{||} Kapitel 12
Mit schwerem Herzen schnappte ich mir meinen noch schwereren Rucksack. Einen letzten Blick warf ich auf Luke, er saß wieder auf den Boden, den Blick hatte er steif nach unten gerichtet. Er war wortwörtlich am Boden zerstört und wir ließen ihn einfach zurück. Wir ließen ihn alleine mit seinen Tränen, seinen Ängsten und seiner Wut.
Seine Wut auf sich selbst, denn wenn wir damals nicht Veroniques Bruder erschossen hätten, dann hätte Veronique nicht Leila erstochen. Aber wenn wir ihn nicht erschossen hätten, dann wäre Leila vielleicht schon früher gestorben. Vielleicht hätten sie sich nicht versöhnt. Dann hätte sie bis an ihr Lebensende daran geglaubt, dass Luke der jenige war, der sie missbraucht hatte. Zum Glück hatte Ihnen das Leben noch ein wenig Zeit geschenkt. Viel zu wenig, wenn man mich fragen würde, aber wenigstens etwas. Manchmal muss man die kleinen Dinge in seinem Leben schätzen. Denn diese kleinen, zuerst unbedeutbare Momente, sind die, die das Leben erst lebenswert machten.
Mit jedem Schritt, mit dem wir uns von ihn entfernten wurde ich trauriger. War das das Richtige? War ich wirklich bereit dazu, einen Freund zurück zulassen, nur um mein eigenes Leben zu sichern? War ich wirklich schon zu so einem Menschen geworden? Die bessere Frage war, war ich wieder in mein altes Ich hineingetaucht? Interessierte ich mich wieder einmal nur für mich, oder warum traf ich gerade diese Entscheidung?
Seline würde mich verabscheuen. Sie hätte so etwas nie getan, sie wäre bei Luke geblieben und hätte ihn getröstet. Selbst wenn diese Entscheidung ihren eigenen Tod mit sich bringen würde. So war sie eben, mein kleiner Engel.
Aber Seline würde bestimmt auch nicht wollen, dass ich mein Leben riskieren würde. Ich war doch ihre große Schwester, sie hatte mich genauso geliebt, wie ich sie jetzt immer noch liebte.
Gefangen in einem Zwiespalt. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich einfach nicht mehr was richtig und was falsch war. Existierten zu dieser Zeit richtige Entscheidungen überhaupt noch?
Wir waren schon etwas weiter gelaufen. Luke konnte ich nicht mehr erkennen, selbst wenn ich mich bemühte.
Niemand von uns redete auch nur ein einziges Wort. Das einzige Geräusch, was ich hörte, war das leise Zwitschern der Vögel, die sich im Wald aufhielten. Diese Stille, diese Stille war einfach nur unfassbar unerträglich. Ich wollte schreien, ich wollte weinen, ich wollte schluchzen, verdammt ich wollte sogar einfach mal wieder lächeln können. Richtig lächeln, vom ganzem Herzen und nicht einfach nur, weil die Situation es von mir verlangte.
Aber das war nicht mehr möglich. Nicht jetzt und auch nicht in einem Jahr. Entweder, weil ich in 365 Tagen nicht einmal mehr am Leben war oder einfach, weil ich bis dorthin schon zu vielen Menschen das Lächeln raubte, indem ich sie erschossen hatte. Mir war nicht bewusst, welche dieser beiden Möglichkeiten mir lieber war. Beide waren schrecklick, mehr als schrecklich.
Es fing bereits an zu dämmern und ich machte mir Sorgen. Meine Wasserflasche war leer, mein Magen knurrte und mittlerweile war ich von dem schweren Rucksack wieder erschöpft. Wenn wir nicht bald eine Wasserquelle finden, dann wusste ich nicht mehr wie ich noch weiterlaufen sollte.
"Leute", flüsterte Tyrone aufeimmal. Sofort wurde ich aufmerksam und blickte zu ihm. Er deutete auf etwas hinter den Büschen, hinter denen wir uns gerade befanden. Jetzt erkannte ich es auch. Dort stand tatsächlich ein Haus, ein Haus wie ich es aus Aquaria kannte. Mitten im Wald. Wer wohnte mitten im Wald?
Die Lichter brannten nicht. Zumindest nicht die Lichter, auf der Seite die wir sahen. Eventuell hatten wir Glück und wir hatten gerade eine neue Unterkunft gefunden. Vielleicht gab es sogar einige Essensvorräte und wenn wir ein Riesen Glück hatten, dann funktionierten die Wasserleitungen auch noch.
"Was machen wir?", fragte ich schließlich.
"Was sollen wir machen? Wir gehen natürlich rein", entgegnete Tyrone. Seine Stimme klang unfreundlich, aber ich verstand warum. Ich war vorhin einfach abgehauen, obwohl er mich in diesem Moment gebraucht hatte.
"Was wenn dort Menschen drinnen sind?", hakte ich schließlich nach.
"Dann schießen wir. Ihre Landsleute haben doch auch keine Scheu davor auf irgendwelche unschuldigen Jugendlichen zu schießen", antwortete er. Allerdings erkannte ich, dass er log, denn er wand die ganze Zeit über seinen Blick auf den Boden. Tyrone würde niemals eine unschuldige Familie umbringen, eine Familie die rein gar nichts mit diesem Krieg zu tun hatten.
"Du bist dann nicht besser Tyrone, du wirst nicht besser sein als König Mason oder Aquaria. Diese Soldaten, die müssen wir umbringen, aber da drin lebt vielleicht eine völlig unschuldige Familie, wir können sie nicht einfach umbringen", widersprach ich ihm.
"Was sollen wir denn sonst tun? Sollen wir gemütlich einen Tee mit Ihnen trinken und höflich fragen ob wir die nächsten Tage vielleicht bei Ihnen unterkommen können, damit wir nicht getötet werden?", die Worte brüllte er beinahe. Enttäuscht verschränkte ich meine Arme.
"Vielleicht ist nicht jeder mit diesem Krieg einverstanden, vielleicht haben diese Menschen dort drinnen einen gesunden Menschenverstand und lassen uns wirklich dort wohnen", entgegnete ich.
"Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Hörst du dir selbst denn gar nicht zu? Das sind alles nur Möglichkeiten mit einer winzigen Wahrscheinlichkeit, das sind alles nur deine Hoffnungen und darauf können wir nicht vertrauen. Verdammt Celia, ein kleines Kind hat unsere Freundin abgestochen, in diesem Krieg ist alles möglich."
"Nein Tyrone, du- du wirst sie einfach nicht umbringen, verstanden?", sagte ich.
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, wahrscheinlich war es Jason.
"Wenn er es nicht tut, dann mache ich es", sagte die Stimme. Zögerlich drehte ich mich um. Es war nicht mein Freund, es war Luke.
"Was machst du hier?", fragte ich verdutzt. Unser Abschied war wohl doch nicht so lange gewesen.
"Ich will Rache, Rache an meinen Onkel und ohne euch werde ich es nie hier raus schaffen, ich brauche euch. Also, wir verschwenden keine Zeit, wer sich dort drinnen befindet wird plattgemacht."
Mit diesen Worten lief er in die Richtung des Hauses. Schluckend ging ich ihm hinterher und betete still, dass sich niemand im Haus befand.
Wir befanden uns nur noch einige Meter entfernt und mein Herz pochte immer schneller. Die Nervosität breitete sich in meinem ganzen Körper aus und meine Beine fühlten sich an wie Backsteine. Es wäre doch schwachsinnig, wenn diese Familie nicht schon längst ihr Haus verlassen hätte oder? Dort ist bestimmt niemand mehr, es wäre total leichtsinnig noch in diesem Gebiet zu wohnen.
Luke trat die Tür ein, er verschwand in der Dunkelheit, in der einen Hand seine Pistole und in der anderen eine Taschenlampe. Auch ich griff nach meiner Taschenlampe und folgte ihm anschließend in den Flur.
Als ich hineintrat erschrak ich, überall an den Wänden hingen Bilder. Bilder von drei Kindern und zwei Erwachsenen. Drei Kinder. Vielleicht befanden sich gerade drei Kinder in diesem Haus. Drei tote Kinder.
Luke war bereits im nächsten Raum, ich ging in den gegenüberliegenden Raum und dann entdeckte ich es.
Sofort begann ich zu schreien. So laut wie noch nie. Ich sackte auf dem Boden zusammen und schaltete meine Taschenlampe aus, damit ich nicht noch einmal die Dinge sah, die ich gerade gesehen hatte. Die Leichen von fünf Menschen. Drei Kindern. Alle fünf hatten einen Körper übersät mit Einschusslöchern. Es war schrecklick, es war mehr als schrecklich. Wer war vor uns hier gewesen und vorallem wo waren diese Menschen jetzt?
So schnell ich konnte verließ ich den Raum, damit ich diesen Ablick nicht mehr ertragen musste. Im Flur traf ich auf Jason. Er war verdächtig still und ich fragte mich, was gerade in sich vor ging.
Doch ich konnte mir nicht lange Gedanken über all diese Dinge machen. Über Lukes Rückkehr, über die Leichen auf den Boden oder über Jasons seltsames Verhalten. Denn es klopfte.
"Hör zu Celia. Es werden jetzt einige Dinge passieren, die dir nicht richtig vorkommen und ich, ich weiß nicht ob es dir gefallen wird, aber bitte, du musst wissen, dass ich dich wirklich geliebt habe und auch immer noch liebe", sagte Jason aufeinmal in einer Hektik, die ich überhaupt nicht verstand? Was meinte er damit, was wollte er mir gerade sagen?
Im nächsten Moment wurde die Türe aufgetreten und drei Waffen wurden auf uns gerichtet.
Was hat Jason wohl zu verbergen?...
Es wird aufjedenfall wieder eine große Veränderung geben! Wann das nächste Update kommt, kann ich nicht sagen, denn ich habe gerade ziemlich viel Stress, da ich in ungefähr 4 Wochen meine Prüfungen schreibe. Aber ja, ich werde bestimmt mal Zeit finden um wieder zu schreiben:)
Frage: Welches Cover ist besser? Das aktuelle oder dieses?
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