Moments (Max Verstappen x Daniel Ricciardo)
Hier geht es weiter mit meinem zweiten OS der Reihe. Ich freue mich auf Rückmeldungen. Viel Spaß beim lesen!
12.10.2019, Suzuka
Blitze zuckten über den Nachthimmel. Das Zimmer wurde in regelmäßigen Abständen erhellt und ermöglichten den Blick auf den jungen Holländer, welcher zur Zeit Bewohner dessen war. Max hasste Gewitter. Und Stürme. Und generell alles was mit dem Thema Naturgewalten zusammenhing. Und nun war er hier, am anderen Ende der Welt in einem Hotelzimmer und wartetet wie alle anderen Fahrer darauf, dass Taifun Hagibis vorüberzog.
'Nur dass die anderen Fahrer alle kein Problem mit dem Sturm, der dort draußen tobt zu haben scheinen', dachte Max bitter, während der nächste Blitz das Zimmer erhellte und er zittrig die Bettdecke über den Kopf zog. Konnte es nicht endlich vorbei sein?
Das Qualifying hatte am heutigen Tag nicht stattfinden können, stattdessen hatten sie alle versucht, sich von ihrer Langeweile abzulenken, indem sie im inneren des Hotels trainiert hatten, zusammen gezockt hatten oder einfach nur zusammengesessen und geredet hatten.
Aber das war alles am Tag gewesen, als es noch einigermaßen hell draußen war und man den Überblick über alles behalten konnte. Aber jetzt in der Nacht, wo es draußen - mit Ausnahme der Blitze - so dunkel war, dass man nicht mal die Bäume vorm Hotelfenster erkennen konnte, hatten seine Dämonen ihn eingeholt. Er wusste, dass es lächerlich war, sich als erwachsener Mann vor einem Sturm zu fürchten, er fuhr schließlich jedes Wochenende mit mehr als 300 km/h über die Strecke. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass ihm Tränen in die Augen schossen als der Donner laut über ihn hinwegrollte.
'Jetzt reiß dich aber mal zusammen Max. Vorhin hast du es doch auch geschafft ruhig zu bleiben.', schallte er sich selber. Und dennoch war ihm klar, dass es einen entscheidenden Unterschied zu vorhin gab. Vorhin war er nämlich nicht alleine gewesen. Vorhin war Daniel bei ihm gewesen.
Sie hatten zusammen bei Carlos im Zimmer gesessen, der Australier hinter ihm auf der Kante des Sessels und alleine seine Presenz hatte Max geholfen. Er hatte sich sicher gefühlt, wie er es eigentlich immer tat, wenn der Ältere in der Nähe war. Wenn dieser doch nur wüsste, welche Gefühle er in ihm auslöste. Aber bisher hatte Max nie den Mut gefunden, ehrlich mit sich selbst und somit ehrlich Daniel zu sein. Hatte einmal kurz davorgestanden, als der Ältere seinen Wechsel zu Renault verkündet hatte, aber zu groß war die Angst, ihn zu verlieren. Und doch wünschte er sich nichts mehr, als das dieser jetzt bei ihm wäre. Ihn in den Arm nehmen und somit über die schweren Stunden hinweghelfen würde. Aber das war Wunschdenken.
Bitter lachte er auf, spürte wie im selben Moment ein Schluchzen über seine Lippen perlte und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. Nicht, dass sein Teamkollege Alex im Zimmer nebenan mitbekam, wie schlecht es ihm gerade ging. Er mochte den jungen Thailänder zwar, aber niemandem - mit Ausnahme von Daniel - war es erlaubt, ihn so schwach zu sehen.
Warum er bei dem älteren Australier kein Problem damit hatte? Das war simpel, er war Hals über Kopf verliebt in ihn. Wann genau es angefangen hatte war ihm selbst nicht ganz klar, aber irgendwann hatte er ihm gegenüber gestanden, in diese verfluchten braunen Augen geschaut und gewusst, dass er Daniel voll und ganz verfallen war. Das erste Mal bewusst als Freund wahrgenommen hatte er ihn 2016, nach dem Rennen in Monaco, als der Ältere nach einem miserablen Pit Stop den sichergeglaubten Sieg verloren hatte. Er hatte ihm so leidgetan - obwohl sein eigenes Rennen schrecklich gewesen war -, dass er damals nicht anders gekonnt hatte als ihn nach dem Rennen in seinem Apartment in Monaco einen Besuch abzustatten.
29.05.2016, Monaco
Zögernd stand er einige Sekunden vor der geschlossenen Apartmenttüre, die sein Teamkollege ihm vor einigen Sekunden vor der Nase zugeschlagen hatte, atmete dann tief durch und klopfte erneut.
„Daniel jetzt hör auf die beleidigte Leberwurst zu spielen und mach die Tür auf!"
Ihm war bewusst, dass die Nachbarn ihn hören konnte, es war ihm jedoch vollkommen egal. Sein Teamkollege hatte so wütend und traurig ausgesehen als er ihm nach dessen Podium in der Box begegnet war. Hatte ihn nur kurz angeschaut und war dann wortlos aus dem Paddock verschwunden. Und jetzt hatte er ihm die Tür vor der Nase verschlossen. Und das wurmte Max. Er war schließlich gerade dabei, eine Freundschaft mit dem Älteren zu entwickeln - seine erste wirklich echte in dieser so unnachgiebigen Welt des Motorsports - und nun konnte er nicht mal für diesem da sein, nachdem sein Team ihn heute um den wohl verdienten Rennsieg gebracht hatte. 13 Sekunden Standzeit bei einem Reifenwechsel, weil die Reifen nicht rechtzeitig da gewesen waren. Das war unakzeptabel. Aber genauso unakzeptabel war es, dass sein Freund ihn jetzt hier vor dem Apartment stehen ließ. Aber er hatte genug Ausdauer.
„Ich bleibe hier stehen, bis du mir geöffnet hast. Ich hab sehr viel Zeit und ein voll aufgeladenes Handy dabei. Ich halte das lange durch, wenn ich will."
Er hatte sich gerade an die Balustrade zurückgezogen und wollte sich auf diese setzten, da er nicht damit rechnete den Älteren in nächster Zeit zu Gesicht zu bekommen, da vernahm er das klicken des Türschlosses und Sekunden später wurde die Tür geöffnet. Daniel stand in dieser und blitze ihn aus wütenden Augen an.
„Was willst du hier?! Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?! Ich hab keine Lust auf Gesellschaft."
Doch schneller als der Australier gucken konnte, war ich unter seinem Arm durch die Tür geschlüpft. Er spürte dessen entsetzten Blick auf sich.
„Max, ich meine das vollkommen ernst. Verschwinde. Sofort."
„Nö. Im Ernst Daniel, ich weiß, wie sauer du jetzt gerade bist und ich möchte einfach für dich da sein. Wir sind doch Freunde, oder?"
Er wusste, dass er die richtigen Worte gewählt hatte, denn quasi augenblicklich wurde der Blick der Älteren weicher.
„Aber natürlich sind wir Freunde Max. Sonst hätte ich dich schon längst eigenhändig aus der Wohnung befördert. Beziehungsweise gar nicht erst die Tür geöffnet. Aber jetzt gerade will ich einfach nur allein sein."
„Wir müssen auch nicht reden oder so, ich setz mich einfach still in die Ecke und wenn du jemanden brauchst an dem du alles rauslassen kannst bin ich da."
Bittend sah er ihn an.
„Du gibst ja doch keine Ruhe vorher, habe ich Recht?" Daniel seufzte auf als Max den Kopf schüttelte, ging zum Kühlschrank um 2 Bier raus zu holen und deutete dann mit dem Kopf in Richtung Wohnzimmer.
„Na komm du Nervensäge, machs dir bequem."
Neugierig blickte Max im Wohnzimmer umher, betrachtet kurz die Bilder welche auf der Kommode standen und ließ sich dann am äußeren Ende der weißen Ledercouch nieder. Stumm betrachtet er Daniel von der Seite, welcher sein Bier in den Händen drehte, einen großen Schluck nahm und anschließend anfing, an dem Etikett der Flasche zu knibbeln. Gerne hätte er was gesagt, aber er hatte dem älteren versprochen, nicht zu reden, wenn dieser das nicht wollte. Und daran würde er sich halten, wollte nicht riskieren doch noch rausgeschmissen zu werden.
Ein paar Minuten war es still zwischen ihnen beiden, dann seufzte Daniel auf und richtete seinen Blick auf ihn.
„Weißt du... ich bin einfach so unfassbar enttäuscht. Nicht mal sauer. Nicht mehr. Aber enttäuscht und traurig. Das hätte mein Rennen werden sollen. Es lief so unfassbar gut und dann sowas. Ich will nicht wütend auf das Team sein, ich meine das ist halt ein Fehler, der passieren kann aber...warum musste es mich treffen?! Warum heute? Das ist einfach nicht fair! Ich weiß ich sollte dankbar sein, dass ich zweiter geworden bin. Aber ich hatte mir den ersten Platz verdient!"
Max hatte dem Ausbruch zugehört und rutschte jetzt ein Stück näher an ihn heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
„Daniel, es ist vollkommen verständlich, dass du enttäuscht und wütend bist. Ich an deiner Stelle wäre wahrscheinlich fuchsteufelswild. Du hattest es dir heute wirklich verdient und dass es jetzt so gelaufen ist, ist eine der unfairsten Sachen, die ich je erlebt habe. Und trotzdem kannst du so unfassbar stolz auf dich sein, du hast das Rennen trotzdem durchgezogen und einen unfassbar guten zweiten Platz rausgeholt. Viele andere hätten an deiner Stelle vermutlich gar nicht mehr versucht das Rennen zu gewinnen, aber du hast dich nicht unterkriegen lassen, hast weitergekämpft. Ich bin verdammt stolz auf dich und das solltest du auch sein."
Der Australier blickte auf, sah ihm tief in die Augen und Max konnte beobachten, wie sich ein kleines Lächeln auf die herunterhängenden Mundwinkel seines Gegenübers schlichen.
„Danke Max. War vielleicht doch keine schlechte Idee, dich nicht aus der Wohnung zu schmeißen! Hast du Bock auf nen Film oder so? Ich könnte Ablenkung vertragen."
„Klar, sehr gerne." Lächelnd ließ er sich tiefer in die Polster der Couch seines Kumpels rutschen und trank einen Schluck aus seinem Bier.
Ein Lächeln schlich sich auf seine Lippen, als er an den Tag vor 3 Jahren zurückdachte. Kaum zu glauben, dass es inzwischen so lange her war, dass seine Freundschaft mit Daniel ins Rollen gekommen war. Und so wie er 2016 für ihn dagewesen war, so war dieser es 2018 für ihn gewesen. Als Max nach dem Rennen in Monaco so wütend gewesen war, dass er die ganze Box auseinander hätte nehmen können.
'Erst durch Daniel ist mir klar geworden, dass die Leistung, die ich damals gebracht hatte, unfassbar gut gewesen war. Von P20 auf P5, und dass in Monaco, wo überholen quasi unmöglich war. ' dachte Max. Und so wie er es damals bei ihm getan hatte, war der Ältere nach dem Rennen zu ihm gekommen um für in da zu sein und ihm zu sagen, wie stolz er auf sich sein konnte. Mit dem kleinen Unterschied, dass Max zu diesem Zeitpunkt schon bis über beide Ohren in seinen Teamkollegen verliebt gewesen war und die so lieb gemeinten Worte sein verräterisches Herz dazu gebracht hatten zu stolpern, nur um dann doppelt so schnell weiter zu schlagen.
Fast hätte er vergessen, was momentan um ihm herum passierte, so vertieft war er in seine Gedanken an den Australier, doch ein erneuter Blitz holte ihn unsanft wieder aus seinen Gedanken zurück ins hier und jetzt. Erneut schluchzte er auf und dieses Mal war es ihm auch egal, ob sein jetziger Teamkollege im Zimmer nebenan ihn hörte. Er wollte nur noch das es vorbei war, oder das Daniel auf magische Art und Weise seine Gedanken las und zu ihm kam. Er rollte sich auf die andere Betthälfte, zog sich die Bettdecke über den Kopf, und klammerte sich fest an eins der großen Kissen. Ob es sich wohl so ähnlich anfühlte mit Dan im Arm einzuschlafen? Verärgert über seine eigenen Emotionen, die ihn in den letzten Stunden so massiv überrollt hatten, rollte er mit den Augen
Wann war sein Leben in diesem Bereich nur so kompliziert geworden? Wenn man ihn fragen würde, er sich festlegen müsste, würde er auf 2017 tippen. Der Tag, an dem sie in Salzburg ein Video für den Youtube Kanal des Rennstalls gedreht hatten und sich dafür aufs Eis begeben hatten.
06.07.2017, Salzburg
Mit wackeligen Beinen stand er am Rand der Eisfläche und beobachtete wie Daniel bereits einige Runden auf den Kufen vollführte und dabei mit dem Schläger in der Hand hin und her wedelte. Hatte der Typ eigentlich irgendetwas, was er nicht konnte? Gefühlt stellte er selber sich bei jeder Sportart, die nicht Formel 1 war, komplett dämlich an, während der Australier ein wahres Naturtalent in allem zu sein schien. Er sah so elegant aus, wie er sich auf der Eisfläche bewegte.
Verwundert über diesen Gedankengang schüttelte Max den Kopf und wagte sich anschließend einige Schritte weiter auf die Eisfläche. Wer war bitte auf die grandiose Idee gekommen, für das neuste Video des Red Bull Youtube Kanals, der Red Bull Akademie in Salzburg einen Besuch abzustatten und sie als Rennfaher auf Schlittschuhe zu stellen? Sie sollten kein Eishockey spielen, sie sollten in der Garage bei ihren Mechanikern sein und die letzten Einstellungen am Auto gemeinsam vornehmen.
Er hörte Daniel lachen, hob den Blick und sah den Australier mit breitem Grinsen im Gesicht auf ihn zufahren.
„Was stehst du denn hier am Rand rum wie bestellt und nicht abgeholt? Komm endlich!"
„Entspann dich mal ein bisschen, kann ja nicht jeder so ein Naturtalent wie du sein."
„Hast du etwa Schiss?"
„...nein?"
„Ohhhhh, der kleine Maxie hat Schiss. Willst du bei Papa an die Hand?"
Er streckte die Hand in Richtung von Max, welcher zögerte. Aber warum sollte er es nicht tun? Wenn der Ältere es ihm doch so offen anbot. Er griff nach dessen Hand, beobachtete wie sich kurz Verwirrung auf seinem Gesicht ausbreitete und dann wieder diesem Lächeln wich, welches ihn in den letzen Wochen immer so glücklich gestimmt hatte. Seine Hand kibbelte. Er ignorierte es. Wollte sich keine Gedanken machen, was das eventuell für ihn bedeuten könnte sondern versuchte stattdessen, den Moment zu genießen.
Kurze Zeit später standen sie mit voller Montur - sprich Helm, Handschuhe, Schläger und was sonst noch alles zu einer Eishockey Ausrüstung gehörte - auf dem Eis und lauschten den Anweisungen des Chefcoaches. Sie hatten einige Runden mit dem Puck am Schläger probiert, was auch bei ihm erstaunlich gut funktioniert hatte und würden nun ein kleines Match austragen. Na das konnte ja lustig werden. Vorsichtig schielte er zu Daniel, sie würden in unterschiedlichen Teams spielen, und bemerkte, wie der Australier ebenfalls in seine Richtung blickte und dann sogar die Frechheit besaß, ihm zuzuzwinkern.
„Keine Sorge Max, ich werde vorsichtig sein."
„Na wir werden sehen, wer von uns am Ende der ist, der aufpassen muss!"
„Ganz klar der, der unten liegt. Und das werde nicht ich sein."
Und somit fing ihr kleines Spiel auch schon an. Es dauerte keine 2 Minuten, bis Daniel und er am Boden lagen und miteinander rauften. Der Ältere hatte ihn gefoult und auf den Boden befördert und er hatte nicht widerstehen können, sich an dessen Bein zu klammern und seinerseits zu versuchen, den Australier aufs Eis zu befördern. Was ihm allerdings mehr schlecht als recht gelingen wollte, denn irgendwie hatte dieser es geschafft sich im Fallen so zu drehen, dass er jetzt auf ihm zum Liegen kam und den jungen Niederländer so unter sich festpinnte. Max versuchte noch kurz, ihre Positionen zu tauschen, realisierte aber sehr schnell, dass Daniel wohl doch deutlich stärker war - oder halt deutlich schwere, je nachdem wie man es auslegen wollte. Er starrte in die braunen Augen seines Gegenübers, welche jetzt amüsiert funkelten und wusste nicht, was er jetzt sagen sollte. Hatte der Ältere immer schon so schöne Augen gehabt? Wieso war ihm das vorher nie aufgefallen? Ein leichter Rotschimmer schlich auf seine Wangen und die Hitze stieg in ihm hoch, als Daniel jetzt seinerseits anfing zu lachen und meinte: „Ich hab dir gesagt, es endet mit dir unter mir."
Er hatte das Gefühl, dass wenn es möglich sein sollte er soeben noch röter geworden war. Suchte kurz stammelnd nach einer Antwort und beschränkte sich schlussendlich darauf, dem Australier über ihm einen Knuff gegen den Kopf zu verpassen. Daniel erhob sich, half ihm wieder zurück auf die Beine und in dem Moment wurde Max klar: er hatte sich wohl ein wenig in seinen Teamkollegen verschossen.
Erneut wurde er aus seinen Gedanken gerissen, dieses Mal jedoch nicht durch den draußen immer noch tobenden Taifun. Aber was war es dann gewesen, dass ihn aus seinen Gedanken hatte schrecken lassen? Er hielt kurz den Atem an, sah sich in dem vollkommen dunklen Zimmer um und blickte dann - als ein Klopfen ertönte - in Richtung der Zimmertüre. Das war es dann wohl gewesen. Wer sollte das sein? Er hatte keine Lust, mit jemandem zu sprechen, geschweige denn, in seinem momentanen Zustand irgendwem gegenüber zu treten, also zog er die Decke wieder über den Kopf und hoffte, dass der ungebetene Besucher einfach wieder verschwand.
Doch anscheinend legte dieser eine ungemeine Hartnäckigkeit an den Tag, denn nur wenige Sekunden später klopfte es erneut. Max stöhnte genervt auf, klappte die Decke zurück und fuhr sich mit beiden Händen durch Gesicht und Haare, ehe er zur Tür lief. Er wollte gar nicht wissen, wie durch er in dem Moment vermutlich aussah. Er warf einen Blick durch den Türspion und wäre bald ein paar Schritte rückwärts getaumelt, als er Daniel vor seiner Zimmertür stehen sah. Was wollte er hier? Klar hatte er sich gewünscht, der Schwarzhaarige würde vorbeikommen und ihn in seine Arme schließen, aber jetzt damit konfrontiert zu sein, dass dieser jetzt wirklich vor seinem Zimmer stand überforderte ihn. Was sollte er denn jetzt machen? Die Tür öffnen kam eigentlich nicht in Frage, aber er wusste um die Sturheit seines ehemaligen Teamkollegen. Und dass dieser jetzt vor seiner Tür stand und nun auch noch anfing, leise seinen Namen zu rufen, konnte einige unangenehme Situationen hervorrufen.
Er atmete noch einmal durch, versuchte seine Haare etwas zu richten und öffnete dann die Türe einen kleinen Spalt.
„Hey, was willst du hier?"
„Max, lässt du mich bitte rein?", ging er nicht wirklich auf die Frage ein.
Er haderte kurz mit sich selbst, öffnete die Tür weiter und ließ den Australier in sein dunkles Zimmer eintreten, ehe er die Türe hinter ihm schloss.
„Puh, ist ja ganz schön duster bei dir. Willst du nicht mal ein bisschen Licht machen?"
Nein, wollte er nicht. Er wollte nicht, dass der andere die getrockneten Tränen auf seinen Wangen sah, wollte nicht, dass dieser ihn so aufgelöst sah. Und schaltete dennoch die kleine Nachttischlampe neben dem Bett ein, einfach, weil es der Wunsch des älteren gewesen war. Anschließend ließ er sich müde auf die Bettkante fallen - es war mittlerweile schließlich mitten in der Nacht, dass ging auch an ihm nicht spurlos vorbei - und richtete seinen Blick fest auf den Teppichboden unter seinen Füßen. Er hörte, wie Daniel einen leisen Seufzer ausstieß und fühlte kurz darauf, wie das Bett neben ihm ein Stück absackte und eine Hand auf seinen Rücken gelegt wurde.
„Alex hat mich angerufen. Er meinte er wäre sich nicht sicher, dachte aber dich weinen gehört zu haben. Und jetzt bin ich hier und du siehst aus wie ein Häufchen Elend. Was ist los mit dir, hm?"
Also doch, er hätte vorsichtiger sein müssen, hätte seine Gefühle besser im Griff haben müssen. Aber jetzt war es eh zu spät.
Er haderte mit sich. Sollte er den Älteren die Wahrheit erzählen, oder einfach irgendeine Lüge erfinden und hoffen, dass dieser wieder ging? Wollte er, dass er wieder ging? Max horchte kurz in sich hinein und die deutliche Antwort darauf lautete: NEIN! Also musste wohl doch die Wahrheit herhalten.
Max setzte an zu erzählen, hob dabei den Blick und geriet augenblicklich wieder ins Stocken, als er in Daniels braune Augen blickte, welche ihn liebevoll anblickten. Er atmete tief durch und setze dann erneut an, von seinem Problem zu erzählen: „ Ich hab Angst vor Gewitter und Stürmen und so..."
Die Hand, welche bis eben noch beruhigend über seinen Rücken gestrichen war stoppte, und kurz hatte er Angst das Daniel ihn auslachen oder nicht ernst nehmen könnte, wurde aber schnell eines Besseren belehrt, als dieser den Arm jetzt um seine Schulter legte und ihn nah an sich heran zog. Max war fast geneigt, den Moment zu genießen, wenn sein blödes Herz nicht so schnell schlagen würde, dass er meinte Daniel könnte es spüren. Er hielt die Luft an und versuchte, sich etwas zu beruhigen, als die tiefe Stimme seines Gegenübers ganz leise an sein Ohr drang.
„Warum hast du mir dass denn nie erzählt? Ich wäre doch für dich da gewesen."
„Ich weiß auch nicht. Es war mir so unendlich unangenehm. Ich meine ich bin 22, da sollte ich keine Angst mehr vor sowas haben. Dass ist doch total dumm!", echauffierte er sich.
„Hey, das ist überhaupt nicht dumm. Jeder Mensch hat Ängste und da ist auch überhaupt nichts Schlimmes bei. Im Gegenteil, dass ist es sogar, was uns als Menschen ausmacht."
„Ich wette, du hast vor gar nichts Angst."
„Ohhh, die Wette verlierst du aber! Ich hab panische Angst vor Haien. Immer schon gehabt. Und heute immer noch."
Jetzt war es an Max, sich aus der Umarmung zu lösen und den schwarzhaarigen ungläubig anzustarren.
„Aber du kommst aus Australien. Wie passt das denn bitte überein?"
„Tut es überhaupt nicht. Und das ist der Punkt. Obwohl es keinen Grund für meine Angst gibt, so ist sie trotzdem da und nichts, was mir unangenehm ist. Und dir sollte es auch nicht peinlich sein. Du weißt doch, dass ich immer für dich da bin, egal was es ist, oder?"
Er spürte, wie er rot wurde und ließ den Kopf zurück auf Daniels Schulter fallen, bevor er vorsichtig nickte.
„Gut. Aber sag mal: wieso hab ich da vorhin nichts von gemerkt? Wenn dich dass so fertig macht, dass du hier weinend in deinem Bett liegst. Bin ich so ein schlechter Freund, dass ich dich so wenig einschätzen kann?"
Der Australier drückte ihn ein Stück von sich weg um ihm in die Augen schauen zu können und Max schüttelte quasi sofort den Kopf. Er wollte nicht, dass der andere sich seinetwegen schlecht fühlte, oder sich sogar für einen schlechten Freund hielt.
„Quatsch nicht! Du bist kein schlechter Freund. Ich bin einfach ein guter Schauspieler. Ich bin es ja gewöhnt, damit unter Leuten zu sein. Und tagsüber habe ich es echt gut im Griff, nur nachts kommt es wirklich durch und ich bekomme diese Panikattacken. Und außerdem..." Er stockte kurz, blickte auf ihre Hände und griff dann nach einigem zögern nach Daniels Hand. „...außerdem warst du vorhin bei mir. Da geht es mir automatisch immer besser."
Er schluckte und sah dann zögernd zu seinem Gesprächspartner. Hatte er jetzt zu viel Preis gegeben? Hatte er jetzt die Freundschaft zerstört und den anderen vergrault?
Bevor seine Gedanken dunkler werden konnten spürte er, wie Daniel ihre Hände miteinander verschränkte und vorsichtig mit dem Daumen über seinen Handrücken strich. Träumte er? War er doch vorhin eingeschlafen und die ganze Begegnung hier war nicht real? Er sah im Schummerlicht der Nachttischlampe hinüber und erblickte das Lächeln, welches sich auf dem Gesicht des anderen ausgebreitet hatte. Sollte es wohlmöglich doch der richtige Schritt gewesen sein, einen Teil seiner Gefühlswelt offen zu legen? Oder hatte der Ältere nicht verstanden, worauf er gerade doch eindeutiger als geplant angespielt hatte?
„Ich weiß, was du mir damit sagen willst. Und ich bin froh, dass du es getan hast."
Es waren diese Worte, die sein Herz aus dem Rhythmus brachten und ihm ein Lächeln aufs Gesicht zauberten. Er spürte, wie die Ruhe, welche Daniel ausstrahlte, ihn einnahm.
„Kannst du heute Nacht hierbleiben? Ich will nicht alleine bleiben."
„Ich hätte dich eh nicht mehr allein gelassen. Werde ich nie mehr. Stell dich drauf ein."
Damit konnte er leben.
Er schaltete die Lampe aus, legte sich aufs Bett und spürte, wie er Sekunden später mit seinem Rücken an Daniels Brust gezogen wurde. Der Taifun der draußen immer noch tobte schien in weite Ferne gerückt zu sein und als Daniel jetzt noch seine Arm um ihn legte dachte er, dass er sich noch nie zuvor so sicher und geborgen gefühlt hatte.
„Versuch zu schlafen. Ich bin hier und pass auf dich auf."
Max spürte wie der Ältere einen leichten Kuss in seinen Nacken hauchte und anschließend sein Gesicht in seinen Haaren vergrub.
Vielleicht hatten sie noch vieles zu besprechen und zu klären. Aber er war sich sicher, dass sie es hinbekommen würden. Und mit diesen Gedanken driftete er in den wohlverdienten Schlaf.
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