Too Much To Ask [Esteban Ocon x Mick Schumacher]
für AniUndSoWeiter
》My heart is hoping
You'll walk right in tonight
Tell me there are things that you regret
'Cause if I'm being honest I ain't over you yet
It's all I'm asking
Is it too much to ask?《
- Niall Horan
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Trope: Fake Relationship
Pov. Esteban
Austin, 27. Oktober 2022
In Begleitung von meinem Trainier Dan und Minou machte ich mich am Morgen des Medientages auf den Weg zur Strecke. Mit einem warmen Lächeln ergriff die gebürtige Pariserin meine Hand und setzte damit ihre Rolle als meine „neue Freundin" fort. Ich konnte ihr gar nicht genug dafür danken, dass sie sich als eine meiner längsten und engsten Freunde trotz aller Skepsis darauf eingelassen hatte und mir nun unterstützend zur Seite stand.
Händchenhaltend schritten wir durch die Hotellobby, bis mein Blick auf einmal bei einem allzu vertrauten Gesicht hingen blieb. Lance saß auf einem der beigen Sessel im Eingangsbereich und scrollte sichtlich gelangweilt auf seinem Handy herum. Soweit ich wusste, war er mit seinem Team in einem anderen Hotel einige Kilometer entfernt unterbracht. Was machte der Kanadier nun hier?
Bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, sah er von seinem Gerät auf und ließ seinen Blick prüfend durch die Lobby schweifen. Rasch fielen seine Augen auf mich. Murrend stand er auf und schob sein Handy in die Hosentasche, wandte sich wieder zu mir und machte mir mit einer schwachen Handbewegung deutlich, dass ich zu ihm kommen sollte. Er hatte also auf mich gewartet.
Mit Dan und Minou im Schlepptau überbrückte ich die letzten Meter zu meinem besten Freund und kam langsam vor ihm zum Stehen: „Guten Morgen, Kumpel."
„Morgen", erwiderte er monoton und schlug mit mir ein.
„Was führt dich so früh hierher?"
„Ich hole dich ab, um an die Strecke zu fahren", erklärte er so abgeklärt, als wäre es das gängigste und unspektakulärste der Welt.
Irritiert davon legte ich den Kopf schief und musterte den Aston Martin Piloten skeptisch. Immerhin hasste er es, wenn man ihn bereits am frühen Morgen mit Gesprächen und Neuigkeiten überschüttete, zumal wir nicht einmal verabredet waren.
„Uhm... wenn du möchtest, kannst du gerne bei mir mit Dan und Minou mitfahren", bot ich ihm nichtsdestotrotz einladend an und deutete auf die beiden neben mir.
Dan war in der Vergangenheit häufig bei Treffen mit Lance und Mick sowie ihren Coaches Jacob und Kai dabei gewesen. Derweil kannte er Minou von zahlreichen Geburtstagen und Feiern, zu denen ich sie eingeladen hatte.
„Hey Lance", lächelte die Angesprochene freundlich, während mein Trainer zur Begrüßung die Hand hob.
Unbeeindruckt glitt der Blick meines besten Freundes zu Minou, dann zu Dan, Minou, Dan. In seinem Gesichtsausdruck schwang ein Schwall von Emotionen, der für mich schwer zu lesen war. Es war etwas zwischen Abneigung und Ärger, Verachtung und Frust. Eines konnte jedoch genau feststellen: er überlegte und überlegte und überlegte.
„Gib Dan deinen Autoschlüssel", brach es schließlich entschlossen aus ihm heraus. Fordernd sah er zu mir und richtete sich dann mit einen falschen Lächeln wieder zu meinem Trainier. „Ich bin mir sicher, dass er liebend gern mit Minou zur Strecke fährt, nicht wahr?"
„Uhm...", murmelte Dan zaghaft und drehte sich unsicher zu mir. Hingegen betrachtete ich mit gerunzelter Stirn Lance.
Es war kein Geheimnis, dass er ablehnend und distanziert gegenüber Personen war, die er nicht kannte. Allerdings kannte er Dan und Minou sehr wohl, weshalb mir sein bestimmendes und grobes Auftreten ein Rätsel war. Wollte ich herausfinden, was es damit auf sich hatte, müsste ich seinen Willen nachkommen und Minou meinem Trainier überlassen, so viel stand fest.
„Okay", knickte ich seufzend ein und warf der Pariserin einen entschuldigenden Blick zu, den sie mit einem verständnisvollen Lächeln abwinkte.
Mit einer Hand fuhr ich in die Hosentasche und zog den Autoschlüssel heraus, um ihm Dan zu geben und Lance schließlich zu seinem Aston Martin zu folgen.
Kaum hatte er seinen Wagen gestartet und auf die Straße gelenkt, stützte ich meinen Arm an der Tür ab und blickte kopfschüttelnd zu ihm: „Du hättest mir auch schreiben können, anstatt so einen Auftritt hinzulegen."
„Hätte ich machen können, stimmt", merkte er schlicht an, ohne sein Blick von dem Verkehr vor ihm abzuwenden. „Du hättest dein Anhängsel auch zu Hause lassen können."
„Ernsthaft? Das ist das, worüber du reden willst?", fragte ich empört über seine Wortwahl nach. Zwar war mir bewusst, dass mein bester Freund wenig davon hielt, dass ich Minou als meine Scheinfreundin mit zum Grand Prix nach Austin genommen hatte, das hatte er mit seiner zehnminütigen Wüterei letzte Woche mehr als deutlich gemacht, jedoch hatte er sich danach gefangen und damit abgefunden.
„Ja. Es hat funktioniert. Mick ist eifersüchtig", brummte er schließlich missmutig.
„Wirklich?", hakte ich ein wenig hoffnungsvoller als gewollt nach. So ungern ich es im Nachhinein zugab, war der Deutsche der einzige Grund gewesen, weshalb ich überhaupt auf die Idee kam, Minou als meine Scheinfreundin zum Grand Prix einzuladen.
„Er stand gestern vor meiner Zimmertür", fuhr Lance trocken fort. „Ziemlich müde und erschöpft. Ich habe ihn gefragt, ob alles in Ordnung ist, er hat das bejaht. Dann habe ich ihn gefragt, was er hier wollte, und er meinte, dass er zum Zocken hier wäre. Mick. Zum Zocken."
„Und?"
„Er hat sich auf mein Bett gesetzt, während ich meine Playstation ausgepackt und angeschlossen habe. Als ich mich mit den Controllern wieder zu ihm gedreht habe, hat er anfangen zu weinen."
„Er hat geweint?", wiederholte ich seine Worte erstaunt.
„Dich und Minou im Paddock zu sehen, hat ihm ziemlich aufgewühlt", stimmte der Kanadier seufzend zu.
Ungläubig schnaubte ich und blickte aus dem Fenster. Natürlich war es meine Absicht gewesen, mit Minous Hand in meiner durch den Paddock zu streiten, um Micks Aufmerksamkeit zu gewinnen. Und möglicherweise war es meine Absicht gewesen, ihm zu zeigen, dass es andere Personen, die mit mir zusammen sein wollten, wenn er es nicht tat. Und möglicherweise war es auch meine Absicht gewesen, ihn damit so vor den Kopf zu stoßen, wie es mir nach seiner Abfuhr ergangen war. Dass die Aktion allerdings so effektiv war, dass der Deutsche sich bei Lance zurückzog, hätte ich nicht erwartet.
„Freust du dich darüber gerade?", riss mich die scharfe Stimme des Kanadiers aus den Gedanken. Entsetzt schoss mein Kopf zurück zu ihm: „Nein, selbstverständlich nicht!"
So sehr ich Mick auch hatte vor den Kopf stoßen wollen, war es nicht meine Absicht gewesen, ihn zum Weinen zu bringen.
„Gut", maulte mein bester Freund kühl, was sich mehr nach einem warnenden „Besser ist das" anfühlte. „Beende das Drama und rede mit ihm."
„Wieso sollte ich mit ihm reden? Wenn er ein Problem mit mir hat, kann er auch auf mich zu kommen", hielt ich verdutzt fest.
„Soll das ein Scherz sein?", knurrte Lance ungläubig.
„Nein", behaarte ich standhaft auf meinen Worten. Oft genug war ich dem Deutschen hinterhergelaufen, nur um gleichdarauf von ihm abgewiesen zu werden. Noch einmal würde ich sicherlich nicht um eine Abfuhr betteln.
„Seit Tagen postest du Bilder mit Minou in deiner Story, um Mick unter die Nase zu reiben, was für eine tolle Zeit ihr hättet haben können. Und nun schleppst du sie mit in den Paddock, bringst sie in unsere Welt, um Mick zu beweisen, wie ernst es dir mit ihr ist. Glaubst du nach der Nummer, dass unser golden Retriever noch genügend Mut hat, dir seine Gefühle zu gestehen?", warf mein bester Freund mir aufgebracht vor.
„Glaubst du, dass ich noch genügend Mut habe, ihm meine Gefühle erneut zu gestehen, nachdem er mir einen Korb gegeben hat?", gab ich ebenso barsch zurück und verschränkte verteidigend meine Arme vor der Brust. Mick war immerhin derjenige gewesen, der mich sitzengelassen hatte.
„Du hast zumindest noch genügend Selbstbewusstsein, um ihm eine falsche Beziehung vorzuspielen", vermerkte Lance kühl und schenkte mir einen kurzen abfälligen Blick, den ich mit einem gekränkten Schnauben quittierte. Arschloch.
„Mick geht es beschissen. Und das ist das letzte, was er in der sportlichen Lage, in der er sich gerade befindet, gebrauchen kann", setzte der Kanadier rügend hinterher und hatte seinen Fokus zurück auf die Straße gerichtet.
„Seit wann interessiert du dich, was mit den Karrieren anderer passiert?", giftete ich frustriert und wandte mich beleidigt von ihm ab. Auch wenn ich vielleicht nicht gänzlich im Recht war, hatte ich von dem Aston Martin Piloten etwas mehr Rückendeckung erwartet. Er war zuerst mein bester Freund gewesen, nicht Micks. Er sollte auf meiner Seite sein.
„Jesus, bist du endlich fertig?", stieß Lance entnervt aus und steuerte den Wagen auf den anliegenden Parkplatz der Rennstrecke.
„Womit?", fauchte ich trotzig.
„Dich wie ein verfluchter Idiot aufzuführen", zischte er vorwurfsvoll und drehte sich ein weiteres Mal zu mir. Auf einmal wurde sein Blick weicher, seine Stimme einfühlsamer. „Ich weiß, dass Micks Abfuhr dich verletzt und gekränkt hat, aber ich weiß genauso gut, dass das nichts an deinen Gefühlen für ihn verändert hat. Die Tatsache nervt dich so sehr, dass du ihn genauso leiden sehen willst, wie du es tust. Ich verstehe es, Esteban, ehrlich. Und es funktioniert. Mick ist eifersüchtig und leidet. Du hast erreicht, was du wolltest. Also sieh zu, dass du Minou aufklärst und Mick die Wahrheit erzählst. Ihn absichtlich weiterhin ins offene Messer laufen zu lassen und mit seinen Gefühlen zu spielen, wäre herzlos und grausam. Und das sind Eigenschaften, die nicht auf dich zutreffen, überhaupt nicht. Du bist ein guter Mensch und Mick ist es auch."
Die Worte brachten mich vorerst zum Schweigen. Lance hatte recht. Natürlich hatte er recht. Es war falsch gewesen, Minou als meine Scheinfreundin vorzuführen, um Mick eifersüchtig zu machen. Ich wusste, wie schwer er es derzeit bei Haas hatte, jedoch war mir nicht bewusst gewesen, wie sehr ihn die Aktion möglicherweise ablenken und tiefer herunterziehen würde. Ihm ernsthaft zu schaden, war das letzte, was ich wollte.
Ich liebte ihn. Gottverdammt, ich liebte den Deutschen. Trotz seines Korbs nahmen meine Gefühle für ihn nicht ab, egal wie sehr ich es auch versucht hatte. Es war verflucht frustrierend, dass jemand so eine starke Macht über mich hatte, der nicht genauso fühlte. Oder tat er es etwa doch? Mich mit Minou zu sehen, hatte ihn dennoch verletzt und durcheinander gebracht...
Um herauszufinden, was er tatsächlich für mich empfand, müsste ich wohl oder übel noch einmal meinen Stolz zurückstellen und auf den Deutschen zu gehen. Ich müsste ihm noch einmal meine Gefühle auf einem Silbertablett servieren und könnte nur hoffen, dass er es nicht fallenließ. Noch einmal müsste ich das tun, was ich mir geschworen hatte, nicht noch einmal zu tun, und Mick hinterherlaufen. Und fuck it. Selbstverständlich werde ich das tun.
„Okay. Ich rede mit den beiden", durchbrach ich kleinlaut die aufgekommene Stille und blickte zögerlich zu meinem besten Freund. Er hatte seinen Wagen mittlerweile auf seinem reservierten Parkplatz zum Stehen gebracht und lächelte mich erleichtert an.
„Lance?"
„Hm?"
„Tut mir leid für... du weißt schon", fügte ich schuldbewusst hinzu. „Und danke. Du bist ein ebenso guter Mensch und ein noch besserer Freund."
„Werd' jetzt nur nicht sentimental", schnaufte er neckend und klopfte mir freundschaftlich auf die Schulter, was ich kopfschüttelnd mit einem Grinsen hinnahm. Trotz unseres spitzen Wortgefechts waren wir okay und ich war mir sicher, dass Mick und ich es ebenfalls werden würden. Irgendwie.
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Oder irgendwie nicht. Zwar hatte ich mit Minou geklärt, dass sie das Wochenende von nun an nicht mehr als meine Freundin sondern als eine gute Freundin in der Box meines Teams verbringen würde, doch den Haas-Piloten für eine Minute alleine zu erwischen, war unmöglich.
Im Drivers Briefing klammerte er sich förmlich an Sebastian, bei den Interviews nach einer Session redete er so lange mit den Reportern, dass meine PR-Managerin mich zurück ins Motorhome schleifte, bevor er fertig geworden war, und zufällig kreuzten sich unsere Wege im Paddock nie.
Alle meine Nachrichten an ihn blieben unbeantwortet und verflucht nein, das waren nicht gerade wenige gewesen. Mick mied und ignorierte mich. Und das machte mich wütend. Da war ich bereit dem Deutsch noch einmal hinterherzulaufen und ihm meine Gefühle zu gestehen und er lief soweit davon, dass ich ihn nicht einmal mehr sehen konnte. Verdammt war Mick dafür, dass er mich erneut so demütigte. Und verdammt war Lance dafür, dass er mich zu dem Punkt gebracht hatte, an dem Mick mich erneut so demütigen konnte.
Eine letzte Chance gab ich ihm noch. Am Abend nach dem Rennen kamen wir uns im Paddock entgegen. Mick war gerade von den Interviews auf dem Weg in die Hospitality, ich war von der Hospitality auf dem Weg zu den Interviews. Der Deutsche wandte hastig seinen Blick von mir ab, als er mich bemerkte, und drehte sich fast panisch zu seiner PR-Managerin. Dass er tatsächlich so wenig Interesse daran hatte, mit mir zu reden und zumindest unsere Freundschaft aufrecht zu erhalten, versetzte mir einen schmerzenden Stich ins Herz.
Gekränkt fing ich Mick am Handgelenk ab, bevor er sich wortlos an mir vorbeidrücken konnte, und brachte ihn damit abrupt zum Stehen. Verständnislos funkelte ich ihn an: „Ist das dein fucking ernst?"
„Was?", hauchte der Deutsche unscheinbar und versuchte sich aus meinem Griff zu lösen.
Ernüchternd blickte ich ihm für einen Moment in die Augen und suchte nach etwas, irgendetwas, was mir bewies, dass ich ihm mehr bedeutete, als er mir zeigen konnte, doch ich fand nichts. Gar nichts. Geschlagen zog ich meine Hand zurück und blinzelte eilig meine aufkommenden Tränen weg. Die ganzen Bemühungen waren umsonst und es war allmählich Zeit das endgültig einzusehen.
„Weißt du was, Mick? Ich habe versucht in den letzten Tagen mit dir zu reden, genau wie in den Wochen und Monaten davor. Alles, was ich von dir zurück bekomme, sind unbeantwortete Nachrichten und Abweisungen. Und habe ich diese einseitigen Bemühungen satt. Also, überleg dir, was du willst. Ansonsten gehen wir getrennte Wege. Soll mir auch recht sein", fuhr ich ihn bissig an und drehte mich ohne eine Antwort abzuwarten zu meiner PR-Managerin, um unseren Weg zu den Interviews fortzusetzen. Es war nicht so, als hätte ich eh eine von ihm bekommen.
Nach den Interviews begleitete meine PR-Managerin mich zurück ins Moterhome. Das Teambriefing stand an und zog sich so unfassbar in die Länge, dass ich für einen Augenblick die Befürchtung hatte, dass wir bis zum nächsten Morgen über die misslungene Strategie diskutieren würden. Zu meiner Erleichterung entließ uns Otmar allerdings nach zwei Stunden in den Feierabend und verlegte die übrigen Themenpunkte auf ein Meeting am Dienstag in der Fabrik.
Spät am Abend war es, als ich meinen Kram in meinem Fahrerzimmer zusammensuchte und dabei einen Blick auf mein Handy warf. Neben ein paar Nachrichten von meinen Eltern zog eine weitere Benachrichtigung meine Aufmerksamkeit auf sich:
Zwei neue Nachrichten von Mick
Schlagartig tippte ich mit meinem Daumen auf die Benachrichtigung und starrte gleichdarauf auf den Chat mit dem Deutschen. Er hatte mir einen Standort geschickt. Darunter stand ein simples „Versöhnung?"
Fassungslos las ich mir das Wort immer und immer wieder durch. Das war alles, was er nach wochenlanger Funkstille zu mir zu sagen hatte? Ein einfaches „Versöhnung?" Nein. Absolut nicht. Nein. Ich würde nicht springen, wenn Mick mich mit einem Wort dazu aufforderte. Da musste mehr kommen. Er musste sich mehr anstrengen.
Und doch stand ich 10 Minuten später vor der Bar, zu der mich der Standpunkt des Haas-Piloten geführt hatte. Blödes Herz. Immer wieder suchte es den Weg zu Mick und fand ihn, was auch immer mein Kopf dagegen einzuwenden hatte.
Als ich die Bar betrat, ließ ich meinen Blick suchend durch das rustikal eingerichtete Lokal schweifen und blieb letztlich bei den glänzenden Augen des Deutschen hängen. Verloren saß er an einem Zweiertisch am Rande des Raumes und sah ebenfalls zu mir. Zaghaft hob er seine Hand, was ich ihm geschwächt gleichtat. Innerlich war ich ihm jetzt schon verfallen.
Gewillt ihm das nicht direkt wissen zu lassen, bahnte ich mir einen Weg durch die anderen Gäste zu seinem Tisch. Auf den Holzstuhl gegenüber von Mick ließ ich mich schließlich räuspernd fallen: „Hey."
„Hey", erwiderte er sanft und schob mir einen der Cocktails auf den Tisch zu. „Caipirinha ohne Alkohol."
„Danke", murmelte ich zögerlich und umfasste das Glas. Dass der Cocktail einer meiner Lieblingsdrinks war, wusste der Deutsche, jedoch konnte ich das Gemisch in dem Glas vor ihm keines seiner Lieblingsgetränke zu ordnen. Mick mochte keine Cocktails, verzichtete seit eines üblen Katers an seinem 18. Geburtstag gänzlich auf Alkohol, und doch sah das Gemisch vor ihm gefährlich stark nach Wodka Tonic aus.
„Ich bin mein Cockpit los", platzte es auf einmal aus dem Deutsche heraus, als ich gedanklich noch bei seinem Drink war. Er war was?
„Wie bitte?", hakte ich perplex nach. Ich musste seine Worte falsch verstanden haben.
„Günther hat mir bereits am Anfang der Woche vor unserem Flug erklärt, dass Gene sich so auf Hülkenberg festgefahren hat, dass für ihn kein anderer Fahrer in Frage kommt", erklärte er tonlos, hatte den Blick auf das Glas vor sich gerichtet und stocherte mit dem Strohhalm abweisend auf den Eiswürfeln herum. Fuck.
„Das ist fucking... das können die nicht machen!", rief ich entsetzt und wäre am liebsten aufgesprungen, um zu Günther Steiners Hotelzimmer zu fahren, seine fucking Tür zu zuschlagen und Gene Haas höchstpersönlich mit seinem Telefon anzurufen. Nach allem, was Mick für das niederschwellige Team getan hat, setzten die ihn vor die Tür?
„Was auch immer. Ich will eigentlich nicht drüber reden, nicht drüber nachdenken", winkte mein Gegenüber wispernd ab.
„Mick", hauchte ich mitfühlend und wollte ihm vor Augen führen, dass Haas ihn ohnehin nicht verdient hatte und wir ein neues Team mit mehr Perspektiven für ihn finden würden, zusammen, doch er hob seinen Blick und kam mir mit einer so angsterfüllten Frage zuvor, dass es mir einen Schauer über den Rücken jagte: „Minou und du, seit wann läuft das? Du hast nie erzählt, dass ihr euch so nah seid."
„Zwischen uns läuft gar nichts", stellte ich rasch klar, um ihn zu besänftigen. Erst jetzt fiel mir auf, wie glasig seine Augen tatsächlich waren, wie kreidebleich seine Haut tatsächlich erschien. Dunkle Augenringe zierten sein Gesicht und von seinem strahlendem Lächeln fehlte jede Spur. Mein Herz verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass ich das nicht bereits im Paddock erkannt und meinen Teil dazu beigetragen hatte.
„Esteban, ich habe euch am Wochenende händchenhaltend durch den Paddock laufen sehen", merkte Mick erschöpft an, was mein schlechtes Gewissen zum Überlaufen brachte. Ertappt schloss ich kurzzeitig die Augen: „Ich habe sie darum gebeten."
„Was?", entwich es ihm verwirrt.
„Ich habe Minou letzte Woche darum gebeten, mich nach Austin und Mexiko zu begleiten und...", widerholte ich schuldbewusst und öffnete meine Augen. Entschuldigend blickte ich den Deutschen an und legte den Kopf schief: „Und meine Freundin zu spielen."
„Wieso das denn?", wollte er entgeistert wissen.
„Um dich eifersüchtig zu machen", gestand ich reuevoll und hörte bei den Worten selbst, wie dämlich sie klangen.
„Was?", murmelte Mick erneut.
„Nachdem du mich gebeten hast, das zwischen uns zu beenden und weiterhin gute Freunde zu bleiben, war ich verletzt und gekränkt und wütend. Dir fiel es so verdammt leicht von einem Tag auf den nächsten mit all den Berührungen, Nachrichten und Telefonaten aufzuhören. Dir fiel es so verdammt leicht von heute auf morgen so zu tun, als hätten wir uns nie zueinander hingezogen gefühlt, kuschelnd ein Bett geteilt oder uns geküsst. Mir hat das alles etwas bedeutet und zu sehen, dass es bei dir nicht so war, tat weh", versuchte ich mein Gefühlschaos irgendwie in Worte zu fassen, in etwas zu verwandeln, was greifen und nachvollziehen konnte.
„Und deshalb wolltest du mir mit Minou eins auswischen?", leitete sich er sich nachdenklich daraus ab.
Beschämt war ich diesmal derjenige, der den Blick zu seinem Glas richtete und den Strohhalm umklammerte. Aufgelöst schüttelte ich den Kopf, nickte dann und seufzte schließlich: „Nein... ja. Es tut mir leid. Ich hätte dir nichts vorspielen und dich hinter's Licht führen dürfen. Die Aktion war total egoistisch und bescheuert."
Dazu sagte der Deutsche zunächst nichts und Stille kehrte ein. Mit meinen Augen auf dem Glas vor mir bereitete ich mich innerlich darauf vor, erneut von ihm abgewiesen zu werden und zumindest um unsere Freundschaft zu kämpfen. Ich wollte Mick in seiner jetzigen Situation unterstützen, wusste immerhin zu gut, wie es sich anfühlte sein Cockpit zu verlieren und gänzlich aus der Formel 1 auszuscheiden. Zudem bedeutete er mir so viel, dass ich ihn einfach nicht gehenlassen wollte, nicht gehenlassen konnte.
Langsam hob ich wieder meinen Kopf, nur um gleich danach in Micks schimmernde Augen zu blicken. Seine Augen hafteten bereits auf mir und trugen einen Schwall Emotionen mit sich, der schwer zu definieren war.
„Bist du sauer?", fragte ich rätselnd nach.
„Nein, viel mehr erleichtert", entgegnete er behutsam.
„Erleichtert?", gab ich seine Antwort verdattert wieder. Er war erleichtert?
„Ja, ich... Gott, ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich tue das eine, obwohl ich das andere will, weil ich denke, dass es das richtige ist, aber dann fühlt es sich falsch an und alles geht kaputt", fügte Mick hilflos an und raufte sich aufgewühlt die Haare. „Alles ist kaputt."
„Mick...", setzte ich beruhigend an, um ihn zu wiedersprechen, doch wieder fiel er mir angestrengt ins Wort: „Als Dinge vorher kaputt waren, warst du derjenige, der mir geholfen hat, sie wieder zu heilen und in Ordnung zu bringen. Du warst da. Du warst immer da, hast mich aufgebaut und mich... mich schweben lassen. Die Welt mit dir, bei dir war einfach und sicher, dennoch abenteuerlich und spaßig. Es war leicht sich in dich zu verlieben, verdammt leicht."
„Was ist passiert?", erkundigte ich mich leise und wusste nicht, ob mein Herz bei seinen Worten erneut zerbrach oder endlich heilte.
„Ich habe Angst gekriegt und bin abgestürzt", wisperte er mit zittriger Stimme.
„Angst davor, dass ich dich verletze?"
„Nein. Angst davor, dass ich dich verletze", verbesserte er mich und wischte sich hastig eine Träne weg, die den „eg über seine Wange gefunden hatte. „Angst davor, dass ich dich mit irgendwas verärgere und vergraule. Davor, dass du alle Seiten von mir kennenlernst und sie nicht leiden kannst. Dass du merkst, dass das spektakulärste an mir, mein Nachname ist und dir das letztendlich nicht mehr ausreicht."
„Mick, fucking...", kam es mir fassungslos über die Lippen, dass er so schlecht von mir dachte, so schlecht von sich dachte. Überfordert drehte ich mich von ihm weg, um meine eigenen Tränen zurückzuhalten und herunterzufahren. Das Gespräch ist schnell emotional geworden, zu emotional, um es in einer altmodischen Bar in Austin weiter auszuführen. Tief atmete ich durch, griff nach dem Portemonnaie in meiner hinteren Hosentasche und richtete mich zurück zu dem Deutschen: „Bist du mit dem Auto hier?"
„Nein, je nachdem wie unser Gespräch verläuft, wollte ich ein Taxi zum Hotel nehmen", erklärte er ängstlich.
„Gut. Dann lass uns gehen", bestimmte ich entschlossen und legte die restlichen Dollar, die ich hatte, auf den Tisch. Die Cocktails sollten mit dem Geld mehr als abgedeckt sein. Eilig stand ich auf, schob mein Portemonnaie zurück in die Hosentasche und griff nach meinem Autoschlüssel. Schweigend schob Mick ebenfalls seinen Stuhl zurück und folgte mir nach draußen zu meinem Wagen.
Es herrschte Stille, als ich das Auto auf die Straße lenkte und zu meinem Hotel fuhr. Alles, was ich dem Deutschen sagen wollte, wollte ich in Ruhe tun, wenn wir uns anschauen und uns aufeinander fokussieren konnten. Nicht hier. Nicht so. Jedoch kam mir die Fahrt zu meinem Hotel wie eine Ewigkeit vor und letztendlich hielt ich es nicht länger aus. Bei der nächstbesten Gelegenheit setzte ich den Blinker und fuhr rechts an den Straßenrand.
,,Wieso hältst du an?", wollte der Deutsche neben mir verblüfft wissen.
Schnaufend nahm ich den Gang raus, löste meinen Fuß von der Kupplung und drehte mich aufgelöst zu ihm: „Glaubst du Idiot ehrlich, dass ich jemals denken würde, dass dein Nachname das einzig Interessante an dir ist?"
„Das denken alle", bemerkte er traurig, während sich Schmerz sich in seinem Blick ausbreitete, tiefliegender Schmerz.
„Scheiße, Mick! Die Menschen, die das denken, glauben auch, dass Lewis seine sieben Weltmeistertitel im Lotto gewonnen hat oder Max letztes Jahr unverdient Weltmeister geworden ist. Solche Leute machen den Erfolg und die Leistung anderer klein, um sich besser zu fühlen", hielt ich ihm verzweifelt vor in der Hoffnung, ihm damit einen Teil seines Schmerzes zu nehmen, doch konnte meinen eigenen dabei zeitgleich nicht verbergen. „Ist das das Bild, was du von mir hast?"
„Nein, natürlich nicht!", schwor er hektisch.
„Wieso gehst du dann nach jahrelanger Freundschaft davon aus, dass ich nur deinen Nachname sehe und der Mensch, der dahinter steckt, nicht leiden kann?", hakte ich weiter nach.
„Weil es das ist, was Haas in mir gesehen hat, nicht wahr? Mit dem Sohn eines siebenmaligen Weltmeisters als Fahrer ziehen sie Sponsoren an und stehen ihm Scheinwerferlicht! Das war alles, wozu ich im Team gut war!", antwortete der Deutsche verletzt und blickte mich erneut aus glasigen Augen an. Gene Fucking Haas, Günther Fucking Steiner, beide konnten in der Hölle dafür schmoren, dass sie Mick so verwundbar gemacht und in Selbstzweifel getrieben hatten. Ich erkannte meinen überschwänglichen und vor Stolz strotzenden Formel 2 Meister nicht mehr wieder und nie hatte etwas mehr weh getan als diese Erkenntnis, nicht einmal Micks Abfuhr.
Langsam streckte ich meine Hand aus und wanderte mit meinen Fingern zu den Händen des Deutschen, die verschlossen auf seinem Schoß ruhten. Behutsam fuhr ich mit meiner Hand zwischen seine und blickte ihm kopfschüttelnd in die Augen: „Mick, das stimmt nicht. Und es tut mir verdammt leid, wenn Haas dich das glauben oder fühlen lässt. Das Team war schon am Ende des Feldes, bevor du dazu gekommen bist. Du, als Rookie, und mit dem Kapital, was Haas hat, hättest das Team innerhalb einer Saison nicht umkrempeln und in die obere Tabellenhälfte führen können. Zumal du mit dem schlechtesten Auto im Feld trotz all der fragwürdigen Dinge, die innerhalb des Team abgelaufen sind, dennoch dein bestes gegeben und dich weiterentwickelt hast."
„Tut mir leid", erwiderte er schluchzend und umklammerte mit seinen Händen fest meine Hand. Ob die Entschuldigung für all den Kummer war, den er mir mit seinem Korb vor einigen Wochen bereitet hatte, oder es ihm unangenehm war, dass nun wieder emotional wurde, wusste ich nicht, spielte allerdings auch keine Rolle. Lang angestaute Tränen kullerten dem Deutschen über die Wange, die ich ihm mit meiner freien Hand sanft wegstrich.
„Schon okay", versicherte ich ihm ehrlich und formte meine Lippen zu einem warmen Lächeln. „Aber ich hoffe, dass dir bewusst ist, dass ich dich nicht liebe, weil du Mick Schumacher heißt, sondern weil du Mick Schumacher bist, der aufmerksamste, warmherzigste und liebenswerteste Menschen, den ich kenne. Freundlich und höflich gegenüber jeder Person, die ihm entgegen kommt, jedoch schlagfertig und kämpferisch, wenn es darauf ankommt."
Ein dankbares Lächeln spiegelte sich auch auf Micks Lippen wieder. Schniefend lehnte er sich gegen meine Berührung und atmete zitternd aus: „Ich will dich nicht verlieren."
„Ich dich auch nicht. Und so sehr ich mich auch zu dir hingezogen fühle, ist es für mich okay, wenn du Freunde bleiben möchtest. Das ist mir lieber, als dich gar nicht in meinem Leben zu haben", erwiderte ich einfühlsam. Ich würde ihm alles geben und möglich machen, was er brauchte. Alles.
„Ich will, dass wir mehr als Freunde sind... solange du das noch möchtest. Ich weiß, dass ich das zwischen uns unnötig kompliziert gemacht habe oder immer noch mache. Gott, ich hasse mich selbst dafür, denn du bist gerade das beste, was ich in meinem Leben habe und ich brauche dich. Ansonsten weiß ich nicht, wie ich die nächsten Rennwochenenden mit Haas überstehen soll, geschweige denn wie die Welt danach weitergeht", gab Mick stammelnd zurück und ließ damit mein Herz erweichen. Gott, wie lange hatte ich auf diesen Moment gewartet...
„Selbstverständlich will ich das noch. Ich will dich. Gerade wenn du in einer Situation, die nicht einfach für dich ist, will ich für dich da sein und dich unterstützen. Ich werde für dich da sein und dich unterstützen, Mick. Wir kriegen das hin", schwor ich überzeugt.
„Fuck, ich liebe dich", gestand der Deutsche überwältig, was mir ein zartes Schmunzeln entlockte: „Oi! Hast du gerade geflucht?"
„Erwider meine Worte einfach, du Trottel", brummte der Deutsche grinsend.
Überglücklich lehnte ich mich vor und hauchte mit einem zärtlichen „Ich liebe dich" einen gefühlvollen Kuss auf die Lippen, danach noch einen und noch einen.
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Estie und seine Besties 👀
Mir hat das Pair mehr Spaß gemacht, als ich erwartet hatte. Somit hoffe ich, dass ich deinen Wunsch gut umsetzen konnte und dir der Os auch gefällt.🧡
Ich schaue gerade Fußball und muss sagen, dass die letzten Wochen meiner Vereine wirklich zum Heulen waren. Womit ich für meinen Teil sagen kann, dass ich mich absolut auf die Formel 1 und gute Rennen freue.😂🤌🏻
Habt morgen einen guten Start in die Woche!
Lg. T.
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