{||} Kapitel 11
Vier Mal. Das ist die Anzahl der Zusammenbrüche, die Luke in nur wenigen Minuten erlitten hatte. Vier Mal rannte er weg, vier mal wollte er nur zurück zu ihr. Vier Mal brach es mir das Herz ihn so zusehen. Vier mal und ich schätzte, dass es nicht bei diesen vier Mal blieb.
Vierzehn Mal, vierzig Mal, vierhundert Mal. Vielleicht auch mehr. Vielleicht auch weniger. Gerade war er wieder dabei. Er lag auf den Boden, zusammengerollt in einer Kugel. Ich war den Tränen nahe, aber ich riss mich zusammen. Vorsichtig kniete ich mich neben ihn. Seine Augen waren weit aufgerissen und er atmete hektisch.
"Luke, wir müssen weiter, es wird bald dunkel", sagte ich zu ihm.
"Geht ohne mich weiter", murmelte er, ohne auch nur ein einziges Mal zu mir zusehen.
"Das kann ich nicht zulassen, du bist unser Freund, wir brauchen dich doch", meinte ich und setzte mich neben ihn.
"Es wird darauf keine Rücksicht genommen. Der Welt ist es egal, was wir brauchen und was wir nicht brauchen. Ich habe sie auch gebraucht und jetzt ist sie weg."
Diese Worte machten mich nur noch trauriger. Er hatte sie sehr gemocht, geliebt, was auch immer. Sie war ihm wichtig und jetzt war sie weg. Genauso wie Claire damals.
Plötzlich griff jemand nach meiner Hand und zog mich langsam wieder auf die Beine.
"So wird das nichts Celia, lass es mich versuchen", meinte die Person, es war Jason. Ich nickte stumm, aber dachte mir bereits jetzt, dass es nicht funktionieren würde. Die beiden hatten die ganze Zeit über vielleicht ein oder zwei Mal miteinander geredet, wieso also sollte Luke auf ihn hören?
Ich stellte mich neben Tyrone, der ein wenig hinter uns stand.
"Wie geht es dir?", fragte ich schließlich. Leila war auch seine Freundin und ich hatte ihn nicht ein einziges Mal gefragt, wie es ihm geht, schon wieder fühlte ich mich schuldig.
"Schlecht", entgegnete er, ich biss mir auf die Lippen und suchte nach Worten. Wieder waren keine dort, wie immer wenn ich sie brauchte. Jedes verfluchte Mal.
"Es, es tut mir fürchterlich leid", flüsterte ich, während ich ihn ansah. Er sah noch blasser aus als sonst, obwohl das fast unmöglich war. Denn seine roten Haare, ließen ihn sowieso immer heller wirken, als er eigentlich ist.
Enttäuscht von mir selbst wand ich mich wieder zu Luke und Jason, ließ Tyrone alleine dort stehen obwohl ich wusste, dass er mich gerade brauchte. Ich wusste, dass er gerade nicht alleine sein konnte. Wieso war ich so eine schlechte Freundin?
Jason hatte sich bereits neben Luke gesetzt, ich entschloss mich stehen zu bleiben.
"Hör zu Luke. Ich weiß, dass es dir schlecht gehen muss, unfassbar schlecht, sogar mehr als schlecht. Aber das hier alles wird sie nicht mehr zurückbringen, sie wird nicht mehr zurückkommen egal wie lange du auf diesem Boden sitzen bleibst. Auch wenn es schwer klingt, wenn du dich nicht zusammenreißt, dann wird sie bald nicht mehr die einzigen Tote sein, denn in der Dunkelheit haben wir geringe Chancen zu Überleben. Ich, ich weiß wie du dich gerade fühlen mu-", bevor Jason seinen Satz beendete, wurde er durch Lukes wütende Stimme unterbrochen.
"Du weißt wie ich mich gerade fühlen muss? Ist das gerade dein Ernst? Du weißt doch gar nichts über meine Gefühle, du weißt doch gar nicht was es überhaupt ist zu leiden. Der perfekte Freund, der perfekte Soldat mit dem perfekten Aussehen und den perfekten Worten. Was sollte dir schon passiert sein? Hast du mal deine Finger an einem Messer geschnitten, weil du deiner Mutter helfen wolltest? Sag schon Jason, sag es mir do-", auch er wurde diesesmal unterbrochen. Durch Jasons Faust in seinem Gesicht. Erschrocken zuckte ich auf, erschrocken von der Gewalt, die Jason gerade an den Tag legte. Wieso tat er das?
"Rede nie wieder so über meine Mutter, verstanden? Weißt du was, mach das was du willst. In zwei Minuten brechen wir auf und mir ist es mehr als egal, ob du mitkommst oder nicht, von mir aus kannst du genau hier auf dieser Stelle verrecken", Jasons Stimme war nicht mehr ruhig oder angenehm, wie ich sie kannte. Diese Worte hatte er Luke dreckig ins Gesicht gebrüllt und er sah nicht so aus, als würde er es in irgendeiner Ansicht bereuen. Es war, als wäre er ein ganz anderer Mensch. Seine Mutter war wohl eine Schwachstelle. Wieder einmal fiel mir auf, dass ich so gut wie gar nichts über ihn wusste.
"Luke, überlege es dir bitte. Ich will nicht noch jemanden verlieren. Ich will nicht dich verlieren, du bist mein Freund und ich weiß nicht, ob ich ohne dich weiter gehen kann", verzweifelt versuchte ich ihm mit diesen Worten ins Gewissen zu reden, aber er schüttelte die ganze Zeit einfach nur den Kopf. Er schüttelte nur seinen Kopf, es interessierte ihn gar nicht, dass ihm seine braunen Haare wild ins Gesicht schlugen. Er machte mich wahnsinnig mit dieser Bewegung.
"Sag doch etwas, bitte", sagte ich. Meine Worte kamen eher bissig an, nicht so wie sich eine Bitte anhörte.
"Ich verzichte, bei dieser Furie die unter uns lebt, riskiere ich nur, dass mein Herz nicht mehr das einzige Gebrochene an meinem Körper ist."
"Luke", wisperte ich verzweifelt. Ich konnte ihn nicht einfach zurücklassen, ohne Schutz und ganz auf sich alleine gestellt. Das konnte ich mit meinem Gewissen und Herzen einfach nicht vereinbaren. Ich wäre daran Schuld, wenn ihm irgendetwas passieren würde. Ganz alleine Ich.
"Celia, gib es auf, ich werde nicht mitkommen. Ich kann es einfach nicht. Bitte geh mit ihnen mit, dann weiß ich wenigstens, dass es dir gut geht, okay?", entgegnete er.
Ich antwortete nichts, denn er stand auf und die Hoffnung breitete sich in mir aus. Die Hoffnung, dass er doch mitkam. Die Hoffnung, dass ich nicht noch einen weiteren geliebten Menschen verlor. Die Hoffnung, dass seine Worte gerade nur eine große Lüge waren.
Aber es kam anders. Er drückte mich fest an sich. Sofort schlang ich meine Hände um seinen Hals und zog seinen Duft in mich hinein. Vielleicht war es das Letzte mal. Das Letzte mal, dass ich ihn sehen werde. Sanft strich ich ihn über seinen Rücken und versuchte jede einzelne Sekunde dieses Momente zu genießen. Meine Gedanken schweiften zu unserem ersten Gespräch. Er war mir damals so symphatisch, wir mochten die gleiche Person nicht. Seinen Onkel, König Mason. Auch damals dachte ich, dass ich ihn nie wieder sehen werde, aber er kam. Er kam zu meiner Rede am Marktplatz. Damals dachte ich auch, dass ich ihn nie wieder sehen werde, doch auch damals kam er wieder, um mich vor meiner Todesstrafe zu retten. Wieder dachte ich, dass ich ihn nie wieder sehen würde, erneut täuschte ich mich. Auch wenn der Anlass kein schöner war, wir waren gemeinsam in einem Team. Vielleicht, vielleicht meinte es das Schicksal gut mit uns. Vielleicht sahen wir uns wieder.
Langsam löste er sich aus der Umarmung. Ich sah ihn in seine blauen Augen, sie schimmerten. Meine höchstwahrscheinlich auch, wahrscheinlich hatte ich schon einige Tränen verloren.
Dies ist ein Abschied, aber nicht für immer. Ich war mir sicher, dass ich ihn wieder sehen würde und dieses Gefühl täuschte mich auch nicht.
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