
"Am Strand", antworte ich. Auf seinen schmalen Lippen bildete sich ein winziges Lächeln. Er zog nur die eine Mundhälfte in die Höhe.
"Gegenfrage. Warum warst du dort?", konterte er. Gespielt genervt verdrehte ich meine Augen, er war ein symphatischer Kerl.
"Es war ein besonderer Ort, ein besonderer Tag und ein besonderes Ereignis", sagte ich ohne zu viel zu verraten, nicht jeder sollte meine ganze bemitleidenswerte Geschichte hören, Mitleid war das Letzte was ich von ihm wollte.
"Und dann kam irgendein halbstarker um die Ecke und hat den ganzen Moment ruiniert. Jetzt verstehe ich es", lachend schlug er sich die Hand gegen die Stirn, "ich war für dich in diesem Moment wohl ein totaler Idiot."
Lächelnd zuckte ich mit den Schultern, denn er hatte total ins Schwarze getroffen.
"Du hast meine Frage nicht beantwortet. Wieso warst du dort?", hakte ich erneut nach.
Ich beobachtete wie sein breites Lächeln aus seinem Gesicht schwand und er den Blick auf den Boden sank. Oh. Ich hatte wohl eine Schwachstelle getroffen.
"Habe nach herumliegenden Münzen gesucht", nuschelte er etwas unverständlich. Hektisch wand er seinen Blick wieder nach oben und rang sich ein kleines Lächeln ab. "Irgendwie muss ich doch auch über die Runden kommen, nicht wahr?"
"Das tut mir leid", meinte ich leise, aber ich meinte es ernst. Niemand hatte ein solches Schicksal verdient, denn jeder wusste, dass man keine Unterstützung mehr bekam, wenn man einmal ganz unten angelangt war.
"Das muss es nicht, ich lebe seit vier Jahren so, habe mich an die ganze Kacke gewohnt. Viele Mädchen denken, dass sie mein neustes Mordopfer werden, wenn sie nicht sofort von mir wegrennen. Du bist nicht die Erste", grinsend zuckte er mit den Schultern, sein Lächeln war warm und echt, was mich dazu brachte auch ein Schmunzeln aufzusetzen.
"Wie schaffst du es so einfach über so etwas zu reden?", fragte ich. Sein Mut beeindruckte mich. Er war seine ganze Jugend über arm gewesen und tat so, als wäre es Nichts. Obdachlose oder Menschen die zu der "Unterschicht" gehörten, wurden aus der Gesellschaft in Aquaria ausgestoßen. Niemand mochte sie, niemand half Ihnen und niemand sah sie auch nur für eine Sekunde an.
"Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich schätze ich habe mit der Zeit gelernt, dass man sich nicht nur auf das Negative konzentrieren darf. Die Straße hat auch viele schöne Dinge an sich. Wenn man nicht die ganze Zeit nur an Partys, Arbeit und Geld denkt, dann sieht man die wahre Welt. Wie die Sonne aufgeht und wieder untergeht, wie die Sterne in der Nacht so unglaublich schön blinken. Wie schön die Natur überhaupt ist. Man hat Zeit dafür alles zu beobachten, sich auf die wichtigen Dinge auf der Welt zu konzentrieren. Man hat Zeit zu Leben."
"Wow", sagte ich. "Wow", äffte er mich nach, was mich zum wiederholten Male dazu brachte, meine Augen zu verdrehen.
"Naja, vielleicht war das nicht die ganze Wahrheit. Es ist ziemlich beknackt, abends mit einer viel zu kleinen Decke einzuschlafen, die nicht einmal deinen Hintern bedeckt. Außerdem gab es dann immer diese nervigen, streunenden Katzen, die mir nachts immer mein Essen weggefressen hatten. Zum Teufel mit denen. Aber alles in einem war es... auszuhalten." Verständlich nickte ich und versuchte mir das Szenario in meinem Kopf vorzustellen. Nicht besonders schön.
Tyrone gähnte und streckte sich quälend langsam. "Ich bin müde. Celia, es war schön dich kennengelernt zu haben, aber ich brauche jetzt dringend meinen verdienten Schlaf. Wer weiß, ob wir morgen nicht schon irgendwo mit einer Kugel im Kopf herumliegen. Dann wäre das hier mein letztes Mal schlafen und das möchte ich wohl genießen", lächelnd ging ich auf den Ausgang zu.
"Keine Sorge, hab schon verstanden. Gute Nacht", sagte ich und verließ dann den Raum.
Ich bewunderte Tyrone, er war unglaublich stark und ich wusste, dass er deutlich untertrieben hatte. Das Leben auf der Straße war sicherlich nicht so toll, wie er es mir beschrieen hatte.
Ohne lange nachzudenken lief ich in die Richtung von Jason, zog mir meine ungemütlichen Alltagsklamotten aus und kuschelte mich an seinen warmen Körper. Heute werde ich keine Albträume haben, nicht wenn er bei mir war. Er beschützte mich.
Plötzlich wurde ich näher an seinen Körper gezogen. "Gute Nacht, Prinzessin", flüsterte er. Sofort lächelte ich, jetzt war ich mir hundertprozentig sicher. Ich werde fantastisch schlafen.
Noch 5 Kapitel bis zu Teil 2 von Four Parts....
Frage an die Leser: wer ist aktuell euer Lieblingscharakter und warum?
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