veröffentlicht am 15.03.2021

[31] „Du weißt nicht, wie es mir geht, also halt einfach die Klappe."

Abu Dhabi, 13.12.2020

Carlos' Sicht:

„Hörst du mir überhaupt zu?", nahm ich Ruperts Stimme entfernt wahr.

Mein Blick galt immer noch meinem Handy, auf dem ein Bild von mir und Lando geöffnet war. Es war an einem der wenigen Tage gemacht worden, an dem wir uns dieses Jahr mal nicht gestritten hatten, sondern stattdessen einfach glücklich gewesen waren. Naja, es war auch unser Jahrestag gewesen und wir waren extra dafür nach Venedig gefahren. Lando wollte schon immer mal dorthin und auch wenn das Thema Italien seit der Bekanntgabe meines Wechsels eher heikel war, hatte er sich ohne zu zögern darauf eingelassen.

„Das ist ein Traum hier!", strahlte Lando und blickte sich begeistert um. Ich lehnte mich währenddessen an den Türrahmen zu unserem Balkon, um auch einen kleinen Ausblick über die Straße zu haben, durch die - wie so ziemlich überall hier - ein Kanal führte.

„Die nächsten Tage werden wunderschön", redete mein Freund begeistert weiter und stützte sich auf das Geländer, „Wollen wir spazieren gehen?"

„Gleich." Entspannt schloss ich die Augen, genoss für einen kurzen Moment die warme Brise. Es war wirklich schön hier. Die Sonne schien, keine Motorgeräusche und Kanäle so weit das Auge reichte. Eigentlich wollte ich mich gerade umziehen, als Lando auf den Balkon gelaufen war, weswegen ich noch oberkörperfrei war.

„Willst du da jetzt so stehen bleiben oder kommst du irgendwann auch noch zu mir?" Auffordernd blickte der Jüngere mich an, was mich zum Grinsen brachte. Natürlich befolgte ich seine Worte sofort und schlang von hinten meine Arme um seinen Hals, bevor ich meinen Kopf seitlich an seinen lehnte. Lando legte seine eine Hand auf meine Unterarme und schmiegte sich näher an mich.

Währenddessen zog er sein Handy aus der Hosentasche. Mit einem sanften Lächeln öffnete er die Innenkamera und machte ein paar Selfies. Ich drückte ihm dabei immer wieder Küsse auf die Wange und Schläfe, würde am liebsten nie wieder die Finger von ihm lassen. Schließlich packte er das Handy wieder weg und schloss entspannt die Augen.

„Danke, dass du dir diese Tage für mich frei nimmst", murmelte er leise.

„Für uns", verbesserte ich ihn liebevoll und betrachtete ihn von der Seite, „Und es gibt nichts, was ich lieber machen würde, als mit dir Urlaub zu genießen. Es ist unser Jahrestag."

„Der erste von vielen", bemerkte er und drehte seinen Kopf mehr in meine Richtung. Ich konnte es mir nun nicht mehr verkneifen, ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

‚Der erste von vielen' war letztendlich der erste und letzte geworden...

„Carlos!" Mein Trainer schnappte sich jetzt mein Handy und augenblicklich streckte ich meinen Arm aus, um es mir zurückzuholen. „Du musst damit aufhören, ihm hinterher zu trauern. Entweder du kriegst deinen Arsch hoch und redest nochmal vernünftig mit ihm oder du versuchst, über ihn hinwegzukommen. Aber das, was du gerade machst, tut dir nicht gut."

Rupert und Jon waren die einzigen im Team, die von unserer Beziehung gewusst hatten, weswegen mein Trainer jetzt auch der einzige war, dem ich von der Trennung erzählt hatte. Er versuchte, für mich da zu sein, aber ich war gerade nicht der leichteste Patient, das wusste ich.

„Du weißt nicht, wie es mir geht, also halt einfach die Klappe", murrte ich emotionslos und endlich gelang es mir, mein Handy wiederzubekommen.

„Ich mag dich auch", kommentierte er, ehe er eine Augenbraue hochzog, „Ganz offensichtlich bereust du die Trennung. Heute ist dein letzter Tag als Landos Teamkollege und du hast endlich verstanden, was du angestellt hast. Jetzt trauerst du ihm hinterher, was ja kein Problem wäre, wenn du eben auf ihn zugehen und dich entschuldigen würdest."

„Du verstehst das nicht", murmelte ich und lehnte meinen Kopf an die Wand, „Als er sich an die Wand gedrückt hat und mich so unfassbar ängstlich angeschaut hatte, habe ich schon verstanden, dass ich es verkackt habe. Aber das kann ich einfach nicht mehr gut machen. Ich habe ihn monatelang vernachlässigt. Gott, ich hätte ihn auch einfach immer mitnehmen können, wenn ich zu meiner Familie geflogen bin, dann wäre das alles nicht passiert."

„Du solltest wirklich mit ihm reden", bemerkte Rupert, „Lando geht es doch nicht besser als dir."

Schwer seufzte ich über seine Worte. „Nicht jetzt. Wir müssen gleich mit dem Aufwärmen beginnen."

„Erst in einer halben Stunde", schmunzelte mein Gegenüber und ich meinte: „Das reicht nicht."

„Wenn ihr es in einer halben Stunde zerstören konntet, könnt ihr es auch in einer halben Stunde wieder klären." Schulterzuckend griff er nach seinem Tablet. „Ich gehe mir kurz einen Kaffee holen." Und schon war er verschwunden.

Brummend strich ich mir durch die Haare und dachte über seine Worte nach. Ja, möglicherweise reichte eine halbe Stunde auch, um es zu klären. Vielleicht reichten auch fünf Minuten, in denen ich mich für alles entschuldigte. Vielleicht würden wir aber auch nie wieder zusammenkommen, weil er mir nicht verzeihen konnte.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken und ich murmelte: „Komm rein."

Mein Herz blieb stehen, als mein Teamkollege den Kopf durch die Tür steckte, dann klopfte es doppelt so schnell weiter.

„Lando", hauchte ich und sprang von der Massagebank auf.

„Hey", lächelte er unsicher, bevor er die Tür hinter sich schloss, „Hast du kurz Zeit für mich?"

„Ich habe immer Zeit für dich", antwortete ich und plötzlich konnte ich meine Entschuldigung nicht mehr zurückhalten. Die Worte sprudelten einfach aus mir heraus, ohne dass ich sie hätte zusammenlegen können. „Und es tut mir so unglaublich Leid, dass ich dir das zuletzt nicht mehr gezeigt habe. Die letzten Wochen haben mir nur gezeigt, dass du wichtiger bist als alles andere auf dieser Welt und ich ohne dich nichts mehr so richtig hinbekomme. Ich könnte mich immer noch dafür schlagen, dass ich dich so sehr vernachlässigt habe. Keine Ahnung, warum ich mir nicht mehr Zeit für dich genommen habe, aber es war der größte Fehler, den ich jemals gemacht habe. Könnte ich, würde ich sofort die Zeit zurückdrehen."

Mit leicht geöffnetem Mund und glasigen Augen blickte er mich an und schwieg eine ganze Weile. Dann schüttelte er sich leicht. „Wow, i-ich..." Lando unterbrach sich selbst und blinzelte heftig. „Eigentlich bin ich gekommen, weil ich mich auch entschuldigen wollte. Es hat sich scheiße angefühlt, dass ich immer alleine war, aber zu wissen, dass ich dich ganz verloren habe, war um einiges schlimmer. Ich hätte dir sagen sollen, dass ich die neue Situation bewältigen möchte, dass ich weiterhin mit dir zusammen sein möchte, aber das habe ich nicht und das tut mir Leid. Ich war ein Idiot."

„Waren wir wohl beide", flüsterte ich mit erstickter Stimme und atmete einmal tief durch, um mein rasendes Herz unter Kontrolle zu bringen, allerdings brachte es nicht sonderlich viel. Was bedeutete das nun für uns? Wollten wir uns nochmal auf eine Beziehung einlassen und es diesmal schaffen?

Der Jüngere kam langsam auf mich zu und kratzte sich am Hinterkopf. „Der Gedanke, dich als Teamkollege loszulassen, war unerträglich. Es hat sich so angefühlt, als würde ich dich verlieren, und ich habe nicht bemerkt, dass mein Verhalten dazu geführt hat, dass genau das passiert", gab er kleinlaut zu.

„Ich wollte nie, dass es sich so für dich anfühlt, immerhin war es ja nicht mein Plan, dich einfach hinter mir zu lassen. Ich wollte eine neue Chance nutzen, aber doch nicht alleine, sondern mit dir an meiner Seite. Und McLaren bleibt immer ein Teil von mir, ich werde immer McLaren-Fan bleiben", meinte ich und kam nun meinerseits einen Schritt auf ihn zu, „Wir hätten besser kommunizieren müssen."

„Hätten wir", stimmte er mir zu. Tief atmete er durch, bevor er nach meiner Hand griff und sofort verschränkte ich unsere Finger miteinander. „Ich will es in Zukunft besser machen, Carlos. Ich liebe dich immer noch so sehr und ich will dir wieder nah sein können."

„Ich will es doch genauso, cariño", gab ich sanft zurück und hob meine freie Hand, um ihm über die Wange zu streicheln. Das letzte Mal, als ich dies getan hatte, hatte er mich unter Tränen angebettelt, es zu lassen, da er Angst vor mir hatte. Nun schmiegte er sich wieder vertraut in meine Berührung, woraufhin mein Herz einen freudigen Sprung machte. „Ich liebe dich auch."

„Also versuchen wir es nochmal?", vergewisserte Lando sich hoffnungsvoll und augenblicklich nickte ich. Dann beugte ich mich zu ihm, bevor ich unsere Lippen zu einem zärtlichen Kuss verschmelzen ließ.

Es war genau das Gefühl, was ich die letzten Wochen so sehr vermisst hatte. Seine weichen Lippen auf meinen ließen schon immer meinen Körper in Flammen stehen und ich liebte es so sehr, ihm auf diese Art nah zu sein.

Ich spürte Landos andere Hand an meiner Hüfte, wo sie sich festkrallte, als hätte er Angst, dass ich mich zu früh lösen wollte, aber das war gar nicht mein Plan. Viel lieber öffnete ich meinen Mund etwas, seufzte zufrieden in den Kuss und vertiefte ihn dann.

Irgendwann mussten wir uns dann aus Atemnot lösen, aber Lando nutzte direkt die Gelegenheit, um mich in eine feste Umarmung zu ziehen. Sein Gesicht presste er in meine Halsbeuge, sodass ich sein Lächeln ganz genau spüren konnte.

Zufrieden schlang ich die Arme um seinen Hals und vergrub mein Gesicht in seinen Haaren, damit ich seinen Geruch aufnehmen konnte.

„Ich habe das vermisst", nuschelte er undeutlich, ehe er mehrere sanfte Küsse auf meine Haut drückte, „Deine Nähe ist das beste vor Rennen, wenn ich mich beruhigen will."

„Nur dann?", zog ich ihn schmunzelnd auf.

„Nein, eigentlich immer", antwortete er ehrlich und kuschelte sich noch näher an mich, „Können wir das trotzdem auch nächstes Jahr machen?"

„Wir werden einen Weg finden, es tun zu können", versprach ich ihm, „Wir werden einen Weg für alles finden."

„Daran werde ich nie wieder zweifeln", gab mein Freund zurück.

„Gut so." Liebevoll strich ich ihm durch die Haare und schloss dann meine Augen.

Nun würde alles wieder gut werden, denn ich hatte ihn wieder an meiner Seite.

Oneshot für dreaming_t <3

Ich hoffe, euch gefällt die Fortsetzung🖤

Ich habe dieses Wochenende endlich mal wieder nach fast einem Monat was geschrieben😁 zwar keine Oneshots, aber dafür ein wenig anderen Kram...👀

Kommentar von dreaming_t :
[owww babyyys... 🥺🥺🥺 Warum denn nicht gleich so? Ich hoffe, dass die beiden ihre Lektion gelernt haben und in Zukunft besser aufeinander aufpassen. Der zweite Teil ist wirklich süß geworden, vor allem das Ende. Danke, dass du ihn geschrieben hast.💘]