Kapitel 33
Sofort riss ich meine Augen auf und stellte mich schützend vor ihn. Der Mann lächelte nur.
"Entzückend", er lachte. "Aber keine Sorge, er war nicht mein Ziel."
Blitzschnell drehte er sich um und zielte auf Wache Lang. Ein lauter Schuss ertönte. Wache Lange fiel auf den Boden, aus seinem Körper floss Blut. Ängstlich hob ich mir die Hand vor den Mund. Wache Lang begann zu husten, was zur Folge brachte, dass aus seinem Mund Blut lief. Sofort überkam mich das Gefühl der Übelkeit. Plötzlich hörte er auf zu husten und seine Hand, die er sich zuvor schützend über den Mund gelegt hatte, sackte auf den Boden. Er war gestorben, Wache Lang war vor unseren Augen gestorben.
Werden wir die Nächsten sein?
Der unbekannte Mann drehte sich langsam wieder in unsere Richtung, auf seinen Lippen lag ein widerliches Lächeln. Was für eine Art Mensch musste man sein, wenn man nach so einer grausamen Tat noch lächelte? Der leblose Körper von Wache Lang wurde gerade von den anderen Wachen aus dem Zimmer getragen.
Nervös schluckte ich. Wie immer hatte ich Angst. Aber dies war in letzter Zeit ein ewiger Dauerzustand. Ich hatte Angst zu schlafen, Angst zu verlieren, Angst zu versagen und Angst zu sterben.
Der große Mann lief hin und her im Raum. Mit jedem Schritt den er tätigte, beschleunigte sich meine Atmung einen Ticken mehr. Niemand wusste was seine nächste Handlung war, vielleicht waren das unsere letzten Sekunden in denen wir lebten.
"Team 362. Wir sind wirklich sehr enttäuscht darüber, dass so etwas passierte. Ihr habt gesehen welche Konsequenzen ein solches Handeln mit sich bringt. Ich schenke Wache Lang keinen Glauben, ich glaube ihm kein einziges Wort", er machte eine Pause und kratzte sich am Kinn.
Er glaubte Wache Lang nicht. Das heißt das wir schuldig waren. Bevor ich weiter über seine Worte nachdachte, begann er schon wieder zu reden.
"Allerdings habe ich mir eure Werte angesehen, ihr seid ein beinahe perfektes Team, weswegen sich die Regierung dazu entschied euch eine weitere Chance zu geben, ist das nicht toll?", er lächelte stolz in die Runde.
"Super, klasse. Ich könnte mir kein besseres Leben vorstellen", spottete Leila. Bei dem Mut den sie vorwies, stockte mir der Atem. Früher dachte ich immer, dass ich taff war. Doch seitdem ich Leila kannte wusste ich, dass ich es nicht war. Ich war verletzlich und schwach.
Die Wache lachte laut auf. "Kleines, ich bin Wache Jones und glaub mir wenn du mich erstmal kennengelernt hast, dann wirst du dich nie wieder trauen so etwas zu sagen."
"Niemand wird mich zum Schweigen bringen", selbstbewusst verschränkte Leila ihre Arme vor den Brust, mit ihren Worten entlockte sie Jones ein weiteres Lachen.
"Du gefällst mir", meinte er. "Wie dem auch sei, da ihr leider keinerlei Disziplin besitzt müssen wir natürlich etwas ändern. Ihr werdet nicht mehr so viele Freiheiten haben dürfen wie in den vergangenen Tagen. Natürlich müsst ihr strengstens überwacht werden, weswegen ihr nur eine der besten Wachen ganz Aquarias abbekommen könnt. In dem Fall bin das eben ich", beinahe bescheiden zuckte er mit den Schultern.
"Das Training beginnt um sechs, nicht mehr um zehn", beinahe wollte ich laut aufstöhnen. Allerdings fiel mir ein, dass ich keinen Grund hatte mich zu beschweren. Sie hätten uns alle hinrechten können, hatten sich aber dagegen entschieden.
"Alle Räume außer die Trainingshalle, der Gemeinschaftsraum, die Küche, der Essensraum und eure Schlafzimmer sind tabu", seltsamerweise kam es mir so vor, als würde er bei diesen Worten besonders mich und Jason anstarren.
"Das Training dauert bis zu zehn Stunden. Von sechs bis sechszehn Uhr. Danach habt ihr wie gewohnt Freizeit", erklärte er weiterhin. "Wer sich daneben benimmt, wird ohne Vorwarnung auf den Bestrafungsplatz geschickt. Das Training am nächsten Tag ist trotzdem anzutreten", sagte er.
"Da eine Kameradin von euch geflohen ist, werdet ihr heute ein neues Mitglied bekommen", teilte er uns mit. "Wachen, bringt ihn rein."
Mein Blick wand sich auf die Tür. Ein riesiger, dünner Junge kam hinein gestolpert. Seine roten Haare fielen ihm locker ins Gesicht, die Sommersprossen die sich in seinem Gesicht befanden, waren unglaublich schön. Etwas besonderes.
Wane winkte ihn zu sich.
Er legte seine Hand auf die Schulter des Neulings.
"Das ist Tyrone Mall", teilte er uns mit. Der neue Junge hob schüchtern seine Hand. "Da durch Jasmines Ausfall ein flinkes und schlaues Köpfchen fehlte haben wir Ihn aus Team 867 entfernt und euch gebracht. Er ist hier besser aufgehoben", merkte er noch an.
"Ihr habt einige Stunden Zeit ihn kennenzulernen, danach werden wir euch Dinge vorstellen", sagte er noch.
Anschließend ging er auf Leila zu und packte sie grob am Arm.
"Wir beide haben noch ein Wörtchen miteinander zu reden", brüllte er beinahe. Mit neutraler Miene verließen beide den Raum. Die Sorge in mir machte sich breit, würde er ihr etwas antun?
Sofort fiel ich Jason und Luke um die Arme. Sichtlich überrascht von meiner Attacke erwiderten sie erstmals die Umarmung nicht. Allerdings schlossen sie nach einigen Sekunden auch ihre Arme um mich.
"Niemals hätte ich gedacht, dass ich den heutigen Tag noch überleben werde", ich seuftze laut auf.
"Niemand von uns hätte das", meinte Luke. "Außerdem wird es vielleicht eine von uns nicht mehr lebendig rausschaffen, ich mache mir echt Sorgen um Leila", flüsterte er beinahe überhörbar.
"Leila ist stark, sie schafft das", ermutigte Jason ihn. Zustimmend nickte ich mit meinem Kopf.
"Du weißt doch gar nicht wovon du redest. Nur weil sie laut dir stark ist, heißt es nicht, dass sie der Folter die sie jetzt ertragen muss standhalten kann. Ich komme aus dem Königreich, ich weiß wie mein Onkel und seine Angestellten mit Menschen umgehen. Sie hat Glück, wenn sie nur ein paar blaue Flecken haben wird. Aber ich bezweifle es", ohne noch etwas zu sagen verließ Luke den Raum.
Ohne weiter Nachzudenken folgte ich ihm. Er war schon ein wenig vor mir, aber sein Weg landete in Leilas Zimmer. Zaghaft klopfte ich an und betrat dann den Raum.
Luke saß auf dem Bett, er hatte Leilas Kissen fest an sich gepresst. Augenblicklich war ich berührt, er mochte sie. Er mochte sie sehr. Mit ein wenig Abstand setzte ich mich neben ihn.
"Wieso muss sie immer so stur sein? Ich liebe sie dafür, dass sie zu allem eine eigene Meinung hat. Aber wieso, wieso handelt sie so unüberlegt", sagte er.
"So ist Leila eben", augenblicklich wollte ich mir auf meine Stirn hauen. Das waren nicht die Worte, die eine Person hören wollte, wenn sie traurig war. Woher sollte ich auch wissen, wie man eine Person tröstete? Bisher war immer ich die Person die Trost brauchte.
"V-vielleicht reden sie wirklich nur", flüsterte ich.
"Das glaubst du wohl selbst nicht", entgegnete er harsch. "Nein", gab ich schließlich zu.
"Vielleicht wird es nicht so schlimm, vielleicht hat sie Glück. W- wir müssen nur warten."
Das taten wir, wir warteten und warteten.
Bis Leila schließlich das Zimmer betrat, mit einem Blick auf dem Gesicht, den ich nie wieder vergessen werde.
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