[62] Lando Norris x Carlos Sainz [2/2]
für OsByLynn und allen anderen, die sich eine Fortsetzung zum letzten Daniel x Lando Os gewünscht haben💘
[62] ,,Wenn wir ehrlich sind, war das zwischen uns doch von Anfang an zum Scheitern verurteilt."
Sotschi, 23. September 2020
Wie jeden Freitag nach dem zweiten Freien Training stand das Fahrerbriefing an, in dem Fragen von uns Fahrern oder Unstimmigkeiten untereinander zusammen mit der Rennleitung höchstpersönlich geklärt werden würden. Nach einem durchaus positiven Trainingstag folgten Carlos und ich unserer PR-Managerin Charlotte durch den Paddock zum besagten Versammlungsraum und tauschten uns währenddessen über die verschiedenen Set-ups am Auto aus.
Es tat gut wieder hier zu sein, draußen an der Rennstrecke, bei meinem Team und bei Carlos. Die letzten eineinhalb Wochen hatte ich mich in Alex Gästezimmer verschanzt und Zeit gebraucht, um Daniels Seitensprung zu verdauen. Mittlerweile hatte ich durch lange und emotionale Gespräche mit meinem besten Freund eingesehen, dass dieser nicht grundlos passiert war. Immerhin war der Australier weder betrunken gewesen, noch hatten wir uns gestritten oder ähnliches - ganz davon ab, dass das seinen Betrug ebenso wenig gerechtfertigt hätte. Er hatte sich von seinen Gefühlen leiten lassen, von seiner Liebe und seinem Verlangen zu Max. So weh diese Tatsache tat, so sehr sie mir auch das Herz brach, es war die Realität und etwas, mit dem ich mich abfinden müsste, abfinden wollte.
Charlotte verließ uns vor dem Gebäude der FIA und beorderte uns nach dem Briefing zurück ins Motorhome zu kommen, was wir ihr mit einem Versprechen versicherten. Somit traten wir lediglich zu zweit durch die Eingangstür, fuhren mit dem Aufzug zwei Stockwerke höher und liefen den folgenden Gang entlang bis zur dritten Tür auf der linken Seite, wie unsere PR-Managerin es uns gesagt hatte.
Hinter meinem Teamkollegen betrat ich den Versammlungsraum, doch blieb ruckartig stehen, als mein Blick auf Daniel fiel, der lachend neben Max auf einem der in reihenaufgebauten Stühle saß. Sein Arm hatte er locker auf die Rückenlehne des Niederländers abgelegt, sowie er es in der Vergangenheit bei mir getan hatte. Das Bild zu sehen, Daniel und Max, meine erste große Liebe und ein guter Freund, traf mich härter, als erwartet. Schmerzhaft verkrampfte sich mein Herz, was mir Tränen in die Augen trieb und fast gänzlich die Luft zum Atmen nahm. Dabei hatte ich doch gewusst, dass ich den beiden im Briefing begegnen würde. Ich hatte mir eingestanden, dass Daniel den RedBull-Fahrer liebte, so viel mehr als mich, und das auf Gegenseitigkeit beruhte. Wieso, wieso verletzte mich das Bild dennoch so sehr? Gefühle waren echt zum Kotzen.
,,Lando?", riss mich Carlos aufmerksame Stimme aus meiner Starre. Behutsam hatte er seine Hand auf meiner Schulter abgelegt und zog damit meine Aufmerksamkeit auf sich. Sorgsam musterte er mich:,,Ist alles in Ordnung?"
,,Ja, ja, alles...", stimmte ich unscheinbar zu und versuchte mich zu beruhigen, allerdings glitt mein Blick keine Sekunde später ein weiteres Mal unkontrolliert zu Daniel. Dessen Hand hatte sich derweil in den Haaren von Max verirrt, der die zarte Berührung sichtlich genoss. Mit einem glücklichen Lächeln lehnte sich der Niederländer zu Daniels Ohr und flüsterte etwas, was beide zum Schmunzeln brachte. Anschließend hauchte er dem Älteren einen unauffälligen Kuss in die Halsbeuge, dann noch einen.
Hastig wandte ich meinen Blick zu Boden, konnte diese Turtelei nicht länger mit ansehen. Qualvoll zog sich mein Herz ein weiteres Mal zusammen, während es sich so anfühlte, als würde ich von meinen eigenen Emotionen und Gefühlen erstickt werden. Von Erniedrigung und Frust bis hin zu Scham, Reue und Wut. Panisch schnappte ich nach Luft, hielt angestrengt meine aufkommenden Tränen zurück, wodurch ich am ganzen Körper zitterte. Ich musste dringend hier weg.
,,Lando, ganz ruhig. Tief durchatmen", nahm ich Carlos Stimme betäubt wahr, doch konnte mich nicht auf seine Worte konzentrieren. Das Einzige, wozu ich geradeso in der Lage war, war laufen. Und das tat ich. Mit wackeligen Beinen stürmte ich aus dem Versammlungsraum in Richtung des Fahrstuhls.
,,Lando!", ertönte wieder die besorgte, zugleich erschrockene Stimme meines Teamkollegen. Wieder sauste sie regungslos an mir vorbei. Ich brauchte frische Luft, das war der einzige Gedanke in meinem Kopf und der einzige Gedanke, den ich ausführen konnte.
Aufgelöst kam ich vor dem Fahrstuhl zum Stehen, drückte wie wild auf den zugehörigen Knopf herum, als würde er dadurch schneller in meiner Etage ankommen. Auf einmal umfasste eine Hand meine Finger und stoppte damit mein Tun. Verängstigt drehte ich mich zur Seite und fand mich in den braunen Augen von Carlos wieder, die so viel Wärme ausstrahlten, dass mein rasender Herzschlag allmählich herunterfuhr.
,,Gleichmäßig atmen, Lando. Gleichmäßig", bestimmte der Spanier gefasst und atmete für mich deutlich ein und aus. Bemüht versuchte ich es ihm nachzumachen und seine Atmung zu übernehmen, was mir schließlich auch gelang. Fuck, was tat Daniel nur mit mir?
,,Geht es wieder?", erkundigte sich Carlos fürsorglich, als mein Atem sich normalisiert hatte. Schwach nickte ich, wollte gerade ansetzen, um mich bei ihm für seine Hilfe zu bedanken, jedoch öffneten sich im selben Moment die Fahrstuhltüren, sodass nun Charles und Pierre vor uns standen.
,,Hey", warf der Franzose uns mit einem erfreuten Lächeln entgegen, was allerdings verblasste, als er uns genauer betrachtete. Verdattert verzog er sein Gesicht, genau wie der Ferrari-Fahrer neben ihm. Zögerlich fragte dieser nach:,,Ist alles okay?"
,,Ja, ja total", schwor Carlos provisorisch und zog mich an der Hand in den Aufzug. ,,Wir haben nur gerade eine Nachricht gekriegt, dass wir im Motorhome erscheinen sollen. Würdet ihr Masi Bescheid geben?"
,,Natürlich", willigte Pierre schlagartig ein und trat hinter Charles aus dem Fahrstuhl. Nach einer knappen Verabschiedung schlossen sich die Türen des Aufzugs und zu meiner Verwunderung fuhren wir nach oben anstatt nach unten. Irritiert sah auf die Zahl des Stockwerks, das mein Teamkollege zwischenzeitlich ausgewählt haben musste, Nummer 4, das höchste.
,,Wieso fahren wir nach oben?", platzte die naheliegende Frage aus mir heraus. Verwirrt wandte ich mich zu Carlos, der verschmitzt grinste:,,Der Paddock ist voller Journalisten und Fans. Ich kenne einen viel besseren Ort zum Durchatmen."
,,Im 4. Stock?", hakte ich skeptisch nach. Die Aufzugtüren öffneten sich mit einem hellen ,,Bing" wieder und ein langer Flur mit geschlossenen Türen auf jeder Seite kam zum Vorschein. Wäre kein Schild mit der Nummer 4 an der Wand angebracht, könnte man die Etage glatt mit allen anderen verwechseln. Auffordernd streckte Carlos mir seine Hand aus und setzte sanft hinterher:,,Vertraust du mir?"
Das tat ich, womit ich ohne zu zögern seine Hand ergriff und mich von ihm den Flur entlang ziehen ließ. Vor einer Tür, über der breit ,,Notausgang" stand, hielten wir an. Perplex betrachtete ich den Spanier dabei, wie er die Türklinke herunterdrückte, als wäre es das normalste der Welt, und die Tür öffnete. Der Raum entpuppte sich als eine Art Treppenhaus, eine Wendeltreppe führte nach oben, eine andere nach unten. Carlos schleifte mich zur erstgenannten und langsam dämmerte mir sein endgültiges Ziel.
,,Hier geht es zum Dach, oder?", fragte ich wissend nach und folgte ihm die Treppen hoch. Schmunzelnd drehte er sich kurzzeitig zu mir:,,100 Punkte für Slytherin."
,,Slytherin?", wiederholte ich empört. Würde mich durchaus als ehrgeizig und entschlossen beschreiben, jedoch nicht als stolz und gerissen.
Lachend zog der Spanier mich nach der letzten Stufe durch eine anliegende Glastür, die wie geahnt zum Dach führte. Die Aussicht auf die Strecke, dahinter die Berge ergänzt vom strahlend blauen Himmel und dem Sonnenschein entlockte mir ein beeindrucktes ,,Wow". Oft war ich in Sotschi gewesen, doch hatte nie gewusst, dass die Landschaft der Stadt so wunderschön sein konnte.
,,Woher weißt du, wie man hierherkommt?", wollte ich fasziniert wissen, als wir näher ans Geländer liefen. Bei den aufkommenden Erinnerungen formten sich Carlos Lippen zu einem belustigten Lächeln:,,In unserer Rookie Saison haben Max und ich alle Gebäude im Paddock erkundet, von den Motorhomes der anderen Teams abgesehen. An die haben wir uns nie herangetraut. Nach einem Driver Briefing haben wir uns bei der FIA wie Spione herumgeschlichen und sind irgendwann hier oben gelandet."
,,Max also", murmelte ich missmutig, mehr ungewollt als absichtlich. Rasch löste ich meine Hand aus der meines Teamkollegen, hatte nicht einmal gemerkt, dass ich sie immer noch hielt, und stützte meine Unterarme auf dem Geländer ab. Ich mochte den RedBull-Fahrer, natürlich tat ich das. Bevor ich überhaupt Ersatzfahrer bei McLaren geworden war, waren wir Freunde gewesen und hatten oft in online Rennen ein Team gebildet. Umso schmerzlicher war es nun, dass er mich ebenso hintergangen und verraten hatte wie Daniel.
,,Willst du mir erzählen, was passiert ist?", fragte Carlos sanft nach und lehnte sich neben mich ans Geländer. Er hatte Daniel und Max im Versammlungsraum vermutlich selbst gesehen und ahnte, dass etwas stimmte. Stumpf sah ich auf die Landschaft vor uns und zuckte mit den Schultern. Viel zu erzählen, gab es immerhin nicht.
,,Sie haben miteinander geschlafen, Daniel und Max", kam es mir schlussendlich leise über die Lippen.
,,Was?", entwich es dem Spanier entsetzt. Schluckend fuhr ich meine Worte weiter aus:,,Nach dem letzten Rennen in Mugello. Daniel hat es mir einen Tag später bei ihm in Monaco gestanden."
,,Scheiße, das tut mir leid. Wieso hast du nichts gesagt?", hauchte mein Teamkollege einfühlsam. Zeitgleich fand seine Hand den Weg zu meinem Rücken, wanderte beruhigend auf und ab.
,,Ich habe es hinter mir lassen wollen. Sobald ich in Sotschi gelandet war, hatte ich geplant, mich ausschließlich nur um mich und meine Leistung zu kümmern, gut gelaunt und optisch zu sein wie zuvor, aber als ich die beiden gerade gesehen habe, zusammen, da...", gab ich stammelnd zurück und suchte nach dem passenden Worten für mein Gefühlschaos, doch fand sie nicht. Stattdessen seufzte ich schwer und setzte mit glasigen Augen verzweifelt hinterher:,,Es ist so verdammt hart."
,,Gefühle kann man eben nicht ohne weiteres abstellen", vermerkte Carlos verständnisvoll, was mich ernüchternd zum Schnauben brachte:,,Daniel konnte es doch auch, zumindest die für mich."
,,Er ist ein Arschloch, Lando. Dich hat er hingehalten, obwohl ihm bewusst war, dass er noch Gefühle für Max hat", fügte der Spanier giftig hinzu. Dass Daniels Liebe zu Max nie vergangen war und nie vergehen würde, hatte ich mittlerweile auch erkannt, allerdings viel zu spät.
,,Ich war so blind und naiv, dass ich das nicht durchschaut habe. Einfach erbärmlich", schniefte ich angewidert von mir selbst.
,,Vergiss es, ich werde nicht zulassen, dass du dich seinetwegen selbst runter machst. Das einzig Erbärmliche an der ganzen Situation ist Daniel, der mit deinen Gefühlen gespielt und dich ausgenutzt hat. Genauso widerwertig ist Max, der mit dem Freund einer seiner engsten Freunde ins Bett springt, ob Vorgeschichte hin oder her. Die beide verdienen einander. Und du? Du verdienst so viel mehr", stellte Carlos festentschlossen klar und nahm seine Hand von meinem Rücken, nur um gleichdarauf ein weiteres Mal nach meinen Fingern zu greifen. Prompt führte er mich vom Geländer weg in Richtung Treppenhaus.
So unerwartet wie sein Handeln kam, wäre ich fast über meine eigenen Füße gestolpert, doch konnte mich rechtzeitig abfangen. Widerstandlos ließ ich mich von ihm mitziehen und fragte entgeistert nach:,,Wo willst du hin?"
,,Zum Auto. Dann losfahren und dort anhalten, wo es uns gefällt", antwortete er unscheinbar.
,,Und das Briefing?", wollte ich zweifelhaft wissen. Musste zwar zugeben, dass sein Plan ziemlich hinreißend und spannend klang, jedoch konnten wir wohl kaum als zwei Fahrer eines Teams das Driver Briefing schwänzen. Zudem hatten wir Charlotte geschworen, nach dem Briefing ins Motorhome zurückzukehren.
Carlos schien sich darüber herzlich wenige Gedanken zu machen. Er öffnete die Glastür zum Treppenhaus und ging anschließend einen Schritt beiseite. Dann ließ er meine Hand los und machte mir mit einer einladenden Handbewegung deutlich, dass ich durch den Türrahmen gehen sollte. Dabei funkelten seine Augen voller Freude und Lebhaftigkeit, was ein angeregtes Kribbeln in mir aufstiegen ließ. Bemüht unschuldig schmunzelte er:,,Welches Briefing?"
Ich wollte zu einer Antwort ansetzen und ihn an unsere Pflichten erinnern, jedoch hatte ich mich in dem Funkeln seiner Augen verloren, das lustvolle Kribbeln übernahm meinen gesamten Körper. Mit einem befreiten Lächeln betrat ich gefolgt von Carlos das Treppenhaus und schlich mich mit ihm durch den Hinterausgang des Paddocks zu dem Renault, den er übers Wochenende fahren durfte. Zum ersten Mal seit dem Geständnis von Daniel fühlte ich ein Hauch von Freiheit und Fröhlichkeit, Lebendigkeit und Sorglosigkeit.
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Abu Dhabi, 12. Dezember 2020
Mit Tränen überströmten Wangen saß ich spät am Abend vor dem Rennen auf meinem Hotelbett und blickte schniefend auf meinen Laptop, auf dem die Huski Chocolate's Christmas Challenge lief, die gestern auf dem Youtube Kanal von McLaren online gekommen war. Ich konnte mich allzu gut daran erinnern, wie viel Carlos und ich bei dem Dreh vor einer Woche im MTC gelacht hatten und die Challenge letztendlich in einer Essenslacht zwischen uns ausgeartet war. Verflucht war es schwer gewesen, die ganze Schlagsahne aus meinen Haaren zu entfernen.
Das fertige Video zu sehen, war schmerzhaft. Zu wissen, dass es die letzte McLaren Challenge war, die wir zusammengedreht hatten, war noch schmerzhafter. Und die Tatsache, dass wir morgen unseren letzten Tag als Teamkollegen beschreiten würden, war am schmerzhaftesten. Von unserer ersten Begegnung an waren der Spanier und ich auf einer Wellenlänge gewesen, hatten trotz zahlreicher verschiedener Interessen, denselben Humor und uns viel zu erzählen. Schnell wurde Carlos zu einem guten Freund, einer meiner besten Freunde und engsten Vertrauten. Immer war er da gewesen. Nach einem enttäuschenden Ergebnis oder niederschmetternder Kritik in den Medien, immer hatte er mir gut zu gesprochen und mich aufgemuntert. Von meinen Selbstzweifeln über Unstimmigkeiten mit Alex und George, meinen Eltern und Geschwistern, bis zu meinen Gefühlen für Daniel und der folgenden Trennung, immer hatte er ein offenes Ohr für mich gehabt und mich unterstützt, mich abgelenkt und besser fühlen lassen. Immer war es Carlos gewesen.
Ihn nun an Ferrari zu verlieren und zukünftig durch Charles ersetzt zu werden, war, als würde mir jemand das Herz rausreißen, etwas nehmen, ohne das ich nicht leben konnte. Wie sollte ich auch? Der Mensch, dem ich ohne zu zögern mein Leben anvertrauen würde, würde mich morgen verlassen und stattdessen dürfte ich die nächsten zwei Jahren mit demjenigen als Teamkollegen verbringen, der mich für seinen Exfreund schlagartig hat fallenlassen. Schreckliche Aussichten auf eine bevorstehende schreckliche Saison.
Eilig klappte ich meinen Laptop mitten im Video zu, hielt keine weitere Sekunde mehr aus. Ebenso konnte ich nicht mehr weiterhin hier sitzen, alleine in meinem Hotelzimmer, meinen Gedanken ausgesetzt. Ich brauchte die Nähe von jemanden, die Nähe einer ganz bestimmten Person.
Zitternd krabbelte ich aus meinem Bett und steuerte meine Zimmertür an. In einer kurzen Schlafhose sowie einem schlichten T-Shirt trat ich auf Socken den Flur entlang zu der Tür von Carlos ein Zimmer weiter. Aufgewühlt klopfte ich an die Tür. Dann noch einmal und noch einmal undnocheinmalundnocheinmalund...
Die Tür wurde geöffnet. Vor mir stand mein irritierter Noch-Teamkollege und musterte amüsiert:,,Lando, findest du nicht, dass es etwas zu spät für einen Klopf-Marathon an meiner Tür ist?"
Anstatt ihm zu antworten, fiel ich ihm sehnsüchtig um den Hals. Fest drückte ich ihn an mich, wollte ihn nie wieder loslassen, und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Tief atmete ich seinen liebgewonnenen Duft ein und genoss seine ersehnte Nähe. Das war genau das, was ich gebraucht und gewollt hatte. Dass ich darauf zukünftig verzichten müsste, nicht länger ohne weiteres ein Zimmer weitergehen und Carlos aufsuchen könnte, holte den vorherigen Schmerz und die Trauer vom Schauen der McLaren Challenge zurück, trieb mir Tränen in die Augen und brachte mich ein weiteres Mal zum Schluchzen. Es tat so weh, ihn zu verlieren.
Nur nebensächlich nahm ich wahr, wie die Tür ins Schloss fiel. Carlos hatte seine Arme mittlerweile um meine Hüfte geschlungen und strich mir besänftigend über den Rücken. Ab und an raunte er ein beruhigendes ,,Es ist okay, Lando" oder ,,Alles wird gut", was seinen Zweck teilweise erfüllte. Zu hören und zu spüren, dass er bei mir war, ließ meine Tränen allmählich verrinnen und meinen Körper herunterfahren.
Vorsichtig wich der Spanier nach einiger Zeit zurück, in der ich keinen Mucks mehr von mir gegeben und einzig und allein seine Nähe genossen hatte. Während seine eine Hand weiterhin auf meinem Rücken ruhte, fuhr seine andere Hand behutsam zu meiner Wange. Seine Lippen formten sich zu einem zaghaften Lächeln, ehe er fürsorglich nachfragte:,,Was ist los? Ist etwas passiert?"
,,Ich brauche gerade einfach nur dich", gestand ich mit dünner Stimme und schmiegte mich gegen seine wohltuende Berührung. Carlos nahm das nickend hin, stellte keine weiteren Fragen oder gab Kommentare ab. Bestimmend griff er nach meiner Hand, ließ dafür von meiner Wange ab und zog mich zu seinem Hotelbett, auf dem wir es uns gemütlich machten.
Der Spanier hatte sich an das Kopfteil gelehnt und schützend einen Arm um mich gelegt, dabei seine Hand lieblich in meinen Haaren vergraben. Derweil hatte ich mich wehmütig an seine Brust gekuschelt und meine Finger mit denen seiner freien Hand verschränkt. Ohne dass ich es verhindern konnte, schweiften meine Gedanken zu den vergangenen Momenten ab, in denen wir ähnlich verweilt waren, nach meinem DNF in Deutschland, dem enttäuschenden Rennen in Portugal, den langen Teambriefings in Imola und Istanbul, dem angsteinflößenden Unfall von Grosjean und dem chaotischen zweiten Rennen in Bahrain, nicht zu vergessen all unsere Film- und Serienabende zu Hause.
,,Ich will nicht, dass es morgen vorbei ist", entwich es mir bei den geliebten Erinnerungen verzweifelt.
,,Die Saison?", hakte Carlos fragend nach, was mich nichtig zum Schnaufen brachte:,,Wenn interessiert die dumme Saison? Ich meine das hier, unsere gemeinsame Zeit."
,,Ich wechsle das Team, Lando. Das bedeutet nicht, dass ich aus der Welt bin", bemerkte er liebevoll.
,,Ja, du vielleicht nicht aus meiner, aber ich aus deiner. Wenn du erst einmal bei Ferrari in Italien bist und Charles als deinen neuen, besseren Teamkollegen getroffen hast, wirst du mich im Handumdrehen vergessen", brummte ich verbittert. So lief es mit Menschen, die mir alles bedeuteten. Sie vergaßen mich.
,,Das glaubst du doch nicht ernsthaft, oder?", vergewisserte sich Carlos entsetzt und stoppte in seiner Bewegung. Ich schwieg.
Sachte zog der Spanier seine Hände zurück und schob mich von sich herunter, um sich aufzusetzen. Entrüstet sah er mir in die Augen, schüttelte schwach den Kopf, und stellte klar:,,Ich könnte dich niemals vergessen."
,,Oh bitte, Daniel konnte mich selbst vergessen, während wir zusammen waren. Also wieso solltest du es nicht können, wenn wir tausend Kilometer auseinander wohnen und für verschiedene Teams fahren, hm? Das macht es dir sicherlich noch leichter", giftete ich verletzt und hatte mich ebenfalls aufgerichtet.
,,Ich bin nicht Daniel, okay? Im Gegensatz zu ihm liebe ich dich wirklich!", warf er mir fassungslos entgegen, ließ damit augenblicklich mein Herz höherschlagen.
,,Du liebst mich?", wiederholte ich seine Worte perplex, wusste ich nicht, was ich dabei denken oder fühlen sollte, war mir nicht einmal mehr sicher, was diese Worte überhaupt bedeuteten. Die letzte Person, die sie mir gegenüber verwendet hatte, war zugleich die Person gewesen, die mich ausgenutzt und betrogen hatte.
,,Fuck", murmelte Carlos fluchend. Seine Worte schienen ungewollt aus ihm herausgequollen zu sein. Unentschlossen raufte er sich die Haare, schluckte schwer und blickte mir schlussendlich tief in die Augen:,,Ja Lando, ich liebe dich, so viel mehr als du dir vorstellen kannst."
Nie hatte der Spanier mich angelogen, geschweige denn jemals enttäuscht. Dennoch konnte ich mit seinen Worten und dem klaren Glanz in seinen Augen nichts anfangen. Zu sehr dämmerte die Vergangenheit in meinem Kopf, wie gefährlich einfach es doch war, sich von Worten täuschen zu lassen.
,,Zeig es mir", verlangte ich tonlos, würde mich nicht noch einmal von drei belanglosen Worten leiten lassen.
,,Was?", entgegnete Carlos verwirrt. Tief atmete ich durch, bevor ich meine Worte flehend aus führte:,,Daniel hat es auch getan. Mir gesagt, dass er mich liebt und dann einen Tag später mit Max geschlafen. Ich vertraue diesen Worten nicht mehr, Carlos. Ich muss sie spüren. Also wenn du mich liebst, zeig es mir."
Ohne zu zögern, kam er meiner Forderung nach, rutschte näher zu mir und platzierte seine Hand sanft an meiner Wange. Danach lehnte er sich langsam vor, bis sich unsere Lippen berührten und verband sie zu einem zärtlichen Kuss. Hitze stieg in mir auf, unterstützt von einem angeregten, wohligen Kribbeln. Die Lippen des Spaniers waren so samt und weich, dass ich nicht anders konnte, als den Kuss gefühlvoll zu erwidern. Nichts hatte sich jemals besser angefühlt.
,,Vertrau mir", hauchte Carlos gegen meine Lippen und wich nach einem weiteren Kuss etwas zurück. ,,Vertrau mir, wenn ich dir sagen, dass ich dich niemals vergessen würde oder könnte. Du nimmst mittlerweile einen so bedeutenden Teil meines Lebens ein, dass ich nicht einmal einen Tag ohne dich auskommen würde. Ferrari, Italien, Charles... nichts davon könnte dich jemals ersetzen, niemals."
Das war es. Das war es, was meine Zweifel verfliegen ließ und mir ein überglückliches Lächeln auf die Lippen zauberte. Von Freude und Glück, Geborgenheit und Sicherheit überströmt, legte ich meinen Arm auf Carlos Schulter ab und fuhr mit meiner Hand in seine Haare. Lächelnd lehnte ich meine Stirn gegen seine, schloss währenddessen genussvoll die Augen, und stimmte überzeugt zu:,,Ich vertraue dir."
Keine Sekunde später spürte ich die Lippen des Spaniers ein weiteres Mal auf meinen und wurde in den nächsten leidenschaftlichen Kuss verwickelt, den ich liebend gern erwiderte.
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Woking, 01. Februar 2021
Mit einem erfreuten Lächeln begrüßte ich Charlotte, die mich am Eingang des MTC abfing. Die Winterpause neigte sich allmählich dem Ende zu und der erste Arbeitstag der neuen Saison stand an. Wie mir meine PR-Managerin mitteilte, standen Autogramme, Videodrehs und Interviews an. Alles wie immer.
Charlotte brachte mich zu einem Bürozimmer, in dem ich auf sie warten sollte, während sie die Kartons mit den neuen Autogrammkarten holen würde. Schon durch die Glastür konnte ich sehen, dass ich nicht der Einzige im Raum sein würde, der Unterschriften zu geben hatte. Daniel saß bereits an einer aufgebauten Tafel und signierte seine Karten. Okay, es war fast alles wie immer.
Um der Aufforderung meiner PR-Managerin nachzukommen, umfasste ich den Türgriff und öffnete die Tür. Im selben Moment bemerkte mich mein Exfreund und drehte überrascht seinen Kopf zu mir. Ein ungewohnt schüchternes Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus und ein zögerliches ,,Hey" brachte er hervor.
,,Hey", erwiderte ich gelassen, war so ruhig, dass es mich fast selbst beeindruckte. In unzähligen Gesprächen mit Carlos hatte ich Panik geschoben, meinem Freund die schlimmsten Szenarien beim Zusammentreffen mit Daniel geschildert und ihm erklärt, wie komisch und unangenehmen es werden würde, doch nun, nun fühlte ich nichts dergleichen. Keine Wut auf Daniel, kein Unmut oder sonstiges. Ich fühlte im gegenüber absolut gar nichts, spürte nur die Vorfreude auf das neue Auto und die kommende, zugegeben nicht mehr ganz so schrecklich scheinende Saison.
,,Wie geht es dir?", erkundigte sich Daniel vorsichtig, was ich mit einem belustigten Schnauben quittierte. Ich ließ die Tür hinter mir zu fallen und steuerte schmunzelnd den Stuhl neben ihn an:,,Smalltalk, ehrlich? Ich dachte, dass du sowas nicht ausstehen kannst."
,,Tue ich auch nicht, aber ich weiß nicht, wie...", setzte er so unsicher an, wie ich ihn zuvor noch nie erlebt hatte. Auch wenn er seinen Satz nicht vollendete, wusste ich worauf er hinauswollte. Er wusste nicht, wie er mit mir umgehen sollte. Mir erging es immerhin ähnlich.
Seufzend schob ich den Stuhl neben ihm zurück und setzte mich. Lächelnd wandte ich mich zu ihm und stellte beruhigend klar:,,Schon gut, Daniel. Zerbrich dir nicht den Kopf. Zwischen uns ist alles cool."
,,Bist du dir sicher? Ich kann es dir nicht verübeln, wenn du mich hasst", merkte der Australier schuldbewusst an.
,,Ich bin mir sicher", stimmte ich zweifellos zu. ,,Und hassen tue ich dich auch nicht. Wenn wir ehrlich sind, war das zwischen uns doch von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Du liebst Max, auf eine intensive und leidenschaftliche Weise, wie du niemals für jemand anderen empfinden könntest."
,,Tut mir leid, dass ich dir nicht das geben konnte, was du verdienst", gab Daniel einsichtig zurück, was ich mit einem raschen Kopfschütteln abwinkte:,,Das muss es nicht. Ich habe nun die Person gefunden, die das kann."
,,Das freut mich wirklich. Die Person hat ziemlich viel Glück mit dir", gab der Australier anerkennend zurück. Bevor noch einer von uns etwas sagen konnte, trat Charlotte mit zwei Kartons in den Händen durch die Tür und kam auf uns zu.
Gewiss war Daniel nicht Carlos, in dem ich die Person gefunden hatte, die mich an erster Stelle setzte, über alles und jeden, und gewiss würden wir bei unserer Vorgeschichte auch keine besten Freunde werden, allerdings würden wir uns sicherlich als Teamkollegen einspielen und zusammen alles für McLaren geben. Das war das wichtigste, McLaren.
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Ich konnte meine Finger nicht ganz von Daniel und Max lassen, aber hoffe, dass euch die Fortsetzung trotzdem gefällt und eurem Wunsch nachkommt.🧡
Habt ein schönes Wochenende!
Lg. T.
Kommentar von OsByLynn:
[uhm nein, das wichtigste ist Carlos😂 der Oneshot ist toll geworden! Es ist süß, wie Carlos für Lando da ist und sie sich näher kommen, bis sie dann auch endlich zusammenkommen🥺 ach man, die beiden sind so perfekt miteinander und auch Daniel x Max sind toll (sorry Landooooo)👀 jetzt hätte ich gerne noch eine Daniel x Max Fortsetzung aber sie kriege ich wahrscheinlich nicht]
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