Help! (Armstrong x Shwartzman)

Puh, dieser OS war ein wilder Ritt. 2 Mal musste ich komplett von vorne anfangen, weil mein PC abgeschmiert ist und alles gelöscht hat. Aber er ist endlich fertig und ich hoffe er gefällt euch allen <3 und danke an mylittlelibrary (ich weiß immer noch nicht, wie man taggt) für den Wunsch!

P.S. Ich habe mich hier sehr vielen künstlerischen Freiheiten bedient :D


Baku, 06.06.2021

An die Wand gelehnt und das Gesicht in die frühe Mittagssonne der Hauptstadt am kaspischen Meer streckend, standen Marcus und Robert nebeneinander in der Boxengasse.

„Ich hoffe echt, dass es heute besser läuft als gestern, so macht das wirklich keinen Spaß mehr."

„Ach, bestimmt. Das wird schon."

„Es muss. Ich hab langsam das Gefühl, dass ich überhaupt nichts mehr kann. Das gestern war das vierte DNF der Saison. Und das bei acht Rennen. Vielleicht sollte ich den Platz einfach an jemanden abgeben, der tatsächlich fahren kann."

Besorgt musterte er den Neuseeländer, welcher neben ihm an der Bande lehnte und den Blick abwesend durch die Gegend gleiten ließ. So kritische Töne war er von ihm überhaupt nicht gewohnt und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass der Jüngere so schlecht über sich selbst redete. Gut, vielleicht sah er es auch alles ein wenig durch die rosarote Brille, aber Robert war der Meinung, dass Marcus zu den besten Fahrern des Grids gehörte und in der bisherigen Saison einfach nur Pech gehabt hatte.

„Sag sowas nicht Marcus. Du bist gut und hast deinen Platz hier mindestens genauso verdient wie Oscar, Jüri oder ich."

„Ja kann sein. Du, ich muss los. Aber viel Erfolg gleich, ich hoffe du kannst an die Leistung gestern anknüpfen."

Der Neuseeländer lächelte ihm zu und tätschelte ihm kurz die Schulter, ehe er sich von der Bande abstieß und in Richtung der Dams Garage loslief.

„Marcus!"

Robert sah wie Marcus in der Bewegung innehielt, sich dann wieder zu ihm umdrehte und ihn abwartend ansah.

'Jetzt oder nie ', dachte Robert und räusperte sich, ehe er sich verlegen am Hinterkopf kratzte.

„Ähm...Sollen wir nach dem Rennen vielleicht noch zusammen was essen gehen? Also nur wenn du magst. Du kannst auch 'nein' sagen. Also..."

„Vergiss das Atmen nicht Rob. Ich geh gerne mit dir was essen."

Täuschte der Russe sich, oder hatte Marcus gerade gezwinkert?

„Okay, gut. Das ist gut. Ich...ähm...ich hol dich bei Dams ab. Gegen 15 Uhr?"

„Ich freu mich drauf."

Da war es schon wieder, Marcus hatte schon wieder gezwinkert. Und noch während Robert überlegte, was die Reaktion des anderen eventuell bedeuten könnte, hatte dieser sich schon wieder umgedreht und seinen Weg beschwingten Schrittes wieder aufgenommen.

Wie lange genau er an die Pitwall gelehnt gestanden und dem anderen hinterher geguckt hatte, konnte er gar nicht so genau sagen, doch plötzlich stand René vor ihm und fuchtelte mit einer Hand vor seinem Gesicht herum. Irritiert riss Robert seinen Blick los und sah verwirrt zu seinem Renningenieur, welcher bis über beide Ohren grinsend neben ihm stand.

„Ich würd ja fragen, was dich so gefesselt hat, aber da du gerade fast gesabbert hast, würde ich mal behaupten, du hast Marcus hinterher gestarrt."

„Ich würde es bevorzugen, darauf nicht zu antworten."

„Musst du auch nicht, die Zeichen sind eindeutig, Loverboy. So gerne wie ich dich ja in deiner kleinen eigenen Welt lassen würde, wir müssen los. Es sind noch 45 Minuten bis zum Rennstart und du bist noch nicht aufgewärmt oder umgezogen oder sonst irgendwie vorbereitet."

„Hat dir schonmal jemand gesagt, dass du nervig bist?"

„Das ein oder andere Mal. Und jetzt komm."

Robert warf noch einen letzten Blick in Richtung der Dams Garage und lief dann breit grinsend hinter René her.

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„Okay, das wars. P3. Mega Rennen, Robert. Super Job."

"Jungs, das war mega! Danke! Danke für dieses Wochenende, wir haben uns das verdient."

„Okay, Fail84. Fail84. Möchtest du das Endergebnis?"

„Ja bitte."

„Vips P1, Oscar P2, dann du, Drugovich, Boschung, Lawson, Daruvala, Ticktum, Ludgaard und Zendeli als P10."

„Wo ist Marcus?"

„Armstrong DNF in der ersten Runde."

Scheiße.

„Was ist passiert?"

„Zusammenstoß mit Ticktum und Pouchaire. Ticktum hat eine 10 Sekunden Strafe bekommen."

„Okay."

„Denk dran, das Auto auszuschalten, wenn du in der Pitlane stehst und bis gleich. Genieß es."

Mit einem bitteren Geschmack im Mund fuhr er seine Out Lap zu Ende und bog dann in die Boxengasse ein. Natürlich freute er sich über ein zweites Podium an diesem Wochenende, aber dass Marcus das Rennen schon wieder nicht beenden konnte... Er wollte gar nicht wissen, wie es dem Jüngeren in diesem Moment ging. Und gerade an so einem Tag musste er zur Pressekonferenz. Er beschwerte sich nicht, immerhin hieß das, dass er selber ein gutes Rennen hingelegt und wichtige Punkte geholt hatte, aber gerade wollte er viel lieber für den anderen da sein als die ganzen Prozedere, die mit einem Podium zusammenhingen, abzuarbeiten. Aber naja.

Er stieg aus seinem Auto und lief erst einmal zu seinem Team, welches ihm herzlich gratulierte, ehe er sich zu dem kleinen Tischchen begab, auf welchem seine Pirelli Cap und die persönlichen Sachen lagen. Schnell griff er nach seinem Handy und schrieb eine Nachricht an Marcus.

„Hey, ich hab von deinem Rennen gehört und es tut mir echt leid. Es könnte ein wenig später werden – also vorausgesetzt, du willst noch mit mir essen gehen. Aber ich komm einfach so schnell wie ich kann zu dir."

Er hatte die Nachricht gerade getippt und abgeschickt, als er schon aufgefordert wurde, sich auf den Weg zur Siegerehrung zu machen. Seufzend steckte er sein Handy in die kleine Tasche seines Rennoveralls und lief dann hinter seinem Teamkollegen her.

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Die ganzen Verpflichtungen, welche mit dem Podium einher gehen, hatten deutlich länger gedauert als gedacht. Gerade auch weil Jüri und Oscar noch unbedingt mit einem "geliehenen" Golfkart über den Track fahren wollten und er sich dem als Drittplatzierter nicht entziehen konnte. Und so war es mittlerweile schon kurz vor 16 Uhr, als er hektisch und schnellen Schrittes vor der Garage der Konkurrenz stehen blieb und sein Handy aus der Tasche zog. Marcus hatte nicht auf seine Nachrichten geantwortet und so ganz genau wusste Robert nicht, was er jetzt tun sollte. Einfach reingehen und nach dem Jüngeren fragen? Aber das würde auch ein wenig komisch aussehen.

Während er noch überlegte, wie genau er jetzt weiter vorgehen sollte, kam eine Gestalt aus der Garage heraus und stieß davor fast mit ihm zusammen.

„Was...oh Rob, du bist es. Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?"

„Roy. Ich war mit Marcus verabredet, ist er noch drinnen?"

„Keine Ahnung ehrlich gesagt."

„Wie meinst du das?"

Roy blickte sich kurz in seiner Umgebung um, dann atmete er tief durch.

„Marcus ist nicht in der Garage. Er ist nach seinem DNF überhaupt nicht hier aufgetaucht. Das Team ist unfassbar sauer."

„Bitte was? Habt ihr ihn angerufen?"

„Ja natürlich, aber sein Handy liegt in seinem Fahrerzimmer. Zusammen mit seinem Schlüssel und seinen restlichen Sachen wohlgemerkt."

„Dann kann er ja auch nicht ins Hotel zurück gefahren sein. Seid ihr ihn suchen gegangen?"

„Nein, das Team denkt, dass er einfach einen Anfall von Egoismus hat und sich jetzt im Hotel die Wunden leckt."

„Aber das macht doch überhaupt keinen Sinn, vor allem wenn seine Sachen noch hier sind. Und überhaupt, Marcus ist nicht so, der würde niemals einfach abhauen."

„Hör zu Rob, ich würd dir wirklich gerne helfen, aber ich muss zurück zu den anderen. Lass ihm einfach seinen Freiraum."

„Aber..."

Doch der junge Israeli hatte schon kehrt gemacht und Robert vollkommen verwirrt vor der Garage zurückgelassen. Vor den Kopf gestoßen stand er noch einige Momente vor der Garage, ehe er mit hängendem Kopf zurück zu seinem eigenen Team lief.

Das passte doch nicht zu Marcus, der würde nie im Leben einfach abhauen, ohne sich abzumelden. Und selbst wenn er ihr gemeinsames Essen vergessen haben sollte – er könnte es ihm nicht verübeln nach diesem Tag – dann würde er trotzdem nicht dem Team fernbleiben. Das war einfach nicht seine Art und Robert spürte, wie Sorge in ihm aufstieg. Der Neuseeländer hatte so ein schlechtes Wochenende gehabt und war jetzt unauffindbar. Robert selber war niemand, der gerne den Teufel an die Wand malte und trotzdem... Er griff erneut nach seinem Handy und wählte ohne groß drüber nachzudenken die Nummer des Jüngeren, obwohl ihm schon klar war, dass er damit keinen Erfolg haben würde. Kopfschüttelnd steckte er, nachdem die Mailbox drangegangen war, sein Handy wieder ein und betrat dann die Garage von Prema.

„Robert? Was machst du denn noch hier? Ich dachte du triffst dich mit Marcus?"

René war auf ihn zugetreten, kaum dass er den Innenraum betreten hatte und schien seinem Schützling anzusehen, dass etwas nicht in Ordnung war, denn sein Gesicht wandelte sich von fragend zu besorgt und dann zu alarmiert.

„Ja aber...Marcus ist weg."

„Wie, weg? Schon zurück ins Hotel, oder wie? Hat er euer Treffen vergessen?"

„Nein, seine Sachen liegen noch in seinem Fahrerzimmer. Also zurück ins Hotel ist unwahrscheinlich. René, ich mach mir echt Sorgen um ihn. Er war so schlecht drauf vor dem Rennen, hat was davon gesprochen, dass er seinen Platz an jemanden geben soll, der ihn auch verdient hat. Und dann dieses Ergebnis und jetzt ist er weg. Was ist wenn...ich will das überhaupt nicht aussprechen."

„Okay Rob, ganz ruhig. Wir wollen mal nicht gleich in Panik verfallen. Ich bin mir sicher, es gibt einen guten Grund für sein Verschwinden. Vielleicht war er auch wirklich so enttäuscht, dass er ohne seine Sachen zurück ins Hotel ist. An eine zweite Zimmerkarte kommt man immer und soweit ich weiß, fliegt er erst morgen zurück, er könnte seine Sachen also auch morgen holen kommen."

„Aber so ist er nicht. Egal wie enttäuscht er wäre, er würde nie einfach so abhauen. Es sei denn natürlich, es war eine Kurzschlussreaktion und dann will ich mir nicht vorstellen, was sonst noch so zu dieser Impulshandlung gehört haben könnte. René. Du kennst Marcus."

„Du malst schon wieder alles schwarz. Du wirst sehen, sie werden ihn sicher bald finden und dann klärt sich das alles auf."

„Die suchen nicht mal nach ihm."

„Wie meinst du das?"

Robert seufzte und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, welche mittlerweile schon in alle Richtungen abstanden.

„Dams geht davon aus, dass Marcus in einem Anfall von Divenhaftigkeit ins Hotel gefahren ist. Die sind super sauer und suchen nicht nach ihm."

„Hmm..." nachdenklich biss der Renningenieur auf seiner Unterlippe herum, ehe ein ... über sein Gesicht huschte.

„Vielleicht ist er bei Callum? Der ist doch dieses Wochenende auch in Baku und die beiden waren doch immer quasi an der Hüfte verwachsen."

Robert versuchte, den Stich, welcher sich in seiner Brust ausbreitete, zu ignorieren und dachte kurz über Renés Worte nach. Das war tatsächlich eine Option, die ihm bisher nicht in den Sinn gekommen war. Schnell zog er sein Handy zum dritten Mal an diesem Nachmittag aus seiner Tasche und wählte die Nummer seines britischen Rennfahrerkollegen. Es klingelte einige Male und der junge Russe wollte schon wieder auflegen, als Callum den Anruf doch noch entgegennahm.

„Robert wie...warte mal kurz...Mick! Lass das. Robert ist am Telefon."

Robert konnte Getuschel durch den Hörer hören und die Hoffnung darauf, dass Marcus bei Callum war, schwand.

„So, da bin ich wieder. Warum rufst du an?"

„Ist Marcus bei dir?"

„Marcus? Nein. Der sollte doch bei dir sein. Hat mir doch ganz freudig davon erzählt, dass ihr nach dem Rennen zusammen Essen gehen wolltet. Hast du ihn vergrault?"

Robert merkte, wie er rot wurde und er räusperte sich.

„Nein, ich hab ihn nicht vergrault. Ehrlich gesagt, haben wir uns nie getroffen. Er ist... weg."

„Wie meinst du das, weg?"

„Ja keine Ahnung, er ist nicht in seinem Fahrerzimmer, ist nie da aufgetaucht nach dem Rennen. Seine Sachen liegen alle noch da, inklusive Handy und Hotelkarte. Und Dams will ihn nicht suchen."

Es blieb still am anderen Ende und Robert konnte förmlich hören, wie es in Callums Kopf ratterte, bevor der Brite zu einer Antwort ansetzte.

„Das klingt überhaupt nicht nach Marcus."

„Ich weiß! Ich mach mir Sorgen."

„Ich sag George Bescheid, der ist schon wieder im Hotel und kann da nachgucken. Und Mick und ich kommen sofort zu dir, wir sind eh noch bei Mick im Fahrerzimmer. Warte auf uns, dann suchen wir ihn zusammen."

„Danke Callum, ich warte draußen vor der Garage auf euch."

Er beendete das Gespräch und verzog im selben Moment fragend das Gesicht. Warum waren Mick und Callum zusammen gewesen? In Micks Fahrerzimmer. Wenn sich die Situation mit Marcus geklärt hatte, dann musste er dem doch mal auf den Zahn fühlen.

Nervös tigerte er außerhalb der Garage auf und ab, hatte mangels anderer Ablenkung noch zwei weitere Male die Nummer des Neuseeländers gewählt und obwohl ihm schon klar gewesen war, dass dieser nicht ans Handy gehen würde, hatte seine Sorge sich mittlerweile ins unermessliche gesteigert.

„Rob. Da sind wir."

Leicht durch den Wind aussehend tauchten Callum und Mick vor ihm auf und Robert atmete erleichtert durch.

„Danke, dass ihr gekommen seid."

„Ist doch selbstverständlich. Hast du schon irgendwo nachgeschaut?"

„Nicht so richtig. Ich meine ich war vorhin an der Dams Garage, da ist er nicht und hier bei Prema auch nicht, das kann ich ausschließen."

„Okay, George hat gerade auch geschrieben. Im Hotel ist er auch nicht, zumindest nicht auf seinem Zimmer. Er sucht aber weiter."

„Gut, und was machen wir? Teilen wir uns auf?"

„Klingt sinnvoll. Und dann wäre es wahrscheinlich logisch, die Strecke abzulaufen. Einfach in entgegengesetzte Richtung. Vielleicht sitzt er noch irgendwo an der Strecke und hat die Zeit vergessen."

Wirklich überzeugt schien Callum allerdings nicht von dieser Aussage zu sein, schließlich kannte er Marcus besser als jeder von ihnen und wusste auch, dass das nicht die Art des anderen war. Aber er rechnete es dem Briten hoch an, dass dieser versuchte, ihn zu beruhigen.

„Jungs wartet auf mich, ich helf euch suchen."

Oscar war hinter den dreien aufgetaucht und dankbar lächelte Robert ihn an.

„Gut, dann geh ich mit Rob rechts rum und ihr beide dann links rum. Ok?"

Ein wenig verwirrt über diese Aufteilung war der Russe schon, hatte er doch erwartet, dass Callum mit Mick zusammen gehen würde, aber beschweren würde er sich nicht. Der Rest ihrer Gruppe nickte auch zustimmend und so machten sie sich in Zweiergruppen auf den Weg.

Die ersten Meter legten Callum und Robert schweigend zurück, immer darauf bedacht, alle Bewegungen in ihrem Umfeld im Blick zu haben, dann wandte sich der Russe an seinen Weggefährten.

„Callum, darf ich dich was fragen? Du kennst Marcus mit Abstand am besten und..."

„Und?"

„Naja. Es ging ihm wirklich nicht gut dieses Wochenende. Er war so niedergeschlagen wegen der bisherigen Saison und hat irgendwie auch so abwesend auf mich gewirkt. Er hat was gesagt von wegen dass er den Platz nicht verdient hat und seinen Sitz an jemanden geben sollte, der fahren kann. Ich hab ihm das natürlich versucht auszureden, weil let's be honest, das ist kompletter Bullshit, er hat seinen Sitz genauso verdient wie wir alle und hat bisher einfach Pech gehabt. Aber ich glaube nicht, dass ich wirklich zu ihm durchgedrungen bin. Und jetzt war das Rennen schon wieder so eine Enttäuschung für ihn und jetzt ist er weg. Ich mach mir Sorgen. Glaubst du, er könnte... sich selbst was antun?"

Der neben ihm laufende Brite blieb abrupt stehen und griff dann mit beiden Händen nach seinem Arm, zwang ihn somit selbst zum stehen bleiben. Robert biss nervös auf seiner Unterlippe herum, während er auf eine Antwort wartete. Welche ausblieb. Scheiße. Er spürte, wie eine ungekannte Panik von ihm Besitz ergriff und auch Callum schien den Umschwung in der Stimmung zu merken, denn er löste seine Hände vom Arm des Russen und legte sie stattdessen auf dessen Schultern, wo er leichten Druck ausübte und ihn zwang, den Blick zu heben und ihn anzuschauen.

„Rob. Um Gottes Willen. Nein. Entschuldige, das muss gerade komplett falsch angekommen sein, ich war nur überrascht davon, dass du diese Option überhaupt in Betracht gezogen hast. Aber ich kann dich beruhigen. Marcus ist vielleicht manchmal eine Dramaqueen und ja, er war in den letzten Wochen wirklich verdammt schlecht drauf. Aber er würde niemals..."

„Bist du sicher?"

„Absolut. Aber einfach so zu verschwinden sieht ihm halt wirklich nicht ähnlich. Vor allem nicht an so einem Tag wie heute. Er hat sich auf euer Treffen später gefreut."

„Hat er das?"

„Gott, ihr seid beide anstrengend, hat euch das schonmal jemand gesagt? Wenn ihr euren Scheiß nicht langsam auf die Kette bekommt, dann komm ich vorbei und spiel persönlich Amor. Aber wenn du jemals behaupten solltest, dass ich das gesagt habe, werde ich alles leugnen. Verstanden?"

Robert nickte und spürte wie ihm ein Stein von Herzen fiel, ehe sich ein weiterer Gedanke in seinem Kopf breit machte und er erneut die Panik in sich spürte.

„Und was... ich meine... du sagtest selber es passt nicht zu ihm, einfach abzuhauen. Was ist, wenn er nicht freiwillig weggeblieben ist? Wie hoch ist die Kriminalitätsrate hier? Was, wenn..."

„Okay, stop. Es bringt niemandem etwas, wenn du jetzt hier den Kopf verlierst. Du wirst sehen, wir finden ihn und es gibt eine perfekt logische Erklärung, warum er nicht aufgetaucht ist."

„Und wenn nicht?"

„Das können wir immer noch dann überlegen. In welcher Kurve ist er nochmal rausgeflogen?"

„Das müsste die dritte gewesen sein. Also so genau hab ichs nicht mitbekommen, aber das hab ich gehört."

„Gut, dann sollten wir da vermutlich als erstes nachsehen."

Die mittlerweile relativ tief stehende Sonne tauchte die Innenstadt von Baku in ein goldenes Licht und wenn Robert gerade nicht so besorgt gewesen wäre, dann hätte er garantiert sein Handy aus der Tasche gezogen und ein Foto davon gemacht. Aber gerade hatte er kein Auge für die Schönheit um ihn herum und so ging er schweigend neben Callum durch die inzwischen wie leer gefegt wirkenden Straßen der Hauptstadt. Der Abbau der Strecke würde im Laufe der nächsten Tage erfolgen, so viel wusste Robert und so schien es nahezu jeder eilig gehabt zu haben, an diesem Sonntagnachmittag nach Hause zu kommen.

„Okay, also das ist die Stelle, wo er rausgeflogen ist."

„Wie machen wir das jetzt am cleversten... am besten wir teilen uns nochmal auf. Ich geh links lang, da in diesem Park gucken und du rechts in die Stadt rein. In Ordnung?"

Bestätigend nickte Robert und lief dann in die ihm angewiesene Richtung, durch die an dieser Stelle gebaute Auslaufzone und weiter in die Stadt hinein. Den Blick durch die engen Gassen schweifen lassend arbeitete er sich vorwärts, versuchte, nichts zu übersehen, aber mit Ausnahme von ein paar Containern, welche in regelmäßigen Abständen auf dem Bürgersteig positioniert waren, fiel ihm nichts auf.

„Marcus?"

Er versuchte seine Stimme laut und fest klingen zu lassen, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein leichtes Zittern hineinschlich. Robert wollte stark sein, er wollte nicht die Horrorszenarien im Kopf haben und schwarzmalen, aber er war eben auch nur ein Mensch und mit jeder Sekunde, die Marcus nicht auf seine Rufe antwortete, spürte er, wie die Verzweiflung in ihm größer wurde.

Was, wenn ihre Vermutung vollkommen falsch gewesen war, und sie an der falschen Stelle suchten? Im Grunde genommen war es ja wirklich ein Schuss ins Blaue gewesen, auch wenn der Gedankengang dahinter logisch klang.

Seufzend drehte Robert sich um seine Achse und rief dann erneut nach seinem Freund. Sein Glück, dass die Straßen wirklich menschenleer waren, sonst würde er ziemlich sicher für verrückt erklärt werden, so wie er hier stand und sich die Lunge aus dem Körper brüllte.

„Bist du hier? Marcus?"

Nichts.

Oder?

Robert horchte auf, hatte er da gerade etwas gehört? Oder war das nur der Wind gewesen, welcher aufgefrischt hatte und jetzt durch die Bäume raschelte?

„Marcus?", rief er erneut und lauschte angestrengt. Das war nicht der Wind, das Geräusch, welches an seine Ohren drang, klang viel mehr wie ein Klackern. Oder ein Klopfen!

Mit schnellen Schritten lief er dem Geräusch entgegen, bog um die Ecke und stand dann vor einem weiteren Container. Jetzt hörte er das Klopfen auch eindeutig und dann...

„Robert? Rob! Bist du das?"

„Marcus?"

„Ja! Ja! Ich bin hier."

Fast hätte der junge Russe angefangen zu weinen, Erleichterung durchflutete seinen Körper und mit zwei großen Schritten stand er vor der Türe des Containers, wollte nach der Klinke greifen und stellte dann entsetzt fest, dass es überhaupt keine gab. Dort, wo normalerweise die Klinke saß, stand nur ein kleiner Bolzen hervor.

„Scheiße..."

„Robert? Was ist los? Mach die Tür auf, bitte!"

Die verzweifelte Stimme des Jüngeren drang an sein Ohr und sein Herz zog sich zusammen.

„Ich kann nicht, hier ist keine Klinke."

„Das ist nicht dein Ernst?"

„Leider doch... scheiße!"

Frustriert ließ Robert seinen Kopf gegen die Stahltüre sinken, atmete tief durch und versuchte die Verzweiflung, welche von ihm Besitz zu ergreifen schien, zu unterdrücken.

„Vielleicht... vielleicht kann ich die Türe ja irgendwie aufbrechen. Marcus geh mal zur Seite bitte."

Entschlossen nahm der junge Russe einige Schritte Anlauf und stieß dann so kräftig wie er konnte gegen die Türe, welche nicht einmal wackelte. Dafür tat ihm jetzt die Schulter weh. Wunderbar. Er nahm erneut ein wenig Anlauf und wiederholte die Prozedur einmal. Und dann nochmal. Und nochmal. Und...

„Robert, das bringt doch nichts, du verletzt dich nur dabei. Lass es."

„Nein... das muss doch...ich muss doch...du...scheiße!"

Er hätte beinah laut aufgeschrien, stattdessen beschränkte er sich darauf, einmal gegen die Tür zu schlagen und sich dann verzweifelt die Haare zu raufen. Er musste doch was tun können, um Marcus aus seiner Lage zu befreien.

„Atme tief durch. Mach eine Pause, bitte. Dann kannst du es nochmal probieren. Und wenn nicht musst du halt Hilfe holen, immerhin weiß jetzt ja jemand wo ich bin..."

„Was ist eigentlich passiert? Also...wie?"

Er hörte Marcus durch die Türe seufzen und stellte sich vor, wie der andere gerade in exakt derselben Position auf der anderen Seite der Tür stand, eine Hand auf den Stahl gelegt, die andere in die Hüfte gestützt.

„Ich wollte mich vor einem Reporter verstecken. Das... Gott, das ist so albern! Der Typ hat mir die letzten Rennen schon immer so komische Fragen gestellt und ist mir auf die Pelle gerückt...und der hat wohl irgendwo hier in der Umgebung rumgestanden und als ich dann den Crash hatte und mich ein wenig zurückziehen wollte, da hab ich ihn gesehen und er kam in meine Richtung, also bin ich getürmt und wollte mich verstecken und da war dieser Container und ich dachte mir 'warum eigentlich nicht' und dann hab ich die Tür zugemacht und erst dann gemerkt, dass hier innen nur ein Knauf ist und keine Klinke und ich hab gerufen, aber mich hat niemand gehört, oder wollte niemand hören, keine Ahnung... und... und ich hab wirklich versucht hier raus zu kommen, das musst du mir glauben Rob, ich wollte dich nicht versetzen aber es kam niemand und ich dachte, niemand sucht nach mir und..."

Der Schwall an Worten, welcher aus dem Mund des Neuseeländers gekommen war, war immer leiser geworden, sodass es Robert schwergefallen war, alles zu verstehen, was der andere gesagt hatte und als sich jetzt noch ein leises Weinen in das Gestammel mischte, sprang Robert in Aktion. Er musste zu Marcus. Jetzt. Musste den Jüngeren in seine Arme schließen. Er wollte sich überhaupt nicht vorstellen, wie dieser sich in den letzten Stunden gefühlt haben musste.

„Marcus, geh weg von der Tür."

Er wartete einige Sekunden um sicherzugehen, dass dieser die Anweisung verstanden hatte, wollte diesen auf keinen Fall verletzen, falls es ihm gelingen sollte, die Tür zu durchbrechen, dann warf er sich erneut mit seinem vollen Körpergewicht gegen die Tür. Einmal. Zweimal. Ein leichtes Zittern fuhr durch die Tür, doch sie blieb an Ort und Stelle. Dreimal. Es knackte leise, doch bewegen tat sich noch immer nichts. Viermal.

„Robert, was tust du da?"

Die Stimme seines britischen Kollegen ertönte hinter ihm und Robert hätte sich am liebsten selber geohrfeigt, als im wieder einfiel, dass er sich ja nicht alleine auf die Suche begeben hatte und jederzeit die anderen zur Hilfe hätte rufen können. Aber das brachte jetzt niemandem etwas und so trat er auf Callum zu und fiel ihm kurz um den Hals, ehe er ihn die letzten Schritte zu dem Container zog.

„Rob, was..."

„Ist das Cal?"

„Marcus?!"

„JA! Gott sei Dank habt ihr mich endlich gefunden, ich dachte schon..."

„Was machst du denn in einem Container?"

„Das könnt ihr später klären, zuerst müssen wir ihn da rausholen. Aber ich krieg die Tür nicht auf, alleine ist das einfach zu wenig Kraft. Du musst mir helfen!"

Flehend sah er zu dem Briten auf und stieß erleichtert die Luft aus, als dieser nickte. Nicht, dass er etwas anderes von ihm erwartet hätte, aber dennoch...

„Okay...auf drei?"

Und so wurde Marcus zum dritten Mal an diesem Abend mitgeteilt, dass er in Deckung gehen sollte und wenige Augenblicke später prallte die doppelte Kraft in Form von Callum und Robert gegen die Türe, welche ächzte und knirschte und Millimeter für Millimeter nachzugeben schien. Es brauchte noch weitere drei Anläufe, dann war endlich das erlösende Geräusch des berstenden Türschlosses zu hören und die Wucht des Stoßens schlug die Tür mit voller Kraft gegen die dahinter liegende Wand. Während Callum der Schwerkraft zum Opfer fiel und mit dem Boden Bekanntschaft schloss, schaffte es Robert, sich auf den Beinen zu halten und stolperte ein paar Schritte hinein in den fensterlosen Container in dem Versuch, sein Gleichgewicht wiederzuerlangen, und kam dann vor Marcus zum Stehen. Ohne groß nachzudenken zog er den Jüngeren in eine halsbrecherische Umarmung, war sich sicher, dass dieser blaue Flecken davontragen würde, doch das schien ihm nichts auszumachen, denn er erwiderte die Umarmung mit mindestens gleicher Stärke, vergrub sein Gesicht in Roberts Halsbeuge und schluchzte dann auf.

„Rob..."

„Hey, pscht, ich bin da. Alles ist in Ordnung. Komm..."

Ohne sich von dem anderen zu lösen, zog Robert ihn mit sich hinaus ins Freie. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Callum mit jemandem telefonierte – wahrscheinlich Mick – und checkte kurz ab, ob dieser den Sturz unbeschadet überstanden hatte, dann lenkte er seine volle Aufmerksamkeit wieder auf den jungen Neuseeländer in seinen Armen, welcher immer noch an ihn geklammert war, als würde sein Leben davon abhängen und immer wieder von herzzerreißenden Schluchzern geschüttelt wurde. Sanft legte Robert seine Hand in Marcus' Nacken, ließ seine Finger durch die kurzen Haare wandern und ließ so ein paar Momente verstreifen, bevor er ihn ein wenig von sich wegschob und sanft versuchte, dessen Tränen abzuwischen.

„Geht es dir gut?"

Leise, nicht mehr als ein Flüstern. Einige Sekunden starrte Marcus ihn einfach nur aus seinen wässrigen, wunderschönen Augen an, dann nickte er zaghaft und Robert atmete erleichtert aus, schloss die Augen und ließ seine Stirn gegen die seines Gegenübers sinken.

„Ich hatte Angst um dich."

„Es tut mir leid."

„Da brauchst du dich doch nicht für entschuldigen, das hätte doch niemand ahnen können."

„Das mein ich ja auch nicht. Tut mir leid, dass ich unser Treffen ruiniert habe."

„Ich... dachte kurz du wärst abgehauen, weil du keine Lust mehr hast."

Dieses Mal war es an Marcus, den jungen Russen energisch von sich zu schieben und dann seine Hände an dessen Gesicht zu legen.

„Das würd ich niemals machen. Ich hab mich so drauf gefreut. Und ich würde unser Date wirklich gerne nachholen, aber jetzt gerade brauch ich einfach nur eine Dusche und ein Bett."

Mit großen Augen blinzelte Robert dem Neuseeländer entgegen und versuchte zu verarbeiten, was dieser da gerade gesagt hatte.

„Date? Du meinst so wirklich..."

„Ja... also schon.. also natürlich nur wenn du willst, ich dachte..."

„Herrgott nochmal! Ihr beide seid schlimmer als pubertierende Jugendliche! Natürlich will er! Ihr beide liegt mir seit Wochen in den Ohren und immer wieder 'Callum, sags ihm nicht, aber...' Nix aber. Jetzt kriegt es endlich geschissen, ihr seid verdammt anstrengend!"

Callum, den die beiden schon vollkommen vergessen hatten, stützte die Hände in die Hüfte und sah dabei aus wie eine Mutti, die ihren Kindern gerade einen Einlauf erteilt hatte, und blickte fordernd zu ihnen.

„Dann, ja, dann würd ich gerne so richtig offiziell mit dir auf ein Date gehen, Marcus."

Strahlend blickte Marcus zu ihm auf und zog ihn dann spontan nochmal in eine feste Umarmung.

„Ich freu mich drauf."

„Na wenn wir das ja jetzt geklärt haben, könnten wir uns dann so langsam wieder in Richtung Hotel bewegen? Ich hab noch ein Leben neben dem Amor spielen."

„Date-Night mit Mick?"

„Ein Gentleman genießt und schweigt, Armstrong."

„Warte, warte, warte. Du wusstest davon?"

Mit großen Augen blickte Robert zwischen den beiden besten Freunden hin und her. Marcus zuckte nur kurz mit den Schultern und zuckte dann mit den Schultern, ehe er nach Roberts Hand griff und sich dann langsamen Schrittes auf den Weg machte.

Der Weg zum Hotel dauerte lange, alle gemeinsam hatten sich entschieden, nicht mit de Auto zu fahren sondern die frische Luft zu genießen. Doch für Robert hätte es nicht lange genug dauern können, viel zu sehr genoss er es, Hand in Hand mit Marcus durch die Gegend zu laufen. Doch alle schönen Momente müssen mal enden und so hatte der junge Russe Marcus bis zu seinem Zimmer gebracht, sich dann mit einer festen Umarmung verabschiedet und zum gehen gewandt, als er die leise Stimme des Jüngeren hinter sich hörte.

„Würdest du noch mit zu mir aufs Zimmer kommen? Ich will gerade nicht alleine sein."

„Klar, wenn du das gerne hättest."

Dankbar lächelte Marcus ihm entgegen und setzte dann schweigend den Weg fort.

Und wenn sie an diesem Abend im Bett aneinander gelehnt eingeschlafen und am nächsten Morgen eng umschlungen wieder aufgewacht waren, dann würde es niemanden wundern.

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