{||} Kapitel 22
Ich antwortete nicht auf Tyrones Kommentar, jedoch machte ich mir viele Gedanken darüber. War die Zeit der Angst wirklich vorbei? In meinem Bauch tobte nämlich ein ziemlich unwohles Gefühl, vielleicht war das alles nur eine Falle. Vielleicht begann die Zeit der Hoffnung doch noch nicht und alles wird nur noch schlimmer. Das was wir gerade taten war eine Fahrt ins Ungewisse und ich hoffte darauf, dass sie nicht so böse endete wie es damals am Tag der Zählung gewesen war.
Die Luft in diesem Auto warv stickig. Neben Tyrone saß ein Angestellter von Jason, der mich streng beobachte. Er war nicht viel älter als ich, aber ich hatte trotzdem ein unwohles Gefühl. Seitdem ich damals von einer Wache von König Mason belästigt wurde, hatte ich mir vorgenommen vorsichtiger zu werden. Noch immer hatte er seinen Blick auf mich gerichtet und ich wurde immer nervöser. Mit einem leichten Kopfschütteln sah ich hinweg und starrte aus dem Fenster. Ich werde mich nicht einschüchtern lassen.
Wir fuhren in einem schnellen Tempo, das merkte, da die Häuser an denen wir vorbei fuhren schneller verschwanden, als sie überhaupt aufgetaucht waren. Eine Sache allerdings bemerkte ich. Manche Scheiben waren zertrümmert, Türen standen offen und weit und breit war kein einziger Mensch zu sehen. Zumindest kein lebender. Sofort sprang mir dieser eine Gedanke in den Kopf. Wir waren das. Diese Vernichtung hatten unsere Truppen angerichtet. Ich dachte gestern wirklich, dass ich dem Krieg entflohen war. Ich dachte wirklich, dass ich sicher war. Aber diese schreckliche Szenen, dieses Bild, dass ich vor Augen hatte bewies mir genau das Gegenteil. Ich war nicht sicher, nicht hier, nicht in Aquaria, nicht irgendwo anders. Es gab nur einen Ort, an dem ich mich sicher fühlte. Dieser Ort hatte einen Namen und mit jedem vorbeiziehenden Haus entfernte ich mich immer weiter von ihm. Mit jedem eingeschlagenen Fenster wird mir bewusster, dass ich mich vielleicht nie wieder so fühlen werde.
Der Krieg war da und mit meiner Entscheidung zu gehen hatte ich die einzige Sache verloren, die einen aus all dem Bösen, dass einem widerfuhr retten konnte. Die Liebe. Die Liebe siegte über Angst, Wut und Enttäuschung. Am Ende wird immer sie auf dem Siegerpodest stehen. Ich hoffte, dass die Liebe nach dieser Entscheidung noch auf meiner Seite war, denn wenn nicht, dann wusste ich einfach nicht mehr weiter.
Noch immer fuhren wir in die Richtung des Ungewissen. Die Luft wurde immer stickiger. Sechs Menschen in dieser nicht gerade geräumigen Sitzgelegenheit. Der Fahrer war noch nicht mit einberechnet, aber er wurde sowieso durch eine schwarze Wand von uns anderen getrennt. Vielleicht hatte mein geheimnisvoller Verwandter Angst, dass ich rebellierte, ein Messer zückte und ihn abstach. Ziemlich unrealistisch, aber dennoch möglich. Ich war nicht unbekannt für meine ständig wechselnden Stimmungen.
Die Luft war noch immer ziemlich schlecht, wurde immer schlimmer, aber ich beschloss nichts zu sagen. Wozu auch? Ich hatte schon schlimmeres im Leben erlebt, ein wenig drückende Luft konnte ich wohl aushalten.
Vorher wollte ich die Menschen, die draußen auf dem Boden lagen ignorieren, redete mir ein, dass ich es mir nur eingebildet hatte, aber jetzt bin ich mir ziemlich sicher, dass hier nicht nur Häuser zerstört wurden. Ein Mensch lag auf den Boden. Wahrscheinlich war er tot, vielleicht war er auch nur schwer verletzt. Wahrscheinlicher war die erste Möglichkeit. Für eine Sekunde schloss ich meine Augen, damit ich das schreckliche Bild verdrängen konnte, doch als ich sie öffnete sah ich schon wieder die nächste Leiche. Diese Straßen, diese Stadt war ein Friedhof. Sie war ein Friedhof voller Zivilisten, Zivilisten die wahrscheinlich gerade dabei waren Mittag zu essen, ein Buch zu lesen oder sich auf den Weg zur Arbeit machten. Menschen die nicht wussten, was ihnen widerfuhr, als eine Truppe von Jugendlicher hier einmarschiert war und einen nach dem anderen hingerichtet hatte. Unschuldige Menschen.
Jeden Tag starben unschuldige Menschen. Ich wusste nicht einmal richtig, wieso dieser Krieg ausgebrochen war, wieso dieses perfekte System, doch nicht so perfekt war, wie es jeder gedacht hatte. Niemand von uns wusste es. Niemand von den Jugendlichen, die dazu genötigt wurden in den Krieg zu ziehen und ihr Land zu verteidigen. Hier in Vulkanien sterben Unschuldige, in Terranien, in Tempestasa und auch zu Hause in Aquaria. Unsere Vorfahren hatten gelernt, dass niemand bei einem Krieg gewinnt. Sie hatten gelernt, dass es Millionen an Opfern geben wird, aber das war es auch nicht. Sie hatten gelernt, dass Familien außeinander gerissen werden, dass Häuser zerstört wurden und nichts mehr so sein wird wie es einmal war. Sie hatten gelernt, dass es nichts brachte. Doch die nächste Generation machte wieder diesen einen Fehler. Es war fast so, als würden sie denken, dass sie besser waren. Dass die Menschen vor vierzigen Jahren noch nicht so gebildet waren wie wir, dass es wirklich einen Sieger geben würde. Falsch gedacht. Mehr als falsch gedacht.
Plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein lautes Hupen. Die nächsten Dinge die passierten, geschahen viel zu schnell. Nicht länger als ein paar wenige Wimpernschläge dauerte es an. Der Wagen kam aus dem Gleichgewicht, man hörte ein lautes Klirren und ich sah mich ängstlich um. Ich sah Tyrone an, der sich umdrehte und hektisch die schwarze Metallwand auf die Seite schob. Alles was ich erkannte, war eine Menge Blut. Am Hinterkopf des Fahrers und an der Scheibe. Jemand hatte geschossen, das war jetzt klar.
Der Wagen wurde langsamer, schnell sah ich aus dem Fenster und war erleichtert, dass wir nicht in der Nähe von Bäumen oder Abgründen waren. "Duckt euch alle", befahl eine Wache. Ich tat das, was er von mir verlangte.
"Was machen wir?", fragte ich nervös. Ich bemerkte wieder, wie ich dieses lästige Herzrasen bekam. Ich hatte alles erwartet, aber nicht das. Die drei Angestellten, die Jason mitgeschickt hatten, fassten alle gleichzeitig unter ihre Sitze. Es erschienen jeweils zwei Waffen, sie händigten uns allen eine aus. Allen außer Luke. Sofort bekam ich ein schlechtes Gefühl in der Magengrube. Ich hatte mir heimlich geschworen, dass ich nie wieder so ein mörderisches Ding in den Händen halten werde. Versprechen gebrochen. Wie immer.
"Ich nehme an, dass ihr alle schießen könnt. Wir müssen jetzt das Risiko eingehen, sonst kommen wir hier nicht vom Fleck. Wie ihr sehen könnt, sind wir gerade in einem verlasseren Teil der Stadt, deshalb können wir keine Verstärkung herbeirufen. Ich zähle gleich bis drei. Tyrone, Spencer und Celia ihr übernehmt die rechte Seite. Ich und Jack werden links aussteigen. Ihr handelt ohne Gewissen und schießt aus alles das sich bewegt. Verstanden?", ich nickte nachdem die Wache zu Ende geredet hatte. Die Wache die mich vorher beobachtet hatte, verteidigte ebenfalls meine Seite. Ich hoffte er konnte noch andere Dinge, außer Menschen anzustarren.
"3, 2, 1", blitzschnell öffnete ich die Türe, sodass Tyrone und Spencer vorgehen konnten. Sofort ertönten die ersten Schüsse. Schnell eilte ich zur Hilfe, beide standen zum Glück noch auf den Beinen. Jetzt sah ich die Angreifer auch, sie kamen aus einer engen Gasse gerannt. Es waren nur zwei, ich konnte an ihrem Alter erkennen, dass sie aus Aquaria stammten. Ich wollte schießen, aber ich verharrte in meiner Position. Ich wusste nicht wieso, ich wusste nicht warum, aber ich konnte mich nicht bewegen. Es funktionierte nicht, nichts funktionierte.
Ein Schuss ertönte. Einer der Angreifer fiel auf den Boden. Ein weiterer Schuss und aus den Augenwinkeln erkannte ich, dass Spencer zu Boden fiel. Noch immer starrte ich den verbliebenen Jungen an. Ohne mich auch nur ein winziges Stück zu bewegen. Er hebte seine Waffe und zielte auf mich. Mein Herz fing an schneller zu schlagen, mein Puls schoss in die Höhe und ich riss meine Augen weiter auf, als es überhaupt möglich war. Ich hatte Angst, aber ich konnte mich nicht bewegen, es funktionierte nicht.
Der Junge sprang ab. Doch anstatt einer Kugel spürte ich, wie jemand mich auf die Seite schuckte. Es war Tyrone, der in der nächsten Sekunde einen lauten Schmerzensschrei von sich gab.
Das war nicht die Sache, von der ich erzählt habe, diese muss wohl noch ein wenig warten. Aber ja :( Tyrooone:(
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