[5] Pierre Gasly x Charles Leclerc
für fraugoretzka
[5] ,,Versprich mir, dass du hierbleibst."
Monaco, 04. Oktober 2019
Mit klopfendem Herzen öffnete ich am Abend die Tür zu dem Appartement von Charles und mir. Den gesamten Nachmittag hatte ich mit Max verbracht und mit ihm über meine Schuldgefühle geredet. Stundenlang hatte er mir zugehört und sich bemüht zu helfen, mir Kraft gegeben und Mut gemacht. Nun würde ich es tun. Nun würde ich Charles die Wahrheit sagen und mich meinen Fehlern stellen, auch wenn das bedeuten würden, die Liebe meines Lebens endgültig zu verlieren.
Ich ließ die Haustür hinter mir ins Schloss fallen, stopfte meinen Schlüssel zurück in die Jackentasche und hang diese anschließend zu den anderen an die Garderobe. Dann streifte ich mir meine Schuhe ab und schob sie an die Wand, ehe ich den Flur entlanglief und mich auf die Suche nach meinem langjährigen Freund machte. Im Wohnzimmer wurde ich fündig. Charles saß mit einem Buch in der Hand auf der Couch und schien zu lesen.
Jetzt oder nie. Tief atmete ich durch und schritt zaghaft auf den Monegassen zu:,,Charly?"
,,Hm?", murmelte er abwesend, hatte seinen Blick starr auf das Buch vor sich gerichtet und blätterte die nächste Seite um. Schluckend kam ich vor ihm zum Stehen und fuhr fort:,,Wir müssen reden."
,,Kann das bis später warten? Es wird gerade spannend", winkte er schwerfällig ab und hatte seinen Blick dabei nicht einmal vom Buch genommen. Diesen Verlauf nahmen in letzter Zeit fast alle unsere Gespräche. Ich schnitt ein Thema an, Charles würgte mich ab, da es gerade nicht passend war, und verschob mich auf später. Jedoch wurde später zu nie.
Diesmal würde es anders sein. Diesmal würde ich mich nicht zurückweisen lassen. Gefasst schüttelte ich den Kopf und setzte deutlicher nach:,,Nein, wir müssen jetzt reden."
,,In 10 Minuten, okay?", gab er gleichgültig zurück. Empört schnaufte ich, hatte genug von seinem abweisenden Verhalten und hielt es nicht länger aus. Schlagartig riss ich ihm das Buch aus der Hand und stellte verzweifelt klar:,,Nein, verdammt! Wir müssen jetzt reden! Es ist wichtig!"
,,Okay, okay", willigte mein Freund überrascht ein, war über mein forsches Auftreten fast schockiert. ,,Was ist los?"
Auf einmal waren meine Entschlossenheit und mein Wille wie weggefegt. Stattdessen überkamen mich Unsicherheit und Zweifel. Dass ich endlich ehrlich zu Charles sein und mich mit ihm aussprechen musste, war unumstritten. Nicht nur weil er ein Recht auf die Wahrheit hatte, sondern auch mein schlechtes Gewissen mich andernfalls in den Wahnsinn treiben würde. So wie wir zudem in den letzten Wochen aneinander vorbei gelebt hatten, die Anwesenheit des anderen mehr als Qual gesehen anstatt genossen hatten, funktionierte es nicht mehr. Seit dem Tod von Tonio funktionierten wir nicht mehr.
Wütend über diese Tatsache warf ich das Buch in eine freie Ecke des Sofas und entschloss mich, geradewegs mit der Wahrheit heraus zu rücken:,,Ich habe mit jemand anderen geschlafen."
,,Was?", entwich es dem Monegassen perplex. Misstrauisch musterte er mich, schien darauf zu warten, dass sich meine Mine zu einem Grinsen verzog und scherzte, allerdings tat ich es nicht. Ich hatte ihn betrogen. Stolz war ich darauf gewiss nicht. Immerhin liebte ich den Ferrari-Fahrer mit jeder Faser meines Körpers und hasste mich selbst dafür, ihn so hintergangen zu haben.
Das realisierte nun auch Charles und stand von der Couch auf, drückte sich unsanft an mir vorbei. Aufgelöst tigerte er durchs Wohnzimmer, raufte sich dabei die Haare, und brauchte einen Moment, um die Bedeutung meiner Worte zu verstehen und zu verarbeiten, den ich ihm widerstandlos gab. Nach einiger Zeit stoppte er abrupt. Mit glasigen Augen richtete er sich zu mir, seine Stimme war ungewohnt dünn:,,Wann?"
,,Nach dem Rennen in Russland letzte Woche", gestand ich wahrheitsgemäß. Nach einem unzufriedenstellenden 14. Platz hatte ich mich abends an der Hotelbar mit Shots abgefüllt, während Charles bis in die Nacht hinein an der Strecke gewesen war und seine Daten analysiert hatte, wie er es schon an den vergangenen Rennwochenenden getan hatte. Geleitet von dem Alkohol im Blut und dem angestauten Frust über das ablehnende Art meines Freundes hatte ich mich schließlich einer charmanten brünetten Frau hingegeben, die mich angesprochen hatte.
,,Du bist ein gottverdammtes...", setzte Charles giftig an, doch vollendete seinen Satz nicht. Dagegen ballten sich seine Hände zu Fäusten und schienen seine gesamte Wut aufsaugen zu wollen. Schwer atmend brachte er schlussendlich ein verständnisloses ,,Wieso?" über die Lippen.
,,Seit Tonios Unfall stürzt du dich in unendlich viel Arbeit, verbringst deinen ganzen Tag bei Ferrari in Maranello und kommst erst spät abends zurück, wenn du nicht gleich dort übernachtest. Bist du doch mal zu Hause, meidest du mich. Liest ein Buch oder spielst Klavier, trainierst alleine oder sitzt vor deinem Computer, alles Hauptsache du musst nicht mit mir reden", erklärte ich und merkte selbst, wie meine Stimme zum Ende hin zittriger wurde. Ihm sein Verhalten vorzuhalten, war nicht leicht. Mir war bewusst, dass er es nicht absichtlich tat, sich mit der Trauer um Anthoine nicht anders zu helfen wusste. Ich hatte das oft mit Max thematisiert und diskutiert, doch wie mein bester Freund richtigerweise festgehalten hatte, hatte mich sein Verhalten verletzt und einen Teil dazu beigetragen, dass unsere Beziehung mit dem Rücken zur Wand stand, war auch ein Grund für Shots in Russland gewesen.
,,Das ist nicht wahr", widersprach mein Freund kläglich, schüttelte dabei vehement seinen Kopf.
,,Doch ist es, Charly", verbesserte ich ihn tonlos, spürte allmählich selbst, wie mir Tränen in die Augen stiegen. ,,An Rennwochenenden ist es nicht anders. Du bist nur bei deinem Team und kommst nachts nicht einmal mehr in mein Hotelzimmer. Ich habe mich noch nie so überflüssig und zurückgestoßen gefühlt wie in den letzten Wochen, einsam und alleingelassen."
,,Und deshalb springst du gleich mit der nächstbesten Person ins Bett? Du hättest mit mir reden können!", warf er mir gekränkt vor, was ich mit einem hilflosen Schnauben quittierte:,,Das habe ich versucht, aber du warst andauernd beschäftigt und hast mir nicht zugehört!"
,,Also ist es auch noch meine Schuld?", hakte Charles verächtlich nach.
,,Das habe ich nicht gesagt", stellte ich prompt klar, würde ihm niemals die Schuld für meinen Seitensprung zu schieben. Die hatte ich ganz alleine zu verantworten. Ich hatte meine Frustration in Alkohol ertränkt und ich hatte mich benebelt von einer brünetten Schönheit verführen lassen. Allerdings hatte er bei der Ursache des Frusts neben dem miserablen Rennergebnissen eine erhebliche Rolle gespielt, auch wenn das meinen Fehler selbstverständlich nicht rechtfertigte. Natürlich würde ich nun anders handeln, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, noch einmal das Gespräch mit Charles suchen und mich nicht mit einer einfachen Ausrede abweisen lassen. Ich würde alles anders machen.
Mittlerweile hatte der Monegasse seinen Blick von mir abgewandt, fokussierte stumpf den Boden vor sich und hatte seine Arme vor der Brust verschränkt. Zögerlich trat ich auf ihn zu, hatte noch so vieles, was ich ihm sagen wollte, ihm sagen musste.
,,Hör zu, Charly. Ich weiß, dass...", begann ich unsicher und machte einen weiteren Schritt in seine Richtung, doch wurde im selben Moment rasch von ihm unterbrochen:,,Verschwinde."
,,Charly...", seufzte ich schwer und wollte behutsam nach seiner Hand greifen, jedoch zog er sie zuvor weg und wich ein Stück zurück.
,,Fass mich nicht an und spar dir dein verfluchtes Charly!", schrie er verletzt. Mit seiner Hand deutete er auf die Wohnzimmertür und warf zischend hinterher:,,Verschwinde Pierre, ich meine es ernst! Zieh los und leg die nächste Person flach! Ich hoffe wenigstens, dass es sich für dich lohnt!"
Ich fühlte förmlich, wie mein Herz sich bei seinen Worten schmerzlich zusammenzog und sich weitere Tränen in meinen Augen sammelten. Dass diese Worte vor Enttäuschung und Wut aus ihm herausgeplatzt waren, hatte ich bei meinem Ausrutscher nicht anders verdient. Dennoch waren sie schwer zu ertragen, vor allem da es nichts gab, was ich ihnen entgegensetzen konnte. Es gab nichts, mit dem ich unsere Beziehung retten konnte, kein Wort der Welt, mit dem ich die Dinge zwischen uns richten konnte.
Schweren Herzens kam ich Charles Aufforderung nach und drehte mich weg. Schniefend strich mir zwei, drei Tränen weg, die ich nicht mehr zurückhalten konnte und den Weg über meine Wangen gefunden hatten. Ich schnappte mir meine Jacke, schlüpfte in meine Schuhe, und zog ungewollt mit einem lauten Knall die Haustür hinter mir zu. Damit war es wohl vorbei, drei Jahre Beziehung nach zwei qualvollen Monaten in tausende Teile zerbrochen. Diese Teile wieder zusammen zu setzen, schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein.
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Drei Tage nach meinem Geständnis bei Charles und unserem folgenden Streit machte ich mich wieder auf den Weg zu unserem Appartement. Die vergangenen Tage war ich bei Max untergekommen, hatte sein Gästezimmer in Anspruch genommen und mir Klamotten von ihm geliehen. Für das nächste Rennen, zu dem wir morgen mit Daniel in ihrem Privatjet nach Suzuka fliegen würden, brauchte ich allerdings Klamotten vom Team und meine Reiseunterlagen.
Somit war ich gezwungen, einen Abstecher ins Appartement einzulegen, und machte mich gleich nach dem Krafttraining im Gym auf den Weg dorthin. Meinen Wagen parkte ich am Straßenrand, ehe ich das Penthouse betrat und in den zweiten Stock zu unserem Appartement lief. Das erste Indiz dafür, dass Charles nicht zu Hause war, war die Tatsache, dass die Tür abgeschlossen war. Ein weiteres Zeichen war der fehlende Schlüssel, den er aus Gewohnheit immer auf unserer Kommode im Flur abgelegt hatte, und das leere Fach im Schuhregal.
Mit einem mulmigen Gefühl schritt ich den Flur entlang zu unserem Schlafzimmer. Von Anfang an hatte ich mich in dem Appartement wohl und geborgen gefühlt. Es war mein zu Hause, unser zu Hause. Jedoch fühlten sich diese vier Wände nun trostlos und betrübt an. Die Fotos von Charles und mir in den Bilderrahmen, die Souvenirs aus unseren Urlauben in den Regalen, sie war schmerzhaft anzusehen. Es waren Erinnerungen an die schönsten Zeiten meines Lebens, die nun nicht wiederkehren würde, nicht ansatzweise.
Als ich unser Schlafzimmer betrat, fischte ich einen der Koffer von unserem Kleiderschrank herunter und schmiss ihn aufs Bett. Danach öffnete ich die Türen des Schrankes, sammelte nach und nach meine Klamotten zusammen und legte sie in den Koffer.
,,Nein, nein, nein!", dröhnte plötzlich eine ängstliche Stimme durch den Raum, die mich erschrocken zusammenzucken ließ. Irritiert richtete ich mich zur Schlafzimmertür, in der Charles mit glasigen Augen stand. Sein ganzer Körper zitterte. ,,Bitte geh nicht."
,,Charly, was...", murmelte ich verwirrt, war mir nicht ganz sicher, ob ich seine Worte, so undeutlich wie er gestammelt hatte, wirklich richtig verstanden hatte.
,,Nach Tonios Tod kann ich nicht auch noch dich verlieren. Bitte verlass mich nicht. Bitte, versprich mir, dass du hierbleibst", schluchzte der Monegasse panisch. Der angsterfüllte Ton in seiner Stimme und die unzähligen Tränen, die ihm über die Wangen strömten, brachen mir das Herz. So aufgewühlt hatte ich ihn noch nie gesehen.
Augenblicklich ließ ich von dem Koffer ab und überbrückte schnellen Schrittes die wenigen Meter zwischen uns, um ihn in meine Arme zu ziehen. Fest krallte er sich an mich, als hätte er Angst, dass ich ihn gleich wieder loslassen würde, und ließ seinen Tränen freien Lauf. Beruhigend fuhr ich ihm über den Rücken, hauchte ihn ab und an einen zärtlichen Kuss auf den Ansatz, und gab ihm die Zeit, die er brauchte. Obwohl jeder weitere seiner herzzerreißenden Schluchzer auch mir Tränen in die Augen trieb, wollte ich für uns beide stark bleiben.
Als Charles allmählich ruhiger wurde, löste er sich ein Stück, sodass wir uns in die Augen schauen konnten. Seine Arme hatte er weiterhin um meine Hüfte geschlungen, hielt mich nah bei sich und setzte vorsichtig an:,,Es tut mir leid, dass ich in den letzten Wochen fast durchgängig bei Ferrari war und nach Beschäftigung gesucht habe. Ich habe nicht gemerkt, wie sehr ich dich vernachlässige und im Stich lasse. Das Einzige, was ich brauchte, war Arbeit und Ablenkung, irgendwas, was mich abhält über Tonios Unfall nachzudenken und der Realität ins Auge zu sehen."
,,Schon gut", gab ich verständnisvoll zurück, ehe ich mit den Worten schuldbewusst nachzog, die mir schon seit Tagen auf dem Herzen lagen. ,,Mir tut mein Seitensprung leid, so sehr. Es gibt nichts auf der Welt, was ich mehr bereue. An dem Abend in Russland war ich so betrunken, dass sich mein Verstand ausgeschaltet hat und ich nicht mehr klar denken konnte. Mir ist bewusst, dass das meinen Fehler nicht rechtfertigt, nichts rechtfertigt ihn, aber du sollst wissen, dass es mir unheimlich leidtut und dich nie hintergehen wollte."
Wissend nickte der Ferrari-Fahrer und wanderte mit seiner Hand bedacht zu meiner Wange. Anschließend fragte er leise nach:,,War es jemand, den ich kenne?"
,,Nein, es war eine Frau, die ich an der Hotelbar kennengelernt habe. Ich kann mich nicht einmal an ihren Namen erinnern", antwortete ich ehrlich.
,,Okay", hauchte er versöhnend und blickte mir tief in die Augen. ,,Es ist viel zwischen uns kaputtgegangen, schmerzhaft viel, aber ich glaube, dass wir das wieder hinkriegen können. Wir beide haben Fehler gemacht, kennen diese und können von ihnen lernen. Ich liebe dich, Pierre, mehr als alles andere und kann ohne dich nicht leben. Ich will ohne dich nicht leben."
,,Mir geht es genauso, Charly. Ich liebe dich und würde nichts lieber tun als noch einmal von vorne starten", schwor ich überwältigt von all den verschiedenen Emotionen der vergangenen Wochen und schmiegte mich genussvoll an seine Berührung. Nichts auf der Welt tat so gut wie seine Zärtlichkeiten.
,,Dann lass uns von vorne starten", bestimmte Charles mit einem zarten Lächeln auf seinen Lippen, was sich sofort auf meinen widerspiegelte. Sehnsüchtig lehnte ich mich vor und zog den Monegassen in einen gefühlvollen Kuss, den er verlangend erwiderte.
So schwer es auch sein würde, würden wir alles daransetzen, die zerbrochenen Teile unserer Beziehung wieder zusammen zu fügen. Mit Liebe und Mühe war nichts unmöglich und Charles und ich waren nun endlich bereit, beides zu geben und für uns zu kämpfen.
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Ein Os, der für mich beim Schreiben nicht ganz leicht war. Ich wollte zwei verschiedene Arten von Trauerbewältigung und dessen Auswirkung auf eine Beziehung aufzeigen. Ich hoffe, dass ich das einigermaßen gut hingekriegt habe, und dir der Os trotz des traurigen Themas gefallen hat.🧡
Habt ein schönes Wochenende!
Lg. T.
Kommentar von OsByLynn:
[hm, ich weiß ja nicht🤷🏻♀️ ich habe irgendwie nicht das Gefühl, dass es für die beiden das richtige ist, sondern eher, dass da noch ein paar Vertrauensproblemchen auftreten könnten🤭 also Pierres Verhalten...oof😬 er hat das schon ganz schön unfair auf Charles geschoben, auch wenn er sagt dass er das nicht getan hat😂 Natürlich war es unfair von Charles, aber vielleicht brauchte er einfach mal Zeit für sich um das alles realisieren zu können🤷🏻♀️ trotzdem toll geschrieben babe💘]
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