[72] & [83] Marcus Armstrong x Lando Norris

für Gifthexe und mylittlelibrary

[72] ,,Willst du wirklich, dass ich diese Frage beantworte?" & [83] ,,Wovor hast du solche Angst?"

London, 11. Mai 2021

Ungeduldig warf ich einen Blick auf meine Uhr am Handgelenk. Bereits seit zehn Minuten wartete ich in einem der nobelsten Restaurants der Hauptstadt auf meinen Vater, der mir in einer kurzen Nachricht mitgeteilt hatte, dass sich eines seiner geschäftlichen Meetings herausgezögert hatte, er nun allerdings auf dem Weg zu mir war. Diese Meetings waren überhaupt erst der Grund für seinen Aufenthalt in London und boten damit die Gelegenheit für ein gemeinsames Abendessen. Woking lag immerhin gerade einmal eine Autostunde entfernt.

Um die weitere Zeit des Wartens zu überbrücken, fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und beantwortete zunächst ein paar Nachrichten. Wie allzu oft fand mich danach auf Instagram wieder und scrollte gelangweilt durch meine Timeline, bis ich auf einmal bei dem neuen Bild meines liebsten Formel 2 Fahrers hängen blieb. Mit schmerzverzerrtem Gesicht hielt dieser zwei Tauseile in der Hand, die er offenbar wellenartig in Bewegung versetzen sollte. Eine beliebte Ausdauerübung, mit der Jon mich in der Vergangenheit ebenfalls hin und wieder gequält hatte. Mitfühlend entwich mir ein schwaches Seufzen, ehe sich das weiße Herz unter dem Post plötzlich rot färbte. Ich hatte das Bild geliket. Shit!

Hastig nahm ich das rote Herz zurück und betete innerlich, dass der Neuseeländer die vorherige Benachrichtigung dafür noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Seit dem Rennwochenende in Imola hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, geschweige denn überhaupt miteinander geschrieben. Lediglich in Monaco hatte ich ihn aus der Ferne gesehen, als er vertieft in ein Gespräch mit Liam am Abend des Freien Trainings den Paddock verlassen hatte.

Nachdem wir zuvor täglich geschrieben und telefoniert hatten, herrschte zwischen Marcus und mir nun seit vier schmerzlichen Wochen Funkstille. Dass ich dafür der Hauptverantwortliche war, war mir selbst bewusst, jedoch wäre es früher oder später ohnehin dazu gekommen. Also lieber nun eine rasche, voreilige Trennung als ein quälendes Hin und Her über Monate hinweg.

Trübsinnig glitten meine Finger zu seinem Benutzernamen, wodurch keine Sekunde später das Profil des jungen Kiwis mit seinen 868 Beiträgen aufploppte. 868 Beiträge, die ich mir in den vergangenen Wochen und Monaten viel zu oft angeschaut hatte. Wie gesteuert ging ich die Bilder durch und stoppte, als ich bei meinem Lieblingsfoto angekommen war. Gekleidet in einer dicken Jacke mit dem Logo von der Ferrari Driver Academy stand Marcus vor dem Motorhome des italienischen Rennstalls und blickte mit dem schönsten Lächeln der Welt in die Kamera. Seine kurzen Haare waren zur Seite gegelt, wobei eine Haarsträhne dabei wie gewohnt nicht mitspielte und ihm in die Stirn hing. Für manche erschien das Bild dadurch weniger gelungen, für mich war es gerade deshalb perfekt.

,,Darf ich fragen, wen du da so anschmachtest?", ertönte auf einmal eine wohlbekannte Stimme hinter mir. Erschrocken zuckte ich zusammen und sperrte reflexartig mein Handy, ehe mein Blick zu der Person huschte, die meinen beinahe Herzinfarkt zu verantworten hatte, mein Dad.

,,Niemanden", winkte ich murmelnd ab und stand kurzerhand auf, um ihn mit einer halben Umarmung zu begrüßen.

,,Für niemanden wirst du ziemlich rot", merkte er belustigt an und nahm den Stuhl gegenüber von mir in Anspruch. Gespannt betrachtete er mich. ,,Erzähl schon. Ist das dein neuer Freund?"

,,Gott, Dad! Nein!", stellte ich hastig klar, wobei ich nicht leugnen konnte, dass ich nichts lieber tun würde, als den Neuseeländer tatsächlich meinen Freund nennen zu können.

,,Aber so etwas ähnliches, hm?", fuhr mein Vater wissend an. Da ich darauf keine genaue Antwort hatte, schwieg ich. Zudem war meine Kehle mit einem Mal so staubtrocken, dass ich sowieso nicht mehr als einen Ton herausgebracht hätte. Nein, Marcus war nie mein Freund gewesen. Aber ja, Marcus war etwas gewesen.

Als hätte Dad meine Gedanken gelesen, funkelten seine Augen begeistert auf. Neugierig lehnte er sich vor und stützte seine Unterarme auf dem Tisch ab:,,Nun rück schon mit der Sprache raus, Lando, oder soll das etwa den ganzen Abend so weitergehen?"

,,Sein Name ist Marcus", brachte ich erschwert über die Lippen, da mein Vater offenbar nicht vorhatte, dass Thema ohne eine passende Erklärung ruhen zu lassen. Verflucht war er für seine Hartnäckigkeit.

,,Kenne ich Marcus? Sein Gesicht kommt mir so bekannt vor", gab er grübelnd zurück, was ich mit einem schlichten Schulterzucken quittierte:,,Er ist dir möglicherweise schon ein, zweimal im Paddock über den Weg gelaufen. Dieses Jahr fährt in der Formel 2 für DAMS. Letzte Saison ist er für ART GP angetreten."

,,Stimmt! Marcus Armstrong, richtig?", warf er strahlend ein. Zustimmend nickte ich, bevor wir im nächsten Moment von einem jungen Keller unterbrochen wurden, der uns die Speisekarten brachte. Schon als ich angekommen war, hatte er mir diese angeboten, jedoch hatte ich sie dankend abgelehnt und auf Dad warten wollen. Mit der Bestellung unserer Getränke verschwand der Keller vorzeitig wieder.

,,Wenn ihr nicht zusammen seid, weshalb schmachtest du dann Bilder von ihm auf deinem Handy an?", kehrte mein Vater interessiert auf unser vorheriges Gespräch zurück, ohne auch nur einen Blick in die Karte geworfen zu haben.

,,Erstens habe ich keine Bilder von ihm auf meinem Handy, sondern bin zufälligerweise auf seinem Instagram Profil gelandet. Und zweitens...", verbesserte ich ihn empört, doch geriet dann ins Stocken. Ohne Dad zu erklären, was vorgefallen war, würde er mein Verhältnis zu dem Kiwi nie verstehen. Ich musste ihm also die Wahrheit sagen, die ich in den vergangenen Wochen aus Schuld und Scham vor jedem bewahrt hatte. Mit etwas anderem würde er sich ohnehin nicht zufriedengeben.

Somit atmete ich tief durch und setzte noch einmal neu an:,,Marcus und ich sind in Bahrain am Abend des Medientages durch gemeinsame Freunde ins Gespräch gekommen, haben Nummern ausgetauscht und seitdem geschrieben, oft telefoniert. In Imola haben wir uns wiedergesehen und jeden Abend zu zweit in seinem Haus in Maranello verbracht. Bis zum Rennsonntag lief alles so verdammt perfekt."

,,Was ist am Sonntag passiert?", erkundigte sich mein Gegenüber überrascht.

,,Ich habe mein zweites Podium geholt und erst ordentlich mit dem Team an der Strecke gefeiert, dann mit Marcus bei ihm. Wir haben Pizza bestellt, ein paar Folgen The Office geschaut, da er die Serie doch tatsächlich nicht kannte, und sind uns nähergekommen, als ich meine liebsten Szenen für ihn nachgestellt habe", fuhr ich wehmütig fort.

Bei den Erinnerungen an die zahlreichen Lachanfälle und flehenden ,,Zugabe"-Rufen des Ferrari-Juniors, seinen vor Freude tränenden Augen und dem breiten Lächeln in seinem Gesicht verkrampfte sich schmerzhaft mein Herz. Es war mit Abstand der beste Abend meines Lebens gewesen.

,,Wie nah?", hakte Dad prüfend nach. Schwer schluckte ich bei dem Gedanken an meinen damaligen ,,Belohnungskuss", der schnell in einer wilden Knutscherei ausgeartet war, die wir schlussendlich in sein Schlafzimmer verlegt hatten.

,,So nah, wie man sich eben sein kann", gab ich kleinlaut zurück. Gleichdarauf kam unser junger Kellner mit einem Glas Rotwein für meinen Vater sowie einem stillen Wasser für mich zurück an unseren Tisch. Kaum hatte er beides abgestellt, wollte er unsere Essensbestellung aufnehmen, jedoch machte Dad ihm höflich weis, dass wir uns noch nicht entschieden hätten und einen weiteren Moment brauchen würden. Verständnisvoll nahm er das hin und steuerte den nächsten Tisch an.

,,Was ist dann passiert?", wandte mein Vater sich aufmerksam wieder zu mir und nippte an seinem Weinglas.

,,Wir sind in seinem Bett eingeschlafen. Und als ich am nächsten Morgen vor ihm wach war, bin ich gegangen", gestand ich zögerlich.

Scharf zog Dad die Luft ein und verschluckte sich damit an seinem Getränk. Laut hustete er los, womit wir kurzweilig die gesamte Aufmerksamkeit der anderen Gäste hatten. Unangenehm. Betreten senkte ich meinen Kopf und fasste stumpfsinnig die Speisekarten vor mir ins Auge. Meeresfrüchte wurden als Gericht des Tages empfohlen. Jetzt wusste ich wenigstens, was ich definitiv nicht essen würde.

,,Wie bitte?", gewann die ungläubige Stimme meines Vaters, der sich offensichtlich gefangen hatte, wieder meine Aufmerksamkeit. Entgeistert starrte er mich an. ,,Was soll das heißen, du bist gegangen?"

,,Ich habe meine Sachen zusammengesammelt und bin, ohne mich zu verabschieden, aus dem Haus gestürmt, habe mich in meinen McLaren gesetzt und bin ins Hotel gefahren", führte ich meine vorherigen Worte beifällig weiter aus. Stolz war ich darauf absolut nicht, allerdings hatte ich keine andere, ernsthafte Wahl gehabt.

,,Hast du dich danach wenigstens beim ihm gemeldet?", wollte er weiter wissen, jedoch schüttelte ich nichtig den Kopf:,,Nein, seitdem herrscht Funkstille."

Stille kehrte anschließend auch am Tisch ein. Mein Vater schien meine Erzählung zunächst verarbeiten zu müssen, hingegen wäre ich bei seinem verstörten Blick am liebsten im Boden versunken und bereute es schon, nicht standhaft geblieben zu sein und ihm die ganze Wahrheit erzählt zu haben. Doch dann hellte sich seine Miene urplötzlich auf und seine Stimme wurde sanfter:,,Weißt du, Lando. Wäre es für dich eine einmalige Nacht gewesen, würde ich verstehen, dass du am nächsten Morgen gleich die Flucht ergreifst, obwohl das natürlich nicht die feinste Art ist, mein Lieber. Aber wir würden jetzt nicht darüber reden, wenn dir Marcus nichts bedeuten würde. Du magst ihn, oder?"

,,Ja, sehr", hauchte ich gequält. Denn so aussichtslos die Situation mit dem Kiwi derzeit auch war, änderte das nichts an meinen Gefühlen für ihn.

,,Wieso bist du dann abgehauen?", stellte er nächste naheliegendste Frage.

Wieder schluckte ich schwer. Genau wie ich die unglaubliche Nacht mit dem Neuseeländer in den letzten Wochen angestrengt verdrängt hatte, hatte ich es auch mit den damit verbundenen Ängsten und Zweifeln, Sorgen und Bedenken gemacht. Wie ein schwerer Stein lagen sie nun auf meiner Brust und erschwerten mir damit das Atmen.

,,Hey Kumpel", riss mich Dads beruhigende Stimme aus meiner Starre, derweil glitten seine Finger behutsam über meiner Hand auf dem Tisch. ,,Wovor hast du solche Angst?"

,,Kennst du irgendeinen homosexuellen Formel 1 Fahrer? Ich nämlich nicht. Die Medien würden mich zerfleischen, wenn sie herausfinden würden, dass ich mich in einen Mann verliebt habe, vor allem wenn dieser selbst ein aufstrebender Nachwuchsfahrer ist. Und über die Reaktionen der Fans will ich gar nicht erst nachdenken", brach es aufgelöst aus mir heraus. Als ich am Morgen neben Marcus aufgewacht war und ihn friedlich beim Schlummern beobachtet hatte, war mir bewusst geworden, dass eine gemeinsame Zukunft nie so ruhig und entspannend verlaufen würde, wie er es verdient hatte. Das machte unsere Berufung einfach nicht mit.

,,Wo steht geschrieben, dass Medien oder Fans von deinem Liebesleben erfahren müssen?", entgegnete mein Vater verblüfft. Ernüchtert schnaubte ich und lehnte mich zurück:,,Dad, komm schon. Heutzutage ist nichts und niemand mehr vor den Sozialen Medien sicher. Die Leute kriegen alles raus."

,,Ach ehrlich? Ich habe bisher in keiner Zeitschrift gelesen, dass du dich in Imola mit Marcus getroffen und sogar mit ihm geschlafen hast", konterte er unbeeindruckt.

Dem hatte ich erstmal nichts entgegenzusetzen. Artikel über meine damaligen Abstecher bei dem Kiwi hatte ich nämlich auch nicht gesehen. Allerdings war das auch gerade einmal ein Rennwochenende gewesen, vier ganze Abende. Würden daraus irgendwann weitere Abende, gar Tage oder Wochen werden, würden meine Besuche in Maranello sicherlich nicht unbemerkt bleiben können. Und wie sollte ich diese als Fahrer von McLaren plausibel erklären, ohne den wahren Grund bekannt zu geben? Das war unmöglich.

,,Du denkst doch nicht, dass solche geheimen Treffen auf Dauer tatsächlich gutgehen würden, oder? Marcus wohnt in Maranello, schuftet in der Academy für Ferrari. Dagegen werde ich in Woking gebraucht, von McLaren. Wie soll eine Fernbeziehung, die unter keinen Umständen an die Öffentlichkeit geraten darf, funktionieren?", wollte ich zweifelnd wissen, dabei formten sich Dads Lippen zu einem warmen, zarten Lächeln.

,,Ich weiß es nicht, Lando", gab er ehrlich zurück. ,,Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn du diesen Jungen wirklich magst und mit zusammen sein willst, dann krieg deinen Hintern hoch und kämpf für ihn. Zerstör dir dein Glück nicht, nur weil du zu viel nachdenkst und es von den Meinungen anderer abhängig machst. Du wirst es bereuen."

Länger leugnen konnte ich die Wahrheit in Dads Worten nicht mehr. Denn er lag genau richtig. Ich würde es bereuen, Marcus durch meine eigene Unsicherheit kampflos aufgegeben zu haben. Ewig.

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Monaco, 22. Mai 2021

Tief atmete ich durch und lehnte mich gegen die Wand des Fahrstuhls. Lange hatte es nicht gedauert, George dazu zu bringen, Marcus Zimmernummer für mich aus Callum herauszuquetschen. Ganz im Gegenteil. Ich hatte nicht einmal meine Frage vollständig ausgesprochen, da hatte dieser schon euphorisch sein Handy ergriffen und dem Ferrari-Junior geschrieben. Allzu gern würde er mir zu meinem verdienten Liebesglück verhelfen.

Am liebsten hätte mein bester Freund, mich danach in einen schicken Anzug gesteckt, Blumen und Pralinen in die Hand gedrückt und mit seinem heißgeliebten Hugo Boss After Shave eingesprüht, jedoch hatte ich dem Umstyling glücklicherweise entfliehen können. Lediglich auf die Blumen hatte ich mich eingelassen und hielt nun einen Strauß Rosen in der Hand. ,,Niemand wird denen widerstehen können" hatte die ältere Verkäuferin im Blumenladen mit starkem französischem Akzent geschworen. Ich hoffe, dass sie recht behalten würde.

Mit einem hellen ,,Bing" öffneten sich die Türen des Aufzuges auf einmal. Ein Blick zur Seite verriet mir, dass ich auf meiner ausgewählten Etage, und damit auf der Etage von Marcus Zimmer, angekommen war. Rasch richtete ich mich auf und trat aus dem Fahrstuhl. Wieder fand ich mich in einem klassischen Hotelflur: weiße Wände und Teppichboden, geschlossene Türen auf beiden Seiten mit einem kleinen Schild der Zimmernummern daneben und zwischen diesen Türen Gemälde.

Unbewusst verfestigte ich meinen Griff um den Blumenstrauß, als wäre er in diesem Moment mein einziger Halt, und bahnte mir, bemüht gefasst zu bleiben, einen Weg durch den Flur. Kaum war ich am Ende von diesem angekommen und entsprechend dem Pfeil an der Wand ,,Zimmer 326-332" nach rechts abgebogen, erblickte ich den Kiwi vor der zweiten Tür auf der linken Seite, seiner Zimmertür.

,,Jesus Christ!", dröhnte seine hörbar genervte Stimme durch den Flur. Während seine eine Hand auf der Türklinke ruhte und versuchte diese kraftvoll herunterzudrücken, schob er mit der anderen Hand offenbar seine Zimmerkarte in den dafür vorgesehenen Schlitz, zog sie dann wieder heraus, nur um sie gleichdarauf wieder hineinzuschieben. Von Erfolg gekrönt, schien beides nicht zu sein.

Seine angespannte Miene ließ mein Herz schlagartig erweichen. Nachdem der DAMS-Pilot sich im ersten Sprintrennen der Formel 2 heute Morgen von P14 auf P10 vorgekämpft und sich damit die vorderste Startposition im folgenden Rennen gesichert hatte, hatte er diese wegen technischer Probleme nicht in Anspruch nehmen können und aus der Boxengasse starten müssen. Als wäre das nicht hart genug gewesen, hatten diese technischen Probleme ihn zwei Runden später in den Notausgang befördert und sein Rennen gänzlich beendet. Ihn nun nach all den Geschehnissen sichtlich müde und abgekämpft, leidend und überfordert zu sehen, war schmerzlich und etwas, was ich ändern wollte.

,,Brauchst du Hilfe?", warf ich aufmerksam in die Stille hinein und schritt bedächtig auf den Neuseeländer zu. Augenblicklich erstarrte dieser. Entgeistert schellte sein Kopf zu mir, womit ich zum ersten Mal seit Wochen in seine braunen Augen schaute. Von dem gewohnt freudigen, lebensfrohen Funkeln in seinem Blick fehlte jede Spur, stattdessen verfinsterte sich seine Miene wütend.

,,Sehe ich so aus, als würde ich Hilfe brauchen?", zischte er giftig.

,,Willst du wirklich, dass ich diese Frage beantworte?", rutschte es mir undurchdacht heraus. Sofort bereute ich die trockene Gegenfrage und hing ein reumütiges ,,Tut mir leid" hinterher. Provozieren wollte ich ihn keinesfalls.

,,Spar es dir!", schnaubte der Kiwi abfällig, schüttelte missmutig den Kopf und ließ von seiner Zimmertür ab. Auffordernd streckte er mir im nächsten Moment seine Zimmerkarte entgegen und funkelte mich böse an:,,Weißt du was? Hier. Bitte. Wenn Mr Lando Norris meint, wie aus heiterem Himmel irgendwo aufkreuzen zu müssen und alles besser zu wissen, stelle ich mich dem nicht in den Weg."

Keine Minute stand ich Marcus gegenüber und schon war er verärgerter als vorher. Großartig hatte ich das hinbekommen, wirklich. Hoffend die Stimmung drinnen in Ruhe irgendwie kippen zu können, nahm ich ihm die Karte ab und wandte mich zu seiner Zimmertür. Prüfend beäugelte ich zunächst die Schlüsselkarte in meiner Hand und stieß auf der Unterseite auf ein kleines rotes Dreieck, wie es auch meiner Zimmerkarte verzeichnet war, eine Art Pfeil. In Richtung dieses Pfeils steckte ich die Karte in den Schlitz und damit andersherum als der Kiwi zuvor. Ein grünes Lämpchen am Türschloss flackerte auf, unterstützt von einem neutralen Piepton. Als ich dann die Türklinke umfasste, ließ sie sich problemlos herunterdrücken und die Tür damit öffnen.

Mit einem schüchternen Lächeln drehte ich mich zurück zu Marcus, der mein Vorhaben mit skeptischem Blick verfolgt hatte, und hielt ihm seine Schüsselkarte hin:,,Du hast..."

,,Sei einfach still!", schnitt der Neuseeländer mir scharf das Wort ab, wodurch mein Lächeln schlagartig verblasste. Grob riss er mir die Karte aus der Hand und quetschte sich an mir vorbei in sein Zimmer. Was hatte ich auch anderes erwartet?

Verunsichert tat ich es ihm gleich und ließ die Tür hinter mir mit einem Schubser ins Schloss fallen. Hilflos folgte ich Marcus durch seinen schmalen Zimmerflur ins Innere und brachte währenddessen nur ein weiteres ,,Tut mir leid" über die Lippen. Alles, was ich tat, tat ich irgendwie falsch.

,,Das sagtest du bereits", vermerkte der Kiwi monoton und stopfte seine Zimmerkarte in die Hosentasche, ehe er sich seinen Rucksack abstreifte.

,,Und ich würde es am liebsten noch tausend Mal sagen. Es tut mir wirklich leid, Marcus", setzte ich schuldig hinterher. Verzweifelt machte ich ein, zwei weitere Schritte auf den Neuseeländer zu, doch stoppte augenblicklich, als sein Kopf fassungslos zu mir geriet.

,,Und jetzt? Glaubst du, dass ich dir freudestrahlend um den Hals falle und ein weiteres Mal mit dir schlafe, nur damit du am nächsten Morgen wieder spurlos verschwinden kannst? Vergiss es, Lando! Ich bin kein dummer Idiot! Noch einmal lasse ich mich nicht um den Finger wickeln! Daran ändert auch ein bescheuerter Blumenstrauß nichts!", stellte er kühl klar. Wie automatisch glitten meine Augen folglich zu den Rosen in meiner Hand. Er konnte ihnen scheinbar widerstehen.

,,Fuck!", hauchte ich ernüchtert darüber, dass unsere geplante Versöhnung drauf und dran war, ins Gegenteil auszuarten, und schmiss den Strauß lieblos auf den leeren Holztisch neben mir. Helfen tat er mir nicht. Überfordert richtete ich mich danach zurück zu dem DAMS-Fahrer und schüttelte hektisch den Kopf:,,Fuck. Fuck. Fuck. Ich habe dich nie um den Finger wickeln wollen, geschweige denn als dummen Idioten gesehen. Gott, Marcus! Schon bei unserer ersten Begegnung bin ich deiner humorvollen, offenen und warmherzigen Art verfallen. Ein Blick in deine glänzenden braunen Augen hatte genügt, um diese nie, nie mehr aus dem Kopf zu bekommen, von deinem ansteckenden Lächeln ganz zu schweigen. Unsere Abende bei dir Maranello, unsere erste gemeinsame Nacht... das war die schönste Zeit meines Lebens."

,,Wieso bist du dann am nächsten Morgen, ohne mir auch nur eine Nachricht zu hinterlassen, abgehauen?", hakte der Ferrari-Junior entrüstet nach. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich seine Wut in Verwunderung umgewandelt.

,,Weil ich Angst bekommen habe. Angst davor, dass jemand eines Tages von unseren Treffen erfährt und wir die Titelbilder sämtlicher Motorsportzeitschrift füllen würden. Angst vor diesen Schlagzeilen, der Aufmerksamkeit und den Reaktionen der Reporter, der Teams, der Fans. Angst davor, dass wir uns dadurch verlieren könnten und daran zerbrechen würden", gestand ich leise. Ahnend legte der Kiwi den Kopf schief:,,Deshalb wolltest du dem zuvorkommen, indem du das mit uns genauso schnell beendet hast, wie es begonnen hat."

,,Ich dachte, dass es das Beste für uns ist, das Beste für dich", fügte ich zustimmend hinzu, doch wusste nun, dass genau das Gegenteil der Fall war.

,,Du hast gedacht, dass es das Beste für mich ist, mich nach unserer gemeinsamen Nacht wie ein benutztes, dreckiges Spielzeug zurückzulassen?", warf der Neuseeländer mir harsch vor und entlockte mir damit ein schwaches ,,Marcus." So hatte ich meine Worte nämlich keinesfalls gemeint.

,,Was?", fuhr dieser patzig fort, bevor seine zornige Miene plötzlich weicher wurde. Leicht schüttelte er ein weiteres Mal den Kopf und ging danach langsam auf mich zu:,,Lando, ich verstehe deine Ängste und Bedenken besser als jeder andere, denn sie belasten mich genauso. Ich will ebenso wenig in den Mittelpunkt der Medien gerückt werden, nur weil ich mich in den heißesten Formel 1 Fahrer der Saison verliebt habe, und kann auf die Meinungen der anderen herzlich verzichten. Mein Liebesleben geht sie nichts an. Aber lieber nehme ich diese Sorgen in Kauf, rede mit dir darüber und versuche eine Lösung zu finden, als dich einfach so sitzenzulassen. Es hat sich verdammt beschissen angefühlt, nach allem am nächsten Morgen ohne dich aufzuwachen."

,,Ich weiß, wie mies das war und es tut mir unheimlich leid. Dich zu verletzen, war das letzte, was ich wollte, und ich verspreche dir, dass ich alles dafür tun werde, dass das nie wieder vorkommt", schwor ich entschlossen. Zögerlich griff ich nach Marcus Hand, kaum dass er vor mir zum Stehen gekommen war, und atmete erleichtert auf, als er diese Berührung zu ließ. Fest verschränkte ich unsere Finger miteinander und blickte ihm weiterhin tief in die Augen:,,Ich bin hier, um es besser zu machen, um mit dir über Uns zu reden und eine Lösung zu finden, wenn du es das denn überhaupt noch willst und mir verzeihen kannst."

,,Natürlich will ich das noch. Ich habe nie etwas mehr gewollt", hauchte der Neuseeländer mit einem zarten, schiefen Lächeln auf seinen Lippen, welches sich hoffnungsvoll auf meinen widerspiegelte.

Behutsam legte Marcus seine freie Hand an meiner Wange, ehe er mich zaghaft zu sich zog und unsere Lippen zu einem Kuss verband, den ich allzu gern erwiderte. Er war anders als unser erster Kuss in Italien, sanfter, zärtlicher, inniger. Allerdings fühlte er sich genauso gut, wenn nicht sogar besser an. Endlich hatte ich den Kiwi wieder bei mir, meinen Kiwi, und noch einmal verlassen, würde ich ihn ganz sicher nicht. Zwar wusste keiner von uns, wie wir eine Fernbeziehung führen sollte, ohne großartige Aufmerksamkeit zu erregen, doch wir würden es herausfinden. Zusammen. 

•••

Ich hoffe, dass es okay ist, dass eure Wünsche zusammengefasst habe. Theoretisch hätte ich den Os auch teilen können, aber dann wäre in Marcus in dem ersten Teil nicht aktiv vorgekommen und das fand ich etwas blöd.😂🤷🏼‍♀️

Ganz zufrieden bin ich mit dem Os nicht, deswegen hoffe ich umso mehr, dass er euch gefällt.🧡

Habt ein schönes Wochenende!

Lg. T.

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