Charles Leclerc x Max Verstappen

für mylittlelibrary

Hungaroring, 04. August 2019

Pole Position. Das erste Mal in meiner Karriere hatte ich die Pole geholt und durfte in Ungarn von ganz vorne starten. Zwar hatte ich Valtteri und Lewis direkt hinter mir, doch mit einem guten Start und genügend Speed auf der Geraden, würde ich meine Position halten können. Dahinter würden Charles, Sebastian und Pierre folgen, sowie die McLaren.

Als alle Autos die Einführungsrunde beendet hatten und in der Startaufstellung standen, wurden die Ampeln angestellt. Kaum waren sie aus, gab ich Gas und kam wie geplant gut weg. Auch wenn es knapp war, konnte ich meine Position nach der ersten Kurve behaupten. Nach drei weiteren Kurven sah ich im Rückspiegel ein paar Staubwolken. Einige Autos mussten zusammengekracht sein, doch was genau passiert war, sah ich nicht. Auf meinem Monitor wurde zuerst angezeigt, dass es gelb im ersten Sektor gab und ein virtuelles Safety Car herrschte. Relativ schnell schaltete es sich jedoch um. Ein richtiges Safety Car würde kommen. Somit hielt ich mich an die Geschwindigkeitsbegrenzung und ließ vom Gas ab.

Während mich das Safety Car einsammelte und ich hinterherfuhr, versuchte ich meine Reifen weiterhin auf Temperatur zuhalten. Als ich das erste Mal an der Unfallstelle vorbeifuhr, machte sich ein mulmiges Gefühl in mir breit. Ein rotes Auto lag auf der Seite, definitiv ein Ferrari, von dem schon einige einzelne Teile im Kies verteilt waren. Besorgt blickte ich in den Rückspiegel: zwei Silberpfeile, ein Redbull, ein Ferrari, die Nummern konnte ich nicht erkennen.

,,What's happened? Who crashed?" funkte ich an die Box. Ich gönnte niemanden einen Unfall und wollte genauso wenig, dass jemand einen baute, doch wenn ein Unfall passierte, wollte ich am wenigsten, dass Charles daran beteiligt war.

,,Leclerc collided with Sainz" informierte mich Gianpiero Lambiase, mein Renningenieur.

,,F*ck!" entwich es mir. Am liebsten hätte ich in diesem Moment mein Auto am Rand abgestellt und wäre zu meinem Freund gelaufen, um ihm aus dem Auto zu helfen und mich zu vergewissern, dass er okay war. ,,Is he okay?"

,,Sainz's car is alright. He can continue the race."

,,I don't care about Carlos car. How is Charles doing?" wollte ich aufgebracht wissen und versuchte meine Emotionen in den Griff zu bekommen.

,,I-I don't know" murmelte mein Renningenieur unsicher.

Mein Herz machte einen Aussetzer und meine Sorgen wurden immer größer. Der Unfall schien schlimm gewesen zu sein. ,,What do you mean you don't know? Didn't his engineer speak to him?"

,,He did, but Charles didn't answered" entgegnete er. Er antwortete nicht. Er konnte nicht antworten. Entweder war er körperlich nicht in der Lage dazu oder die Verbindung zu seiner Box ist beim Unfall zerstört worden. Was auch immer es war, ich malte mir die schlimmsten Szenarien aus und konnte mich kaum auf meine Reifen konzentrieren.

,,No, no, no" hauchte ich und unterdrückte die Tränen, die langsam aufstiegen, ,,he is unconscious or injured."

,,Keep calm, Max..." forderte mich mein Ingenieur auf, der scheinbar bemerkte, dass ich dabei war den Verstand zu verlieren. Allerdings halfen seine Worte nicht. Ich konnte nicht ruhig bleiben, nicht wenn unklar, wie es Charles ging.

,,Keep calm?! I can't keep calm. F*ck, he's my boy-" setzte ich aufgelöst an und unterbrach mich selbst, als ich realisierte, wer das Teamradio alles mitanhören konnte, ,,he's... one of my best friends. I know him my whole life and don't want to lose him."

,,I know, mate. I'll keep you updated, alright?" Die Stimme meines Renningenieurs klang sanft und mitfühlend. Keiner abgesehen von einigen gemeinsamen Freunden, wie Lando oder Carlos, wusste, dass Charles und ich ein Paar waren, doch es war kein Geheimnis, dass wir uns seit Jahren kannten und uns nah standen.

,,Yeah, thank you" murmelte ich. Ein weiteres Mal fuhr ich an der Unfallstelle vorbei. Charles Auto lag immer noch auf der Seite und ein paar Marshalls standen drumherum. Saß er etwa immer noch im Auto?

,,Concentrate on the race now." Ich versuchte es. Ich versuchte es wirklich. Es dauerte fünf weitere Runden, bis Charles Auto von der Strecke gebracht und alle seine verlorenen Teile eingesammelt wurden. Mein Renningenieur hielt mich mit den Informationen auf dem Laufenden, die er bekam, was ziemlich bescheiden ausfiel. Charles wurde ins Krankenhaus gebracht - das war es. Das war die Information, mit der ich für den Rest des Rennens auskommen musste. Zwar fragte ich tausendmal noch, doch Lambiase konnte mir nicht mehr sagen.

Obwohl meine Gedanken immer wieder zu Charles schweiften, schaffte ich es, das Rennen als Zweiter zu beenden. Lewis erwischte mich in der 67. Runde, da seine Reifen und Motorleistung schlichtweg besser war als meine. Über den zweiten Platz konnte ich mich nur schwer freuen, was vermutlich auf den Bildern und Videos von der Siegerehrung deutlich zu sehen war. Ich wollte wissen, wie es Charles ging, zu ihm ins Krankenhaus fahren und an seiner Seite sein. Die Siegerehrung, die darauffolgende Pressekonferenz und die Interviews der Fernsehsender... ich hätte jeden dieser Termine am liebsten sausen lassen. Weder war ich in der Stimmung dazu, noch hatte ich die Nerven dafür.

Die Termine zogen sich hin und gefühlt dauerte es Stunden, bis jeder seine Frage gestellt hatte, dabei hatte ich schon immer knappe Antworte gegeben. Als ich mit dem letzten Interview endlich fertig war, zog ich mich so schnell um, wie ich konnte und fuhr ins Krankenhaus. Normalerweise hätte ich noch Meetings mit meinen Ingenieuren gehabt, um auf das Rennen zurückzublicken. Allerdings hatten sie bemerkt, wie sehr mich der Unfall von Charles und die Unsicherheit mitnahm, sodass wir die Meetings auf morgen verschoben.

Vor dem Krankenhaus angekommen, stieg ich aus und betrat das Gebäude. Charles Bruder, der jedes Rennen aus der Ferraribox verfolgte, wenn er nicht selber in der Formel 4 fahren musste, hatte mir die Adresse geschickt. Außerdem meinte er, dass Charles zurzeit operiert werden würde und die Ärzte noch nichts Genaueres sagen konnten. Ich setzte mich zu Arthur, der bereits im Wartezimmer saß. Es war ihm sichtlich ins Gesicht geschrieben, dass ihm der Unfall seines Bruders belastete und er sich genauso viele Sorgen machte, wie ich es tat.

Wieder einmal fühlte es sich an, als würde die Zeit nie vergehen. Arthur und ich saßen im Warteraum und hofften, dass jede Sekunde ein Arzt oder eine Krankenschwester auftauchen würde, die uns beruhigen und sagen würde, dass mit Charles alles in Ordnung war. Je länger die Operation dauerte, desto stärker wurde das Gefühl, dass etwas schiefgegangen sein musste. Meine Gedanken malten sich die schlimmsten Szenarien aus, die mein Herz verkrampfen ließen. Ich konnte Charles nicht verlieren.

Nach gefühlten Stunden kam endlich eine junge Krankenschwester auf uns zu. Mit einem leichten Lächeln erklärte sie uns, dass Charles stabil sei und auf die Intensivstation verlegt wurde, wo jeder Patient nach einer größeren Operation verlegt wird. Charles hatte einige innere Blutungen, die nicht einfach zu stoppen waren. Die Ärzte haben lange gebraucht, um jede Blutung zu finden und stoppen zu können. Von seinem linken Arm abgesehen, ist keiner seiner weiteren Knochen zu Bruch gekommen. Charles hatte viel Glück und würde keine langwierigen Schäden davontragen, was mich aufatmen ließ.

Die Krankenschwester brachte uns zu dem Zimmer meines Freundes und meinte, dass wir es betreten könnten, wann immer wir wollten. Charles war wach und ansprechbar, doch noch müde und ein wenig irritiert. Dankend verabschiedeten wir uns von der jungen Frau, ehe diese sich auf den Weg zu anderen Patienten machte. Während ich Arthur den Vortritt ließ, Charles zu besuchen, ließ ich mich auf einen der Stühle vor seinem Zimmer fallen. Angestrengt fuhr ich mir übers Gesicht und wischte mir zwei, drei Tränen weg, die wieder aufgekommen waren. Noch immer konnte ich nicht glauben, dass alles gut werden würde. Die Sorge und die Unsicherheit, den Menschen, den ich liebte, zu verlieren, hatten mich fertiggemacht. Ich brauchte Charles. Das war mir durch den Unfall noch einmal mehr bewusst geworden. Wir stritten oft und waren uns nicht immer einig, doch ich liebte ihn und würde das immer tun.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als jemand seine Hand auf meine Schulter legte. Nachdem ich aufblickte, sah ich Arthur, der erleichtert und überglücklich schien:,,Du solltest zu ihm gehen. Er hat schon nach dir gefragt."

,,Danke" erwiderte ich und atmete noch einmal tief durch, ehe ich aufstand. Bevor ich Charles Zimmer betrat, klopfte ich an die Tür. Ich wartete nicht auf eine Antwort und öffnete direkt zögerlich die Zimmertür.

Charles lag in einem Krankenbett, angeschlossen an einige Katheter und einem Sauerstoffschlauch in seiner Nase. Sein linker Arm war verbunden. Sein Blick schweifte zu mir, während ich die Zimmertür hinter mir schloss, und zeitgleich begann er zu lächeln:,,Hey, Super Max."

,,Hey Champion" entgegnete ich schwach und nahm mir einen Stuhl, um mich zu ihm ans Krankenbett zu setzten, ,,du hast uns allen einen riesigen Schrecken eingejagt."

,,Ob du es mir glaubst oder nicht, das war nicht geplant" schmunzelte Charles, was ich nur halbherzig erwidern konnte. Der Schock und den Schmerz über den Unfall saßen noch zu tief, als dass ich darüber Lachen konnte. ,,Wie ist das Rennen ausgegangen? Hast du gewonnen?"

,,Nein, Lewis war zu stark. Er hat mich in den letzten Runden noch überholt und ich bin zweiter geworden" berichtete ich Charles. Meine Gedanken schweiften wieder zum Rennen und riefen in meinem Kopf wieder die Bilder vom Unfall hervor. Das kaputte Auto, die vielen einzelnen Teile, kein Lebenszeichen von Charles... ich konnte es nicht verhindern, dass meine Augen wieder gasig wurden und versuchte krampfhaft die Tränen zurückzuhalten.

,,Baby, nicht weinen. Es ist unglaublich, dass du zweiter geworden bist. Das ist fantastisch" lobte mich der Monegasse und hob langsam seine rechte Hand, um mir sanft über die Wange zu streichen.

,,Darum geht es nicht" murmelte ich und genoss seine Berührung, ,,ich hatte solche Angst dich zu verlieren. Wir streiten so oft und sagen Dinge, die wir nicht so meinten, anstatt dass wir einfach glücklich zusammen sind und den anderen zu schätzen wissen. Gott, ich liebe dich und habe das Gefühl, dass ich dir das in den letzten Wochen viel zu selten gesagt habe."

,,Auch wenn wir uns streiten und du mir nicht fünfmal am Tag sagst, dass du mich liebst, weiß ich, dass du es trotzdem tust. Du lässt es mich jeden Tag spüren und fühlen. Ich liebe dich genauso, auch wenn ich es manchmal noch schlechter rüberbringen kann als du. Ich tue es und habe es immer getan."

Leicht nickte ich. Nun breitete sich auch auf meinen Lippen ein schwaches Lächeln aus. Ich lehnte mich behutsam zu Charles, um meine Lippen wenigstens für einen kurzen Moment auf seine zu legen. Von nun an wusste ich selbst diese kleinen Berührungen, die für mich selbstverständlich und alltäglich waren, zu schätzen. 

•••

Ich hoffe, dass ich deinen Wunsch so umsetzen konnte, wie du ihn dir vorgestellt hast💖

Also, Qualifying um 3 Uhr und Rennen um 7 Uhr morgens... unser Schlafrhythmus wird sich bedanken😂🤷🏼‍♀️

Ich wünsche euch noch einen schönen Tag (und ein gutes Rennen heute Nacht/morgen früh)🏁

Lg. T.

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